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Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie

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Präsentation zum Thema: "Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie"—  Präsentation transkript:

1 Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie
Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie II Einführung in die politische Philosophie

2 Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie
2. Teil der Vorlesung. Frage: Ist der Staat vernünftig? Antwort: Ja, weil die Natur des Menschen ohne Staat zu einem unerträglichen Zustand führen müsste („negatives Ja“, nicht: Vollendung der Natur des Menschen im Staat). Paradigmatisch bei Thomas Hobbes ( ) 1. Naturzustand: Menschen sind sich selbst erhaltende und auf „Impuls- steigerung“ (Macht, Ehre, Genuss) angelegte „Atome“. Ihr Sozialtrieb beschränkt sich auf „Bandenbildung“ zu erhöhter Sicherheit. Alle einzelnen und Banden bleiben aber für die anderen potentiell lebensgefährlich (durch Überraschung, Heimtücke etc.). 2. In diesem Zustand hat jeder ein „Recht“ auf alle Mittel seiner Selbsterhaltung, die er für notwendig hält. Dieses „Recht auf alles“ ist aber hinsichtlich seiner Durchsetzbarkeit nichts wert (von niemanden anerkannt, ständig bedroht). Alle bleiben wechselseitig „gewaltbereit“. Dies ist ein Zustand des „bellum omnium contra omnes“ (kalter Krieg, ständige Gewaltbereitschaft). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 2

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3. Dieser Zustand (status naturalis) ist für jeden schlecht, weil er keine Zeit hat, auf Vorrat zu wirtschaften und keine Ruhe, mit anderen zu tauschen. Es lässt sich also nur ein „zivilisatorisches Minimum“ erreichen („solitary, brutish, nasty, and short“). 4. Es gibt einen Ausweg, wenn der Steigerungstrieb und die prophylaktische Aggression gedämpft ist durch Furcht voreinander. Die „Stimme der Vernunft“ eines jeden kann dann hörbar werden. Sie zeigt jedem den Weg und die Mittel zum Frieden („dictamina rectae rationis“). Um ihn zu realisieren, müssen aber alle gleichzeitig auf die private Gewalt (und die Entscheidung über ihren Einsatz) verzichten. Das können sie sich nur leisten, wenn im gleichen Augenblick eine Übermacht (über jede Bande) entsteht, die ihnen Sicherheit garantiert: der „Souverän“. Er kann das garantieren, wenn jeder ihm Gehorsam zusichert (Verwandlung der privaten „Waffen“ in staatliche bzw. polizeiliche). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 3

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5. Wenn dies durch Vernunfteinsicht geschieht (und nicht durch Eroberung eines Gewaltmonopols), hat es die Form eines Vertrages. Dieser ist: a) Vertrag (bzw. Vertragskette) eines jeden mit jedem über die Einsetzung eines Souveräns, der nicht zugleich Vertragspartner ist (lege absolutus, keine Pflicht zur Rechenschaft, kein Kündigungs- bzw. Widerstandsrecht). Zugleich Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag: Eine Gesellschaft mit anerkannten Rechten entsteht nur zugleich mit einer Durchsetzungsgewalt („Verträge ohne ein Schwert sind nur Papier“). Einsetzungsvertrag einer Souveränität über alle Rechtskonflikte (oberste Gerichtsbarkeit), auch über Religionskonflikte (Festlegung der öffentlichen Seite der Religion, Prinzip: „Jesus ist Gottessohn“, „Jesus is the Christ“). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 4

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6. Erfahrungsgemäß am besten geeignet für eine solche Aufgabe ist ein Monarch, aber auch „Gruppenherrschaft“ ist legitim. Christliche Monarchen werden selten zum Tyrannen, nicht nur aus „Stabilitätsgründen“, sondern auch wegen ihres Seelenheils. Erfahrungsgemäß die größte Sicherheit für ihre Herrschaft bietet größtmögliche Liberalität gegenüber den Bürgern, solange „law and order“ gesichert ist. 7. Aufgelöst ist diese Herrschaft, wenn der Gehorsam und das Gewaltmonopol zusammenbricht. Dann tritt der Naturzustand wieder ein und jeder hat erneut sein privates Gewaltrecht. Für den einzelnen gilt dies auch in lebensbedrohlichen Situationen (Notwehr, unfreiwilliger Kriegsdienst, Todesstrafe). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 5

