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Veröffentlicht von:Adalheidis Ames Geändert vor über 10 Jahren
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Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie
Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie
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Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung
I. Wiederholung: Probleme des gerechten Krieges II. Das Völkerrecht und die modernen Kriege 1. Michael Walzer, Just and Unjust Wars (1977) 2. Völkerrechtliche Bestimmungen 3. Die „neuen Kriege“ (Herfried Münkler) Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 2
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I. Wiederholung: Probleme des gerechten Krieges Voraussetzungen: Gewalteinsatz von Individuen und Gruppen (Staaten) gegen andere Individuen und Gruppen kann gerechtfertigt sein (einschließlich Tötung). Hauptgrund: Alternative wäre Unterwerfung unter einen Aggressor, der zu allen möglichen Untaten zwingen kann (Folgen des Pazifismus) Krieg kann durch Regeln (Verbote, Erlaubnisse, Rechte, Pflichten) eingeschränkt werden (gegen „inter arma silent leges“, „war is hell“). Unterscheidung „gerechter Krieg“ Durch Gründe auch für Feinde und Dritte zu rechtfertigender Krieg (bellum justum). Krieg für eine gerechte Sache (justa causa), für die Verbreitung der Gerechtigkeit (auch: die Abschaffung des Krieges), unter Umständen auch durch Angriff. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 3
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Unterscheidungen der Arten des Kriegs- bzw. Völkerrechts Recht zum Krieg (jus ad bellum) Recht im Krieg (jus in bello) Recht nach dem Krieg (jus post bellum) Recht im Frieden (Achtung: Das Recht nach dem Krieg ist auch das der Kriegsbeendigung. Andererseits überschneidet es sich mit dem Recht im Frieden) Klassische Resultate und Probleme: Ad 1: Kriegsgründe Regeln: Verteidigung gegen Angriff, Ahndung von Schädigung und Rechtsverletzung, Gewaltsame Wiedergutmachung bzw. Rück- eroberung. Kriegserklärung durch rechtmäßige Autorität, Zu- stimmung der Bevölkerung (Republik). Schaden abschätzen, Vermeidungsmöglichkeiten ausschöpfen (ultima ratio). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 4
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Klassische Resultate und Probleme (2): Ad 1: Kriegsgründe (Forts.) Probleme: Wer entscheidet über die Rechtsverletzung? Wie weit muss man zurückgehen (z.B. bei Rückeroberung)? Darf man bei schwerem Unrecht (Tyrannis, Völkermord, Menschenrechtsverletzung) intervenieren? Wie weit geht das Recht auf Prävention (Gebiets- erweiterung, Aufrüstung, Vorbereitung, Beginn etc.) Wer ist zur Kriegserklärung berechtigt? Verteidigung bei Überraschung und gegen nicht erklärte Angriffe (executive privilege)? Ad 2: Recht im Krieg Regeln: Rechte der Zivilisten und Kombattanten unterscheiden. Den Gegner in seinen Rechten achten (u. U. von dessen Unschulds- überzeugung ausgehen). Bestimmte Waffen nicht benutzen (Gift, Biowaffen, Nuklear- waffen etc.). Sich an Absprachen halten, keine Rache erzeugen, Frieden ermöglichen. Probleme: Nicht beabsichtigte Nebenschäden. Druck auf die Bevölkerung zur Kriegsverkürzung. Krieg gegen Übermacht (Besatzung) bzw. gegen nicht-unterscheidbare Feinde (Partisanen etc.). Extreme Bedrohung (Nuklear). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 5
