Präsentation herunterladen
Die Präsentation wird geladen. Bitte warten
Veröffentlicht von:Annegret Winter Geändert vor über 6 Jahren
1
Folien der VO Qualitative Sozialforschung
Liebe Studierende, diese Sammlung der von mir in der VO verwendeten Folien ordnet den Gegenstandsbereich. Für die Prüfung können sie ein Gerüst darstellen, bedürfen aber noch der Erläuterungen und der Reflexion. Die schriftliche Prüfung bezieht sich auf die in der VO erarbeiteten Themenbereiche und den Text „Standards nicht-standardisierter Forschung in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften“ von Ralf Bohnsack, der sich im Netz unter befindet. WS 2005/06
2
Übersicht Was ist Wissenschaft? I. Kant, Giambattista Vico
Konstruktivismus Begründungen für qualitative Sozialforschung Was leistet qualitative Sozialforschung? Methodologischer Hauptstrom Methodologischer Gegenstrom Das Interpretative Paradigma Subjektivität und Struktur Polen und die Chicagoer-Schule Erziehungswissenschaften Geisteswissenschaftliche Pädagogik Symbolischer Interaktionismus
3
Ethnotheorie, Ethnomethodologie
Ein Klassiker der empirischen Sozialforschung Die Marienthalstudie Forschungsmethoden Formen des Interviews Das problemzentrierte Interview Leitfadeninterview Gruppendiskussion Das Narrative Interview Die Formen der Beobachtung Forschendes Lernen Abduktion Grounded Theory Phasen des Kodierens Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung
4
Empfohlene Literatur Flick, U. 2002: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek Flick, U./ Kardorff, E. v/Steinke I. (Hg.) 2000: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek b. H.: Friebertshäuser, B./Prengel, A. (Hg.) 1997: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Juventa Lamnek, S. 2005: Qualitative Sozialforschung. Ein Lehrbuch, 4.A., Weinheim Strauss, A. 1998: : Grundlagen qualitativer Sozialforschung. München Strauss, A./Corbin, J. 1996: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim Strübing, J./Schnettler, B. (Hg.) 2004: Methodologie interpretativer Sozialforschung. Konstanz
5
Was ist Wissenschaft? Welcher Norm folgt Wi.? Was zeichnet Wi. von anderen Systemen aus? Wodurch erhält sie herausragenden Stellenwert? Alltag subjektiv, nichtsystematisch, routinisiert, Vermeidung von Zweifel, Alternativen, pragmatische Motivation, Wirk-Lichkeit, erfahrungsnahe Sprache Wissenschaft paradigmatisch geordnetes Wissen, systematisiert, methodisch, ständiger Zweifel, Mehrdeutigkeiten, Distanz zum Alltag, Fachsprache
6
Welche anderen Systeme der Welterkennung gibt es?
Religion (Glaube), Mythos (Schicksal), Alltag (Routine), Kunst (subjektive Erfahrung) Wissenschaft ist methodisch gewonnenes, systematisches, durch Sprache vermitteltes Wissen über zugängliche Teile der Wirklichkeit Kriterien Wertneutralität (Aber: Es gibt keinen logischen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Wert; dieser wird erst durch den Menschen geschaffen) Universalität: Grade der Allgemeinheit „De singularibus non est scientia“ Allgemeingültigkeit: Mittels Sprache Ereignisse differenzieren Objektivität (Illusion, dass Beobachtungen ohne Beobachter gemacht werden könnten) Intersubjektivität Widerspruchsfreiheit, logische Konsistenz
9
Entwicklung der Wissenschaft
Griechen (Aristoteles) Epistèmè: Erste, die wirklich Wissen von Meinung unterschieden. Wenn eine Person etwas weiß, im Gegensatz zum Glauben Wahrheit begründen oder demonstrieren, Epistèmè (Wissen, Kenntnis) – Doxa (Alltagswissen) Epistemologie: Dogmatiker: Erkunden, was wir wie wissen können Skeptiker: Wir können nichts wirklich wissen. In allen und bekannten Hochkulturen waren die wichtigen Schriften zugleich auch Religion: Altes Testament, Hinduismus, Konfuzianismus, Buddhismus; nur nicht bei den Griechen: Beschäftigung mit Religion und Philosophie war zweierlei
10
Immanuel Kant A priori - A posteriori: Zentrale Frage: Gibt es eine reale, vom Bewusstsein unabhängige Außenwelt? Wie ist Erkenntnis möglich? 1) Der Mensch schreibt der Natur vor aller Erfahrung Gesetze vor (a priori). Der menschliche Verstand ist der Gesetzgeber der Natur 2) Die Regelmäßigkeit und Ordnung der Erscheinungen die wir Natur nennen, ist eine von Menschen geschaffene, anthropogene Ordnung; 3) Der Mensch kann die Außenwelt nur symbolisch erfassen. „Das Ding an sich ist unerkennbar, es gibt nur die, von unserem Wahrnehmungs- und Denkapparat, also vom Bewusstsein geformten Erscheinungen. Diese Erscheinungen nennen wir Realität“
11
Denken ist somit Erkenntnis durch Begriffe
Erkenntnis entspringt also aus 2 Grundquellen Der Vorstellung (Rezeptivität der Eindrücke) – und der Anschauung (Sinnlichkeit) Der Gegenstand der Vorstellung wird gedacht „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ „Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, dass sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen.“ Erst der Verstand bringt die Welt/Realität hervor, indem er sie konstruiert und aus der Vielfalt der Erfahrungen (Sinneswahrnehmungen) eine Einheit bildet. Der Verstand ist nach Kant also nicht als Teil der Welt zu sehen, sondern als ihr Ursprung Denken ist somit Erkenntnis durch Begriffe
12
Die Erkennbarkeit der Welt ist aber begrenzt, da sie an die Bedingungen des Verstandes gekoppelt ist. Wie wir sie konstruieren hängt nach Kant von unserer Erkenntnismatrix ab, die transzendental (als Gegenbegriff zu empirisch) ist, also vor jeder Erkenntnis liegt. Beispiel:Ein Pferd ist wahrnehmbar (empirisch), die Klasse der Pferde ist jedoch selbst kein Pferd und als solche auch nicht sinnlich erfahrbar/wahrnehmbar (transzendental). Das Pferd und die Klasse der Pferde gehören verschiedenen logischen Ebenen an. Also ist die Erkenntnis eines jeden, wenigstens des menschlichen, Verstandes, eine Erkenntnis durch Begriffe, nicht intuitiv, sondern diskursiv.
13
Die Schöpfungsgeschichte in Bildern [Gudehus, Juli, Schöpfung, 1993, S
14
(Wahrnehmungsfilter)
Theorie Empirie (Wahrnehmungsfilter) Wirklichkeit Darstellung Methoden Begriffe Sprache
15
Giambattista Vico Der Neapolitaner Giambattista Vico war der erste, der eine konstruktivistische Wissenschaftstheorie entwarf: Scienza Nuova Prima (1725) Geschichtsgenetische Auffassung der Welt Soziale Realitäten die wir erkennen, sind diejenigen, die wir geschaffen haben Ideengeschichte: Herausfinden, was Menschen gedacht und gefühlt haben; die grundlegenden Vorstellungen, in denen sie sich selbst gesehen haben. Es gibt keine allgemeine, unwandelbare Natur sondern nur Entwicklungen in Kontexten
16
Konstruktivismus Beobachtet und bewertet wird von einem Beobachter, der selbst Teil der Beobachtung ist. Grundannahme ist, dass die Welt, bzw. das, was wir für die Welt halten, nicht die Ursache unserer Wahrnehmung ist, sondern deren Resultat. Der traditionelle naturwissenschaftliche Ansatz, der vom Beobachter in der Position eines objektiven, neutralen, außenstehenden Beobachters ausgeht, der Fakten beschreibt, erweist sich demnach als eine Illusion Die Überprüfungskriterien für so gewonnene Modelle sind ihre Problemlösungskapazität, die Konsistenz und die Verknüpfbarkeit mit Modellen und Ansätzen anderer wissenschaftlicher Disziplinen
18
Das informationsverarbeitende neuronale System ist großteils ein autopoietisches Netzwerk. Das heißt, dass das Gehirn selbsttätig Erfahrungen mit bereits vorhandenen Kognitionen verknüpft. Es werden nicht nur Daten gespeichert sondern es wird auch produktiv und kreativ mit den Inputs umgegangen. In diesem Sinne wird nicht mehr von linearer Kausalität sondern zirkulären Kausalitäten gesprochen
21
Zwei Indianer gehen zu ihrem Medizinmann und fragen: "Kannst Du uns sagen, wie in diesem Jahr der Winter wird? „Der Medizinmann wirft einen Haufen kleiner Steinchen auf den Boden und sagt: „Das wird ein sehr kalter Winter, sammelt viel Holz zum Heizen“. Am anderen Tag kommen noch einige Indianer zu ihm und fragen dasselbe. Auch ihnen sagt er: „Sammelt viel Holz“. Auch von anderen Stämmen kommen die Indianer und immer sagt er dasselbe: „Sammelt viel Holz!“Doch der Medizinmann ist sich nicht ganz sicher. Er denkt sich: „Ich muss doch mal beim Wetteramt anrufen, ob das denn auch richtig ist“. Er geht zum Telefonieren und fragt den Herrn vom Wetteramt: „Können Sie mir bitte sagen, wie in diesem Jahr der Winter wird?“ Der freundliche Herr vom Wetteramt antwortet ihm: „Das wird ein ganz harter Winter! Die Indianer sammeln Holz wie die Verrückten“
22
Wie man an die Wirklichkeit herangeht, ist für das ausschlaggebend, was man finden kann.
