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Strafverfahrensrecht II

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Präsentation zum Thema: "Strafverfahrensrecht II"—  Präsentation transkript:

1 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB I. Einführung Die Aussagedelikte schützen die innerstaatliche Rechtspflege, genauer das staatliche Interesse an wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellungen. Solche Feststellungen sind nämlich Voraussetzung richtigen Entscheidens insbesondere in gerichtlichen, aber auch in gewissen anderen Verfahren. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

2 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 1. Begriff der Aussage Allgemein lässt sich eine Aussage als mündliche Auskunft einer vernommenen (Beweis‑)Person über eigene Wahrnehmungen oder Empfindungen innerhalb eines förmlichen Verfahrens definieren, wobei nach § 186 Abs. 1 S. 1 GVG bei hör- oder sprachbehinderten Personen auch ein schriftlicher Bericht genügt. Ist jede Äußerung im Verfahren ev. strafbewehrt? Da sich ein Verfahren stets nur auf einen räumlich, zeitlich und thematisch beschränkten Ausschnitt der Wirklichkeit bezieht, den sog. Vernehmungs- oder Aussagegegenstand, sind nur solche Angaben der Beweisperson Teil ihrer Aussage i.S.d. §§ 153 ff. StGB, die den konkret zu ermittelnden Sachverhalt betreffen. Die Beweisperson ist nämlich nur im Rahmen des Vernehmungsgegenstands zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet - ungeschriebenes konstitutives Unrechtsmerkmal der täterschaftlichen Begehung der §§ 153 ff. StGB Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 1. Begriff der Aussage Die Aufgabe des Zeugen besteht darin, über das eigene Erleben bestimmter Tatsachen zu berichten. Aus diesem Grund können Meinungsäußerungen, wie etwa Werturteile, von vornherein nicht Gegenstand der Zeugenaussage sein. Treten – wie so oft – Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen vermengt auf, ist eine Auslegung vonnöten, wobei die nicht dem Beweis zugänglichen Meinungsäußerungen scharf von den beweisbaren inneren Tatsachen, wie Absichten oder Kenntnissen, abzugrenzen sind. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 1. Begriff der Aussage Im Strafprozess ist die Aussagepflicht des Zeugen tendenziell weiter gefasst als im Zivilprozess, weil er hier nach §§ 57 Abs. 1 S. 1, 69 Abs. 1 StPO zum Gegenstand der Untersuchung auszusagen hat. Das ist regelmäßig die Tat im prozessualen Sinn (§§ 155 Abs. 1, 264 Abs. 1 StPO), die das gesamte Verhalten des Angeklagten umspannt, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet. Nach § 68 Abs. 1 S. 1 StPO zählen auch die Angaben zur Person (Name, Alter, Beruf, Wohnort) zum Vernehmungsgegenstand des Zeugen. Der Angeklagte hingegen ist, sagt er nach § 243 Abs. 5 S. 2 StPO zur Sache aus, niemals tauglicher Täter der §§ 153 ff. StGB, denn er ist kein förmliches Beweismittel, und anders als der Zeuge ist er nicht zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet (nemo tenetur se ipsum accusare). Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

5 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 2. Falschheit der Aussage Wann ist eine Aussage falsch? – es geht um die Bestimmung des Maßstabs, an dem die Erklärung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen ist. Rechtsprechung und Teile des Schrifttums favorisieren einen „objektiven“ Vergleichsmaßstab. Demzufolge ist der Aussageinhalt an der Wirklichkeit zu messen und somit falsch, wenn Wort und Wirklichkeit auseinanderfallen. Dahinter steht die Auffassung, dass nur Angaben, die im Widerspruch zur Wirklichkeit stehen, geeignet sind, das Ziel einer wahrheitsgetreuen Tatsachenfeststellung zu gefährden. Auf Basis dieses objektiven Maßstabs ist präzise zwischen inneren und äußeren Tatsachen zu unterscheiden: Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

