Notfälle im Kindes- & Jugendalter Dr. Manuel Wilhelm Facharzt für Pädiatrie - Notfallmedizin - Kinderklinik Aschaffenburg Abt. päd. Intensivmedizin / Neonatologie
Aus der Sicht des Kinderarztes … Abbildung 2 Risiko 1, 2 und 3 Fieberkrampf- Rezidive 2 Jahre nach dem ersten Fieberkrampf zu erleiden bei Kindern mit 0, 1, 2 und 3 Risikofaktoren für ein Fieberkrampf-Rezidiv; die 3 Risikofaktoren sind: Alter beim ersten Fieberkrampf <18 Monate, Temperatur <39 °C, Anamnese von Fieberkrampf im 1. Verwandtschaftsgrad (modifiziert nach Berg et al. [9]). Tabelle 2: Differentialdiagnose der Synkope neurologisch/ neurovaskulär metabolisch / endokrin psychiatrisch zerebrale Blutung zerebrale Ischämie zerebrale Vasokonstriktion Migräne Epilepsie Hirndruck Encephalitis Subclavian Steal-Mechanismus Hypoglykämie Hypokalzämie (im Rahmen einer Hyperventilation) Intoxikation (CO, Drogen etc.) Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion Diabetes insipidus Anämie Tumoren Depression Konversionssyndrome Panikattacken Münchhausen by proxy … möglichst kompliziert!
Aus der Sicht des Rettungsdienstes … Krankes Kind „Scoop & Run!“ … möglichst einfach!
Häufigkeit pädiatrischer Notfälle Seltene Einsätze! - Rettungs- und Krankentransport 1.5% - Notarzteinsätze etwa 5% 3 % Neugeborene 15% Säuglinge 55% Kleinkinder 26% Schulkinder < 1% Jugendliche
Wichtige kindliche Besonderheiten Respiratorisches System Geringerer Atemwegsdurchmesser: Rasche Zunahme des Atemwegs-widerstandes Respiratorische Probleme sind die häufigsten Gründe pädiatrischer Reanimationen Herz-Kreislaufsystem Volumenmangel bzw. Blutverluste können kaum kompensiert werden Herzminutenvolumen wird über HF reguliert: Gefahr der plötzlichen Dekompensation Wärmehaushalt Schlechte Temperaturregulation: Rasche Auskühlung Sonstiges Eltern und Kind miteinbeziehen Aussagen der Eltern ernstnehmen!
Hohe emotionale Belastung! Probleme Schwierige Versorgung Unzureichende Erfahrung Unzureichende Technik Häufig fehlende Mitarbeit Manchmal schwieriger Umgang mit Eltern Hohe emotionale Belastung!
Kinderreanimation 1900
Kinderreanimation 2009 Einteilung in: Neugeborene (Erstversorgung, CPR nach Geburt) Säuglinge (unter 1 Jahr) Kinder (1 Jahr bis Pubertät) Jugendliche (ab Pubertät) = Erwachsene Basismaßnahmen („Basic Life Support“ - BLS) Erweiterte Maßnahmen („Advanced Life Support“ - ALS)
Atemwege Atemwege freimachen Beseitigung offensichtlicher Atemwegsverlegungen Überprüfung der Atmung
Beatmung Mund-zu-Mund + Nase (Säuglinge) Mund-zu-Mund (Kinder) Mund-zu-Nase (Jugendliche / Erwachsene) Am Besten: Beutel-Masken-Beatmung Beatmungsdauer 1-1,5 sec Visuelle Kontrolle Beginn mit 5 initialen Atemhüben (nur bei Kindern bis zur Pubertät)
Jugendliche / Erwachsene Circulation Säuglinge Kinder Jugendliche / Erwachsene Pulskontrolle (max. 10 sec.) Brachialis-puls Karotispuls Kompressions-punkt Brustkorb-mitte Kompressions-technik 2-Finger 1-Handballen 2-Handballen Verhältnis 15 : 2 30 : 2
Circulation Frequenz ca. 100/min (alle Altersklassen) Regelmäßiger Helferwechsel ist Pflicht Keine intermittierenden Pulskontrollen! Nach erfolgreicher Intubation kontinuier- liche HDM!