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Klassische Resultate und Probleme (3) Ad 3: Recht nach dem Krieg. Regeln: Kriegsbeendigung ohne List und Vorteilsnahme. Vertrauensbildende Schritte (Feuerpause, Waffenstillstand, Rück- zug, Demobilisierung, Beendigungsvertrag, Friedensvertrag). Probleme: Mißtrauen, Zeitgewinn (Erholung, Zermürbung, Sanktions- wirkung). Garantie (durch Dritte, Sanktionsaufhebung, rechtliche Legitimierung etc.). Kriegsgerichte, Reparationen, Schwächung der Unterlegenen und Revanchismus ( z.B. „Versailler Diktat“ und „Dolchstoßlegende“). Ad 4: Recht im Frieden Regeln: Neutralität, Recht auf Verteidigungsbündnisse, Rüstung, ökonomischer Wettbewerb. Probleme: Pflicht zur Verteidigung Dritter? Recht auf Missachtung von Neutralität im Notfall? Einkreisung durch Bündnisse und „Nicht- verbreitung“? Gleichgewichtsbedrohung? Sanktion des Völker- rechts? Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 6
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Barack Obama, Nobelpreisrede Oslo Dez. 09: „Philosophers, and clerics and statesmen seek to regulate the destructive power of war. The concept of a >just war< emerged, suggesting that war is justified only when certain conditions were met: if it is waged as a last resort of self-defense; if the use of force is proportional; and if, whenever possible, civilians are spared from violence“ „Terrorism has long been a tactic, but modern technology allows a few small men with outsized rage to murder innocents on a horrific scale“ „A non-violent movement could not have halted Hitler‘s armies. Negotiations cannot convince al Qaedas leaders to lay down their arms“. „(Afghanistan) is a conflict that America did not seek; one in which we are joined by 42 other countries – including Norway – to defend ourselves and all nations from further attacks“ Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 7
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II. Das Völkerrecht und die modernen Kriege 1. Michael Walzer (Just and Unjust Wars, 1977) Allgemeine Voraussetzung: Krieg kann gerechtfertigt sein, aus verschiedenen Gründen (Verteidigung, Befreiung etc.). Soldaten können also aus subjektiv berechtigten Gründen Krieg führen (sind keine „Mörder“). Es gibt Regeln, an die man sich halten muss. Die wichtigste: Kämpfer von Nicht-Kämpfern zu unterscheiden und letztere zu schonen. Besondere Probleme der Moderne: A. Bombenkrieg („Massenvernichtungswaffen“) und Zivilbevölkerung B. Partisanen-, Guerilla- und Befreiungskriege C. Terrorismus D. Nukleare Abschreckung Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 8
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A. Massenvernichtungswaffen und Schutz der Zivilbevölkerung Grundsatz des Kriegsrechts („in bello“): Zivilbevölkerung möglichst von Kampf-handlungen verschonen. Kollidiert mit: a) moderner Kriegstechnik: Waffen von immer größerer Zerstörungskraft b) moderner Kriegsführung: Artilleriekrieg, Luftkrieg, Kommunikation c) moderner Rüstungsindustrie: Fabriken, Zulieferer, Transport d) „totalen“ Kriegen: Wirtschaftskraft entscheidend Theorie der Doppelwirkung: Intendierte Zerstörung von Kampfkraft und in Kauf genommene „Kollateralschäden“. Walzer: Es kommt darauf an, Krieg nicht einfach als gesetzlose Katastrophe zu verstehen („war is hell – anything goes“), sondern die Unterscheidung zwischen unvermeidbarer Nebenwirkung und Terror gegen die Zivilbevölkerung aufrecht zu erhalten. Konsequenzen: Evakuierung für Zivilisten bei Belagerung, Wirtschaftsblockade nur gegen Kriegsgüter, nicht gegen Ernährung, Arzneimittel („smart sanctions“). Zerstörung nur von Rüstungsindustrie. Heute: Entwicklung zielgenauer Waffen, Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (Problem: preemptive strike, Monopol). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 9
