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Praktische Philosophie der Neuzeit

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Präsentation zum Thema: "Praktische Philosophie der Neuzeit"—  Präsentation transkript:

1 Praktische Philosophie der Neuzeit
Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie der Neuzeit 2. Machiavelli, Renaissance und frühe Neuzeit

2 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I
Machiavelli, Der Fürst (Il Principe), 1513 geschrieben, posthum 1532 veröffentlicht. Deskriptive (empirisch-anthropologische) Theorie der Bedingungen stabiler Herrschaft. Machiavelli lehnt die Staatsformenlehre der aristotelischen Tradition ab. „Gut“ ist nicht die Herrschaft für das Gemeinwohl, sondern die stabile Herrschaft. Unter deren verschiedenen Möglichkeiten diejenige, die am meisten „virtu“, Beherrschung des Schicksals durch tatkräftige Individuen ermöglicht. Nicht die traditionelle Moral, sondern der dauerhafte Erfolg und ein „ästhetischer“ Tugendbegriff sind ausschlaggebend. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 2

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Zwei grundsätzliche Formen der Herrschaft: a) Republik (Herrschaft einer Gruppe mit Ausgleich zwischen den Klassen einer Gesellschaft nach dem Vorbild der römischen Republik, erörtert in den „Discorsi“, 1522). b) Fürstenherrschaft, entweder Erbfürstentum oder Herrschaft durch Eroberung (Gegenstand des „Principe“). Besonders schwierig und besonderer Beweis individueller virtu ist die Herrschaft durch Eroberung (Condottieri). Machiavelli vergleicht beide nicht nach Wertmaßstäben. Bemerkungen in den „Discorsi“ legen nahe, dass in der Republik mehr Individuen frei sind und virtu entfalten können, die Herrschaft durch Eroberung aber die größten Individuen voraussetzt bzw. erzeugt. Der „Fürst“ ist ein „umgekehrter Fürstenspiegel“. Nicht die Individualtugenden des Fürsten sind Bedingungen guter Herrschaft, sondern die strategisch klugen, unter Umständen drastischen („tyrannischen“) Maßnahmen sind Bedingungen von Machterwerb und Erhaltung. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 3

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„Amoralische“ Herrschaftstechnik auf der Grundlage einer „animalischen“ und nicht positiv sozialen Natur der Menschen: Jeder will sein eigenes Glück und seine Macht vergrößern. Die Herrschaftsmittel der Tyrannis sind „richtig“, wenn sie Herrschaft begründen und stabilisieren. Differenz zwischen dem mittelalterlichen und dem frühneuzeitlichen (Renaissance) Fürstenspiegel: mittelalterlich: finale Betrachtung nach den Bewegungen der Lebewesen zur ihrer Bestimmung, ihrem wahren Glück als Tugend b) frühneuzeitlich: kausale Betrachtung der Techniken, durch die in den nie völlig kontrollierbaren (fortuna) Machtkämpfen eine stabile Herrschaft durch große Individuen ausgeübt werden kann c) mittelalterlich: Die Ethik bzw. Tugendlehre ist der Maßstab der Politik. Es kommt auf den guten Herrscher an, der das Gemeinwohl fördern und die Bürger zur Tugend führen kann. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4

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d) frühneuzeitlich: Politik hat andere Zwecke als die Moralisierung der Bürger. Es geht ihr um stabile Herrschaft ohne Bürgerkrieg und um tatkräftige Führung. e) mittelalterlich: Entscheidende Differenz zwischen Monarchie und Tyrannis, Lehre eines begrenzt berechtigten Widerstandes. f) frühneuzeitlich: Aufhebung der Differenz zwischen Monarchie und Tyrannis, Ersetzung durch empirische Kriterien der Stabilität, Ablehnung des Widerstandsrechts. Historische Einschränkung zu Machiavelli: Zeitalter des Kampfes um den Einfluss in Italien durch auswärtige Mächte (Kaiser, Frankreich) und konkurrierende italienische Kleinstaaten (Florenz, Mailand, Venedig, Neapel, Papst). Ständige Bürgerkriege zwischen Aristokraten, Großbürgern und Königs- bzw. Papstanhängern in den einzelnen (Stadt)Staaten und in wechselnden Bündnissen. Drastische Mittel in diesen Kämpfen sogar zwischen den „Parteien“ formell verfasster Stadtrepubliken (Hinrichtungen, Verbannungen, bewaffnete Kämpfe). Beispiele in Machiavellis „Geschichte von Florenz“. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 5