Aktion und Erkenntnis sind daher aufeinander angewiesen ohne Referenz an einer gegebenen Wirklichkeit Varela: "Das Gehirn ist ein Organ, das Welten festlegt, keine Welt spiegelt„ Piaget: "Wer seine Erfahrung organisiert, organisiert die Welt„ Aber auch hier gilt wieder der Verweis: Erfahrung – Theorie – Paradigma – Kultur Beispiel: Kopftücher von Musliminnen: Projektionsfläche für unterschiedliche Haltungen
23
Paradigmatische „Signalwirkung“
Individuelle Ebene Ungleichheit der Geschlechter und kulturelle Abgrenzung oder Traditionalität der Lebensform, aber auch Symbol der Unterscheidung vom Traditionalismus der Eltern Modeaccessoire, das „ethnischen“ Stolz symbolisiert aber auch sexuelle Nichtverfügbarkeit um damit gleichzeitig öffentliche Räume und familiär akzeptierte Aufstiege zu eröffnen Gesellschaft Zwangsverschleierung - Zwangsentschleierung Paradigmatische „Signalwirkung“ unabhängig von den Absichten der Trägerin „objektive“ Wirkung? Hakenkreuz Tilgung der Symbole oder Erweiterung des pluralen Spektrums? Kultur Religion - im Hinblick auf die einzelne Person als Privatsache? „Würde als Frau“ durch Kopftuch? Umkehrschluss: Eine unverhüllte Frau ist würdelos? Festschreibung einer traditionalistischen Form des Islam?
24
Theorie und Konstruktivismus
N. Luhmann: Th. ist nie Wiederspiegelung von Realität oder „ ... Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Erkenntnis des Gegenstandes. Daher auch keine Ausschließlichkeit des Wahrheitsanspruches im Verhältnis zu anderen, konkurrierenden Theorieunternehmungen“ (1984) Th. ist also immer Reduktion von Komplexität, Abstraktion; d.h. aber immer: eine kontingente Perspektive, die auch anders sein könnte. Im Konstruktivismus wird davon ausgegangen, dass eine Theorie ein Konstrukt, eine begriffliche Systematisierung und Strukturierung der Welt ist, die in gewisser Weise willkürlich ist. Jede Theorie ist nur eine von mehreren möglichen Selektionsperspektiven (Landkarten im Atlas)
25
Es gibt also nicht die eine Theorie, die die Wirklichkeit am besten wiedergibt, wiederspiegelt, abbildet: Theorie A ist nicht besser als Theorie B in dem Sinne, dass sie die Wirklichkeit adäquater wiedergibt, sie ist lediglich unter einem bestimmten Erkenntnisinteresse günstiger oder zweckmäßiger. Hinter jeder Theorie steht Interesse, soziale Gruppe, grundlegende Werteposition, moralische Grundhaltung, normativ fundiertes Interesse. Theorien bilden deshalb nicht einfach die Wirklichkeit ab, sondern strukturieren sie vor dem Hintergrund dieser Werteposition.
26
Beispiele: Galilei, Lyssenko
Trofim Denissowitsch Lyssenko: Direktor des Moskauer Instituts für Genetik der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Er war ein Mitbegründer der sowjetischen Agrarbiologie. Lyssenko lehnte als linientreuer Kommunist die auf Gregor Mendel gründende Genetik ab, weil sie seiner Meinung nach nicht mit den Lehren des Marxismus-Leninismus übereinstimmte. Statt dessen lehrte er die Vererbung erworbener Eigenschaften, eine längst als unbrauchbar erkannte Hypothese. Lyssenkos zweifelhafte Theorien wurden von Stalin gefördert und ruinierten letztlich die biologischen Sektoren der sowjetische Wissenschaft auf Jahrzehnte.
27
Wissenschaft dient der Vermehrung, Erweiterung, Korrektur von Wissen,
zeichnet sich durch eine rationale, operable und lehrbare Gesamtdarstellung von Einzelerkenntnissen aus. Methodisch gewonnenes, begrifflich systematisiertes, durch Sprache vermitteltes Wissen über zugängliche Teile der Wirklichkeit Theoretizität: theoretische Erklärung von Zusammenhängen, definierte und explizite Terminologie Systematizität: rational nachvollziehbare und widerspruchsfreie Argumentation Empirizität empirische Bestätigung der Ergebnisse, intersubjektive Nachprüfbarkeit, interdisziplinäre Anschließbarkeit /problembezogene Anwendbarkeit
28
Wahrheit Konsenstheorie: Wahrheit ist, was alle dafür halten
Korrespondenztheorie: Übereinstimmung mit der Realität Glaube (Wertesystem) exegetisch Konsistenz (im System) formal Konsens (Habermas) diskursiv Handlung (Dewey) pragmatisch: Theorien sind Gebilde, die als Instrumente zu benutzen sind. Es gibt keine Wahrheit über die Welt, weil sie nicht fertig ist. W. James: Wer die Wahrheit hat, schließt die Überraschung aus. Über-zeitliche Ebene der Vernunft verschließt das Noch-nicht-Eingetretenen Bedeutung Wahrheit: Popper: keine Eigenschaft von Objekten, sondern inhaltsabstrakt-prozedural erzeugt; von Konventionen abhängig Symbolisches Kapital, das auf unterschiedlichen Ebenen festgemacht ist (sozial, politisch, ...)
29
Verschränkung zwischen Theorie und Empirie
Theorie und Erfahrung Kant: Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen (...), als seine Anschauungen sich verständlich zu machen. Modern gesprochen: Theorie ohne Empirie ist leer - Empirie ohne Theorie blind Verschränkung zwischen Theorie und Empirie Dominanz der Theorie (Rationalismus) in der abendländischen Geschichte (Scholastik) - Erfolge der modernen Naturwissenschaften
30
Begründungen für qualitative Sozialforschung
Nichthintergehbarkeit des Subjektiven Soziale Strukturen, die von Individuen aktualisiert werden Subjektivität und Struktur Es gibt keine Erfahrung an sich - die konkrete Biographie begrenzt uns räumlich und zeitlich Bio = sozialweltliches Orientierungsmedium. Nicht das Individuum ist Thema soziologischer Biographieforschung, sondern das soziale Konstrukt „Biographie Ereignisse sind nur in ihrem Verlauf wahrnehmbar Das „Ganze“ ist dabei ein unstabiles (herzustellendes) Beziehungsgefüge
31
Was leistet qualitative Sozialforschung?