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B. Partisanen-, Guerilla-, Befreiungskriege Problem: Können in einem unerklärten Krieg der Schwachen gegen die Starken (Besatzer) alle Mittel der Überraschung und der Täuschung benutzt werden? Kriegsrechtliche Unterscheidung zwischen Kriegs-, Waffenstillstands- und Friedenszeit verleiht den Kämpfern „Kombattanten-Status“ und den Zivilisten Rechtsgarantien. Die Aufhebung berechtigt die Überfallenen, Zivilisten wie Kämpfer zu behandeln und Gefangene wie gewöhnliche Verbrecher (Vorrecht der Kriegsgefangenen: Keine Straftat, „benevolent quarantine“). Walzer: Die Unterscheidung kann eingeschränkt aufrechterhalten werden, wenn die Kämpfer politische und militärische Einrichtungen bzw. Personen attackieren. Beispiele für internes Kriegs“recht“ der Guerilla (Mao, Cuba – vgl. Walzer 181). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 10
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B. Partisanen-, Guerilla-, Befreiungskriege (Forts.) Walzer: 1. Wenn Guerillakämpfer die Unterstützung der Bevölkerung haben, steht ihnen die Anerkennung als Kriegsrechtssubjekte zu. 2. Wenn das ganze Volk sich am Befreiungskrieg beteiligt, dürfen die Be- satzer nicht mehr Krieg führen (weil keine kriegsrechtliche Unter- scheidung möglich ist). Beispiel: Der amerikanische Krieg in Vietnam unterschied am Ende nicht mehr zwischen Guerillas, Unterstützern (supporters) und neutraler Zivil- bevölkerung, sondern bekämpfte undifferenziert die Landbevölkerung. An dieser Stelle wird die Unterscheidung Recht zum Krieg vs. Recht im Krieg aufgehoben: Zu einem solchen „kriegsrechtlosen“ Krieg gibt es kein Recht mehr. Ein Krieg direkt gegen die Zivilbevölkerung hat kein Recht „gewonnen zu werden“ (196). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 11
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C. Terrorismus Terror ist die Anwendung von Gewalt gegen Zivilisten, um durch Angst und Schrecken (terror) Druck auf Bevölkerungen und Regierungen (evtl. Besatzungs-macht und „Stellvertreterregierung“) auszuüben („Fortsetzung des Kriegs mit politischen Mitteln“). Wahllose Tötung zufällig an einem Ort befindlicher Menschen wegen Zugehörigkeit zu einem Regime, Volk, Rasse, Glauben („Ungläubige“). Terror kann ausgeübt werden: von Staaten gegen die eigene Bevölkerung (Jakobiner, Faschismus, „Todes- schwadrone“) von Staaten gegen Zivilbevölkerung anderer Staaten (unbegrenzter U-Boot- krieg, Bombenkrieg, Atombombenabwurf) c) von Guerillakämpfern bzw. –organisationen (Irische Aufständische und russische Anarchisten im 19./20. Jh., seit dem 2. Weltkrieg verbreitet in allen Erdteilen) Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 12
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C. Terrorismus (Forts.) Kriegsrechtliche und moralische Bewertung (nach Walzer): Irreguläre Gewalt, sogar geplante Tötung kann eingeschränkt moralisch re-spektiert werden, wenn sie sich gegen militärische oder hochrangige politische Träger einer unterdrückenden Macht richtet (Problem der Objektivierung der Kategorie „Unterdrückung“). In dem Maße, in dem sie den Kreis ausweitet (alle Staatsbeamten, alle Unter-stützer, alle Steuerzahler, alle Angehörigen des unterdrückenden Staates, eines Volkes, einer Religion, einer Rasse), verliert der Kampf jede kriegsrechtliche Rechtfertigung und Anspruch auf moralische Billigung (völlige Instrumenta-lisierung von Menschen). „In seiner modernen Form ist Terror die totalitäre Form von Krieg und Politik“ (203). Revolutionärer Kampf zeichnet sich dagegen durch Selbstbeschränkung in der Wahl der Mittel und der Feinde aus. Befreiungskrieger müssen sich zumindest teilweise an das Kriegsrecht halten und sich moralischen Gesetzen unterstellen. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 13