6 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I
Politisch hat M. der republikanischen Partei in Florenz angehört und auf eine Einheit Italiens hingearbeitet. Deshalb galt er später als „heimlicher“ Republikaner, dessen amoralische Politik für den Fürsten nur als historisch vorübergehende Notmaßnahme gedacht war. In der praktischen Philosophie markiert er aber den Beginn einer moralfreien, empirisch-realistischen und machttechnischen Konzeption der politischen Philosophie, deren systematische Grundlage von Hobbes und Spinoza „nachgeliefert“ wird. In der Renaissance und frühen Neuzeit konkurrieren mit der realistischen Theorie des Machiavelli die platonistischen Utopien von Morus (Utopia 1517), Campanella (Sonnenstaat 1623) und Bacon (Nova Atlantis 1626). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 6

7 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I
Historische Prozesse bzw. Ereignisse, die zur „Neuzeit“ führen: 1. Renaissance: Wiederentdeckung von antiker Bildung, privater Gelehrsamkeit (Humanismus), empirischer Naturbetrachtung (auch in der Malerei) und individueller Kreativität (Künstler, Feldherr, Staatsgründer). Gründung privater Banken, Einfluss der Bank- und Handelsherren auf Politik und Kunst (Medici, Fugger). 2. Reformation: Spaltung des einheitlich-christlichen Glaubens in Konfessionen. Auflösung der Einheit von Staat und Kirche. Emanzipation des individuellen Gläubigen (Gewissen, Bibellektüre) vom Lehramt. „Demokratische“ Vorstellungen von Glaubensgemeinschaft (allgemeines Priestertum, Freikirchen) und politischer Gemeinschaft (Dissidenten-Kolonien, Idee des religiösen und staatlichen Bundesvertrages etc.). Religiöser Bürgerkrieg (Civil war in England, 100jährige Konfessionskriege in Frankreich, 30-jähriger Krieg in Mitteleuropa). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 7

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3. Neue Wissenschaft: Beginn der mathematischen und experimentellen Naturforschung (Bacon, Galilei, Harvey). Analogie zwischen Maschinen und Natur, Ausbildung der klassischen Mechanik (Leonardo, Galilei, Descartes, Newton). Versuch der Axiomatisierung aller Wissenschaften („more geometrico“). Schrittweise Lösung der Naturwissenschaft vom biblischen Schöpfungsbericht und der klassischen Teleologie (Zweckerklärung von Naturprozessen). 4. Beginn der Emanzipation des städtischen Bürgertums, des Handels, des Privateigentums, der Lohnarbeit („Eigentumsmarktgesellschaft“). Forderung des individuellen Rechts auf vertraglichen Erwerb und Veräußerung von Eigentum (incl. Grundeigentums). Zurückdrängung königlicher und kirchlicher Herrschaft über Gewissens- und Bewegungsfreiheit (bis Shaftesbury, „Habeas Corpus“, Locke, „Bill of Rights“). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 8

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Staatsutopien Genre: Reiseromane mit Erzählungen über ideale Staaten auf fernen Inseln, (Tradition seit der Antike, erneuert im Zeitalter der Entdeckungen und Kolonialisierung), mythische Erzählungen des „Goldenen Zeitalters“ und philosophische Konstruktionen des Idealstaates (vor allem Platons „Politeia“) Wichtigsten Autoren für Renaissance und frühe Neuzeit: - Thomas Morus Utopia 1517 (engl. Staatskanzler, , hingerichtet) - Tommaso Campanella, Sonnenstaat 1623 (Mönch, , eingekerkert ) - Francis Bacon, Nova Atlantis 1638 (engl. Staatskanzler, , 1620 abgesetzt, Text posthum) Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 9