Drugs Zugang intravenös oder intraossär Adrenalin Atropin Amiodaron 10 µg / kg 1 ml / 10 kg [ bzw. 1 mg ] [bei Standardverdünnung 1ml (=1mg) Adrenalin + 9 ml NaCl] Atropin 10-30 µg / kg 2 ml / 10 kg [ bzw. 1-3 mg ] [bei Standardverdünnung 1ml (=0.5mg) Atropin + 4 ml NaCl] Amiodaron 5 mg / kg [bzw. 300 mg ]
Bevorzugt Verwendung eines AED + Kinderelektroden! Elektrotherapie Bevorzugt Verwendung eines AED + Kinderelektroden! Säuglinge / Kinder: 4 J/kg Jugendliche / Erwachsene: 150-200 J (biphasisch, herstellerabhängig) 360 J (monophasisch) Platzierung anterior-lateral, evt. auch anterior-posterior
Pediatric Basic Life Support / Leitlinie des ERC 2005
Pediatric Advanced Life Support / Leitlinie des ERC 2005
Spezielle pädiatrische Notfälle Bronchiolitis Fieberkrampf Fremdkörperaspiration Ingestion / Intoxikation Meningokokken-Meningitis / -Sepsis Neugeborenenversorgung Kindliches Trauma Pseudokrupp Verbrennung / Verbrühung
Bronchiolitis Besonderheiten: - Typisch im 1.+2. LJ - Häufig wenig Symptome! - Tachypnoe, evt. Stridor - gelegentlich Apnoen To Do: - O2-Gabe, Sättigungsmessung - Keine zusätzliche Aufregung! - Evt. Inhalation (NaCl, Suprarenin)
Fieberkrampf Besonderheiten: - Typisch im Kleinkindesalter - Dauer < 15 min - Meistens im Rahmen eines Infektes To Do: - Kind vor Verletzungen schützen - Seitenlage, evt. O2-Vorhalt - Evt. medikamentöse Krampfunterbrechung (z.B. Diazepam) bei längerer Dauer - Temperaturmessung, ggf. Fiebersenkung (z.B. Paracetamol)
Fremdkörperaspiration 1 Besonderheiten: - Typisch im Kleinkindesalter - Plötzlicher Beginn mit Husten & Luftnot - V.a. Erdnüsse, Karotten- und Apfelstücke To Do: - Kind beruhigen - Sichtbaren Frendkörper entfernen - O2-Gabe - Weiteres Vorgehen gemäß Algorithmus!
Fremdkörperaspiration 2
Ingestion / Intoxikation Besonderheiten: - Kleinkindesalter, aber auch Jugendliche (Intoxikationen) - V.a. Kleinteile (z.B. Knopf-batterien, Münzen), Reinigungs-mittel, Tabletten, Drogen To Do: - Grundsätzlich Vorstellung in Kinderklinik! - Evt. Wasser trinken lassen - Fragliche Substanzen mitnehmen
Meningokokken- -Sepsis, -Meningitis Besonderheiten: - Sehr schlechter AZ! - Hohes Fieber, evt. Nackensteifigkeit - Petechien, evt. beginnende Hautblutungen To Do: - Schnellstmöglicher Transport in Kinderklinik! - Schocktherapie, O2-Gabe - Umgebungsprophylaxe
Neugeborenenversorgung Besonderheiten: - Sehr selten! In der Regel gesunde reife Neugeborene ohne Probleme To Do: - Abtrocknen & Stimulieren - Warmhalten - Abnabeln - Evt. Absaugen, O2-Gabe - Im Extremfall: BLS ! (Verhältnis 3:1)
Kindliches Trauma Besonderheiten: - V.a. Verkehrsunfälle, Stürze - Blutverlust wird oft unterschätzt - Größere Unterkühlungsgefahr To Do: - Schocktherapie, O2-Gabe - Ausreichende Analgesie - Bei schwerem Trauma: BLS! Bei unklarem Trauma: An Kindesmisshandlung denken!
Pseudokrupp Besonderheiten: - Meistens nächtlicher Beginn - Bellender Husten - Inspiratorischer Stridor To Do: - Inhalation mit Suprarenin - evt. Cortison rektal - Frischluft, O2-Gabe - Keine zusätzliche Aufregung!
Verbrennung / Verbrühung Besonderheiten: - Überwiegend Verbrühungen (Tee, heißes Wasser) - Bei Verbrennungen häufig auch Inhalationstrauma To Do: - Kühlung mit Leitungswasser für max. 10 min, dann steriles Abdecken - Ausreichende Analgesie - Vermeidung weiterer Auskühlung - O2-Gabe bei V.a. Rauchgasinhalation
Keine Angst vor Kindernotfällen! Zusammenfassung Konsequente Durchführung von Basismaßnahmen (Monitoring, O2-Gabe, Lagerung, Analgesie) Der größte Anteil pädiatrischer Notfälle ist bereits mit geringer Unterstützung und wenigen Medikamenten erfolgreich zu stabilisieren Eltern & Kind beruhigen, selbst Ruhe bewahren Keine Angst vor Kindernotfällen!
Viel Erfolg! Dr. Manuel Wilhelm Facharzt für Pädiatrie - Notfallmedizin - Kinderklinik Aschaffenburg Abt. päd. Intensivmedizin / Neonatologie