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Hobbes, Naturgesetze (Leviathan, Kap. XIII) Allgemein: Ein Gesetz der Natur, lex naturalis, ist eine von der Vernunft ermittelte Vorschrift oder allgemeine Regel, nach der es einem Menschen verboten ist, das zu tun, was sein Leben vernichten oder ihn der Mittel zu seiner Erhaltung berauben kann, oder zu unterlassen, wodurch (d.h. durch welche Unterlassung) es seiner Meinung nach am besten erhalten werden kann. Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, soweit er Hoffnung hat, ihn zu erlangen; und wenn er ihn nicht erlangen kann, so „mag“ (may: darf, soll) er sich um alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges bemühen und sie benutzen. Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenso dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung willen für notwendig hält. Er soll sich mit so viel Freiheit anderen gegenüber zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde. Gerechtigkeit: Einhaltung der Verträge (Eigentum, Trennung von Legalität und Moralität, Billigkeit). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 6

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Dankbarkeit Entgegenkommen (complaisance), Geselligkeit (commoditas) 6. Verzeihung früherer Angriffe bei Sicherheitsversprechen für die Zukunft 7. Maßvolle Vergeltung - Strafe als correction und direction (Besserung) - keine Grausamkeit 8. Verbot von Verachtung und Demütigung durch Tat, Wort, Miene oder Gebärde 9. Respekt vor der Gleichheit der Menschen - kein Hochmut 10. Keine Privilegien, keine Anmaßung (Recht auf Körper, Luft, Wasser, Verbindungswege von Ort zu Ort etc. steht jedem zu). 11. Unparteilichkeit des Richters, Billigkeit 12. Gleicher Gebrauch gemeinsamer unteilbarer Güter für alle Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 7

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Bei unteilbaren und nicht gemeinsam nutzbaren Gütern: gesamter Besitz oder erster Gebrauch durch Los. (wie 13 bei nicht gemeinsam genießbaren und nicht teilbaren Gütern) Vereinbartes Los oder natürliches Los. Natürlich: Erstgeburt oder erste Besitzergreifung (prima occupatio, first seizure). Unantastbarkeit von Mittlern, Richtern etc. Sich einem Schieds- oder Richterspruch unterwerfen Keiner Richter in eigener Sache Kein befangener Richter Zeugen für Tatsachenentscheidungen Zusammenfassung und Prüfstein: Goldene Regel (was Du nicht willst, was man dir tu, das füg´ auch keinem anderen zu) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 8

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I. Interne Probleme in Hobbes praktischer Philosophie 1. Folgt das Streben nach dem Zuwachs an Macht, Ehre und (exklusivem) Genuß wirklich aus den mechanistischen Annahmen? Selbsterhaltung als Impulserhaltung ja, aber „Impulssteigerung“? 2. Wie passt es zum „Gesetz“ der Selbsterhaltung, dass der Mensch nach Hobbes um des geistigen Genusses der Ehre willen sein Leben aufs Spiel setzt? Gehört die Steigerung der geistigen Lust noch in den mechanistischen Rahmen? 3. Passt das Todesrisiko um der Ehre willen zum „summum malum“ der Furcht vor gewaltsamem Tod? 4. Wie passt die Überlegung, die meisten Menschen seien eher friedfertig, müssten sich aber gegen die Gruppe der Maßlosen (“arrogantes“) verbünden in das naturphilosophische Modell? Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 11