Untersuchung von Unbekanntem und Neuem Die subjektiven Deutungen der Situation der Alltagshandelnden erfassen oder sichtbar machen, Rekonstruktion latenten Sinns Rekonstruktion der Komplexität von Handlungsstrukturen am Einzelfall Deskription sozialen Handelns und sozialer Milieus empirisch begründete Hypothesen- und Theoriebildung Hypothesen- und Theorieüberprüfung innerhalb von Fallstrukturen
32
Methodologischer Hauptstrom
Naturwissenschaftliche Forschungspostulate (Ursache – Wirkung, Methodenmonismus, ) Ideal der Standardisierbarkeit, Reproduzierbarkeit und Messbarkeit interpersonale Verbindlichkeit bewertet die Methoden nach ihrer Tauglichkeit für Hypothesentest Galileische Tradition: kausale Erklärungsmodelle, positivistische und kritisch rationalistische Theorien allgemeingültige nomothetische Erklärungen mittels deterministischer oder probabilistischer Gesetze finden und quantitativ formulieren (z. B. Verhaltenstheorie)
33
Orientierung an naturwissenschaftlichen Forschungsmaximen führt zu Bruchstellen
Annahme: Einzelne Handlungen deduktiv aus der Kenntnis eines gemeinsamen Symbolsystems, d.h. eines kulturell geteilten Handlungsmusters, ableitbar und kontextunabhängig beschreiben (Beschränkung auf beobachtbares "Verhalten") Kolumbus
34
“Wenn Ihr in einem Land seid, das Ihr entdeckt habt, so vollzieht vor einem öffentlichen Notar und der größtmöglichen Anzahl und den namhaftesten Zeugen in unserem Namen einen Akt der Besitzergreifung, sei es dass Ihr Bäume und Äste umschlagt, oder einen Graben aushebt und ...“ (Legitimationsgesten: Erklären, Bezeugen, Protokollieren)
36
Verteilungsanalysen - Häufigkeitsanalysen
Es geht in der Regel um sogenannte repräsentative Erhebungen. Große Stichproben Verteilungsanalysen - Häufigkeitsanalysen Beispiel: Alkoholismus: x % der 14 jährigen sind in einer Stadt von > 6000 EW alkoholabhängig innerhalb der Altersphase, innerhalb der Bevölkerung (soziale Schichten), innerhalb geographischer Verteilungen Beispiele für Korrelationen Zusammenhang von Atomkraftwerken und dem Auftreten von Leukämie Zusammenhang von Erkrankung und Wohngebieten Aussagen großer Reichweite Beispiel: Ehescheidung: Von allen geschiedenen Ehen werden 21% nach 4 Jahren, 30% nach 7 Jahren, 40% nach 17 Jahren und 9% nach über 25 Jahren Ehezeit geschieden. Beispiel: Herzinfarkt: Alle sechs Minuten stirbt ein Mensch. Vier von fünf ÖsterreicherInnen wissen so gut wie nichts über den Herzinfarkt. Geeignet für den Meso- und Makrobereich sozialer Analysen
37
(Interpretatives Paradigma)
Methodologischer Gegenstrom (Interpretatives Paradigma) Analyse des Sinnverstehens von Handlungen - Rolle der Kommunikation in der Forschung Sozialwissenschaft: Gesetze nach dem Muster der Naturwissenschaft nicht möglich, "Handeln" nicht nur in kausalen Zusammenhängen (Perspektive der Handelnden) Gesellschaftliche Wirklichkeit ist nicht objektiv gegeben, sondern über Bedeutungszuschreibungen gesellschaftlich konstruiert (Akte der Deutung) Individuellem Handeln liegt Sinn zugrunde, der sich nicht aus der Beobachtung allein erschließen lässt Frankfurter Schule (Kritische Theorie): Willkür wissenschaftlicher Veranstaltung im operationalen Definieren; Pragmatische Sprachtheorie) aristotelische Tradition, verstehender Erklärungstyp (verstehend = teleologischer und finalistischer Erklärungstyp)
39
Das Interpretative Paradigma
Wilson (1973): Interpretationsleistungen der Subjekte (lehnt die Übernahme einer naturwissenschaftlichen Methodologie ab). Normatives Paradigma: Unabhängige, sogenannte objektive Wirklichkeitsbereiche Frage: Wie konstruieren Menschen ihre Wirklichkeit? Ansetzen an der Alltagswelt der Betroffenen. Handeln ist zentral für die Herstellung von Sinn und Bedeutung
40
Deutungs-oder Interpretationsapriori bezeichnet.
Systematisch in Rechnung gestellt wird die im Prozess der Sozialisation gebildete Fähigkeit, soziale und natürliche Zusammenhänge zu deuten. Die prinzipielle Gegebenheit dieser Fähigkeit zur Deutung (in Abhängigkeit von soziostrukturellen, institutionellen wie auch lebensgeschichtlichen Zusammenhängen) wird als Deutungs-oder Interpretationsapriori bezeichnet. Der Mensch verleiht seinen/ihren Wahrnehmungen Bedeutung in Prozessen der immer schon ablaufenden Interpretation. Wahrnehmung ist also immer schon Interpretation und Selektion.
41
Soziales Handeln beruht auf einem Interpretationsprozess
Soziales Handeln beruht auf einem Interpretationsprozess. Bedeutungszumessung, Relevanzabschätzung und Sinnverleihung sind Ausdrücke, die denselben Prozess beschreiben. Sinnhafte Strukturierung des sozialen Handelns geschieht durch die Handelnden. Neben die Kategorien Ursache und Wirkung wird die Kategorie Sinnhaftigkeit für das Verständnis von sozialem Handeln wesentlich. Intention: Gesellschaftliche Tatsachen über die Bedeutungszuschreibung der Handelnden erschließen, die „... Methodik des Zugriffs zu gesellschaftlichen Tatsachen ..." erfolgt "... über die Wirklichkeitskonzeption der Handelnden"
42
Kontextabhängigkeit der sozialen Erscheinungen
idiografische Methode (das Eigentümliche/Einmalige), Erscheinungen in ihrer ganzen konkreten Vielfalt, mit ihren Beziehungen untereinander und zu ihrem übergeordneten Ganzen Erscheinungen/Tatsachen werden durch situative Handlungen konstituiert Drei Eigenschaften kennzeichnen situatives Handeln: Die Objektivität der Sozialstruktur: Soziale Kategorien, Sitten, Normen und beständige Ereignisstrukturen, die aus der Sicht der Individuen und ihrer Handlungen etwas scheinbar Objektives sind (Lebenswirklichkeit) Die Verständlichkeit des Gezeigten: Vertrautheit mit konkreten situativen Handlungen (Fest des Huhnes) Die Kontextabhängigkeit des Sinns: Sinn hängt von Kontext ab
43
Allgemeine Prinzipien
Prinzip der Kommunikation Forschung und Datengewinnung ist eine kommunikative Leistung Sinnerzeugende Handlungskontexte sind mit zu rekonstruieren subjektive Deutungen der Situation der Alltagshandelnden Garfinkel: Krisenexperimente Wie Gesellschaftsmitglieder ihre Welt als real, objektive gegeben erleben, während sie sie selbst interpretativ mitbauen Prinzip der Offenheit Die Bedeutung einer sprachlichen Handlung ist indexikal; an den Kontext der Äußerung gebunden emisch (bedeutungsunterscheidend) vs. etisch (Raum, Zeit) Prinzipielle Fremdheit zwischen Forschenden und Erforschten Verzicht auf Hypothesenbildung ex ante (siehe Grounded Theory) – Theorie als Prozess; Prinzip kumulativer Theoriebildung Theoretische Stichprobe – Entwicklung während des Forschungsprozess
44
Subjektivität und Struktur
Systemtheorie: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile (Mann, Frau, Kind; Beziehung) Gestalttheorie: Figur und Hintergrund, Thema und Feld, Gestalt und Kontext. Husserl: Phänomenologie Die Welt muss stets sinnhaft ausgelegt werden = Akt der Deutung und Auslegung K. Marx: Gesellschaftlichkeit des Lebens. Das Sein bestimmt das Bewusstsein S. Freud: Psychoanalyse: Die Produziertheit des Lebens aus Trieben; Selbstaktualisierungen, Erinnerungen; Auflösung muss im Einzelfall erforscht werden
45
Polen und die Chicagoer-Schule
1892 Thomas Florian Znaniecki The Polish Peasant in Europe and America: Soziale Desintegrationsphänomene genau beschrieben und mit zahlreichen Dokumenten belegt. 300seitige Autobiographie des jungen polnischen Arbeitsemigranten Wladek „Indem wir die Erfahrungen und Einstellungen eines einzelnen Menschen analysieren, erhalten wir immer Daten und elementare Fakten, die nicht ausschließlich auf dieses Individuum begrenzt sind, sondern die mehr oder weniger als Klassen von Daten und Fakten behandelt werden und so für die Bestimmung von Gesetzmäßigkeiten des sozialen Prozesses genutzt werden können. Gleichgültig, ob wir die Materialien für die soziologische Analyse aus detaillierten Lebensberichten vom konkreten Individuum oder aus der Beobachtung von Massenphänomenen gewinnen - die Probleme der soziologischen Analyse sind die gleichen“
46
Sozialwissenschaft untersucht eine bereits interpretierte Welt
Alfred Schütz: Sozialwissenschaft liegt eine bereits entsprechend der Relevanzstrukturen der in der Sozialwelt lebenden Menschen gegliederte und gedeutete Welt vor Konstruktionen ersten Grades: Menschen haben diese Welt im voraus gegliedert und interpretiert Konstruktionen zweiten Grades sind Konstruktionen jener Konstruktionen, die im Sozialfeld von den Handelnden gebildet werden. Soziale Ordnung eines Feldes rekonstruieren Selbst- und Weltreferenz im Subjekt durch Sprache Latente und manifeste Strukturen
47
Erziehungswissenschaften Geisteswissenschaftliche Pädagogik
W. Dilthey, E. Spranger, H. Nohl, Th. Litt, W. Flitner Philosophische Fragen aus der Perspektive der Alltagserfahrung beantworten, Werte und Einsichten aus dem Leben selbst (und nicht aus abstrakten begrifflichen Vernunftsystemen) ableiten. Charakteristisch dafür z. B. Goethe`s Diktum: Grau ist alle Theorie, grün ist nur der Baum des Lebens Erlebnis. Menschliche Erkenntnis entsteht letztlich nur durch das Erleben und im erlebten Zusammenhang mit der „gedankenbildenden Arbeit des Lebens“. Die spezifische Methode geisteswissenschaftlicher Erkenntnis besteht für Dilthey deshalb in dem Nacherleben dessen, was in der Geschichte von einzelnen Menschen erlebt wurde. Verstehen ist in diesem Sinne Nacherleben.