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D. Nukleare Abschreckung Nuklearbombeneinsatz ist unmoralisch, weil unbestimmte Massen von Nicht-kämpfern getötet werden weil Soldaten auf qualvolle Weise getötet werden (vgl. Gift, Chemie) Der erste Einsatz (Hiroshima) stellte die politische Aufgabe, Wiederholung zu verhindern. Eine Lösung: Abschreckung durch Drohung nuklearer Antwort. Also Drohung mit etwas selber Unerlaubtem, Unmoralischem. Das gilt auch für begrenzte Nuklearwaffen. Entweder dürfen sie in der Wirkung konventionelle Waffen nicht überschreiten, dann sind sie überflüssig und gefährlich. Oder sie lösen eine Eskalation aus, dann sind sie verboten. Dass man sie nicht wirklich einsetzen will, entschuldigt die nukleare Drohung nicht, weil der Einsatz nicht ausgeschlossen werden kann. Nukleare Ab-schreckung ist ein unmoralisches, aber in Einzelfällen als geringeres Übel zu entschuldigendes letztes Verteidigungsmittel gegen Erpressung. Abrüstung ist moralisch geboten. Aber: Ohne Sanktion, ohne Weltpolizei nicht endgültig durchführbar. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 14
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen Quellen des Völkerrechts sind Gewohnheitsrecht und Verträge zwischen den Staaten. Wichtige Beispiele: Pariser Seerechtsdeklaration (1856) Genfer Konvention von 1864, Genfer Abkommen von 1925, 1929 und 1949 Haager Abkommen von 1899 („Landkriegsordnung“) und 1907 Völkerbund (1919) und UN-Charta (1949), UN-Resolutionen Abrüstungsverträge zwischen USA und UDSSR Verbot der Antipersonenminen von 1997 Urteile des Internationalen Gerichtshofes (IGH) Entwicklung des modernen Völkerrechts: „Während sich das jus in bello während des 19. Jh. erheblich weiterentwickelte, war die Lehre von der Indifferenz des Rechts zum Krieg bis zum Ersten Weltkrieg positives Recht“. (M. Bothe in Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2001) Der Völkerbund führte ein Verfahren zur Kriegsverhinderung ein, kein Kriegsverbot. Zwangsmaßnahmen gegen den, der sich dem Verfahren nicht unterwirft. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 15
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen (2) Erste Verurteilung des Krieges im Briand-Kellog-Pakt Aber: Keine Sanktionen, nicht gegen unerklärte Kriege, Selbstverteidigung berechtigt. UN-Charta von 1949: Androhung oder Anwendung von Gewalt zwischen Staaten verboten. „Vom Kriegsverbot zum allgemeinen Gewaltverbot“. 1986 vom IGH als zwischenstaatliches Gewohnheitsrecht bestätigt. Probleme: Auch Angriff auf Stützpunkte? Wann ist Grenzverletzung „Gewalt“? UN-Resolution von 1970: Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts von Kolonien ist Verstoß gegen Gewaltverbot. Schwere Menschenrechtsverletzung bisher als „Friedensbedrohung“, aber nicht als Verstoß gegen Gewaltverbot anerkannt. Begriff der „Drohung“ unklar. Drohung mit Angriffskrieg rechtswidrig. Aufrüstung fraglich. Entwicklung und Erwerb von Massenvernichtungswaffen unter Verletzung von Verträgen zur Rüstungskontrolle „unter Umständen rechtswidrig“. Nukleare Abschreckung umstritten. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 16
