Bildungsreform und Situationsansatz Dr. Christa Preissing.

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Bildungsreform und Situationsansatz Dr. Christa Preissing

Die erste Bildungsreform in den 1970er Jahren (West) Historischer Kontext, Sputnikschock : Beginn des Zeitalters der Weltraumfahrt. Die Sowjets starteten überraschend den ersten Satelliten. Befürchtungen der kapitalistischen Welt vor einer Vorherrschaft der Sowjetunion im Bereich „High-Technology“ und einer damit einhergehenden militärischen Überlegenheit.  Internationale Vergleichsstudien zu den Bildungssystemen in Ost und West  1964: Feststellung der deutschen Bildungskatastrophe durch Georg Picht  1965: Gründung des Deutschen Bildungsrats mit dem Auftrag langfristige Empfehlungen für die Entwicklung des Bildungs- systems zu erarbeiten Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 2

Die erste Bildungsreform in den 1970er Jahren (West) Historischer Kontext, Deutscher Bildungsrat 1966 bis 1975 Arbeitsbereich Vorschulerziehung unter Leitung von Jürgen Zimmer  1970: Strukturplan für das Bildungswesen  Kindergarten als Elementarstufe des Bildungssystems  Lebenslanges Lernen als durchgängiges Prinzip  Förderung von Begabungsreserven  Forschungsförderung zu „Begabung und Lernen“ Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 3

Die erste Bildungsreform in den 1970er Jahren (West) Historischer Kontext, Deutscher Bildungsrat und Deutsches Jugendinstitut (DJI): Arbeitsbereich Vorschulerziehung unter Leitung von Jürgen Zimmer  1972/1973: Geburtsstunde des Situationsansatzes mit Modellversuchen des DJI in Hessen und Rheinland-Pfalz  1973: Empfehlungen des Deutschen Bildungsrats zur Einrichtung eines Modellprogramms für Curriculumentwicklung im Elementarbereich Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 4

Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 5 Der Arbeitsbereich „Vorschulerziehung“ im DJI – heute „Kinder und Kindertagesbetreuung“ „Gründung und Aufschwung (…) waren aufs engste verknüpft mit der Bildungsreform der 1970er-Jahre. Damals wie heute wurde dem über Jahre hinweg von der Bildungspolitik wenig beachteten Elementarbereich plötzlich große Aufmerksamkeit zuteil. … (damals) ausgehend von der Kritik eines an Geborgenheit und Mütterlichkeit orientierten Selbstverständnisses des Kindergartens, heute ausgehend von der Kritik an einer fehlenden Präzisierung des Bildungsauftrags (…) Damals wie heute kam ein entscheidender Anstoß von außen, damals war es der Sputnik-Schock, heute sind es die Ergebnisse der PISA-Studie, und damals wie heute waren Befürchtungen um die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der Bundesrepublik gewichtige Argumente.“ (DJI-Bulletin, 2003)

Quantitativer Ausbau in den 1970er Jahren 1970 existierten für ca. 30% der Kinder im Kindergartenalter Plätze in einem Kindergarten 1978 waren es bereits ca. 90%  Professionalisierung des Erzieherberufs – von der Kindergärtnerin zur staatlich anerkannten Erzieherin  Kindergartengesetze in allen Bundesländern auf der Grundlage des bundesweiten Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 6

Die Kontroversen der 1970er Jahre Frühere Einschulung? Kompensatorische Programme für die Unterschicht? Optimale Schulvorbereitung?  Ist die Schule der bessere Bildungsort?  Defizitorientierte Förderprogramme?  Eigenständiger Bildungsauftrag des Kindergartens? Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 7

Die Antworten des Situationsansatzes Entrümpelung des schulischen Bildungsbegriffs - Erweiterung und politische Profilierung des Bildungsbegriffs:  Bildung ist mehr als die Reproduktion von Wissen und Können, über das die Erwachsenen verfügen  Bildung ist die Entwicklung eigensinniger Persönlichkeiten; Bildung ist die Entwicklung solidarischer Gemeinschaften und: Bildung ist die Emanzipation von unterdrückenden Verhältnissen. (P. Freire) Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 8

Die Antworten des Situationsansatzes Lebensweltorientierung  Kinder sind eingebunden in ein komplexes Umfeld und sie empfinden, handeln und denken in diesem.  Eltern sind Experten für die Lebenssituationen ihrer Kinder – sie sind die wichtigsten Partner für die Pädagog(inn)en  Die Welt ist weit vielfältiger als eine Kita oder eine Schule. Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 9