48
Pädagogik als Erziehungswissenschaft
Normative Aussagen, die Zielsetzungen beinhalten (Soll-Aussagen), etwa Erziehungs-, Unterrichts- bzw. Lehr- und Lernziele; "Philosophie der Erziehung", Zielklärung Deskriptive Aussagen (Ist-Aussagen), Wenn-Dann-Annahmen, die Auskunft geben, welche pädagogischen Handlungen hinsichtlich welcher erstrebter Ziele erfolgversprechend sind; und auf einer darauf aufbauenden Ebene "Erziehungswissenschaft" Präskriptive Aussagen, Soll- und Ist-Sätze zu Handlungsempfehlungen verschmelzen, Anwendung bestimmter Erziehungs- oder Unterrichtsmethoden vorschlagen. "Praktische Pädagogik" Problem Von Seienssätzen zu Sollenssätzen gibt es keinen logisch ungebrochenen Übergang. Normen und Werte sind nicht unmittelbar aus Tatsachen ableitbar
49
Qualitative SF und Pädagogik
In der Pädagogik wurde schon sehr früh mit qualitativem Material gearbeitet (Rousseau) Geschichten greifen hinter die objektive Geschichte. Was wir soziale Wirklichkeit nennen, ist uns nur beschränkt aus eigener Erfahrung zugänglich. Diese ist nur ein Teil dessen, was andere, die wir bilden oder erziehen wollen, erleben. Pädagogische qualitative Forschung ist nicht nur an linguistischen Problemen eines Textes oder soziologischen Bedingungen von Regularitäten interessiert, sondern auch handlungsorientiert, an Handlungen sich weiterentwickelnd. Dieses Interesse an Handlungen setzt ein Verstehen der Strukturregeln der Lebenswelten voraus, und dies fordert wiederum, dass die vorgegebenen Definitionen relativiert werden. Eine so verstandene Biographieforschung sucht nach Gründen für menschliches Handeln und Verhalten.
50
Symbolischer Interaktionismus
Prämisse der Interaktionsbedingtheit individueller Bedeutungszuschreibungen Jegliches soziale Handeln ist symbolisch vermittelt, in unterschiedlichen sozialen Handlungskontexten wirken unterschiedliche Gültigkeitskriterien. Global wirken hier folgende Mechanismen: Menschen handeln Dingen, Situationen u. dgl. gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese Dingen, Situationen u. dgl. für sie besitzen. Die Bedeutung dieser Dinge, Situationen wird konstruiert und entsteht in sozialer Interaktion. Die Bedeutungen werden in interpretativen Prozessen hergestellt und modifiziert
51
Definition der Situation (William Isaac Thomas 1863-1947)
Erst die Definition oder Deutung einer Situation bestimmt die Wirklichkeit der sozialen Situation. Der Mensch handelt entsprechend seiner Deutung der Situation Thomas-Theorem ”Wenn eine Situation von den Menschen als wirklich definiert wird, so ist sie in ihren Konsequenzen wirklich.” Die Definition der Situation ist nicht beliebig (materielle Ressourcen, andere Handelnde, Macht, Erwartungen, Normen schränken diese ein)
52
Rahmen und Rahmung nach Erving Goffman (1977)
Eingeschränkte individuelle Wahlfreiheit des Subjekts Akteure definieren zwar die Situation, doch sie stellen meist lediglich fest, was für sie die Situation sein sollte, und verhalten sich entsprechend Dabei greifen wir auf ein System von Regeln zurück Die Definition der Situation ist nichts Starres, unterliegt im fortlaufenden Interaktionsprozess Veränderungen Rahmen als sozial vorgegebene Sinnstrukturen, die sich durch Objektivität, Autonomie und Immunität auszeichnen Rahmung die Inszenierung dieser subjektiv interpretierten und immer wieder aktiv neu gestalteten Vorgaben im prozesshaften Geschehen der Interaktion
53
Ethnotheorie, Ethnomethodologie
Der Objektbereich der Ethnotheorie ist das kulturspezifische Wissens- und Erkenntnissystem Art und Weise, wie Angehörige einer Kultur ihre Objektwelt wie auch die soziale Welt ordnen, wahrnehmen, definieren und klassifizieren Die kognitive Welt des Menschen ist von Bedeutungen durchwirkt, die es zu erschließen gilt Ethnomethodologie ist vor allem an formalen, universalen Regeln interessiert, die alltäglichen Interaktionen als Interaktionslogik zugrunde liegen. Nicht der Einzelmensch steht im Zentrum Hauptfrage: Wie wird die Gesellschaft zusammengefügt?
54
Qualitative Sozialforschung konkret
Strukturierung der Datensamm-lung durch ForscherIn Subjekt Situation Vollständig Experiment Narratives Interview Interpretative Verfahren Teilweise Leitfaden- Interview Teilnehmende Beobachtung Gruppendiskussion
57
Ein Klassiker der empirischen Sozialforschung
Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel
58
Non - reaktive Forschungsmethoden
Auswertung amtlicher Statistiken und Dokumente (Wahl-, Bevölkerungsstatistik) Dokumentenanalyse (Geschäftsbücher, Bücherausleihe, Zeitungsabonnenten, Vereinsmitglieder, Tagebuch) Verdeckte Beobachtung (Messung der Gehgeschwindigkeit, Informelle Gespräche)
59
Reaktive Forschungsmethoden
Teilnehmende Beobachtung (Haushaltsinventare, Lebensbeschreibungen, Geldeinteilung) Aktionsforschung (Kleiderhilfe, Arztsprechstunden, Schnittzeichenkurse, Preisausschreiben) Mündliche Befragungen (Expertenbefragung, biographische Interviews) Schriftliche Befragungen (Schulaufsätze, Mahlzeitinventare, Zeitbudgetbögen)
63
Irrtum der wenigen Arbeit
Formen des Interviews Irrtum der wenigen Arbeit
64
Übung Interviewsituation
InterviewerInnen/Interviewte: Thema „Kindheit“ oder „Familie“ Rollen-Feedback: Welche „Wahrheit“ haben Sie als Erzählperson erzählt? Kontext-Version der eigenen Geschichte Kommunikations- und Interaktionssituation Bewusste oder unbewusste, spontane oder überlegte Entscheidungen. Konsequenzen für die Interviewhaltung: Offenheit, Zurückhaltung bzw. Reflexion der eigenen Anteile, methodische Sorgfalt bei der Gestaltung der Interviewsituation. Übung (Paraphrase) Zeitrahmen: zweimal 5 Min., Wechsel der Rollen. Stil der üblichen Alltagskommunikation erzählen, was sie am heutigen oder gestrigen Tag erlebt hat. Die zweite Person fasst nach drei oder vier Sätzen der Erzählperson zusammen, was sie verstanden hat (paraphrasieren). Die Erzählperson kann korrigieren. Sie spricht erst weiter, wenn das Verstandene „stimmt“. Bei dieser Bestätigung des Verstandenen sind die Begriffe, die die zuhörende Person als ihre Begriffe in das Gespräch bringt, besonderes genau zu prüfen, ob sie den Begriffen entsprechen, die die Erzählperson auch verwenden würde. Die Rollen werden dann getauscht. Am Ende tauschen sich beide über ihr Erleben der Situation aus.