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5. Wie passt die „naturrechtliche“ These des (Vernunft)-rechts auf alles im Naturzustande zum rechtsphilosophischen „Positivismus“, nach dem es ohne staatliche Gesetze überhaupt kein „gut“ und „böse“, „recht“ und „unrecht“ gibt? Ist der Begriff „Recht“ im Natur- zustand ein irreführender Begriff (Rousseau), weil es keinen Unter- schied zwischen Macht und Recht, Können und Sollen gibt? 6. Ist die These, es gebe kein Recht zum Widerstand, aber mit dem Zusammenbruch des Rechtsfriedens bzw. der persönlichen Bedrohung (Todesstrafe, Wehrpflicht) trete ein Naturrecht ein, konsistent? Ist sie mehr als das Konstatieren eines Faktums? 7. Ist es plausibel, dass man alle Gewalt auf ein Individuum oder eine Gruppe überträgt, das im Naturzustand bleibt, also auf sein Gewaltrecht nicht verzichtet? Müßte der Souverän nicht auch zuvor auf seine private Gewalt verzichten? Wäre er dann nicht Vertragsmitglied und könnte wegen privater Gewalt (tyrannisch: zum eigenen Nutzen) verklagt werden? Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 12

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II. Zweifel an den Prämissen des Hobbes. 1. Die mechanistische Antriebslehre ist empirisch zweifelhaft. Es gibt andere Antriebskräfte teils natürlicher (genetisch, hormonell, neuronal), teils kultureller Herkunft (Traditionen, Erziehung, soziale Anpassung, persönliche Überzeugung etc.). 2. Auch der radikale Individualismus ist fragwürdig (Gruppenorientierung, Prägung durch soziale Wertmuster). 3. Das Streben nach Steigerung ist nicht allgemein-anthropologisch nachweisbar, wenngleich weit verbreitet, vor allem in gesetzlosen Zuständen. 4. Die Furcht vor gewaltsamem Tod ist empirisch nicht als über- wältigendes Motiv nachweisbar (vgl. Abenteurer, Berufssoldat, Bewohner von Gegenden mit hoher Gewaltkriminalität, Reisen etc.). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 13

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5. Empirisch-historisch ist das Misstrauen gegen unkontrollierte staatliche Gewalt nicht prinzipiell geringer als das gegen „Banden“ (mögliche Stabilität in staatsfreien Räumen). 6. Die Unterwerfung aller unter einen unkontrollierbaren Souverän ist auch nach Vorteilsüberlegungen problematisch. 7. Der Rechtspositivismus entspricht nicht den traditionellen und weit verbreiteten Wertungen: Auch langfristig stabile Gesetzessysteme werden als ungerecht, tyrannisch etc. beurteilt. 8. Der Ansatz bei unbegrenzten Individualrechten einer „atomistischen“ Gesellschaft und der Umschlag in einen restlosen Rechtsverzicht enthält eine prinzipielle Spannung. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 14

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9. Verbreitet ist die Kritik, Hobbes orientiere sich an einem bestimmten kulturellen Menschenbild, das er als „Natur“ hypostasiere. So vor allem sozialgeschichtliche Autoren (Borkenau, McPherson, vgl. Willms). Es lässt sich aber nicht zeigen, dass Hobbes Thesen auf den „Frühkapitalismus“ beschränkt sind oder gar Gruppen- oder Klasseninteressen vertreten. Insgesamt: Historische Erfahrungen und der heutige Stand von Philosophie und Wissenschaften bestätigen nur Teile des Hobbesschen Systems (vor allem: Folgen des Verlustes von staatlichen Gewalt- monopolen, Misstrauen, Probleme der Abrüstung von Konflikt- parteien etc.), seine durchgängige Schlüssigkeit kann nicht behauptet werden. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 15

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Literatur: B. Willms, Die Antwort des Leviathan, Neuwied/Berlin 1970 F. Borkenau, Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild. Nachdr. Wiss. Buchgesellschaft. CB. McPherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus. Frankfurt/M U. Bermbach, K.M. Kodalle, Furcht und Freiheit. Opladen 1982. M. Esfeld, Mechanismus und Subjektivität in der Philosophie von Thomas Hobbes. Stuttgart- Bad Cannstatt 1995. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 16

