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Veröffentlicht von:Lothar Roth Geändert vor über 6 Jahren
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Einheit 9: Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff
Staatshaftungsrecht Einheit 9: Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
A. Überblick und Rechtsgrundlage Neben der formellen Enteignung und der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung sind weitere Beeinträchtigungen des Eigentums denkbar: Bsp.: Aufgrund einer fehlerhaften Ampelschaltung („feindliches Grün“) kommt es zu einem Unfall mit erheblichen Sachschäden. Die frühere Rechtsprechung des BGH und des BVerwG fasste diese Fälle unter den weiten bzw. materiellen Enteignungsbegriff. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
Die Rechtswidrigkeit des erfolgten Eingriffs begründete danach das erforderliche Sonderopfer, wodurch der Eingriff in eine materielle Enteignung umschlug. Die Folge: Betroffene konnten Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG analog verlangen. Dieser Konstruktion hat das BVerfG mit seinem Naßauskiesungsbeschluss ein Ende gemacht. Art. 14 Abs. 3 GG betrifft seitdem nur noch Entschädigungen bei rechtmäßigen Enteignungen. Im Falle rechtswidriger Eingriffe muss sich der Betroffene hingegen gegen die Maßnahme selbst wehren und kann grds. keine Entschädigung verlangen (kein „dulde und liquidiere“). Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
Nur: Das obige Beispiel macht deutlich, dass wirksamer Primärrechtsschutz nicht immer zu erlangen ist. Der Eingriff führt hier sofort zu einem Schaden, den der Einzelne daher nicht wirksam abwenden kann: Die Sachschäden sind sozusagen plötzlich und ohne Vorwarnung da… Daher hat der BGH richtigerweise daran festgehalten, dass es in diesen Fällen prinzipiell die Möglichkeit der Entschädigung geben muss. Die Rechtsgrundlage dieses „enteignungsgleichen Eingriffs“ bildet nun aber nicht mehr Art. 14 Abs. 3 GG, sondern der Rechtsgedanke der §§ 74, 75 Einl. PrALR. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
Zu beachten waren dabei aber auch die weiteren Vorgaben des BVerfG (Vorrang des Primärrechtsschutzes). Mittlerweile ist der Anspruch auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Teilweise finden sich auch spezialgesetzliche Regelungen. Diese gehen dem allgemeinen enteignungsgleichen Eingriff dann vor. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
B. Anspruchsvoraussetzungen I. Öffentlich-rechtliches Handeln Hier gelten prinzipiell keine Besonderheiten. Das zur Schädigung führende Handeln muss also dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein. Oftmals wird es hier um Realakte gehen, da gerade bei diesen eine vorherige gerichtliche Abwehr unmöglich sein wird. Beispiele: Rechtswidriger Nichterlass einer Baugenehmigung Fehlerhafte Ampelschaltung Beeinträchtigung eines Betriebes durch rechtswidrige Straßenbauarbeiten Beschädigung eines Hauses durch eine Schützenpanzer. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
Aber Achtung: Nach der Rechtsprechung ist auch hier eine Haftung im Falle legislativen Unrechts ausgeschlossen. Verfassungswidrige formelle Gesetze sowie solche Vollzugsakte, deren Rechtswidrigkeit allein auf einem verfassungswidrigen formellen Gesetz beruht (Fehleridentität) begründen danach keine Entschädigungspflicht (Stichwort: Haushaltsprärogative des Parlaments). Für Rechtsverordnungen oder Satzungen gilt dieser Ausschluss jedoch nicht. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
II. Eingriff in Eigentumsrechte Das Handeln oder Unterlassen muss zu einem Eingriff in Eigentumsrechts des Betroffenen führen. III. Unmittelbarkeit Der bewirkte Eingriff muss eine unmittelbare Folge des staatlichen Handelns sein. Die Beeinträchtigung muss also tatsächlich dem Staat und keinem Dritten zugerechnet werden können. Achtung: Es handelt sich hier um eine wertende Entscheidung und damit um eine Abgrenzung der Risikosphären. Bsp.: Fehlerhafte Ampelschaltung. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
IV. Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung/Sonderopfer Die Beeinträchtigung des Eigentums muss rechtswidrig sein. Diese Rechtswidrigkeit begründet damit das erforderliche Sonderopfer des Betroffenen, die die Entschädigungspflicht erst hervorruft. Achtung: bei lediglich formell rechtswidrigen aber materiell rechtmäßigem Handeln kann es ausnahmsweise am Sonderopfer fehlen, da der eingetretene Erfolg in diesen Fällen von der Rechtsordnung grds. gebilligt wird. Schuldhaftes Handeln ist zudem nicht erforderlich. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
V. Mitverschulden Hier greift der Rechtsgedanke des § 254 BGB analog. Eine besondere Ausprägung des Mitverschuldens bildet die Pflicht des Betroffenen, den Eingriff so weit wie möglich durch Erschöpfung des Rechtsweges zu beseitigen (Vorrang des Primärrechtsschutzes). Sofern der Einzelne dies schuldhaft unterlässt entfällt damit auch der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Aber: Die Inanspruchnahme des Rechtswegs muss auch zumutbar gewesen sein. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