6 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 2. Falschheit der Aussage Beispiel: Gibt Zeuge Z bei seiner Vernehmung irrtümlich an, er habe den Angeklagten A am in Y-Stadt gesehen – tatsächlich war dies aber einen Tag später, am 6.8. –, dann ist diese Aussage falsch, weil sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Abwandlung: Sagt Z nun aber, er glaube, sich zu erinnern, den A am 5.8. in Y-Stadt gesehen zu haben, dann ist seine Aussage – der Rechtsprechung folgend – richtig. Z hat dann mit seiner Aussage auf eine wahre innere Tatsache Bezug genommen, nämlich die vorhandene – wenn auch irrtümliche – Überzeugung, den A am gesehen zu haben. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

7 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 2. Falschheit der Aussage Andere Ansichten: Eine andere Ansicht erhebt das Vorstellungsbild des Vernommenen zum Vergleichsmaßstab. Auf Basis dieser „subjektiven“ Deutung ist eine Aussage falsch, wenn das Erklärte vom Wissen der Beweisperson abweicht, also Wort und Wissen divergieren. Diese Sicht stützt sich darauf, dass der Beweisperson die Wirklichkeit niemals unmittelbar, sondern nur mittelbar über ihre sinnliche Wahrnehmung zugänglich ist, weshalb sie von vornherein nur über diese Wahrnehmung berichten könne. Konsequenz dieser Sicht ist, dass selbst eine („objektiv“) wahre Aussage falsch ist, sofern die Beweisperson irrtümlich glaubt zu lügen, denn auch in diesem Fall divergieren Wort und Wissen. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 2. Falschheit der Aussage Weitere Ansichten: Nach den sog. Pflichtmodellen hängt die Falschheit einer Aussage zugleich von der Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht ab. Eine Aussage ist falsch, wenn die Beweisperson nicht dasjenige Wissen wiedergibt, das sie bei kritischer Prüfung ihres Erinnerungs- und Wahrnehmungsvermögens hätte reproduzieren können. Richtig ist mithin nach dieser Ansicht nur die Wiedergabe des bestmöglichen Erinnerungsbildes. Falsch wäre die Aussage des Z im zuvor genannten Beispiel, sofern sein Irrtum bei entsprechender Anstrengung vermeidbar war. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

9 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 2. Falschheit der Aussage Welcher Ansicht zu folgen ist: Im Ergebnis spricht für den herrschenden „objektiven“ Vergleichsmaßstab, dass er einen einheitlichen Auslegungsmaßstab für das zentrale Merkmal der Aussagedelikte anbietet. Damit kann nämlich klar zwischen der Gefährdung der Tatsachenfeststellung durch objektiv falsche Informationen und der vorsätzlichen bzw. fahrlässigen Verletzung der Wahrheitspflicht unterschieden werden. Zwar ist Kritikern darin zuzustimmen, dass die sich hieraus ergebende Unterscheidung von äußeren und inneren Tatsachen bisweilen gekünstelt wirkt, aber dies ist hinnehmbar. Dagegen missachten die Pflichtmodelle die funktionale Eigenständigkeit des Merkmals falsch, indem die Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht mit der Falschheit der Aussage vermengt wird; doch Wahrheit und Wahrhaftigkeit sind nicht dasselbe Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB II. Kern der Aussagedelikte 3. Falschaussage durch Verschweigen Auch durch Schweigen? Eine Falschaussage kann nicht allein durch wahrheitswidrige Behauptungen begangen werden, sondern auch durch Verschweigen von Umständen, die zum Vernehmungsgegenstand zählen. In Bezug auf den Vernehmungsgegenstand ist die Beweisperson nämlich zu inhaltlicher Vollständigkeit verpflichtet, weshalb auch eine insoweit unvollständige Aussage falsch ist. Die Rechtsprechung setzt einschränkend voraus, dass die verschwiegene Tatsache erkennbar zum Gegenstand der Vernehmung gehört und entscheidungserheblich ist. Nicht entscheidungserheblich sind Informationen, die zwar mit dem Vernehmungsgegenstand sachlich in Zusammenhang stehen, aber für die Beantwortung der konkreten Beweisfrage erkennbar ohne jede Bedeutung sind. Diese Restriktion folgt aus der Einsicht, dass bei überzogenen Anforderungen an die Detailtiefe der Schilderung (fast) jede Aussage unvollständig und damit falsch wäre. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