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen (3) UN-Reformgruppe, Vorschlag 2005: Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Staaten (vor allem: Minderheitenverfolgung) kann die UNO gewaltsam intervenieren. Dabei müssen alle Bestimmungen des Kriegsrechts eingehalten werden. Definition von Hinsch/Janssen (Menschenrechte militärisch schützen. München 2006, S. 31 ff): Humanitäre Intervention ist gegeben wenn, ein Staat, eine Gruppe von Staaten oder eine internationale Vereinigung Militär in ein fremdes Staatsgebiet entsendet, um die Bevölkerung des fremden Staates vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen Es müssen „grundlegende Menschenrechte“ verletzt sein. 1. Deren Verletzung „für die Betroffenen unmittelbar mit schwerem Leid verbunden sind“ (Leben, körperliche Unversehrtheit, elementare Freiheiten) 2. Deren Gewährleistung Voraussetzung dafür ist, dass Personen überhaupt Rechte haben. 3. Ohne die eine „minimal achtbare politische Ordnung nicht vorliegt“ Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 17
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen (4) Rechtfertigungsgründe für Gewalt: Selbstverteidigung, auch Beistand (aber: Verhältnismäßigkeit). Angriff muss aber vorliegen, präventiv unzulässig (umstritten). (2) Ausübung des Selbstbestimmungsrechts (nicht einhellig, aber mit Mehrheit in einigen Resolutionen). Umstritten: Hilfe dazu von anderen Staaten. (3) Schutz eigener Staatsangehöriger in fremden Staaten. Aber: Zustimmung des betroffenen Staates. (4) Humanitäre Intervention. Bei blutiger Unterdrückung und schwerer Verletzung der Menschenrechte. Umstritten. Breit akzeptiert nur bei Zustimmung des Sicherheitsrates (Somalia, Ruanda, Haiti etc.). (5) Entscheidung Internationaler Organisationen (UNO). Entspricht der UN-Charta. Aber bisher nur: Beauftragung von Staaten, notwendige Maßnahmen zur Sicherung von Selbstverteidigung (Kuwait) oder Menschenrechten (Somalia etc.) zu ergreifen. (6) Seit den neunziger Jahren (vor allem nach 9/11): Erklärungen des Sicherheitsrates, dass terroristische Attacken eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen, die das Recht auf Selbstverteidigung (umstritten) und internationale militärische Einsätze unter UN-Mandat rechtfertigen (z.B. ISAF in Afghanistan) Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 18
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen (5) Recht im Krieg Allgemeiner Grundsatz: Legitime militärische Ziele dürfen nur mit legitimen Mitteln angegriffen werden. Legitim: den anderen Staat in seiner militärischen Widerstandskraft schwächen. Verbot „überflüssiger Leiden“. Der Umgang mit Zivilisten und Kombattanten unterliegt dem Völkerrecht, den Grundsätzen der Menschlichkeit und den „Forderungen des öffentlichen Gewissens“. Schutz der Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen. Auswahl der Ziele muss notwendig sein. Flächenbombardements verboten. Angriff auf Infra- struktur von Großstädten umstritten. Geschützte Objekte: Krankenhäuser, Kulturgüter, Dämme und Deiche, Kernkraftwerke, „Umwelt“ (schwierig). 2. „Perfidieverbot“. Vortäuschen einer besonderen Schutzsituation (Rotes Kreuz). Gift- und Mordverbot. 3. Verbot besonderer Waffen: Explosivgeschosse der Infanterie, Minen, Brandwaffen, chemische Waffen (Gas), Biowaffen, Laserwaffen gegen Personen, Strahlenwaffen (taktische Nuklearwaffen nicht endgültig geklärt). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 19
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2. Völkerrechtliche Bestimmungen (6) Recht im Krieg (Forts.) 4. Schutz der Wehrlosen. Verwundete und Kranke, wer sich ergibt, Zivilisten schonen und durch Hilfsaktionen unterstützen. Besonderes Recht der Kriegsgefangenen: Sachen und Gebrauchsgegenstände behalten, Lager entfernt von Kampfhandlungen, religiöse, geistige und körperliche Betätigung, Disziplinar- und Strafrecht des Gewahrsamsstaates mit völkerrechtlichen Garantien, Freilassung nach Kriegsende. Zivilisten befeindeter Staaten: Recht das Land zu verlassen, notfalls Internierung, Rechte analog Kriegsgefangene. Kriegerische Besetzung: Besatzungsmacht ist für die Wohlfahrt verantwortlich. Rechtsordnung soll intakt bleiben, Privateigentum respektieren, notfalls entschädigen. Keine eigenen Bürger ansiedeln. Sanktionen: „Repressalien“ (Sanktionen), Internationale Ermittlungs-kommissionen, Internationale Gerichtshöfe. Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 20