10 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I
Statt empirisch-realistischer, an der Geschichte orientierter politischer Philosophie (Machiavelli) konstruktive Erzählungen in „gesellschafts-kritischer“ Absicht. Kritisiert werden Luxus und Verelendung, die Folgen des entstehenden Privateigentums an Land („enclosures“), das drakonische Strafrecht etc. „Utopia“: Philosophische Grundlage ist ein „spiritualistischer Hedonismus“ (Lustprinzip, aber geistige Freuden höher als körperliche) und eine Theorie der natürlichen Bedürfnisse. Optimale Erfüllung wird garantiert durch strenge rationale Planung und Ausschaltung von Konfliktmöglichkeiten. Folgen: Eigentumslosigkeit („Kommunismus“), Egalitarismus (aber Standes- und Geschlechterunterschiede), Abschaffung des Geldes, Regulierung und Öffnung der Familien (Anzahl der Kinder, Gemeinschaftsmahlzeiten für je 30 Familien etc.), Beschränkung der Bewegungsfreiheit (Reisegenehmigung), Regelung der Arbeit (Arbeitsethos, Verkürzung von Freizeit und oberflächlichen Vergnügen) und des Alltagslebens (Kleiderordnung). Herrschaft der gewählten, aber teils lebenslänglich tätigen Experten (Philosophen). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 10

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„Sonnenstaat“ ist noch konstruierter, stärker an den platonischen Schriften (Politeia, Timaios) orientiert. Wie bei Platon gänzliche Auflösung der Familie (Gemeinbesitz der Frauen, Paarungskontrolle, Züchtungsideen) und ausgefeiltes Erziehungssystem. Ausgefeiltes Strafsystem mit „totalitärer“ Gesinnungskontrolle (Priesterherrschaft). Grundlage ist eine merkwürdige Synthese von Christentum, platonistischer Kosmologie und Astrologie. „Nova Atlantis“ ist die liberalste der Utopien. Der Text ist Fragment, die Eigentumsordnung wird nicht behandelt. Überwiegend den wissenschaftlich-technischen Seiten der Lebensverbesserung gewidmet („Haus Salomons“ als „Wissenschaftlerorden“ mit Labors, experimentellen und technologischen Einrichtungen, incl. Biotechnologie). Entsprechend hat Bacon in London die Royal Society mitgegründet und gilt als einer der Väter des wissenschaftlich-technischen Empirismus (vgl. L. Schäfer, Das Bacon-Projekt; W. Krohn, Bacon – Reihe Große Denker, Beck-Verlag). Alle drei Texte in: Der utopische Staat, Übers. u. mit einem Kommentar „Zum Verständnis der Werke“ etc. hrsg. v. K. J. Heinisch. Reinbek b. Hamburg 1960 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 11

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Renaissance und frühe Neuzeit: a) Platonischer Kommunismus in den „Renaissanceutopien“ (Morus, Campanella, Bacon): Streng rational deduzierte Staatsordnungen, mit wenig Individualfreiheit und extremer Planung (Gemeineigentum, geregeltes Alltagsleben, Auflösung der Familie etc.) b) „amoralischer“ Individualismus (Machiavelli): Herrscher stabiler Staaten (vor allem Neugründer) müssen mit dem Egoismus der Menschen, ihrem grenzenlosen Macht- und Genussstreben rechnen. Freiheit und Tugend (virtù) bestehen in der geschickten Ausnützung der unvorhersehbaren Umstände, um persönlichen Aufstieg und dauerhafte Institutionen zu schaffen. c) Theorien des souveränen Zentralstaates (Jean Bodin, ): Gegen die Zersplitterung der Herrschaften und Gerichtsbarkeiten ist die Gesetzesherrschaft des Territorialstaates und die Unabhängigkeit des Staates von der Kirche nötig: „Unter dem Staat versteht man die am Recht orientierte souveräne Regierungsgewalt (gouvernment) über eine Vielzahl von Haushaltungen und das, was ihnen gemeinsam ist“. „Unter der Souveränität ist die dem Staat eigene absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt zu verstehen“. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 12

13 Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I
Jean Bodin ( ): Acht Kennzeichen der Souveränität (Sechs Bücher über die Republik, 1583): 1. Recht der Gesetzgebung (incl. Privilegien) 2. Entscheidung über Krieg und Frieden 3. Recht der letzten Instanz 4. Ernennung und Absetzung von Beamten 5. Besteuerung 6. Begnadigung 7. Geldwertfestlegung 8. Recht, Eide der Untertanen entgegenzunehmen Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 13


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