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Vorlesung Wirtschaftsethik SS 2018 Prof. Dr. Elke Mack.

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Präsentation zum Thema: "Vorlesung Wirtschaftsethik SS 2018 Prof. Dr. Elke Mack."—  Präsentation transkript:

1 Vorlesung Wirtschaftsethik SS 2018 Prof. Dr. Elke Mack

2 1. Kapitel Ethische Selbstvergewisserung
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3 Das Vorverständnis einer christlichen Ethik
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Theologie und Glaube ist die hermeneutische Brille, mit der wir auf Moralzusammenhänge blicken Christliche Moral angesichts der Offenbarung eines personalen, dreifaltigen Gottes (Schöpfung: Mensch als gewollt und Abbild Gottes; Gott, der Mensch geworden ist; Liebesgebot, Mensch als Person,……) Das Verständnis von Gut und Böse unter der Annahme eines übergeordneten Guten und Gerechten (Das heißt, das Gute soll sein. Das Ideal ist erkennbar). Die Perspektive des Christlichen als legitime im Rahmen einer hermeneutischen Ethik (wissenschaftstheoretische Grundlage): Hermeneutik des Christentums Der Horizont unserer wissenschaftlichen Untersuchung ist ein tranzendenter, ein globaler, ein umfassender (nicht nur philosophisch, nicht nur ökonomisch, nicht nur national, nicht nur immanent). – 3 –

4 Quellen und Hauptmotive christlicher Ethik
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Unser ethische Anspruch entspringt einer dreifachen Quelle Schrift (AT+NT) und der Theologie der Offenbarung Lehramt und Tradition der Kirche wissenschaftliche Reflexion, Vernunft, Rationalität (hier Brücke zu anderen Disziplinen) Das zentrales Liebesgebot des NT wird zum Gebot der Gerechtigkeit in Bezug auf Interaktion und soziale Strukturen: Liebe ist eine Möglichkeit, personale Beziehungen im Face to Face Kontakt zu gestalten, allerdings im Wirtschaftsleben schwierig. Gerechtigkeit ist eine Möglichkeit, transpersonale Interaktionen, also Strukturen, die über persönliche Beziehungen hinausgehen, zu beurteilen. – 4 –

5 Sozialethik und Vatikanum II: Gaudium et Spes
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Zentrale Zielsetzung der Sozialethik: Gerechtigkeit gesellschaftlicher Systeme, Strukturen und Institutionen zum Schutz der menschlichen Person Zweites Vatikanum, Gaudium et Spes: RN 3 und 25: „Es geht um die Rettung der menschlichen Person, es geht um den rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft." (3) „Wurzelgrund nämlich, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist und muss sein die menschliche Person…“ (25) – 5 –

6 Erfordernis des Ernstnehmens anderer wissenschaftl. Ergebnisse
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Empirische Daten, wissenschaftliche Fakten, Stand der Forschung, auch in anderen Einzelwissenschaften relevant, vor allem für die Analyse und Lösung von moralischen Problemstellungen D.h. differenzierte Auseinandersetzung mit Ergebnissen der Ökonomie, deren Methoden, deren Theorien, deren Annahmen, deren Grundsätzen Dominante Theorie: Theorie der freien Marktwirtschaft Selbsterkenntnis: Wir sind keine Experten, sondern Laien, was andere Wissenschaften anbetrifft. Wir haben zunächst einmal keine wirtschaftswissenschaftliche Kompetenz. Kompetenzanmaßungsverbot für Christliche Ethik Erfordernis der Interdisziplinarität mit Ökonomik – 6 –

7 Christliche Sozialethik und ihr wirtschaftsethisches Interesse
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Christliche Sozialethik, weniger Christliche Sozialwissenschaft Beschäftigung mit gesellschaftlichen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen, politischen Problemen, also den strukturellen Problemen unserer Zeit Fragen der Gerechtigkeit der gesellschaftlichen Ordnung, der Umwelt, der Wirtschaft und der Politik Deshalb ist CSW ein ethisches Fach Offenbarungshintergrund, Christlicher Glaube, Christliche Ethik, nicht nur für Privatleben, sondern auch im öffentlichen Raum – 7 –

8 Zum Verständnis von Moral und Ethik
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Moral out, weil sie Regeln setzt. Freie Entfaltung des Ich in, Selbstverwirklichung, Freizeit und Spaßgesellschaft, anything goes. Freiheit wird vermeintlich als Gegensatz von Moral gesehen. Aber: Moral setzt eine freie Entscheidung voraus. Die Freiheit steht gerade nicht im Widerspruch zur Moral, sondern gerade als deren Motivgrund sieht Paradoxer Grundsatz nach Kant: „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785) – 8 –