66
halbstrukturiertes Interview
Formen des Interviews Geschlossenes I: · größere Mengen (ab 100) von Datensätzen · für gezieltes Datenerheben · geeignet für faktenorientierte Fragen, nicht um Fragen, bei denen es darum geht, Sinn und Bedeutung abzuschöpfen · Sicherstellung der Vergleichbarkeit halbstrukturiertes Interview · mittlere Fallzahlen (bis zu 100) · Sicherstellung, dass bestimmte Gebiete auch angesprochen werden · Minimale Vergleichbarkeit Offenes Interview · kleinere Mengen (20) · geeignet für bedeutungs- und sinnorientierte Fragestellungen · Probleme bei der Vergleichbarkeit
67
Das problemzentrierte Interview
Eigene Perspektive zur Fragestellung darstellen bzw. entwickeln. Gesprächseröffnung: allgemeine Einstiegsfrage Die allgemeinen Sondierungen zielen auf das unmittelbare Einfordern von Details (z.B. „Wann und wie haben Sie diesen Entschluss gefasst?“) Die spezifischen Sondierungen haben eine primär verständnisgenerierende Funktion. Die Interviewenden sollen hierbei bereits Gesagtes zurückspiegeln, zusammenfassen, bestätigen bzw. berichtigen Verständnisfragen stellen, um bestimmte ausweichende oder sich widersprechende Antworten zu klären und/oder die Befragten direkt konfrontieren mit widersprüchlichen Aussagen bzw. unhinterfragten Alltagsselbstverständlichkeiten, um ihre „Konstruktion der Realitätsdarstellung offen zulegen“, d.h. es sollen Reflexionsprozesse provoziert werden. Dabei ist insgesamt darauf zu achten, dass eine angenehme Gesprächsatmosphäre herrscht und das inhaltliche Interesse verdeutlicht wird.
68
Der Interview-Leitfaden sollte nicht zu umfangreich
Leitfadeninterview Expertengespräch Die ExpertInnen sollten Auskunft über ihr Handlungs- und Entscheidungsfeld geben können. Kriterien für die Auswahl können sein: Position innerhalb des Untersuchungsfeldes, Reputation, die Entscheidungskompetenz, über die der oder die ExpertIn verfügt. Fragestellung zielt auf die Erfassung von Spezial-, Hintergrund- und Insider-Wissen über Handlungsvollzüge, und sogenannte „ungeschriebene Gesetze“, die ansonsten der Beobachtung verschlossen bleiben. kompetente Fragen formulieren Der Interview-Leitfaden sollte nicht zu umfangreich
69
Muster für Leitfragebogen
70
Probleme und Fehler bei der Interviewführung
Zu frühe Warum- und Detaillierungsfragen Schlechtes Zuhören Suggestivfragen dominanter Kommunikationsstil starrer Leitfaden emotionale Blockaden
71
Gruppendiskussion Milieutypische Orientierungen und Erfahrungen - wechselseitigen Bezugnahme und Herausforderung im (Gruppen-) Diskurs. Die Gruppendiskussion stellt keinen Ersatz für ein Einzelinterview dar. Es geht bei diesem Verfahren um tiefer liegende oder latente Einstellungen, Werte und Meinungen. ForscherIn hat Bedingungen der Möglichkeit dafür zu schaffen, dass der Fall, hier also die Gruppe, sich in seiner Eigenstrukturiertheit prozesshaft zu entfalten vermag. Die Größe der Gruppe für eine formelle Gruppendiskussion lässt sich formal schlecht festlegen, ab drei Personen kann man von einer Gruppe sprechen.
72
Bios = Leben Graphein = Schreiben
Biographie Bios = Leben Graphein = Schreiben “Life can only be understood backwards but must be lived forwards.” (Sòren Kierkegard) „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ (Max Frisch)
73
Die Kraft der Narration
Einbindung des Individuums in den historischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont durch Erzählen Die subjektive Aktivität des Erinnerns ist Re-Interpretation: kein Wiederfinden oder Wiedererkennen von Objekten, sondern erneutes Verstehen Der Sinn der Erinnerung ist Interpretation der Welt, um kulturwürdig zu bleiben einzigartiges Phänomen aus der Interpretationsstruktur des Individuums (Ereignisse erlangen Bedeutung) Erinnerung ist sozial überformt. Es gibt keine herrschaftsfreie, geschlechtsfreie Erinnerung
74
Darstellung idealer durch Auto- soziale Frage forschung
. Augustinus, Montaigne Kracauer, Benjamin Symbolischer Rousseau, Goethe; Chicagoer Schule Interaktionismus Xenophon narratives Interview Tacitus, Sueton Memoirenliteratur Annales life-history-Ansätze Heiligen- bürgerlich-kritische Heroen Psychoanalyse beschreibungen biographien (Zweig) oral history, Frauenforschung Engels, Marx, Weber Antike Ich Konstruktion Sozialbiographik Biographie- Darstellung idealer durch Auto soziale Frage forschung Charaktertypen biographie künstlerische Darstellung Authentizität, Rechtfer- soziale Erforschung frem- Nichthintergehbarkeit des reifer Persönlichkeiten tigung, Erlösung durch der Lebensstile, Sensibilität Subjektiven, Verbindung Autobiographie für biographische Erfahrungen - von gesellschaftlicher Struktur und Subjektivität Leben als Geschichte Biographie als Leben und Text
75
Zwei Zugänge Struktur Subjektivität Lebenslauf Lebensgeschichte
Life-course Life-story Struktur Subjektivität Makroperspektive Mikroperspektive Sequentielle Ordnungen gesellschaftlich Beziehungsformen zw. Subjekt vorgegebener Muster. Leben in Übergängen und Gesellschaft, Individuum (Jugend, Erwachsenenalter, Beruf, Familie, ...) und Struktur Statuspassagen Ungelebtes Leben Potentiale und Anstoß zur Beschäftigung mit (der eigenen) Biographie
77
Das narrative Interview
Narrare = erzählen narrativ = nicht Frage und Antwort F. Schütze: Das narrative Interview ist ein sozialwissenschaftliches Erhebungsverfahren, welches den Informanten zu einer umfassenden und detaillierten Stegreiferzählung persönlicher Ereignisverwicklungen und entsprechender Erlebnisse im vorgegebenen Themenbereich veranlasst. Hauptmethode = Stegreiferzählung
78
Erzählen Vorbereitung
Erzählatmosphäre - Interaktionsrahmen Erzählen kostet Zeit Herausstellen der Erzählenden Methodische Kontrolle - herauslocken Vorbereitung Keine Überrumpelung, wirkliches Interesse Offenlegen des Zweckes Offenlegen der InterviewerInnen - etwas von eigener Person einbringen Zeit und gleichbleibendes Interesse Ratifizierung des Erzählschemas (Methode verstanden?) Zurückhaltung in der Erzählung Vermeidung von Warum, Wozu Fragen in den ersten Interviewphasen Verschieben gezielter Fragen auf Nachfragephase
79
Ablauf - Phasen Einstiegssphase - Aufwärmen, Absichten
Phase der Haupterzählung - Beginn der Erzählung - keine Chronologie Nachfragephase - Erläuterung Bilanzierungsphase - Sinn der Geschichte
80
(Raum zur Gestaltentwicklung geben)
Mögliche Einstiege (Raum zur Gestaltentwicklung geben) Ich möchte Sie bitten, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen, all die Erlebnisse, die für Sie persönlich wichtig waren. Sie können sich dazu so viel Zeit nehmen, wie Sie möchten. Ich werde Sie nicht unterbrechen, mir nur einige Notizen machen, auf die ich später noch eingehen werde. Wir interessieren uns für ... also für die Bedingungen, wie ... Ich möchte Sie bitten, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen, also nicht nur von Ihrem ... zu berichten, sondern über all die Erlebnisse, die für Sie in Bezug auf ... allgemein wichtig waren und sind.
81
Haupterzählung soll durch keinerlei (Nach-) Fragen unterbrochen oder gelenkt werden Erzählzwänge Gestaltschließungszwang: Zwang, angefangene Themen oder Erzählstränge auch abzuschließen Kondensierungszwang: Zwang, die Erzählung soweit zu verdichten", dass sie nachvollziehbar bleibt. Detaillierungszwang: Zwang, Hintergrund- oder Zusatzinformationen einzubringen, die für das Verständnis der Erzählung erforderlich sind - auf den Punkt kommen. Diese Zwänge sollen dafür sorgen, dass die wichtigsten Ereignisse berichtet werden. Die Haupterzählung wird meist durch eine Erzählkoda abgeschlossen, eine Äußerung, die das Ende der Erzählung signalisiert, wie z. B. "Ja, das wär's eigentlich".
82
Grundtypen des Nachfragens
1. Ansteuern einer Lebensphase: Können Sie mir über die Zeit (Kindheit, etc.) noch etwas mehr erzählen? 2. Ansteuern einer benannten Situation: Sie erwähnten vorhin wie sie ... Können Sie mir diese Situation noch einmal genau erzählen? 3. Ansteuern einer Belegerzählung zu einem Argument: Können Sie sich noch an eine Situation erinnern, in der ...