11 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB III. Problematik von Verfahrensverstößen Inwieweit das prozessordnungswidrige Zustandekommen einer Aussage der Anwendung der §§ 153 ff. StGB entgegensteht – und damit prozessuale Verstöße in das materielle Recht hinüberwirken –, ist erheblich umstritten. Im Grundsatz besteht Einigkeit, dass nicht jede Verletzung des Verfahrensrechts die Anwendung der Aussagedelikte hindert, denn die meisten Verfahrensvorschriften betreffen nicht die Vernehmung der Beweisperson. Eine Ausnahme ergibt sich aber unmittelbar aus den §§ 153, 154 Abs. 1, 156 StGB, die explizit die Zuständigkeit der vernehmenden Stelle zur Abnahme von Eiden oder eidlichen Versicherungen fordern. Hier schließt die fehlende Zuständigkeit den jeweiligen Tatbestand aus. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

12 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB III. Problematik von Verfahrensverstößen Wie verhält es sich, wenn die Aussage auf Grund ihrer prozessual fehlerhaften Genese bei der Urteilsfindung einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, wie bei unterbliebener Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs.1 , Abs. 3 S. 1 StPO oder bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden gem. §§ 136 a, 69 Abs. 3 StPO. Rechtsprechung und Teile des Schrifttums beharren – selbst bei prozessualer Unverwertbarkeit der Falschaussage – auf dem Standpunkt, dass das prozessordnungsgemäße Zustandekommen der Aussage keine Bedingung für die Anwendung der §§ 153 ff. StPO sei. Begründet wird dies mit dem Schutz der Rechtspflege, denn ein bestehendes Verwertungsverbot könne vom Gericht übersehen werden, so dass die Falschaussage unbemerkt Eingang in die Tatsachenfeststellung finden und so die Wahrheitsfindung beeinträchtigen könne. Allenfalls auf der Ebene der Strafzumessung soll der Umstand der prozessualen Unverwertbarkeit strafmindernd zu berücksichtigen sein (Strafzumessungslösung). Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

13 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB III. Problematik von Verfahrensverstößen Mit Rücksicht auf die enge Verschränkung der Aussagedelikte mit dem Prozessrecht fordern Teile des Schrifttums prozessual unverwertbare Aussagen aus dem Anwendungsbereich der §§ 153 ff. StGB auszugrenzen (Tatbestandslösung). Dahinter steht die Überlegung, dass das Rechtsgut der wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellung nicht durch Falschaussagen gefährdet ist, die von Rechts wegen im betreffenden Verfahren keine Berücksichtigung finden dürfen. Die Verwertbarkeit der Aussage ist hiernach notwendige Bedingung einer Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts. Verneint wird dabei teils die Wahrheitspflicht der Beweisperson, teils das Vorliegen einer Aussage. Teilweise wird einschränkend gefordert, dass die vernehmende Stelle den zur Unverwertbarkeit führenden Fehler zu verantworten haben müsse. Damit soll eine missbräuchliche Instrumentalisierung von Verfahrensfehlern seitens der falsch aussagenden Beweisperson verhindert werden. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 1. Uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB § 153 StGB verlangt, dass der Täter als Zeuge oder Sachverständiger vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung zuständigen Stelle uneidlich falsch aussagt. Zur Falschaussage gilt das bereits Ausgeführte. Die anderen zuständigen Stellen bedürfen stets einer gesetzlichen Ermächtigung zur Durchführung eidlicher Vernehmungen, wie z.B. Notare nach § 22 Abs. 1 BNotO. Zwar ist der Staatsanwaltschaft nach § 161 a Abs. 1 S. 1 StPO die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen im Ermittlungsverfahren gestattet, aber nach § 161 a Abs. 1 S. 3 StPO ist sie nicht zu eidlichen Vernehmungen befugt. Dies gilt erst recht für Polizeibehörden. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

