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Veröffentlicht von:Alexander Feld Geändert vor über 5 Jahren
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„Suizid und Suizidalität – Die Rolle der Pflege?“
Robert Zappe Dresden,
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„Wenn es stimmt, das die meisten Depressionen ihre Wurzel nicht im physischen Bereich haben, sondern in der Seele, können wir davon ausgehen, das auch ihre Heilung nicht allein durch medizinische Therapie möglich ist. Eine Depression ist ein Zustand zwischen zwei verschiedenen Leben, der nur ganz allmählich und unter größten Ängsten in einen neuen Bewusstseinszustand übergeht. Unter diesem Blickwinkel ist die Depression das äußere Zeichen eines inneren Prozesses, der von einem drängenden Hindurchgehen-Müssen geprägt ist. Das Hindurchgehen ist deshalb nie ein Weg zurück, nicht einmal ein Wieder-gesund-Werden, sondern eine geistige Veränderung: das Erreichen einer neuen Bewusstseinsstufe.“ Schwester Liliane Juchli Bilder einer Depression - Leben mit den Kräften der Tiefe. Stuttgart: Kreuz Verlag, 1993.
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Pflege: „Menschen dabei helfen, Lebenserschütterungen zu bewältigen“ (Newman 1986) „Das Ziel der Pflege ist die Lebensqualität“ (Parse 1992) „Pflege ist die Hilfe bei der Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse“ (Henderson 1969) „Unterstützung von Individuen, Gruppen oder Gemeinschaften im Umgang mit gesundheitsgefährdenden oder schädigenden Einflüssen“ (Neuman 1997) „Das Ziel der Pflege ist die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden“ (Rogers 1992)
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Pflege: Konkreter: „Diagnose und Behandlung menschlicher Reaktionen auf akute oder potentielle Gesundheitsprobleme“ (American Nursing Association 1980) Reaktionen = Krankheitsfolgen und Begleiterscheinungen Funktionseinschränkungen (z.B. eingeschränkte Mobilität nach OP) Beeinträchtigungen im Alltag (z.B. Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen; häufige Suizidgedanken) Umgang mit gesundheitlichen Risiken (z.B. Übergewicht; Stress; Suizidalität) Suizidalität ist keine medizinische Diagnose, sondern ein Symptom und eine Risikopflegediagnose
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Suizidalität - Annäherung in Zahlen
Lt. WHO sterben jährlich weltweit fast eine Million Menschen durch Suizid das entspricht etwa 14,5 Gestorbenen je Einwohner der Weltbevölkerung oder annähernd alle 40 Sekunden einem Suizidtoten 2015: Sterbefälle durch Suizid in der BRD 2015: Sterberate von 12,3 (Männer: 18,4; Frauen: 6,5). auf Einwohner der BRD Suizidrate in psychiatrischen Kliniken ist wesentlich höher (Bowers et al. 2008)
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Anzahl der Suizide in Deutschland im Vergleich zu ausgewählten Todesursachen in den Jahren 2013 bis 2015 Anzahl der Suizide in Deutschland im Vergleich zu ausgewählten Todesursachen bis 2015 Hinweis(e): Deutschland; 2013 bis 2015 Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind auf Seite 50 zu finden. Quelle(n): Statistisches Bundesamt; Robert Koch-Institut; Bundeskriminalamt; ID 9 Übersicht
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Anzahl der Sterbefälle durch vorsätzliche Selbstbeschädigung (Suizide) in Deutschland in den Jahren von 1980 bis 2016 Anzahl der Sterbefälle durch vorsätzliche Selbstbeschädigung bis 2016 Hinweis(e): Deutschland Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind auf Seite 48 zu finden. Quelle(n): Statistisches Bundesamt; ID 583 7 Übersicht