Die Antworten des Situationsansatzes Partizipation  Kinder bestimmen von vorneherein mit, wie sie ihr Leben in der Kita und in ihrem Umfeld gestalten wollen.  Eltern wirken mit und bringen ihre eigenen Vorstellungen, Ideen und Erfahrungen ein.  Erzieher(innen) entwickeln ihre Kita nach eigenen Vorstellungen und sind selbst Lernende Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 10

Die Antworten des Situationsansatzes Gleichheit und Differenz  Alle Kinder sind gleich und jedes Kind ist besonders!  Geschlechtsspezifische, soziale, ethnisch-kulturelle und individuelle Verschiedenheiten der Mädchen und Jungen und ihrer Eltern werden wahrgenommen, reflektiert und anerkannt. Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 11

Die Antworten des Situationsansatzes Einheit von Inhalt und Form  Das Bild vom Kind als eigensinnigem Subjekt gilt auch für die Erzieherin/ den Erzieher als eigensinniger Person.  Die Anerkennung von Verschiedenheit auf der Basis relevanter Gemeinsamkeiten gilt für das Team ebenso wie für die Kindergemeinschaft.  Die gemeinsam erarbeitete Konzeption ist die Basis. Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 12

Das Erprobungsprogramm im Elementarbereich 1975 bis 1978 Wissenschaftliche Begleitung durch das DJI  Erprobung mehrerer Curricula – u.a. „Elementare Sozialerziehung“ aus Niedersachsen  Am häufigsten gewählt: das Curriculum zum Situationsansatz „Soziales Lernen“ des DJI Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 13

Vergleichsstudie Kindergarten – Vorklasse an der Grundschule (NRW) Die Frage nach der Zuordnung der Fünfjährigen  Vergleich der Schulleistungen von Kindern, die entweder eine Vorschulgruppe im Kindergarten, eine altersgemischte Gruppe im Kindergarten oder eine Vorklasse in einer Grundschule besucht haben Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 14

Vergleichsstudie Kindergarten – Vorklasse an der Grundschule (NRW) Ergebnis:  Kinder, die drei Jahre eine altersgemischte Gruppe im Kindergarten besucht hatten, zeigten im vierten Grundschuljahr die besten Leistungen  Zwischen Vorschulgruppe im Kindergarten und Vorklasse an der Schule keine signifikanten Unterschiede Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 15

Vergleichsstudie Kindergarten – Vorklasse an der Grundschule (NRW) Bildungspolitische Konsequenz:  Keine Vorverlegung der Schulpflicht  In vielen Bundesländern parallele Strukturen: Kindergarten und Vorklassen mit Wahlrecht der Eltern Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 16

Der Situationsansatz in den 1980er Jahren Ausbau von Ganztagskindergärten Integration von Kindern mit Behinderungen Entwicklung von Konzepten interkultureller Erziehung und Bildung  Alltagssituationen und die Rhythmisierung des Tages rücken ins Zentrum  Differenzierung der Arbeit orientiert am individuellen Entwicklungsstand  Von der Ausländerpädagogik zu interkulturellen Begegnungen und Anerkennung kultureller Verschiedenheit Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 17

Der Situationsansatz in den 1990er Jahren 9. November 1989 – Fall der Mauer – : die Vereinigung 1990/1991 – das KJHG /SGB VIII 1996 Gründung der INA gGmbH an der FU mit dem Institut für den Situationsansatz  Projekt Kindersituationen in den neuen Bundesländern (1993 bis 1998)  Lebensweltorientierung, Partizipation und Integration als allgemeine Prinzipien der Kinder- und Jugendhilfe Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 18

Der Situationsansatz in den 2000er Jahren und bis heute Qualitätsentwicklung und Evaluation  Nationale Qualitätsinitiative (NQI) – eines von vier Teilprojekten: „Qualität im Situationsansatz“  Entwicklung von 16 konzeptionellen Grundsätzen und dazugehörigen Qualitätskriterien und Evaluationsverfahren mit der Praxis Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 19

Der Situationsansatz in den 2000er Jahren und bis heute Bildungsprogramme auf der Basis des Situationsansatzes:  Berlin (2004)  Saarland (2005)  Hamburg (2005) entwickelt vom Institut für den Situationsansatz Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 20

Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 21 Implementierung des Berliner Bildungsprogramms  2006 Qualitätsvereinbarung zwischen Senat und Trägern der Kitas (QVTAG)  Konzeptionsentwicklung, Interne Evaluation, Externe Evaluation, Fortbildungsplanung und Kooperation mit den Grundschulen auf der Grundlage des BBP verbindlich für alle Kitas  Gründung des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung (BeKi)in der INA – beauftragt von der Senatsverwaltung  BeKi steuert und begleitet die Implementierung

Familie im Kontext von Kindheitsforschung/ Prof. Dr. Jutta Ecarius / 22 Kontakt und Information  