15 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 1. Uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB Umstritten ist, ob neben der generellen Zuständigkeit des Gerichts oder der anderen Stelle zu eidlichen Vernehmungen weitergehend auch die personelle und verfahrensrechtliche Befugnis einer eidlichen Vernehmung im konkreten Verfahren zu fordern ist. Beispiel: Zeuge Z sagt in einem Bewilligungsverfahren um Prozesskostenhilfe vor Gericht uneidlich falsch aus. Kann Z nach § 153 StGB bestraft werden, obwohl § 118 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 ZPO die Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen im Bewilligungsverfahren für unzulässig erklärt? War das Gericht also in diesem Verfahren gleichwohl eine für eidliche Vernehmungen zuständige Stelle, wie von § 153 StGB verlangt? Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

16 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 1. Uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB Hier ist auf Grund des gesetzlichen Vereidigungsverbots die Zuständigkeit zur Eidesabnahme – und somit § 153 StGB – zu verneinen. Um eine trennscharfe Abschichtung der §§ 153 ff. StGB gegenüber sonstigen – nicht besonders geschützten – Verfahrenssituationen zu gewährleisten, ist stets die konkrete verfahrensrechtliche Ermächtigung zur Eidesabnahme zu fordern. Ein paralleles Problem ist die uneidliche gerichtliche Vernehmung der Beweisperson durch einen Referendar oder Rechtspfleger, die nach § 10 S. 2 GVG bzw. § 4 Abs. 2 Nr. 1 RPflG nicht zur Anordnung oder zur Abnahme von Eiden befugt sind, so dass auch hier die Zuständigkeit fehlt. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

17 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 1. Uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB Der Täter muss zumindest bedingt vorsätzlich falsch aussagen und dabei die Zuständigkeit der betreffenden Stelle „kennen“. Nimmt ein falsch aussagender Zeuge irrtümlich an, seine Wahrheitspflicht erfasse nicht die Angaben zur Person (§ 68 Abs. 1 S. 1 StPO), so ist dies ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Tatvollendung tritt mit Abschluss der Vernehmung ein. Das ist der Moment, in dem der Vernehmende erklärt, er verlange von der Beweisperson keine weiteren Auskünfte, und diese zu erkennen gibt, dass sie nichts mehr zu dem Beweisthema mitzuteilen hat – kann auch über mehrere Termine einer Hauptverhandlung (vgl. § 229 StPO) gehen. Denkbar ist aber auch, dass die Beweisperson innerhalb eines Verfahrens mehrfach „abschließend“ vernommen wird. In diesem Fall liegen tatbestandlich zwar mehrere Falschaussagen vor, aber der Täter ist nur einmal aus § 153 StGB zu verurteilen, weil mehrfache Falschaussagen im selben Verfahren (Instanz) als rechtliche Handlungseinheit zusammenzufassen sind. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

18 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 2. Meineid nach § 154 Abs. 1 StGB Nach § 154 Abs. 1 StGB wird derjenige, der vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (§ 12 Abs. 1 StGB). Der Wortlaut des § 154 Abs. 1 StGB grenzt – anders als § 153 StGB – den Kreis möglicher Täter nicht ein, weshalb auch die Partei im Zivilprozess erfasst sind. Hinsichtlich der zur Eidesabnahme zuständigen Stellen gilt das zu § 153 StGB Ausgeführte. Dem Eid gleich stehen nach § 155 Nr. 1 die den Eid ersetzende Bekräftigung (§§ 65 StPO, 484 ZPO) und nach Nr. 2 die Berufung auf einen früheren Eid oder eine frühere Bekräftigung. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

19 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 2. Meineid nach § 154 Abs. 1 StGB Die Tathandlung des Meineids – „falsch schwört“ – beschreibt etwas missverständlich die Beeidigung einer falschen Aussage. Ein Eid ist die förmliche, d.h. in einer gesetzlich bestimmten Form abgegebene besondere Versicherung der Wahrheit einer Aussage. Eine wirksame Beeidigung setzt die Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten der Eidesleistung voraus, was letztlich auf den Gebrauch der Worte „ich schwöre“ durch die Beweisperson hinausläuft. Die Verletzung anderer Beeidigungsformalitäten, z.B. das Nichtheben der rechten Hand beim Schwur, ist unschädlich. Anders als früher ist die Zeugenbeeidigung heute nach § 59 Abs. 1 S. 1 StPO, § 391 ZPO nicht mehr der gesetzliche Regelfall. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