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Selbstmordrate in Deutschland nach Altersgruppe in den Jahren 2012 bis 2016 (Suizide je Einwohner) Selbstmordrate in Deutschland nach Altersgruppe bis 2016 „Ungarisches Muster“ Suizidgefährdung nimmt mit dem Alter sowohl für Männer als auch Frauen deutlich zu 40% sind 60 Jahre und älter (vgl. 28% Bevölkerungsanteil) Dunkelziffer ~ 1,8% - 400% Hinweis(e): Deutschland Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind auf Seite 8 zu finden. Quelle(n): Statistisches Bundesamt; ID 4
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Anzahl der Sterbefälle durch Suizid in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht im Jahr 2016
9838 Suizide 5377 † < 60J 54,64% 4461 † > 60J 45,34% (vgl. 28% Bevölkerungsanteil) Jeder 2. Suizid einer Frau, ist der einer Frau > 60J 1313 † ♀ < 60J 53,26% 1152 † ♀ > 60J 46,73% Hinweis(e): Deutschland Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind auf Seite 8 zu finden. Quelle(n): Statistisches Bundesamt; ID 3
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Anzahl der Sterbefälle durch Suizid in Deutschland nach Art der Methode in den Jahren 2011 bis 2015
Anzahl der Sterbefälle durch Suizid in Deutschland nach Art der Methode bis 2015 Tendenz i Alter zu finaleren Methoden Männer eher hart (Erschießen, erhängen, strurz aus großer höhe) Frauen eher vergiften Hinweis(e): Deutschland; 2011 bis 2015 Weitere Angaben zu dieser Statistik, sowie Erläuterungen zu Fußnoten, sind auf Seite 49 zu finden. Quelle(n): Statistisches Bundesamt; ID 585 8 Übersicht
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Ursachen: Psychische Erkrankungen (Depression, Suchterkrankungen, Anpassungsstörungen) Steigende Anzahl subjektiv wahrgenommener Verlusterlebnisse (körperlich, kognitiv, familiär, sozial, Handlungsfreiheiten) Depressionen im Alter oft unerkannt (durch körperliche Symptome überdeckt) Ablehnende Haltung gegenüber Behandlungsangeboten (Angst vor Stigmatisierung) Angst vor Verlust des „Selbst“, in Abhängigkeit geraten Alter als Schicksal ~ Leben in der Vergangenheit „als alles noch besser war“ „am Lebensende keinen Lebenssinn und Lebensmut mehr für ihr Weiterleben finden“ (Klostermann 2006 S.36) Gesellschaftliche Verantwortung – Akzeptanz des Alterssuizid (67% vs 35%) Wedler 2004 S.43 negative Konnotation des Alters; Neue Betrachtung der Lebensphase notwendig! 3-5% der ü 65 J mit Manifester Depression 27% der ü 65J erkennen jedoch depressive Sympt. Bei sich 15-25% der älteren in Heimen und anderen Institutionen mit ernsthafter depressiver Sympt (Hautzinger 2000)
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Ursachen: Angst vor Autonomieverlust vs. Nie im Leben absolute Selbstständigkeit Autonomie und Geborgenheit als 2 Pole Position dazwischen Autonomie im Alter – Auf sich selbst zurück geworfen zu sein Geborgenheit im Alter- unerwünschte Abhänigkeit
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Sinn des Lebens? Lebenssinn ≠ Alter Lebenssinn ≠ Vermächtnis
Lebenssinn ~ selbständige Gestaltung des eigen Lebens innerhalb einer sozialen Gemeinschaft Verlust des Lebenssinn droht bei: Orientierung des Fühlens und Denkens auf die Vergangenheit Selbstaufgabe Fehlender Eigeninitiative Erfahrung des Lebenssinn: Nachdenken über sich und sein Leben Aktivität und eigener Wille Anpassungsbereitschaft an (Einschränkung, behinderung, krankheit, soz. Gegebenheiten, Lebensbed, Mitmenschen)
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Pflege: Die Pflege suizidaler Menschen bedeutet:
Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung Suizidprävention Primärprävention (Verhinderung der Entstehung suizidaler Krisen bei gesunden Personen) Sekundärprävention (Verhinderung suizidaler Handlungen bei suizidgefährdeten Personen) Tertiärprävention (Verhinderung erneuter suizidaler Handlungen nach einem Suizidversuch)
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Pflege: Die Pflege suizidaler Menschen bedeutet:
Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung Suizidprävention Primärprävention (Verhinderung der Entstehung suizidaler Krisen bei gesunden Personen) Sekundärprävention (Verhinderung suizidaler Handlungen bei suizidgefährdeten Personen) Tertiärprävention (Verhinderung erneuter suizidaler Handlungen nach einem Suizidversuch)
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Beispiel: „Genug – ich habe meine Koffer gepackt“ 87j. Herr
Mittelgradige Demenz Umzug ins Pflegeheim … nach Tod der Ehefrau Akute Verwirrung wegen des Umzugs? Ausdruck des Todeswunsch bei eingeschränkten sprachlichen Möglichkeiten? Entspricht der Satz der Frau, so wie sie Freunde und Angehörige kennen? Gedrückte Stimmung? / Depressive Einfärbung? An der Schwelle zur Ewigkeit. Gemälde von Vincent van Gogh, 1890
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1. Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung
Suizidalität ist ein häufig vorkommendes Phänomen psychiatrischen Kliniken Umgang mit Suizidalität ist wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit aller Berufsgruppen in der (Geronto-) Psychiatrie Eine wichtige präventive Maßnahme ist die Einschätzung der Suizidgefährdung bei (geronto- )psychiatrischen Patienten Die Einschätzung der Suizidgefährdung ist sehr anspruchsvoll und erfordert eine professionelle Vorgehensweise
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Suizidraten in psychiatrischen Kliniken
Land Zeitraum Durchschnittliche Sterberate pro Aufnahmen 17 verschiedene Länder (Bowers et al. 2008) 40-566 Dänemark (Madsen et al. 2012) 86 Deutschland (Bayern) (Wolfersdorf et al. 2003) 187 Schweiz (Kanton Zürich) ( Ajdacici-Gross et al. 2009) 161 Sterberate durch Suizide in Deutschland allgemein 2015 12,3 pro EW ,8 BRD
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1. Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung
es gibt sehr viele Kriterien, Faktoren und Konstellationen, die in Verbindung mit Suizid oder Suizidversuch stehen (durch Studien gestützt) von diesen Kriterien, Faktoren und Konstellationen sind einige wichtiger als andere durch ein professionelles und systematisches Vorgehen kann das Beste versucht werden, um Suizide zu erkennen und zu verhindern aus rechtlicher Sicht muss eine Risikoeinschätzung mit Risikobeurteilung vorgenommen und dokumentiert werden es sind verschiedene Vorgehensweisen und Konzepte denkbar Ziel ≠ exakte Vorhersage von Suiziden Ziel = erhöhtes Suizidrisiko erkennen
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1. Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung
Die meisten Suizide geschehen nicht in den Räumlichkeiten psychiatrischer Einrichtungen - meist während des regulären Ausgangs oder Wochenendurlaub (Ajdacic-Gross et al. 2009, Hübner-Liebermann et al. 2001) Risikozeiträume: (Quin & Nordentoft 2005) Erste Woche nach der Aufnahme Erste Woche nach der Entlassung Suizide treten bei Menschen mit psychischer Erkrankung etwa 6x – 10x häufiger auf (Nordentoft et al. 2011; Baxter & Appleby 1999) Der enge Zusammenhang zwischen Suizid und psychischer Erkrankung ist der Grund dafür, warum alle psychiatrischen Pflegefachpersonen um die Möglichkeit der Suizidprävention wissen müssen!