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3. Die neuen Kriege Begriff: „Neue“ Kriege a) nicht mehr von Staaten gegen andere Staaten b) überwiegend unter Verletzung von Kriegsrecht Historisch: In der europäischen Geschichte und dem Völkerrecht ist vom Ende des 30jährigen Krieges bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts der Krieg „zivilisiert“ („gehegt“ etc.) worden. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gibt es eine Regression: Zunahme an antikolonialen Befreiungskriegen, Bürgerkriegen, Stammes-kriegen, gewaltsamen ethnischen und religiösen Konflikten. Die Kriegführung in diesen Kriegen wird ohne hohen technischen Aufwand und Kosten für die Rekrutierung und Entlohnung von Soldaten geführt. Ihre Hauptabsicht ist oft der Druck auf die Zivilbevölkerung bis hin zu systematischer Folter (Vergewaltigung etc.). (Herfried Münkler, Die neuen Kriege, Hamburg 2002) Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 21
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3. Die neuen Kriege (2) Bedingungen: Politisch: Zerfall staatlicher Gewaltmonopole. Vergeblicher Versuch des Aufbaus eines Staates in entkolonialisierten oder von Großstaaten (Sowjetunion) befreiten Ländern. Rückkehr der Macht von religiösen Verbänden in säkularisierten Staaten („Fundamentalismen“ vs. Modernisierung, Gegensätze von Stammesreligionen oder von Konfessionen). Möglichkeit der Medien-beeinflussung (Druck auf die Weltöffentlichkeit). Ökonomisch: Möglichkeit der Kriegführung mit technisch einfachen („leich-ten“) und preiswerten Waffen (Pick-up, Kalaschnikoff, Handy, PC). Reservoir arbeits- und perspektivloser Jugendlicher. Einnahmen durch Plünderung und Erpressungsgelder (Schutz von Hilfsgüterkonvois, Flüchtlingslager). Unterstützung durch Glaubensgenossen (Petrodollars), Finanzierung durch Rauschgifthandel. Parasitäre Teilnahme an internationalen Finanz- und Rohstoffspekulationen. Psychologisch: Erniedrigung durch Ausschluss von ökonomischem und tech-nischem Fortschritt. Zusammenprall von Kulturen (liberal-säkular vs. traditionell-religiös, Patriarchat vs. Emanzipation). Verlust historischer Bedeutung (arabische Welt, Türkei, Sowjetunion). Verletzung durch körperliche Kriegseinwirkungen, Folter, Vertreibung (Rache, Kompensationen). Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 22
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3. Die neuen Kriege (3) Verhältnis zum Völkerrecht und zur Moral Keine autorisierten Militärführer Keine erklärten Kriege Keine Unterscheidung Zivilisten vs. Kombattanten Terrorisierung von Zivilisten, besonders Frauen, als militärisch-politisches Ziel Benutzung verbotener Waffen (Autobomben, Giftgas, Biowaffen) Interner Terror (Liquidierung von Konkurrenten und Abtrünnigen) Möglichkeit der Eindämmung Versuch der Herstellung stabiler Staaten mit „demokratischen“ Strukturen (Teilautonomien, Repräsentation, gemeinsame Ressourcennutzung, Zugang zu Märkten und Verteidigungsbündnissen). Vermittlung durch Dritte (UNO, Staatenbünde, Supermächte). Militärische Interventionen zum Schutz von Minderheiten, Menschenrechten (humanitäre Intervention), gegen atomare Bedrohung, gegen Monopole a) durch Völkergemeinschaft (UNO) b) durch Einzelstaat als Weltpolizei Prof. Ludwig Siep - Gewalt und Internationale Rechtsordnung 23
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