20 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 2. Meineid nach § 154 Abs. 1 StGB Wie verhält es sich mit einer verfahrenswidrigen Vereidigung von Personen unter 18 Jahren entgegen § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO? Die Rechtsprechung beharrt hier ebenfalls auf dem Standpunkt, dass Verfahrensfehler dem Grund nach die Anwendung des § 154 Abs. 1 StGB nicht hindern, und sieht auch den Eidesunmündigen als tauglichen Täter an, sofern er über die Verstandesreife verfügt, Wesen und Bedeutung des Eides zu erkennen. Andererseits wird die beeidete Aussage mit Rücksicht auf das aus der Missachtung des § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO folgende Verwertungsverbot für tatbestandlos gehalten. Andere sehen im Vereidigungsverbot eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der fehlenden Unrechtseinsicht von eidesunmündigen Personen und verneinen auf Grund fehlender Bedeutungskenntnis den Vorsatz oder die Schuld. Allerdings gibt es unterschiedliche Altersgrenzen - (§ 393 ZPO: 16 Jahre; § 60 Nr. 1 Var. 1 StPO: 18 Jahre Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

21 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 2. Meineid nach § 154 Abs. 1 StGB Für § 154 Abs. 1 StGB genügt bedingt vorsätzliches Handeln. Allerdings ist hier ebenfalls die Bedeutungskenntnis des Täters erforderlich, dass die eidliche oder eidesgleiche Wahrheitsbekräftigung auch die Falschaussage umfasst. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

22 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 3. Falsche Versicherung an Eides Statt nach § 156 StGB § 156 erfasst die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt sowie die falsche Aussage unter Berufung auf eine solche Versicherung. Der gegenüber §§ 153–155 StGB niedrigere Strafrahmen des § 156 StGB – Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe – entspricht dem schwächeren Beweiswert eidesstattlicher Versicherungen. Die eidesstattliche Versicherung als Beweismittel ist eine selbständige Form der Wahrheitsbeteuerung, der vor allem bei der Zwangsvollstreckung und im vorläufigen Rechtsschutz herausragende Bedeutung zukommt. Praktisch bedeutend ist die Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802 c ZPO. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

23 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 3. Falsche Versicherung an Eides Statt nach § 156 StGB Die eidesstattliche Versicherung ist eine schriftliche – bisweilen mündliche – Erklärung, bei der die Beweisperson mit den Worten an „Eides Statt“ oder einem gleichbedeutenden Ausdruck die Wahrheit ihrer Angaben versichert. Vorausgesetzt ist die Zuständigkeit der Behörde zur Entgegennahme eidesstattlicher Versicherungen, die sich unmittelbar aus einer Regelung ergeben kann (etwa § 27 BVwVfG, § 294 Abs. 1 ZPO), aber nicht muss. Ausschlaggebend ist in erster Linie die Befugnis der Behörde zur Durchführung eines förmlichen Beweisverfahrens, weshalb Staatsanwaltschaft und Polizei ausscheiden. Nach § 11 I Nr. 7 StGB zählen Gerichte zu den Behörden. Auch hier ist zu fordern, dass die Behörde in dem jeweiligen Verfahren konkret befugt ist, die Versicherung des Erklärenden über den Gegenstand, auf den sie sich bezieht, abzunehmen. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

24 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 4. Fahrlässiger Falscheid und fahrlässige falsche Versicherung an Eides Statt nach § 161 Abs. 1 StGB § 161 Abs. 1 StGB stellt den fahrlässigen Falscheid und die fahrlässige falsche Versicherung an Eides Statt unter Strafe, nicht aber die fahrlässige uneidliche Falschaussage - anderenfalls müsste die Staatsanwaltschaft nämlich bei zwei sich widersprechenden Zeugenaussagen (und damit wohl bei fast jedem streitigen Zivilverfahren) einen entsprechenden Anfangsverdacht bejahen und Ermittlungen aufnehmen. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