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Vorgehensweise bei der Einschätzung der Suizidgefährdung: (American Psychiatric Association 2003; Registered Nurses´Association of Ontario 2009; Victorian Department of Health 2010) Leitlinien / Experten empfehlen folgende Vorgehensweise in der klinischen Praxis: 1. Screening: Systematische Erfassung von Risikofaktoren für Suizidalität bei allen Patienten 2. Fokusassessment: Vertiefte Einschätzung der Suizidgefährdung in einem Gespräch Erfassen von Faktoren die die Person von einem Suizid abhalten Verhalten beobachten, auf Warnzeichen achten 3. Dokumentation Ausweisen einer Risikobeurteilung mit transparenter Begründung - Aktuelles Projekt am ZfSG, wie dies umgesetzt werden kann
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Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung Instrumente
NGASR-Skala (Nurses Global Assessment of Suicide Risk) Suicide Status Form II Suicide Ideation Scale usw. Instrumente Risikopopulationen Risikofaktoren Fachwissen Ausführliches Suizidassessment Protektive Faktoren Verhaltensbeobachtungen Gespräch / Beobachtung Der Patient als Experte seiner Suizidalität Was geht in ihm vor? Patient Intuition Gefühl Erfahrung Subjektivität Instrumente • ca Instrumente • Unterschiede im Fokus und Umfang (Selbst- Fremdbeurteilung, Screening, Interview, Depression, Hoffnungslosigkeit, Jugendliche, usw.) • Die meisten Instrumente liegen in englisch vor • Bern NGASR-Skala (Globales Risikoscreening), Suicide Status Form II (akute Suizidgefährdung und therapeutische Beziehung) Risikopopulationen: • Menschen mit psychschen Erkrankungen , Missbrauchserfahrungen in der Kindheit ,Alte Menschen ,Körperlich kranke Menschen Usw. Risikofaktoren: • Frühere Suizidversuche• Hoffnungslosigkeit • Depression • Schizophrenie • Psychosoziale Merkmale • Genetische und familiäre Belastungsfaktoren • Die erste Woche nach Klinikeintritt und die erste Woche nach Klinikaustritt (Qin&Nordentoft 2005) • Usw. Ausführliches Suizidassessment • Ein Gespräch gehört zu den wichtigsten Methoden, eine Suizidgefährdung zu beurteilen • Suizidgedanken (Häufigkeit, Dauer) • Aktuelle Suizidabsichten (Wille, Motivation, Druck, suizidale Impulse umzusetzen) • Konkrete Suizidpläne • Aktuelles Befinden (Ausweglosigkeit, Verzweiflung, usw.) • Suizidales Verhalten in der Vergangenheit (Wann, Wie, Was, usw.) • Protektive Faktoren (Malone 2000) • Zugang zu Suizidmethoden (Mann 2005) Protektive Faktoren: • Gründe / Motive die für das Leben sprechen (Jobes 1999; Linehan 1983) • Kinder • Verantwortungsgefühl gegenüber der Familie • Schwangerschaft • Religiosität • Lebenszufriedenheit • Positive Bewältigungsstrategien • Positive soziale Unterstützung Wichtige Verhaltensbeobachtungen: • Vorbereitungen sind getroffen (Abschiedsbrief, Testament, Tabletten gesammelt) • Besuche verpassen, Dinge verschenken, gemeinsame Mahlzeiten vermeiden • Ungewöhnliche Ruhe, nach ernst zu nehmenden Suiziddrohungen • Bisherige Suizidversuche mit der Tendenz zu immer härteren Methoden • Suizidabsichten werden nur Dritten gegenüber geäußert (nicht dem Partner) • Auffällige, für die Person untypische Veränderungen im Verhalten • Nur der Patient kann Auskunft darüber geben, was in ihm vorgeht (Gefühle, Gedanken, usw.) • Der Patient hat die Kompetenz, seine Geschichte zu erzählen • Der Patient liefert den Kontext für ein Gesamtbild seiner Situation • Der Patient ist der eigentliche Experte seiner Suizidalität (Aeschi Working Group 2002) • Selbstbeurteilung durch den Patienten • Instrument: Suicide Status Form II (SSF-II) (Jobes 1997) • Narratives Interview (Schütze 1983; Michel 2004)
