„Gib mir Lineal!“ Migrationsspezifische Mehrsprachigkeit Univ.-Prof. Mag.Dr. İncі Dirim.

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 Präsentation transkript:

„Gib mir Lineal!“ Migrationsspezifische Mehrsprachigkeit Univ.-Prof. Mag.Dr. İncі Dirim

Vortragsstruktur Spracherwerb in einer migrationssprachlichen Umgebung (theoretisches Modell in Anlehnung an Bronfenbrenner 1981) Formen des Sprachgebrauchs in einer migrationssprachlichen Umgebung (Ergebnisse empirischer Untersuchungen) Deutsch als Zweitsprache als migrationsspezifische Performanz Pädagogische Relevanz

Spracherwerb in einer migrationssprachlichen Umgebung (nach Bronfenbrenner 1981) Makrosystem: Z.B. Gesellschaft Exosystem: Z.B. Medien Mesosystem: Z.B. Beziehungen zwischen Kita und Eltern Freunde Mikrosystem Familie Mikrosytem: Z.B.: Kita

Sprachdominanzen Verschiedene Sprachstände in den einzelnen Sprachen Auswirkung der sozialräumlichen Umgebung auf die Entwicklung der Sprachkompetenzen (Reich 2005)

Sprache und Herkunft Erwerb und Gebrauch von Sprache nicht immer an eine bestimmte Herkunft gebunden (Dirim & Auer 2004) Beispiel (Auszug aus dem Datenbestand Dirim & Auer 2004): Hans: Ay Kaiserstraße’de biri oturuyo, o da Ahmet'in arkadaşı galiba, Ercan bana bugün dedi. (Oh, in der Kaiserstraße wohnt jemand, es ist wohl ein Freund von Galip, Ercan hat es mir heute erzählt) Fikri: He. (Ja.) Hans: Yepyeni ford mondeo duruyo abi, yepyeni! (Ein ganz neuer Ford- Mondeo stand da mein Freund, ganz neu!) ((Unterhaltung wird fortgesetzt.))

Formen des Sprachgebrauchs 1.Die Kenntnis und der „unmarkierte“ Gebrauch verschiedener Sprachen und Sprachregister 2.Veränderter, manchmal auch „markierter “ Gebrauch der einzelnen Sprachen (z.B. ethnolektal) 3.Lernervarietäten 4.Neuschöpfungen 5.Sprachalternation (Code-Switching, Code- Mixing, Transfer, Übersetzung)

Der „unmarkierte“ monolinguale Sprachgebrauch Umgangssprachliches (Standard-)Deutsch Umgangssprachliches (Standard-)Türkisch Schriftliches Deutsch Schriftliches Türkisch Dialekte, Soziolekte des Deutschen und des Türkischen Verschiedene Register der monolingualen Sprachen

Migrationsspezifisch veränderter Gebrauch der einzelnen Sprachen „Türkendeutsch“: Syntaktische Veränderungen des umgangssprachlichen Standarddeutsch kurze und dicht aufeinanderfolgende (einander nachgestellte) Äußerungen der Einsatz einer bestimmten Satzmelodie Sprachalternation der Transfer türkischer Wörter und Äußerungsteile ins Deutsche (Dirim & Auer 2004; Kern & Selting 2006a und dies. 2006b)

Beispiele: „Hast du ateş“? (Dirim & Auer 2004) „Dann bin ich Gesamtschule ´rübergegangen“ (Dirim & Auer 2004) „Gib mir Lineal!“ (Beobachtung einer Bremer Referendarin)

Ethnolektales Türkisch? Syntaktische Veränderungen Gebrauch deutscher Versatzstücke Beispiele: Ben Türkçe öğreniyorum. (Ich lerne Türkisch; Tafelanschrieb aus dem Türkischunterricht in Hamburg) Führerscheinınızı bizde yapınız! (Machen Sie Ihren Führerschein bei uns; Zeitungsanzeige in Gülender & Dirim 2002)

Lernervarietäten Hypothesen auf dem Weg des Erwerbs der Zielsprache Beispiel: „Das Katze will die Vogel fressen.“ (HAVAS- Erhebungen, Hamburg) „Der Vogel macht so.“ (HAVAS-Erhebungen, Hamburg)

Neuschöpfungen Beispiel: „Haltelippen“ statt „Zange“ (Hamburger Sprachstandserhebung Bumerang)

Sprachalternation „wallah jeg siger min storebror han skylder mig 700 kroner jeg skal have 350 i dag og 350 om to uger # I got paras # skal du til den der fest øh på fredag“ (Quist 2005, 150). „Also ich sag dir, mein großer Bruder schuldet mir 700 Kronen, heute habe ich 350 bekommen und 350 bekomme ich in zwei Wochen. Ich habe Geld! Gehst du am - ähm - Freitag zu dieser Party?“

Deutsch als Zweitsprache als migrationspezifische Performanz? Deutsch als Zweitsprache ist nicht nur eine Ansammlung von Übergangsphänomenen, Deutsch als Zweitsprache ist fester Bestandteil migrationsspezifischen sprachlichen Wandels Deutsch als Zweitsprache enthält kreatives Potential Deutsch als Zweitsprache ist eine Ressource Deutsch als Zweitsprache generiert Varietäten (z.B. „Gastarbeiterdeutsch“, „Türkendeutsch“

Bezug zur Lehrerausbildung Akzeptanz des Deutschen als Zweitsprache als persönliche Ressource Anknüpfungspunkte für reflexive Anteile des Deutschunterrichts (vgl. Rösch 2005) Zugang für die partnerschaftliche Begegnung zu Familien, die Deutsch als Zweitsprache sprechen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dirim, İnci & Semra Gülender (2002): Belegte Brötçın. In: Grundschule Sprachen, Heft 8, Jg. 2, S Hu, Adelheid (2003): Schulischer Fremdsprachenunterricht und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit. Tübingen (Narr) Kern, Friederike & Margret Selting (2006a): Einheitskonstruktionen im Türkendeutschen: Grammatische und prosodische Aspekte. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 25,

Kern, Friederike & Margret Selting (2006b): Konstruktionen mit Nachstellungen im Türkendeutschen. In: Deppermann, Arnulf u.a. (Hrsg.):; Grammatik und Interaktion. Untersuchungen vom Zusammenhang von grammatischen Strukturen und Gesprächsprozessen. Verlag für Gesprächsforschung, S Quist, Pia (2000): Ny københavsk ‚multietnolekt‘. Om sprogbrug blandt unge i sprogligt og kulturelt heterogene miljøer. In: Danske talesprog 1, S

Reich, Hans H. (2005): Die sprachliche Entwicklung türkisch-deutscher Grundschüler in Hamburg. Unveröffentlichter Projektbericht. Universität Koblenz-Landau Rösch, Heidi (2005): „Hast du Problem - oder was?“ Zur Entfaltung von Sprachregistern. In: Lernchancen, 8. Jg. (48), S