25 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 4. Fahrlässiger Falscheid und fahrlässige falsche Versicherung an Eides Statt nach § 161 Abs. 1 StGB Neben der Verwirklichung der objektiven Merkmale der §§ 154 Abs. 1, 155, 156 StGB muss eine entsprechende Sorgfaltspflichtverletzung der Beweisperson vorliegen, z.B. weil sie sich während ihrer Vernehmung auf Grund mangelnder Konzentration verspricht, infolgedessen falsch aussagt und im Anschluss hieran vereidigt wird. Inwieweit Handlungen im Vorfeld der Vernehmung eine tatbestandsrelevante Sorgfaltspflichtverletzung begründen können, wird unterschiedlich beurteilt, wobei aber Einigkeit besteht, dass hier stets die Rolle der Beweisperson zu beachten ist. Den Zeugen trifft nach h.M. keine strafbewehrte Vorbereitungs- oder Informationspflicht, z.B. durch Einsicht in eigene Unterlagen vor der Aussage, es sei denn, er wird – wie ein Polizist oder Richter – in amtlicher Eigenschaft vernommen. Vorfeldpflichten obliegen der Partei sowie dem Sachverständigen, letzterem schon bei Erstellung seines Gutachtens. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

26 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 5. Die Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB Wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage verleitet, wird nach § 160 Abs. 1 StGB bestraft. Grund: Aufgrund der Eigenhändigkeit der Aussagedelikte ist eine mittelbare Täterschaft ausgeschlossen (verselbstständigter Fall der mittelbaren Täterschaft). Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

27 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 5. Die Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB Beispiel: Der Angeklagte A versucht, seinen Freund Z so zu manipulieren, dass dieser als Zeuge zu seinen Gunsten vor Gericht unvorsätzlich falsch aussagt. A erklärt gegenüber Z, beide hätten doch am Tattag, dem , eine ganztägige Radtour unternommen, weshalb er die angeklagte Tat nicht begangen haben könne. Tatsächlich fand die gemeinsame Radtour einen Tag später statt. Z durchschaut den Manipulationsversuch des A, lässt sich aber nichts anmerken. Um dem A heimlich zu helfen, sagt Z zu dessen Gunsten falsch vor Gericht aus. Z ist nach § 153 StGB zu bestrafen, aber was gilt für das Verhalten des A? §§ 153, 26 StGB sind nicht einschlägig, weil dem A der Anstiftervorsatz fehlt, schließlich sollte Z unvorsätzlich falsch aussagen. Damit ist für A zu entscheiden, ob ein erfolgreiches Verleiten nach § 160 Abs. 1 Var. 3 StGB oder nur ein versuchtes nach §§ 160 Abs. 1 Var. 3, Abs. 2 StGB vorliegt. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

28 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 5. Die Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB Die Rechtsprechung nimmt selbst dann ein erfolgreiches Verleiten an, wenn eine lediglich in der Vorstellung des Täters gutgläubige Beweisperson durch eine vorsätzliche Einwirkung zur tatbestandlichen Verwirklichung der §§ 153, 154 StGB oder § 156 StGB veranlasst wird. Begründet wird dies ua mit dem „pragmatischen“ Hinweis, die vom Verleitenden gewollte Gefährdung der Rechtspflege durch Herbeiführung einer Falschaussage sei im Endeffekt erreicht worden. Kritisch zu bemerken ist, dass diese Auslegung dem Verleitungstatbestand – über seinen ursprünglichen Normanwendungsbereich hinaus – eine dogmatisch diffuse Auffangfunktion für „unvorsätzliche Anstiftungen“ zuweist. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

29 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB IV. Die einzelnen Delikte 5. Die Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB Auf Grundlage der nach hier vertretener Auffassung zutreffenden Deutung des § 160 StGB als kodifizierter Spezialfall der mittelbaren Täterschaft ist es dagegen zwingend, in dieser Konstellation eine versuchte Verleitung nach § 160 Abs. 2 StGB anzunehmen, weil ein erfolgreiches Verleiten die tatsächliche Gutgläubigkeit der Beweisperson voraussetzt. Andernfalls fehlt dem Hintermann gerade die für eine täterschaftliche Zurechnung der Falschaussage erforderliche Tatherrschaft über „sein“ menschliches Werkzeug; insofern hat der Hintermann also weniger erreicht als beabsichtigt, denn er wollte eine eigene Straftat (§ 160 Abs. 1 StGB) begehen und nicht einen Dritten zur selbstständigen Begehung einer Straftat (§§ 153 ff. StGB) veranlassen; das wird durch eine Verurteilung nach § 160 Abs. 2 StGB angemessen zum Ausdruck gebracht. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