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Pflege: Die Pflege suizidaler Menschen bedeutet:
Erkennen und Beurteilung der Suizidgefährdung Suizidprävention Primärprävention (Verhinderung der Entstehung suizidaler Krisen bei gesunden Personen) Sekundärprävention (Verhinderung suizidaler Handlungen bei suizidgefährdeten Personen) Tertiärprävention (Verhinderung erneuter suizidaler Handlungen nach einem Suizidversuch)
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2. Suizidprävention Primärprävention
Auf das Altern und seine Folgen vorbereiten: Frühzeitige Auseinandersetzung mit der zweiten Lebenshälfte Erfüllende Aufgabe (neben dem Beruf suchen) – geistige und körperliche Beschäftigung Neudefinition der Paarbeziehung – Aufgaben und Rollenwandel Kommunikation und Unterstützung über Altersgrenzen hinweg anstreben Akzeptanz von Alter und Sterblichkeit Altersspezifische Pflege und Vorsorge von Geist und Körper [CAVE Jugendwahn] Aktive Auseinandersetzung mit dem Altern / Sterben (altersgerechtes Wohnen, medizinische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen) Erhaltung von Kommunikation und sozialer Teilhabe Ruhe und Kommunikation bis zum Lebensende pflegen Kontakte in die Nachbarschaft und zu Freunden, Teilnahme an Gemeindeaktivitäten Kommunikation mit Kindern und Verwandten
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2. Suizidprävention Sekundär- und Tertiärprävention
„ Es gab keine Beziehung, die wichtig genug erschien mich zu halten, keine Ziele, die ich erreichen konnte oder wollte. Das Gefühl, das mich damals ausfüllte, war… grau… kalt… einsam… hohl… dumpf… weit weg von allem… Die Waage, die schon lange in meiner Vorstellung existierte und ständig die guten und schlechten Erfahrungen gegeneinander aufwog, war schon lang nicht mehr im Lot und schien es auch nie gewesen zu sein […]. Sehr schnell bin ich dann in solche Fantasien geschlittert: Wäre doch gut, wenn ich jetzt tot wäre – und ich malte mir aus, der Tod wäre ein Ort, an dem mir keiner mehr was anhaben könnte, nicht mal meine eigenen Gefühle. So bekamen Gedanken an den eigenen Tod sehr früh und immer sehr schnell viel Raum in meinem Repertoire an Lösungsmöglichkeiten im Alltag.“ (Link & Tilly 2009, S 1 f.) Anja Link Welche Intervention wäre hier hilfreich? Wie kann man ihn erreichen? Was hilft suizidalen Menschen?
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Reden hilft! Nicht wertendes Gespräch – Offenheit und Vertrauen als Grundlage der suizidale alte Mensch fühlt sich in seiner Not angenommen Todeswünsche, suizidale Gedanken / Absichten offen ansprechen Suizidalität ernstnehmen (nicht verharmlosen / nicht dramatisieren) Gründe, Begleitumstände, Auslöser besprechen Lebensgeschichtliche Zusammenhänge verstehen und einbeziehen Möglichkeiten der der Unterstützung im sozialen Umfeld erkunden (Bezugspersonen, soziale Dienste, med. Hilfen) Angebot zur Fortsetzung des Gesprächskontakts machen (Ängste thematisieren, weitere Beratung- und Hilfsangebote aufzeigen)
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Interventionen Menschliche Kontakte zur Pflegeperson
Die Bezugspflege: Den Mensch wieder mit dem Menschsein verbinden 1. Ein Bild vom Mensch-Sein darstellen Menschliche Kontakte zur Pflegeperson Wiederverbindung zu einem anderen Menschen Erste Schritte zurück ins Leben 2. Menschen zurück zum Leben begleiten Förderung von mehr Verständnis und Einsicht im Zusammenhang mit der suizidalen Krise 3. Leben lernen Mehr Wissen und Verständnis zur suizidalen Krise (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) Mehr Kontrolle, Macht und Bewältigungsstrategien Mehr Ziele und Hoffnung Der suizidale Mensch: Eine neue helfende zwischenmenschliche Beziehung eingehen Theorie durch zwanzig Interviews mit Menschen nach Suizidversuch oder schwerer Suizidaler Krise 1. Pflegeperson half Kontakt zum ich sein wiederherzustellen PP hörte ohne Vorurteile zu, ohne zu urteilen Kontakt zu anderen menschlichen Wesen, ermöglichte es sich mit existenzielle Gefühl des Mensch seins zu verbinden! 