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III. Bedeutung für die Entwicklung der praktischen Philosophie der Neuzeit 1. Paradigma der systematischen Ableitung der Grundlagen von Recht und Staat 2. „Voraussetzungslose“ Argumentation unter Abstraktion von Traditionen, Religion, Theologie etc.: Ausgangspunkt ist die wissenschaftlich erkennbare Natur des Menschen und der daraus resultierende natürliche Zustand der Gesellschaft. 3. Individualismus: Ausgangspunkt der Rechtfertigung von Rechten, Pflichten, Institutionen sind die Rechte des Individuums vor aller Bindung. Diese Rechte müssen trotz der notwendigen Einschränkungen in der Substanz erhalten bleiben. Gegen Hobbes werden sie aber später durch eine Theorie der Menschenrechte und der Kontrollen staatlicher Gewalt (Gewaltenteilung, Widerstandsrecht etc.) gesichert. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 17

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Voraussetzung für die Sicherung individueller Rechte, vor allem der Rechtsgleichheit aller Individuen, ist ein souveräner Staat, der in allen rechtlichen Fragen (nach innen und nach außen) die letzte Entscheidungsbefugnis hat. 5. Dieser Staat ist in der Lage, verschiedene religiöse und philo- sophische Überzeugungen zu tolerieren und gewaltsamen Streit darüber zu verhindern. Der Toleranzspielraum ist bei Hobbes noch sehr klein (christlicher Glaube, Trennung von öffentlichen Handlungen und privaten Überzeugungen), wird aber seit Spinoza und Locke sehr ausgeweitet. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 18

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Überblick über die Staatsphilosophie vor Hobbes (nach der Antike) Mittelalter: „Platonische“ Ständegesellschaft (Herrschaft der Weisen und Staatsverteidiger, d.h. Klerus und Adel, über die „produktiven“ Stände, Bürger und Bauern), aber mit aristotelischen Elementen: Selbständige Familien mit Eigentum, Gesetzes- herrschaft, Gerechtigkeit und Freiheit vor Unterdrückung als Maß der Herrschaft und Grundlage für Tyranniskritik und Widerstandsrecht. Ein Beispiel für eine hochmittelalterliche Theorie der christlichen Monarchie: Thomas v. Aquin, Über die Herrschaft des Fürsten (De regimine principum), 1265. Normative Theorie guter Herrschaft. Finale (teleologische) Betrachtungsweise. Alle Tiere streben nach dem Glück, die meisten instinktgeleitet. Dem Menschen fehlen natürliche Stärken (Mängelwesen), er sucht sein Ziel mithilfe der Vernunft. Der Mensch ist auf gegenseitige Hilfe angewiesen und kann sich mit Vernunft und Sprache verständigen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 19

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4. Er sucht mit der Vernunft sein individuelles Glück, für das Gemeinwohl braucht er eine Leitung. 5. Ziel der sozialen Leitung ist die Einheit und Harmonie (unitas, pax) der Bürger sowie deren Tugend (das wahre Glück und die Vollendung seiner Vernunftnatur). 6. Dies setzt Einigkeit der Herrschaft voraus. Daher ist ein einziger Herrscher (Monarch) besser als mehrere. 7. Der Monarch muss aber ein guter Mensch sein, sonst wird Allein- herrschaft zur Tyrannis, Herrschaft eines Schlechten zu seinem eigenen Vorteil statt für das Gemeinwohl. 8. Monarchie ist die beste, Tyrannis die schlechteste Herrschaft. Monarchie fördert Freundschaft, Tyrannis schürt Misstrauen und Zwietracht. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 20

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9. Monarchie soll aber nicht aus Angst vor Tyrannis vermieden werden, sondern der Umschlag soll verhindert werden: durch Auswahl eines guten Königs und durch Verfassung bzw. Vertrag. 10. Widerstand gegen den Tyrannen bei Bruch des Vertrages darf nicht „privat“ ausgeübt werden. Tyrannenmord ist nur erlaubt gegen Usurpatoren (Staatsstreich). Gerechter Widerstand setzt den Beschluss eines gemeinsamen Gremiums (Senat) oder eines legitimen Oberherrn (Kaiser, Papst) voraus. 11. Letztes Mittel ist Anrufung Gottes, der den Sinn des Herrschers lenkt und das Schicksal bestimmt. Interpret des göttlichen Urteils und Oberhaupt der Könige ist der Stellvertreter Christi auf Erden (Papst). In seinem Hauptwerk, der „Summa Theologiae“, vertritt Thomas aber eine Theorie der „gemischten Regierung“ (Elemente aller drei Staatsformen). Vgl. U. Matz, Thomas v. Aquin, In: Klassiker des politischen Denkens. Hrsg. v. H. Maier, H. Denzer, H. Rausch. München 1962, S Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 21