30 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 1. Aussageerpressung – § 343 StGB (1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an 1.einem Strafverfahren, einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung, 2.einem Bußgeldverfahren oder 3.einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren berufen ist, einen anderen körperlich mißhandelt, gegen ihn sonst Gewalt anwendet, ihm Gewalt androht oder ihn seelisch quält, um ihn zu nötigen, in dem Verfahren etwas auszusagen oder zu erklären oder dies zu unterlassen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

31 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 1. Aussageerpressung – § 343 StGB Täter kann nur ein Amtsträger iSd § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB unter den einschränkenden Voraussetzungen in Abs. 1 Nr. 1–3 sein. Danach muss der Täter in seiner amtlichen Eigenschaft zur Mitwirkung an einem der dort bezeichneten Verfahren der Sanktion oder Maßregel berufen sein. Für die Mitwirkung ist ausreichend, dass der Amtsträger wegen seines dienstlichen Aufgabenbereichs allgemein an Verfahren der betreffenden Art auf Seiten der Verfahrensführung teilnehmen kann. Ob er auch im konkreten Einzelfall zuständig gewesen wäre, ist unerheblich Als Strafverfahren iSd Abs. 1 Nr. 1 zählen alle Verfahren, welche die Möglichkeit eröffnen, eine Strafe bzw. Sanktion zu verhängen. Mitwirkende Amtsträger sind vornehmlich Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte. Nicht erfasst sind reine Präventivmaßnahmen eines Amtsträgers sowie polizeiliche Vollzugshandlungen zur Verhinderung oder Unterdrückung eines polizeiwidrigen Zustandes Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

32 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 1. Aussageerpressung – § 343 StGB Die Vorschrift nennt verschiedene Tathandlungen, mit denen auf das Opfer (va Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige) Zwang ausgeübt werden soll, um sie zu (dem Unterlassen) einer Aussage zu nötigen. Wegen des Verbrechenscharakters der Tat ist zurückhaltende Auslegung geboten. Nicht jede Unannehmlichkeit (zB ermüdende Vernehmungen) ist daher strafbar. Selbst der Rückgriff auf eine verbotene Vernehmungsmethode des § 136a StPO bedeutet nicht sogleich eine Verwirklichung der Vorschrift Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

33 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 1. Aussageerpressung – § 343 StGB Da die Vorschrift die Rechtspflege als überindividuelles Rechtsgut schützt, entfaltet eine Einwilligung des Opfers keine rechtfertigende Wirkung. Allerdings käme eine Einwilligung ohnehin nur in Bezug auf die angewandten Zwangsmittel in Betracht, zB wenn sich das Opfer mit der Verabreichung eines Wahrheitsserums einverstanden erklärt. Unerheblich ist, ob das Opfer die gewünschte Äußerung freiwillig tätigt; insoweit ist ausschließlich die Vorstellung des Täters maßgeblich. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