2. Kontakt als Begleitung zurück zum Menschsein PP verhalf zu mehr Einsicht und Verständnis hinsichtlich der Umstände der Krise Lebensorientierung wurde erkannt, unterstützt und verstärkt 3. Menschsein festigen durch die Auseinandersetzung und das verstehen der Krise (PP unterstützt suizidale Person) Sinn geben Suizidale Krise wird in die vergangen, aktuelle und zukünftige Lebensgestaltung integriert Entwickeln von Lebenszielen, Hoffnung zu Empfinden, und Kontrolle über das eigene Leben zurück zugewinnen! Empirische Theorie zur Pflege von suizidalen Menschen (Cutcliffe et al. 2006)
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Interventionen Rückbindung zum Mensch-Sein (Cutcliffe 2006)
Therapeutische Beziehung Wissensvermittlung Bewältigungsstrategien Übergangsbegleitung
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1. Therapeutische Beziehung
„Ich hätte jemanden gebraucht, der zuhören kann und nicht Angst vor einem Gespräch über Suizidgedanken hat“ (Michel 2002, S. 730) „Ein Mensch erinnert sich nur dann an eine bedeutsame zwischenmenschliche Bindung, wenn er eine bedrohliche Situation erlebt hat, in der er sich auf eine sichere Basis verlassen konnte.“ (Bowbly 1998; Gysin Maillart & Michel 2013) „Die besten therapeutischen Techniken sind wertlos, wenn vorher keine entsprechende Beziehung zum suizidalen Menschen aufgebaut werden konnte“ (Rudd 2006a, S.19) „Wenn wir nur einen Menschen in unserer Nähe haben, mit dem wir letzten Endes alles besprechen können, halten wir es aus, sonst nicht.“ (Bernhard 1978, S81) Eine solide und tragfähige Beziehung ist suizidpräventiv und stellt das wichtigste Element in der Begegnung mit einem suizidalen Menschen dar! Raum geben über sich zu sprechen Wertfreies zuhören Zugewandtheit Offenheit und Interesse Pat. spürt das er verstanden wird und ihm geholfen wird PP als „Verbündeter“ PP wird als verlässlich wahrgenommen
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Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Zubin & Spring 1977);
2. Wissen vermitteln Wissen und Verständnis über die eigene Situation, kann das Gefühl, Selbstkontrolle über die eigene Suizidalität zu besitzen verbessern Angst vor einem erneuten Kontrollverlust in der Zukunft kann reduziert werden Erlebter Ausnahmezustand der suizidalen Krise wird verständlicher (auch für Angehörige) Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Zubin & Spring 1977); Sechs-Phasen-Model suizidaler Krisen (Reisch 2012); Suizidaler Modus (Rudd 2000) 6 Phasen: 1. Vulnerabiität 2. Mental Pain 3. Suizidhandlungsphase 4. Finale Ambivalenz 5. Finale Handlungsphase 6. Aufwachen Einzeln oder in Gruppen PT im Alter hilfreich
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3. Bewältigungsstrategien
Strategien entwickeln welche zum Weiterleben befähigen Pflegefachperson entwickelt und übt mit dem Betroffenen Bewältigungs- / Copingstrategien oder Skills um erwartbare Belastungen zielgerichtet auffangen zu können Mittel: Notfallplan / Sicherheitsplan (Verhalten) Coping Cards (Kognition) Hope Kits (Emotion) Entspannungstechniken, Sport (Körper) Kurzinterventionen: beziehen sich möglichst auf die vier Eben des suizidalen Modus (einfach und kurz in der Handhabung) Notfallplan (realistisch, Patientenniveau) Was kann der Patient tun, wenn es ihm schlecht geht? An wen kann er sich wenden? Was würde helfen? Erkennen von Frühwarnzeichen