83
Rollen im Interview Keine Warum-Fragen, sondern Wie-Fragen stellen
Narrationen entfalten oft eine befreiende Kraft (Sichaussprechen); keine Therapiesitzung Klare Unterscheidung zur therapeutischen Situation über das Setting. Setting in der Supervision (Reflexion und Psychohygiene) Setting in der Schule (Subjektorientierung, Frontal- vs. Gruppenunterricht) Setting in der Psychotherapie (Arbeit an den inneren Landkarten - Veränderungsabsichten) Das Setting im narrativen Interview dient einzig und allein der Datenerhebung. Ethisches Problem: Sind InformantInnen nur Datenlieferanten?
84
Das Forschungstagebuch
Die Vorbereitung eines Interviews gehört zum Forschungsprozess und sollte dokumentiert werden: Auswahl der InterviewpartnerInnen, Kriterien der Auswahl, welche Verabredungen dabei getroffen wurden, wie der erste Kontakt zustande kam, ob man den oder die Befragten bereits länger oder persönlich kennt (Freunde, Bekannte, eigene Familie, ...) Kontextinformationen sollten festgehalten werden, da diese den Interviewverlauf mitbestimmen können) Erläuterung dazu, was man von den Befragten erfahren möchte (Gegenstand und Thema der Arbeit), in welcher Form das Interview stattfinden soll, die Klärung der Anonymisierung, Absprachen über eine mögliche Veröffentlichung, Absprachen zum weiteren Umgang mit dem Material (bzw. Einsicht in das eigene transkribierte Interview), Absprachen über spätere Gegenleistungen (Rückgabe des getippten Interview als „Geschenk“).
85
Datenproduktion - Transkription
Text ist immer neue Realität. Reduktion von: Interviewsituation auf Tonbandmitschnitt auf Text. Sparsamkeitsregel: Welches Niveau eines Textes brauche ich zur Beantwortung meiner konkreten Fragestellung (Dialekt? Pausen?) Auf die übliche Satzzeichensetzung wird meist verzichtet Eigennamen anonymisieren und durch Großbuchstaben ersetzen. A = InterviewerIn, B = Interviewte; weitere Eigennamen durch doppelte Klammern angeben: C ((Name des Freundes)) Pausen: Dauer der Pause in Sekunden angeben: (4) Kommentare: in doppelte Klammern setzen ((schnell gesprochen, oder: lachend)) Betonungen: Betonte Passagen fett schreiben: nein; leise Teile: eckige Klammer >leise< Interviewlücken: Wenn der Inhalt der Äußerungen unverständlich ist: In einfachen Klammern die Dauer mit dem Buchstaben Langeben: ( L8 ) Sprachliches Feedback der InterviewerIn: Wird im fortlaufenden Text in einfache Klammern (hm) gesetzt Zeilen mit Nummerierung (Datei, Seite einrichten, Seitenlayout, Zeilennummern)
89
Auswertungsphase In der Biographieforschung wird weitestgehend mit
abduktiven Schlüssen gearbeitet. Phänomene werden aufgrund ihrer strukturellen Zusammengehörigkeit, in der funktionalen Bedeutsamkeit für den Gesamtzusammenhang eines Falles gesehen, keine Isolierung dieser aus der Gesamtgeschichte In narrativen Interviews müssen die Interviewten sich den Horizont der möglichen Erzählungen, der thematischen Felder, selbst (selektiv) erschließen. Diesen Prozessen ist deshalb auch in der Analyse der Texte nachzugehen. Interpretieren bedeutet hier also die Rekonstruktion der Textbedeutung im Verlauf des Geschehens. Im Laufe einer sequentiellen Analyse wird dem eingelagerten Sinn systematisch nachgegangen, wobei zwei Bereiche hier wesentlich sind: Nicht messlogische, sondern entdeckungslogische Verfahren
91
Die teilnehmende Beobachtung
Systematisch geplantes Verhalten, das auf eine konsequent Aufnahme einer definierten Situation ausgerichtet ist, das einem bestimmten Forschungszweck dient, das innerhalb eines theoretischen Bezugssystems vollzogen und zweckgerichtet und zusammenhängend durchgeführt und aufgezeichnet wird. Die teilnehmende Beobachtung Problemdefinition, Kontaktaufnahme, Feldeinstieg, Etablierung und Aufrechterhaltung einer Feldrolle, Erheben und Protokollieren von Daten, Ausstieg aus dem Feld sowie Auswertung und Veröffentlichung.
92
Teilnehmende Beobachtung
Teilnehmende Beobachtung ist immer im Spiel, wenn ich in ein Feld hineingehe Teilnehmende Beobachtung ist abhängig vom Wissen der BeobachterInnen Kriterien der Beobachtung müssen transparent sein Erstellen von Beobachtungsberichten (Barley) · Gezielte Fokussierung auf spezielle Ausschnitte des Geschehens (Team arbeitsteilig?)
94
Aus Geschichten forschend etwas lernen
Forschendes Lernen Pädagogische Wirklichkeit ist nichts „Stabiles“ und „Konstantes“. Das pädagogische Feld ist etwas Fließendes, in kontinuierlicher Veränderung Begriffenes Aus Geschichten forschend etwas lernen Großtheorien entfernen sich immer weiter von der Realität - nur noch Hypothesen überprüfend, die aus den 'grand theories' deduktiv gewonnen werden, d.h. sie untersuchten künstlich isolierte Variablen, die mit wirklichen Vorgängen u.U. gar nichts mehr zu tun hatten. Grounded Theory: theoretisch begründetes „Verfahren“, das seinen eigenen Lernprozess reflektiert und kontrolliert (Glaser und Strauss: Spiralförmige Hin- und Herbewegung zwischen theoretisch angeleiteter Empirie und empirisch gewonnener Theorie
95
Reflexbogenmodell
96
Handlung als integrativer Prozess, in welchem bestimmte Reize überhaupt erst wahrgenommen werden.
Im Regelfall handeln wir zwar mit einer bestimmten Grundintention, die konkreten Zwecke der Handlung werden jedoch zumeist erst im Handlungsvollzug deutlich und können durchaus zur Revision der ursprünglichen Intention führen“.
97
Forschungsprozess: Entdeckungen machen
Unsere intuitiven Wissensstrukturen sind so gebaut, dass sie jede neue Situation mit bereits bekannten Situationen vergleichen. Sie basieren auf einer »Typologisierung« der uns zugänglichen Sozialwelt Das komplexe Neue präsentiert sich nicht so, dass wir es sofort durchschauen. Wir können Fremdes nur verstehen, wenn wir es mit Vertrautem in Beziehung setzen. Jede empirische Forschung, jede Form der Theoriebildung braucht den Vergleich und das systematische Schließen zwischen Beobachtung und Aussage
98
Möglichkeiten des Verhältnisses zwischen Theorie und Empirie
INDUKTIONSPRINZIP Von der Empirie ausgehend: Erfahrung führt zur Bildung, zur Formulierung von Hypothesen, von allgemeinen Sätzen, von Theorien Schluss von Fall und Resultat auf Regel (Verallgemeinerung aufgrund einer großen Zahl von gleichen oder ähnlichen Fällen; überprüfen, ob etwas so ist) Ausgehend von Tatsache (gegründet in Beobachtungen, Experimenten - Ableitung von Theorien - durch neue Experimente, Beobachtungen verifizieren DEDUKTIONSPRINZIP Empirie dient zur Überprüfung von Theorien = Anwendung allgemeiner Regeln auf besondere Fälle
99
Abduktion Charles S. Peirce ( ) sucht angesichts überraschender Fakten nach einer sinnstiftenden Regel, nach einer möglicherweise gültigen Erklärung, die das Überraschende an den Fakten bestätigt. Abduktionen vollziehen sich in einem völlig unkontrollierbaren Teil des Verstandes, stellen eine Art Geistesblitz dar, wobei abduktive Schlussfolgerer schauen, entwerfen, prüfen und stets bereit sind, alte Überzeugungen aufzugeben und neue zu erfinden. Abduktionen sind in der Regel unbewusste, nicht vom Willen oder der Logik beherrschte Ereignisse, die sich aufgrund einer bestimmten Erkenntnishaltung blitzartig einstellen und neue Erkenntnisse hervorbringen. Die Abduktion sucht nach Theorien, die Deduktion nach Voraussagen, die Induktion nach Fakten
100
1. Findung, Entdeckung einer Frage, einer Hypothese mittels Abduktion.
Nach Peirce funktioniert die „Mechanik“ des Erkenntnisprozesses folgendermaßen: 1. Findung, Entdeckung einer Frage, einer Hypothese mittels Abduktion. 2. Ableitung von Voraussagen aus der Hypothese (Deduktion). 3. Suche nach Fakten, die meine Vorannahmen bestätigen. Es gibt also zwei unterschiedliche Teile im Erkenntnisprozess: Die Logik der Entdeckung und die Logik der Überprüfung.