34 Strafverfahrensrecht II
Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB Der Straftatbestand unterscheidet zwischen Verfolgungsvereitelung und Vollstreckungsvereitelung. Eine Verfolgungsvereitelung ist nach Abs. 1 gegeben, wenn jemand absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer, der eine rechtswidrige Tat begangen oder an ihrer Begehung mitgewirkt hat, dem Strafgesetz gemäß wegen dieser Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird. Eine Vollstreckungsvereitelung liegt nach Abs. 2 vor, wenn jemand absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB - Verfolgungsvereitelung Als Vortat kommt nur eine tatsächlich begangene rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) in Betracht. Ihr Vorliegen ist vom erkennenden Gericht – ggf. wahlweise – festzustellen, wobei es an die Beurteilung des Gerichts, das über die Vortat entschieden hat, nicht gebunden ist. Es muss folglich zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der Vortäter ohne das Eingreifen des Täters nicht wegen der Vortat bestraft oder einer Maßname unterworfen worden wäre. Unter Strafe versteht § 258 StGB jede Art von Strafe, insbes. auch Nebenstrafen wie das Fahrverbot (§ 44 StGB). Mangels Strafcharakter fallen Disziplinarmaßnahmen, Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten (§ 13 OWiG), Auflagen und Weisungen nach §§ 56b, 56c oder § 153a StPO, Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft (§§ 177, 178 GVG), Prozessstrafen (§§ 888, 890 ZPO) sowie Sanktionen (§§ 9, 13 JGG) nicht hierunter. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB - Verfolgungsvereitelung Der Täter muss folglich durch die Vereitelungshandlung den Eintritt eines bestimmten Vereitelungserfolgs herbeiführen. Der Vortäter muss durch die Hilfeleistung im Hinblick auf die Strafverfolgung tatsächlich besser gestellt worden sein. Insoweit ist für eine gänzliche Vereitelung nicht erforderlich, dass die Strafverfolgung oder die Anordnung einer Maßnahme aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen völlig und endgültig unmöglich gemacht wird. Vielmehr ist ausreichend, dass der staatliche Verfolgungsanspruch für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist. Maßgeblich ist insoweit das Vorliegen einer Ahndungsverzögerung, sodass der Vereitelungserfolg bei Ermittlungsverzögerungen nur eintritt, wenn auch die Aburteilung für geraume Zeit verzögert wird. Die Dauer ist umstritten – 10 Tage oder bis zu drei Wochen (in Anlehnung an § 229 Abs.1 StPO. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB - Verfolgungsvereitelung Eine teilweise Vereitelung ist anzunehmen, wenn der Täter bewirkt, dass der Vortäter entgegen dem wahren Sachverhalt hinsichtlich eines begrenzten Teils der Strafe bzw. Maßnahme besser gestellt wird, als es der materiellen Rechtslage entspricht. •die Verurteilung wegen eines Vergehens statt eines Verbrechens oder wegen Beihilfe statt Täterschaft, •die Bestimmung einer zu kurzen Sperrfrist für die Wiedererteilung der entzogenen Fahrerlaubnis oder •die nur teilweise Erfassung eines strafbar erlangten Gewinns durch eine Einziehungsanordnung. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB - Vollstreckungsvereitelung Eine Vollstreckungsvereitelung liegt nach Abs. 2 vor, wenn jemand absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. Die vorangegangene Entscheidung eines inländischen Gerichts muss rechtskräftig und damit vollstreckbar sein (vgl. § 449 StPO). Für eine vollendete Tat ist erforderlich, dass die (weitere) Vollstreckung im Zeitpunkt der Auswirkungen der Tathandlung noch zulässig ist. Im Gegensatz zur Verfolgungsvereitelung kommt es nicht darauf an, ob die Vortat tatsächlich begangen worden und das zu vollstreckende Urteil sachlich zutreffend ist Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht

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Aussagedelikte - §§ 153 ff. StGB V. Weitere Straftatbestände 2. Strafvereitelung – § 258 StGB - Vollstreckungsvereitelung Der Täter muss die Strafvollstreckung ganz oder zum Teil vereitelt haben. Ebenso wie bei der Verfolgungsvereitelung ist ausreichend, dass die Vollstreckung „für geraume Zeit“ verzögert wird. Eine Teilvereitelung liegt vor, wenn der Verurteilte der Verbüßung eines Strafrestes entzogen wird oder eine Maßnahme nur teilweise vollstreckt werden kann. Die Vereitelungshandlung muss ursächlich für den Erfolg gewesen sein. Umstritten ist, ob die Zahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten für den Verurteilten, auch in Form einer Schenkung, als Vollstreckungsvereitelung zu beurteilen ist. Rechtsprechung verneint in diesen Fällen eine Strafbarkeit insbes. unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut und die verstärkte Gefahr, dass sozialadäquate Verhaltensweisen unter Strafe gestellt würden. Andererseits soll die Geldstrafe den Verurteilten persönlich treffen. Maßgeblich für eine Straflosigkeit spricht allerdings die Möglichkeit der leichten Umgehung des Tatbestandes, etwa durch nachträgliche Erstattung der Geldstrafe oder Gewährung eines Darlehens unter späterem Verzicht auf Rückzahlung. Strafverfahrensrecht II Rechtsanwalt Dr. Andrew Patzschke, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht


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