und „problematischen“ Handlungsmustern Einüben alternativer Denk- und Handlungsmuster Coping Cards: Erarbeitet Inhalte festhalten (neg. vs pos. Gedanken) Ggf. Rückseitig Skills, Handlung aus dem Notfallplan festhalten Hope Kits: PP erzählen welche positive Geschichte hinter den Dingen steckt CAVE „Bild“ liebender Eltern – Vater missbrauch PP fragt nach welche Emotionen ein Gegenstand auslösst (Intensität, Trigger? Etc) Selbstständiges Erzeugen von positiven Emotionen in der Krise Selbstmanagement / Selbstkontrolle -Souvenirs -Urlaubsbilder -Selbstgemalte Bilder der Kinder -Hundeleine -Bild der Frau -Bild des eigenen Hauses -Familienbild -Etwas gebasteltes
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4. Übergangsbegleitung Hausbesuche Visitenkarten, Briefe Telefonkontakte Hinweise, dass dadurch die Suizidrate nach einem Suizidversuch oder nach einer suizidalen Krise verringert wird (Brown 2005, Motto 2001, Guthrie 2001) Ziel: lang anhaltende, verlässliche therapeutische Beziehung, Anlaufstelle
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Suizide betreffen immer mehre Personengruppen
Nach einem Suizid Suizide finden statt! Suizide betreffen immer mehre Personengruppen Gesundheitsfachpersonen: Angst sich schuldig gemacht zu haben, versagt zu haben, Vorhaltungen gemacht zu bekommen Sorge um Mitpatienten Reagieren ebenfalls mit Trauer, Ärger, Aggression und Kränkung Gesprächsmöglichkeiten anbieten – Entlastung & Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Klare Abläufe bei Suiziden notwendig Externe Supervisionen
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Nach einem Suizid Angehörige: Mitpatienten
benötigen mehrfache Gesprächsangebote Verständnis für ihre Gefühle zeigen (Schuld, Scham, Wut, Ärger) Mitpatienten [CAVE] Werther Effekt Klare und sachliche Informationen – wenig Details und Methoden Beschreibung! Emotionen von Seiten des Teams gegenüber den Patienten zulassen
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Fazit Pflegefachpersonen sind gut ausgebildet und verbringen von allen Berufsgruppen die meiste Zeit mit dem Patienten Die fachlich anspruchsvolle Versorgung von suizidalen Menschen, wäre ohne Pflegende vermutlich nicht möglich Die aktive Beziehungsaufnahme und –gestaltung, der Pflege in der suizidalen Krise gibt Betroffen Halt und Sicherheit, dies ermöglicht einen Verzicht auf restriktive Maßnahmen Die Durchführung und Begleiten von Übungen, durch die Pflege, nach der suizidalen Krise, ermöglicht es den Patienten in Zukunft besser mit ihrer Suizidalität umzugehen Pflege kann durch eine patientenorientierte Haltung, individuelles Fallverstehen, Erfahrung, und aktuellen Fachwissen zur Suizidprävention beitragen
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Die größte Ungerechtigkeit gegenüber unglücklichen Selbstmördern ist das Wort ›Selbstmord‹. Wir, die kollektiven Mörder leben befreit weiter, der Gemordete darf sich nicht einmal Opfer nennen. Das tödliche Unglück lässt alles Glück als Kartenhaus erscheinen. Wir lassen ihn morden, um ihn loszuwerden. Dann verscharren wir ihn unter dem Namen ›Selbst‹ – Mord. ›Selbst‹ schuld. Jeder ist seines Glückes Schmied. "Und der Selbstmörder?" "Er ist der Amboss.„ Prof. Dr. phil. habil. Rainer Kohlmayer (Kohlmayer 2000, Die Schnake, Ausgaben 15+16)
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Kontakt: Robert Zappe Telefon: Telefax: Internet: Adresse: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden AöR Am Zentrum für Seelische Gesundheit Fetscherstraße 74, Dresden
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„Wenn das altwerden zur last wird“ https://www. bmfsfj
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