9 Ziel von Moral: das glückliche Leben
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Antike Tradition und Zielsetzung der Aristotelischen Ethik: Das gute und gelungene Leben! D.H. Moral neu definieren: in der Moral geht es gerade um Freiheit und Glück des Menschen (entgegen moderner Intuition, die das Umgekehrte sieht) Moral ist nicht lebensfern, nicht leibfeindlich, nicht gegen moderne Welt gerichtet Aber ein glückliches Leben ist eben auch nur mit Selbststrukturiereung, Vernunft, Selbstdisziplin und einer moralischen Ausrichtung möglich: d.h. es geht auch heute noch um Tugenden, um sich selbst zu schützen und Beziehungen zu erhalten (Respekt, Treue, Güte, Einfühlungsvermögen, Verlässlichkeit, Fähigkeit vom anderen her zu denken und andere zu lieben). Es geht nicht nur um Selbstverwirklichung oder Hedonismus, auch nicht nur um wirtschaftliche Effizienz und Gewinnmaximierung Moral lässt uns fragen: Was ist gut oder schlecht? Wir handle ich richtig? – 9 –

10 Definition von Moral 1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung
Moral ist das Handeln unter der Differenz von Gut und Böse, unter der Differenz von Gerecht und Ungerecht. „Das als gut Erkannte ist zu tun, das als böse Erkannte ist zu unterlassen.“ (Thomas v. Aquin) Individualmoral als Handeln und Entscheiden unter der Differenz von Gut und Böse – 10 –

11 Ausgangs- und Orientierungspunkt der Moral ist der Mensch
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung „Der Kern des Moralischen ist es, den Menschen als Menschen wahrzunehmen.“ (Seel) Beispiel: Ausländische blinde Bettlerin in abgelegener Gasse mit Münzen im Korb (drei Reaktionsmöglichkeiten) Wir betreiben deshalb Ethik, weil jedes menschliche Wesen in höchstem Maße verletzbar ist und in seiner Identität so erschüttert werden kann, dass dies zur Selbstaufgabe führt. (Bsp. Zwangsprostitution, Folter, physische und psychische Unterdrückung, Unfreiheit, Schmerz). Letztlich geht es um die tiefe und existentielle Verletzbarkeit von Menschen. Ethik ist ein wissenschaftliche Methode, menschliches Handeln und soziale Institutionen so zu begründen, dass Würdeverletzung vermieden wird. – 11 –

12 Unterscheidung von Moralität, Moral und Ethik
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Moralität als Sitz von Charakter, Gewissen, moralischem Bewusstsein (Wittgenstein: moralisches Auge) Moral wird in verschiedenen Stufen intuitiv erworben (Habermas, Kohlberg: sechs Entwicklungsstufen des moralischen Bewusstseins: Bestrafung und Gehorsam, instrumenteller Vorteil, gegenseitige interpersonale Erwartungen, Konformität, Bewahrung sozialer Systeme und Erhaltung des sozialen Bewusstseins, Aufstellung universaler ethische Prinzipien) Gewissen wird gebildet und muss trainiert bzw. reflektiert werden Alle leben in verschiedenen Moralsphären (Beruf, Familie, Freunde, Land) Moral und Moralregeln geben plurale Handlungsmöglichkeiten vor (universale und kollektiv beschränkte, z.b. in Religionsgemeinschaft Moral umfasst Interaktionsregeln, mögliche Handlungsregeln unter der Differenz von gut und böse, gerecht und ungerecht. – 12 –

13 Definition von Ethik 1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung
Ethik als Theorie der Moral, Reflexion von Moral nach verallgemeinerbaren Kriterien Ethik unternimmt die Begründung und Implementation von Werten, Gütern, Tugenden, Rechten, Normen und Institutionen Ethik ist kontextbezogen und universal zugleich Ethik – reflektiert individuelles und gesellschaftliches Handeln unter der Perspektive, inwiefern diese moralisch sinnvoll und vernünftig sind. Sie schafft theoretische Orientierung durch Begründungsmodelle, wie vernünftig moralisch begründbar gehandelt werden soll. Ethik kann deshalb als reflektierte Moral verstanden werden. Ihre Aufgabe ist es faktische Überzeugungen und Handlungen – also die Moral (Moralen), in den jeweiligen kontextuellen Konkretionen zu: 1) beschreiben 2) analysieren 3) bewerten. Bezogen auf die Wirtschaft bedeutet dies, dass alle moralrelevanten Ordnungen und Institutionen sowie Strukturen, Funktionen, Prozesse, Handlungen und Überzeugungen reflektiert werden, ihre normativen Implikationen aufgedeckt und deren Begründungen geprüft werden können. – 13 –

14 Metaethische Einordnung
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Ethik Deskriptive Ethik Normative Ethik Metaethik Kognitivismus Non-Kognitivismus Subjektivismus Realismus Objektivismus – 14 –