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Renaissance und frühe Neuzeit: a) Platonischer Kommunismus in den „Renaissanceutopien“ (Morus, Campanella, Bacon): Streng rational deduzierte Staatsordnungen, mit wenig Individualfreiheit und extremer Planung (Gemeineigentum, geregeltes Alltagsleben, Auflösung der Familie etc.). Begründung: Einsparung von Arbeitszeit, Freizeit für Bildung (vor allem Morus) b) „amoralischer“ Individualismus (Machiavelli): Herrscher stabiler Staaten (vor allem Neugründer) müssen mit dem Egoismus der Menschen, ihrem grenzenlosen Macht- und Genussstreben rechnen. Freiheit und Tugend (virtù) bestehen in der geschickten Ausnützung der unvorhersehbaren Umstände, um persönlichen Aufstieg und dauerhafte Institutionen zu schaffen. c) Theorien des souveränen Zentralstaates (Jean Bodin): Gegen die Zersplitterung der Herrschaften und Gerichtsbarkeiten ist die Gesetzesherrschaft des Territorial- staates nötig. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 22

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Niccolò Machiavelli ( ): Theorie der „realistischen“, moralfreien Politik. „Der Fürst“ („Il Principe“), 1513, veröffentlicht 1532: Stabile Staaten, vor allem neu gegründete bzw. eroberte, setzen einen starken Herrscher voraus, der tatkräftig (virtù) die Gelegenheiten (fortuna) ausnutzt und rücksichtslose Machttechniken (incl. Gewalttaten) anwendet. „Abhandlungen über die ersten 10 Bücher des Titus Livius“ („Discorsi“), 1522: Republiken sind, wie das römische Beispiel zeigt, auf die Dauer in der Lage, die innere Stabilität mit der Gelegenheit zu großen Taten (virtù) zu verbinden. In ihnen können nämlich die Spannungen zwischen dem Volk und den „Großen“ (Adelige, Reiche) ausgeglichen werden. Dann ist in ihnen mehr Freiheit und Tatkraft möglich als unter der Fürstenherrschaft. „Geschichte von Florenz“, 1525: Beleg für seine Thesen des Machtstrebens und des wechselvollen Schicksals an der Geschichte von Florenz, vor allem vom 13. bis 16. Jahrhundert. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 23

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Was Hobbes mit Machiavelli teilt: 1. Die Trennung von Moral und Politik. Für M. ist die Moral in der Politik nur Mittel, Unmoralisches kann ebenso notwendig sein. Die eigentliche Tugend (virtù), die für M. wichtig ist, ist die Beherrschung des Schicksals, also die souveräne Ausübung politischer Macht unter Entfaltung einer starken Persönlichkeit. In der Republik können mehr Menschen diese Tugend entwickeln, indem sie öffentlich bedeutsame Rollen spielen (aristotelischer Zug unter verändertem Tugendbegriff). 2. Das Rechnen mit den asozialen Neigungen des Menschen. M. schreibt in den Discorsi: „Alle, die über Politik schrieben, beweisen es, und die Geschichte belegt es durch viele Beispiele, dass der, welcher einem Staatswesen Verfassung und Gesetze gibt, davon ausgehen muss, dass alle Menschen schlecht sind und stets ihren bösen Neigungen folgen, sobald sie Gelegenheit dazu haben.“ Wer stabile Staaten will, muss realistisch mit diesen asozialen Neigungen rechnen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 24

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Jean Bodin ( ): Acht Kennzeichen der Souveränität (Sechs Bücher über die Republik, 1583): 1. Recht der Gesetzgebung (incl. Privilegien) 2. Entscheidung über Krieg und Frieden 3. Recht der letzten Instanz 4. Ernennung und Absetzung von Beamten 5. Besteuerung 6. Begnadigung 7. Geldwertfestlegung 8. Recht, Eide der Untertanen entgegenzunehmen Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 25


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