103
Forschungsfelder sind wie „Landschaften“
Forschungsfelder sind wie „Landschaften“. Aus einer gewissen Distanz erkennen wir die großen Linien. Beim „Eintauchen“ ins Feld werden allmählich auch andere (gleichsam „intermediäre“) Strukturen sichtbar, die im Abstand nicht zu erkennen sind. Methodenwahl. Nicht jede Methode eignet sich für die gewählte Forschungsfrage, und nur bestimmte Methoden lassen sich in dem gesuchten Feld durchführen. Methodenmix („Triangulation“) Datentriangulation: Kombination und Nutzung mehrerer Datenquellen, die zu unterschiedlichen Zeiten und Orten sowie an verschiedenen Personen erhoben werden.
104
Ebenen der Untersuchung
Beobachtertriangulation: Einsatz verschiedener BeobachterInnen und ForscherInnen Theorie-Triangulation: Anwendung unterschiedlicher Theorien auf denselben Forschungsgegenstand. Methodentriangulation: verschiedene Skalierungsverfahren innerhalb einer Methode („within-method“) oder Einsatz verschiedener Methoden bei der Datengewinnung zu einem Untersuchungsgegenstand bestehen („between-method“) Ebenen der Untersuchung „Mesoebene“, z.B. bei der Beobachtung institutioneller Akteure, sind Methodendesigns geeignet, die sich auf die Interaktion der Handelnden konzentrieren (z. B. teilnehmende Beobachtung, ethnomethodologische Interaktionsfeldstudien, Rahmen-Analysen, sequenzanalytische Konversations- und Interaktionsanalysen) „Mikroebene“: rekonstruktiven (biographische Erzählanalyse“ auf der Basis narrativer Interviews „objektive Hermeneutik“
105
Grounded Theory Gegenstandsverankerte Methodik
Systematische Textinterpretation als Tätigkeit und Prozess Fortwährende Begründung der Interpretation Ziel ist sukzessive Elaboration einer Theorie Anschauliche und präzise Beschreibung des interessierenden Gegenstandsbereichs (Beschreibungskategorien) Modellbildung und Erklärung der interessierenden Phänomene (Verknüpfung von Kategorien) Anregende Interpretation (Praktische Theorie)
106
Grounded Theory Das „sensibilisierende Konzept“ und die Erkundung des Feldes; die Methodenwahl; theoretisches Sampling“ und erste Datenerhebung; der „Kodierprozess“; die Entfaltung einer „ gegenstandsbezogenen Theorie“.
107
Mimesis = Nachahmung
108
Statistisches Sampling
Theoretisches Sampling Statistisches Sampling Grundgesamtheit ist nur vage definiert Umfang - vorab unbekannt Umfang der Grundgesamtheit ist in der Regel bekannt Merkmale der Grundgesamtheit sind kaum bekannt werden im Forschungsprozess immer wieder neu bestimmt Merkmalsverteilung in der Grundgesamtheit ist abschätzbar Mehrmalige Ziehung von Fällen nach sich aus der bereits erfolgten Auswertung ergebenen Kriterien Meist einmalige Ziehung einer Stichprobe nach einem vorab festgelegten Plan, keine Änderung Stichprobengröße vorab nicht definiert Stichprobengröße in der Regel vorab festgelegt
109
Theoretisches Sampling
Stichprobenziehung während der Datenerhebung Auswahl von Fällen (nach konkret-inhaltlichen) Kriterien wird durch die sich entwickelnde Theorie kontrolliert Purposive Sampling als Verallgemeinerung des theoretischen Samplings • Extremfälle (positive, negative) - kritische Fälle • Typische Fälle (Durchschnitt) • maximale Variation - maximale Intensität (der interessierenden Eigenschaft) • Convenience sampling (ökonomisches Kriterium) Primärauswahl: Personen, die • motiviert sind • das entsprechende Wissen / die Erfahrung besitzen • fähig zur Reflexion und Artikulation
110
Theorie als Begriffsnetz
Eine Theorie als Begriffsnetz entsteht durch die Verknüpfung der Kodes Zusammenfassung der Kodes in übergeordneten Kategorien und Bilden von zentralen Kategorien. Entstehung einer Theorie als Begriffsnetz (semantisches Netz) Prinzip der Gegenstandsverankerung Die Begriffe der Theorie sind eine überprüfbare Folge von Interpretationsschritten aus den Textstellen und sind damit in den Phänomenen verankert.
112
Constant Comparative Method
Der konzeptuelle Gehalt von Daten erschließt sich aus dem permanenten Vergleich mit Ähnlichem und Unähnlichem Dabei kann es sich um reale oder um theoretische Vergleichsdaten handeln Erst: Strategie d. minimalen Vergleichs Später: Strategie d. maximalen Vergleichs
113
Kodieren Kernstück der der Grounded Theory
Textstellen sind Indikatoren für Phänomene des interessierenden Wirklichkeitsbereichs Kodieren weist einer Textstelle einen oder mehrere Kodes (Stichwörter, Begriffe, Konzepte) zu Kommentare und Memos schreiben
114
Phasen des Kodierens 2. Ordnen der Zwischenergebnisse
1. Offenes Kodieren 2. Ordnen der Zwischenergebnisse 3. Axiales Kodieren 4. Integration der Ergebnisse zu einer Theorie – selektives Kodieren 5. Darstellung der Ergebnisse
115
Offenes Kodieren Text in Bezug auf das interessierende Phänomen aufbrechen Zeile-für-Zeile Analyse, Kontrastieren, Dimensionalisieren In-vivo- Kodes Begriffe oder Redewendungen aus dem Datenmaterial als Kodelabel aufgreifen - Datenbasiertheit Liste von Kodename Kommentare mit Erläuterungen der Konzepte und weiterführende Überlegungen Kodenotizen Memos: Erläuterung der Zusammenhänge zwischen den Kodes
116
Offenes Kodieren: Einzelne Phänomene werden zu Konzepten, Konzepte
schließlich zu Kategorien zusammengefasst
117
Axiales Kodieren: Kategorien werden auf Verbindungen und Unterschiede hin untersucht
118
und in ihren Bezügen und Verflechtungen mit den übrigen Kategorien und
Selektives Kodieren: Eine zentral Kategorien, die Schlüsselkategorie, wird isoliert und in ihren Bezügen und Verflechtungen mit den übrigen Kategorien und Konzepten dargestellt und analysiert.