Das hängt nicht zuletzt davon ab, dass der Betroffene begründete Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Maßnahme hätte haben müssen. Es wäre insoweit wenig zweckmäßig wenn der Einzelne zukünftig gegen jede Maßnahme sofort den Rechtsweg beschreiten würde, nur um für den Fall der Rechtswidrigkeit den Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff nicht zu verlieren. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
C. Rechtsfolgen Es besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wobei grds. Voller Wertersatz zu leisten ist. Entgangener Gewinn ist grds. nicht erfasst, wohl aber mit der Eigentumsbeeinträchtigung unmittelbar zusammenhängende Folgeschäden (Ersatzfahrzeug, Kaskoversicherungszuschläge). Mittelbare Folgekosten sind hingegen nicht erstattungsfähig, wobei die Abgrenzung jedoch nicht immer ganz eindeutig ist. Verpflichteter ist der durch den Eingriff unmittelbar begünstigte Hoheitsträger, bzw. derjenige Hoheitsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen wurden. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignungsgleiche Eingriff
D. Rechtsweg Zivilgerichts, vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. Für die verjährung gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen (§§ 195 ff. BGB). Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignende Eingriff
A. Überblick und Rechtsgrundlage Unter Umständen können auch rechtmäßige Eingriffe in Eigentumsrechte derart unzumutbar erscheinen, dass es gerechtfertigt erscheint, eine Entschädigung vorzusehen. Im Unterschied zum enteignungsgleichen Eingriff betrifft dieser sog. enteignende Eingriff damit rechtmäßiges Handeln, das zu unvorhergesehenen und unzumutbaren Nebenfolgen führt. Bsp.: Rechtmäßige Straßenbauarbeiten führen zu massiven und existenzbedrohenden Einbußen; eine Mülldeponie zieht Möwen und Krähen an, die die Ernte eines angrenzenden Feldes zerstören. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs sind erneut §§ 74, 75 Einl. PrALR. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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B. Anspruchsvoraussetzungen I. Öffentlich-rechtliches Handeln Hier gelten insoweit keine Besonderheiten. Ausgeschlossen ist erneut eine Haftung wegen legislativen Handelns. Ohnehin wird sich ein solches Gesetz regelmäßig als unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig darstellen. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignende Eingriff
II. Unmittelbarer Eingriff in Eigentumsrechte Auch hier gelten keine Besonderheiten. Die Unmittelbarkeit ist erneut wertend und nicht allzu formal zu ermitteln. Zu fragen ist also, ob die konkrete Eigentumsbeeinträchtigung dem handelnden Hoheitsträger zugerechnet werden kann. Aber Achtung: Dieser Anspruch soll ja gerade atypische Nebenfolgen abdecken. Die Tatsache, dass es sich um eine solche atypische Nebenfolge handelt, kann den Anspruch also gerade nicht automatisch ausschließen. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignende Eingriff
Es ist jedoch denkbar, dass der Anspruch entfällt, wenn der Schaden letztlich auf höherer Gewalt basiert. Dazu Fall 14: E ist Eigentümer eines Hanggrundstücks. Etwa 40m oberhalb des Hauses befindet sich am Hang ein von der Gemeinde angelegtes und gepflegtes offenes Regenrückhaltebecken. Infolge unglaublich heftiger Regenfälle lief das Rückhaltebecken voll, wodurch dann das Haus des E überflutet wurde. Es handelte sich dabei um einen Regen, der statistisch nur alle 100 Jahre vorkommt. Der E will von der Gemeinde Ersatz für die Eigentumsbeeinträchtigung seines Grundstücks, die durch die Überschwemmung eingetreten ist. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Fraglich war hier allein, ob es sich bei dem eingetretenen Schaden auch um eine unmittelbare Folge der hoheitlichen Tätigkeit handelte. Bei Naturkatastrophen ist das nicht der Fall; dann realisiert sich nicht das Risiko der hoheitlichen Tätigkeit, sondern die allgemeine Sachgefahr. Das gilt aber nur soweit die Gemeinde hier nachweisen kann, alles technisch zumutbare getan zu haben, um einen Rückstau zu verhindern. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignende Eingriff
III. Rechtmäßigkeit des Eingriffs Vorausgesetzt ist rechtmäßiges Handeln. Daraus folgt auch die Begrenzung dieser Anspruchsgrundlage auf unvorhersehbare Nebenfolgen. Soweit diese nämlich vorhersehbar waren, muss der Hoheitsträger sie entweder verhindern oder von Anfang an eine Entschädigung vorsehen. IV. Sonderopfer Rechtmäßige Maßnahmen muss der Einzelne generell entschädigungslos hinnehmen. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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Der enteignende Eingriff
Etwas anderes kann nur im Einzelfall gelten, wenn ausnahmsweise die sog. Opfergrenze überschritten wird. Wann genau diese Opfergrenze überschritten wird, lässt sich allerdings nicht punktgenau angeben. Hier bedarf es insoweit eigener Argumentation. Bei der Zumutbarkeit von Immissionen kann auf die Regelung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB abgestellt werden. V. Mitverschulden Hier gelten keine Besonderheiten. Allerdings ist Primärrechtsschutz zwangsläufig nicht möglich, da die Maßnahme ja rechtmäßig ist. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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C. Rechtsfolgen/Rechtsweg Wie beim enteignungsgleichen Eingriff. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 29/12/18
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