119
Kodierparadigmen nach Strauss
120
Theoretische Sättigung
Stellt den (vorläufigen) Endpunkt der Konzept- und Theorieentwicklung dar Kriterium: Neue Daten bringen keine neuen Einsichten mehr Problem: Wann ist das Kriterium erfüllt? Problem: Dynamik der empirischen Welt
121
Generalisierung und Typisierung Frage nach der Repräsentativität
Wesentlicher Schritt bei Theoriebildung ist die Abstraktion, die Reduzierung von Komplexität, die Strukturierung, die Verallgemeinerung, die Typisierung (z. B. Marienthal) Typisierung heißt eigentlich nichts weiter, als Unterschiede und Ähnlichkeiten festzulegen. Frage nach der Repräsentativität Repräsentativität heißt, dass Aussagen, die ich mit Hilfe meiner Daten machen kann, für alle Fälle dieser Art gelten; dass sich mein Ergebnis nicht wesentlich ändert, wenn ich alle Einheiten einbeziehe = eine Frage der richtigen Auswahl der Fälle
122
Möglich ist aber auch Der Einzelfall kann insofern repräsentativ sein, weil er alle wesentlichen Elemente meiner allgemeinen Theorie enthält. Es genügt im Prinzip ein Fall, um den Bedeutungswandel der Ehe zu demonstrieren Einzelfall unter dem Gesichtspunkt betrachten, welche allgemeinen Strukturen daran sichtbar gemacht werden können. Grenznutzenfrage Ab welcher Zahl von Fällen wächst meine Erkenntnis? Typenbildung Dynamisierung der Struktur. Das Regelhafte quasi unterhalb der Ebene der Vielheit vermuten
123
Kurt Lewin Historische Seltenheit ist kein Gegenargument, historische Regelmäßigkeit kein Beweis für Gesetzlichkeit Typisierungen sind Ordnungsschemata (Marienthal: Apathische Ungebrochene, Verzweifelte, Resignierte Mittel, um reale Sinngebilde zu rekonstruieren - Idealtypen mit Unschärfetoleranz - Heuristik Dynamik von Situationen erforschen Gesamtheit nur in bestimmten Fällen von ihren Bestandteilen her hinreichend erklärt: nur in jenen Fällen, die eine Und-Summe darstellen. Komplexe Phänomene sind eingebettet in Geschehens- und Aktionsverläufe, die sich am Fallgeschehen ausrichten. Für naturwissenschaftliche Phänomene wie Gold oder Sauerstoff ist es gleichgültig, ob ein solcher Stoff geographisch weit verbreitet ist und zu allen Zeiten vorhanden ist, wesentlich ist sein
124
Bildinterpretation Die moderne medial vermittelte Kommunikation im öffentlichen Raum ist ohne Bilder nicht mehr denkbar Mitchel „Picture Theory“ (1994): „We may find that the problem of the twenty-first century is the problem of the image“ Erwin Panofsky „Studien zur Ikonologie“ Vorikonographische Beschreibung. Objektbeschreibungen Verschiedene Phänomene, Gegenstände, Personen oder Ereignisse, die auf dem Bild zu sehen sind, werden benannt Die konventionellen Bedeutungsgehalte des Dargestellten möglichst einklammern Bildmotive identifizieren, aufzählen Bedeutungen methodisch als kulturvariante einklammern Formale Merkmale: oben/unten; Farbe/Flächen; Strukturen/Tiefe (Raum);
125
Ikonographische Analyse Bedeutungshypothesen erzeugen
Ebenen des Bildes oder Zentrum/Peripeherie Diese Formensprache führt weiteren Fragen Ikonographische Analyse Bedeutungshypothesen erzeugen Identifizierung von Bedeutungen konventionelle Bedeutung von Bildgegenständen entschlüsseln. Dinge und Ereignisse haben eine kulturell variante Bedeutung (Gruß – Alltag/Star-Trek) Bedeutungsgehalte in methodisch kontrollierter Form einführen und der Reflexion zugänglich machen (auch mit Verweis auf andere Bilder)
126
Entwicklung von Sinnzusammenhängen/Narrativen
Menschen organisieren sich den Sinn in Form von Geschichten (Story-Konstruktion). Die Motive und das Thema des Bildes werden mit einer Geschichte (im weitesten Sinne) in Verbindung gebracht. Keine eindeutige Sinnstruktur. Es kommt gerade darauf an, die Vielfältigkeit zur Geltung zu bringen. Vielzahl von Lesarten zulässt, aber nicht beliebig viele. Nicht alle Lesarten halten der diskursiven Prüfung in einer Interpretationsgruppe stand. Übergang von der Plot-Ebene zur Story-Konstruktion
127
Ikonologische Interpretation Bildungstheoretisch orientierte Analyse der Selbst- und Welthaltung
Einbindung des beobachteten und entschlüsselten Phänomens in den geistesgeschichtlichen Zusammenhang. Das Phänomen wird hier Ausdruck für eine Person, ein Milieu, eine Gesellschaft oder eine ganzen Zeit. Sie „wird erfaßt, indem man jene zugrunde liegenden Prinzipien ermittelt, die die Grundeinstellung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung enthüllen, modifiziert durch eine Persönlichkeit und verdichtet in einem einzigen Werk.“ (Panofsky 1962, 33)
129
1 Ebene: Pflastersteine, Bank mit Männern, Gebäude, Hügel, Himmel 2 Bedeutung Warten – Distanzen; Besetzung des Balkens; Bezüge zueinander; Bezugrahmen Raum
130
3 Ebene: Sinn „Narration“
Zentrum Dominanzen Blick; Zuwendung 4 Ikonologie Anwesenheit – Abwesenheit Warten Kontrolle
131
Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung
Hier gibt es keine einheitlichen Gütekriterien Intersubjektive Nachvollziehbarkeit Dokumentation des Forschungsprozesses in all seinen einzelnen Schritten, Beleg der Interpretationen anhand der erhobenen Daten, des „Textes“ (Beobachtungsprotokolle, Interviewtranskripte oder Aufzeichnungen von natürlichen Kommunikationssituationen) Nachvollziehbare Darstellung des Auslegungsprozesses Interpretation in Gruppen ist ein Weg, sich intersubjektiver Nachvollziehbarkeit der Interpretation zu sichern. Argumentative Validierung
132
Objektivität Validität
Subjektivität der Forschenden nicht als Störvariable zu eliminieren, sondern für den Verständigungs- und Verstehensprozess nutzten Reliabilität: jede (Erhebungs-) Situation, ist spezifisch Validität Prozesse der Konsensherstellung Prinzipiell: Reflektiertes und nachvollziehbares Umgehen mit der Subjekt-Seite des Erkenntnisprozesses und mit den Interessenlagen, den Werthaltungen, Einstellungen, der Beforschten. Aber auch der Dokumentation und Begründung der Forschungsintentionen, -planungen und Untersuchungsschritte, der Ausgangskonzepte, der Datenerhebungslogik, der ethischen Maximen und pragmatischen Bedingungen der Forschenden. Forschungsprozess muss dabei transparent und nachvollziehbar sein
133
Gegenstandsangemessenheit der verwendeten Verfahren
Reflexion des Interpretations-, Begriffs-, Konzept- und Theoriebildungswegs im Zusammenhang mit den praktizierten Schritten des induktiven, abduktiven, deduktiven Schlussfolgerns Reflexion des konzeptuellen Zustands der entwickelten bzw. elaborierten Theorie: Klärung der Begriffe und ihrer Relationen, theoretische Geschlossenheit und Dichte, Reflexion der Ergebnisse bzw. der entwickelten Theorie hinsichtlich (der Grenzen) des Geltungs- und Anspruchsbereichs der Untersuchungsergebnisse
138
Feministische Methodologie
Feministische Wissenschaftskritik äußert sich als Kritik an der Wissenschaft als sozialer Institution (Frauenausschluss bzw. -diskriminierung) an den bisherigen Wissensbeständen (lückenhaft und verzerrt) an den Fundamenten der Wissenschaft (Objektivität, Wertfreiheit, Rationalität) Themen feministischer Methodologiediskussion Wie sollen feministische Forscherinnen forschen ? Wie forschen sie tatsächlich? Welche feministischen Positionen zu erkenntnistheoretischen Grundfragen gibt es und welche methodologischen Konsequenzen haben diese?
139
Theoretische Orthodoxie der 90er (Maynard 1995)
Frühe Welle/70er Jahre Contra Androzentrismus Geschlecht als theoretische Kategorie statt als Variable Unterschiede zwischen den Geschlechtern Zweite Welle/80er/90er Achsen der Differenz/Unterschiede zwischen Frauen Kontextualisierung von gender Sex-Gender-Unterscheidung Kultur statt Gesellschaft Theoretische Orthodoxie der 90er (Maynard 1995) Zentralität von Sprache und Diskurs Erkenntnistheoretische Kritik an Großtheorien Gegen Großgruppenstatistik und Monokausalität Hinwendung zur Kultur Feministische Soziologie und Gender Studies Geschlechterverhältnisse nicht natürlich und unveränderlich
140
Postulate von Maria Mies
Bewusste Parteilichkeit Betroffenheit „Sicht von unten“ statt „Sicht von oben“ aktive Teilnahme an emanzipatorischen Aktionen Forschungsobjekte werden zu Forschungssubjekten
141
Frauenbewegung und feministische Forschung
Weiterhin gilt: Die Aufhebung von Unterdrückung ist Ausgangspunkt und Ziel der Forschung, umstritten ist aber, ob Forschungsergebnisse unmittelbar politisch umsetzbar sein können und sollen. Darüber hinaus gibt es keine Eindeutigkeit (mehr), wie die Aufhebung von Unterdrückung erreicht werden kann. Prinzipiell werden alle Methoden angewendet, allerdings unter feministischer Perspektive. Das qualitative Methodenrepertoire wird nach wie vor bevorzugt.
142
Neue Impulse Gendersensible Sozialwissenschaften
Die feministische Standpunktepistemologie betont die gesellschaftliche Verortung von Wissen. Der Standpunkt von Frauen wird als weniger verzerrt angesehen. Erkenntnis beruht auf theoretisierter Erfahrung Gendersensible Sozialwissenschaften Mikroanalyse des „doing gender“ Makroanalyse des gender system Symbolische Ebene von Geschlechtsunterschieden als soziokulturelle Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit Kritik der Undifferenziertheit Politisch ist die radikale Sicht auf die Zweigeschlechtlichkeit sinnvoll wissenschaftlich ist mehr Differenzierung erforderlich
143
THEORIE Traditionell Kritisch
Übergesellschaftlich gesellschaftsbezogen Logik Dialektik Verstand, Vernunft Wille Reproduktion Reproduktion und Produktion Dualismus von Denken und Handeln Dialektische Vermittlung von Denken, Handeln, Sein Zeitlos Zeit als geschichtlicher Prozess Kein “Ziel“ Ziel = Emanzipation Das Allgemeine Beziehung Besonderes/Allgemeines Arbeit als Grundkategorie für den gesellschaftlichen Prozess
Ähnliche Präsentationen
© 2025 SlidePlayer.org Inc.
All rights reserved.