15 „Sollen“ verbindlich + verallgemeinerbar?
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung Non-Kognitivismus versus Kognitivismus – Relativismus versus Universalismus 1. Non-Kognitivismus und moralischer Relativismus/Subjektivismus: Es wird bestritten, dass sich Moralregeln und Ethik rational und allgemein-verbindlich festlegen; ethische Normen und Werte seien nur in einem speziellen Umfeld gültig Eine rein ökonomische Sicht besagt, dass das moralisch Gebotene mit dem aufgeklärten Eigeninteresse eines jeden zusammenfällt. Aber die Eigeninteresse können in Konflikt geraten und den Interessen anderer sowie dem Gemeinwohl widersprechen. Ethischer Individualismus als Spielart des Non-Kognitivismus Bsp. Defektierender Egoismus zu Lasten anderer: Das individualistische Verständnis von ökonomischer Moral stößt an seine Grenzen, wo einzelne oder Unternehmen mit ihren Aktionen anderen über den üblichen Wettbewerb hinaus schaden. (Bsp. Facebook und Google haben im amerikanischen Wahlkampf russischer Einflussnahme eine Plattform geboten – Gefahren für die Demokratie). – 15 –

16 „Sollen“ nie nur individuell, sondern immer sozial zu rechtfertigen
1. Kapitel: Ethische Selbstvergewisserung 2. Kognitivismus und Universalismus: Ein moralisches Sollen ist rational begründbar, so dass mit ihm eine universale Geltung behauptet wird. Das moralische Sollen gilt als Ausdruck einer Begründung für richtiges Handeln unter der Differenz von Gut und Böse. Beispiel ist das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten. Es hat unabhängig von Judentum und Christentum universale Geltung (vielfältige Analogien). An der Diskussion über Moral aus einer multiplen Perspektive zeigt sich: Ohne Gerechtigkeitsnormen im Sinne eines ethischen Realismus kommt eine normative Ethik nicht aus. Bsp. Fake-News: Hieran sieht man, dass auch die Kategorie wahr und falsch nicht obsolet ist, sondern hohe Bedeutung für die Moral hat. Allerdings kommt Ethik heute ohne subjektive Zustimmung auch nicht mehr aus. Ethischer Paternalismus hat sich überlebt. Es braucht beides: Subjektive Zustimmung und objektive Richtigkeit. – 16 –

17 2. Kapitel Sozialethik und Ökonomie
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18 Sozialethik 2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie
Die Sozialethik geht über Individualmoral hinaus Sie beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Interaktionen, Strukturen, Bedingungen und Systemen Sie ist Sozialstrukturenethik und versucht gerade die anonymen Austausch, Interaktions-, und Strukturproblem zu erfassen, die für die betroffenen Menschen moralische Probleme verursachen. Folglich ist gerade der Bereich der Wirtschaft, bei dem es um die Frage der Knappheitsüberwindung geht, der zentrale Punkt für die Sozialethik, um Fragen wie die der Armutsüberwindung, der materialen Entbehrung und Unterdrückung, der Arbeit und der Wohlstandsmehrung im Sinne aller Menschen zu behandeln. Außerdem: Auch die christliche Kirchen sind gemeinnützige Wirtschaftsunter- nehmen mit einem erheblichen Steuereinkommen und Vermögen (zumindest in D). – 18 –

19 Falsche Vorurteile zur Wirtschaft
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Gerade Gläubige und reine Theologen haben oft Vorurteile Wirtschaft sei der Ort gesellschaftlicher Unmoral Wirtschaftsakteure handelten nur eigeninteressiert und maximierten ihre Interessen (Marx´sche Ausbeutungstheorie, ausschließlich strategisches Handeln) Wirtschaftsakteure handelten niemals nach moralischen Prinzipien In der Wirtschaft gelte das Recht des Stärkeren Es gäbe keine Regeln in der Wirtschaft Wirtschaft sei zum Nachteil der Menschen (Marx: Gegensatz von Kapital und Arbeit) Christsein und Wirtschaft passten nicht zusammen Konsequenzen daraus: Distanz, Inkompetenz in Wirtschaftsfragen, Gegenwelt – 19 –

20 Was spricht für die Wirtschaft?
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Ihre Leistungsfähigkeit zur Überwindung von Armut und Not – 20 –

21 Sozialethik und Wirtschaft
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Sozialethik sieht Wirtschaft aus einer neutralen Perspektive und beobachtet Vor- sowie Nachteile mit dem heuristischen Blick für soziale und humane Problem Zielsetzung der Sozialethik als Wirtschaftsethik: Vermittlung von Kriterien zur Lösung von moralischen Problemen in der Wirtschaft oder durch die Wirtschaft. Und die Begründung von moralischem Handeln in Kirche und Wirtschaft zur Humanisierung von Gesellschaft Zentrale ethische Themen in der Wirtschaft: a. Fragen der Gerechtigkeit von Gesellschaft, sozialer Ordnung, Wirtschaftssystemen und insbesondere der Tätigkeit von Unternehmen. b. Verhalten von Kirchen als wirtschaftliche Akteure (besondere Fokus auf kirchlichen Interaktionen, die mit Finanzen, Steuern, Arbeitsrecht und anderen Interaktionen auf Märkten zu tun haben). – 21 –

22 Fallbeitrag 1: Der Fall Eichstätt
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie In Eichstätt wurden über 60 Millionen des kirchlichen Vermögenshaushaltes als Kredite auf dem amerikanischen Immobilienmarkt vergeben und stehen in der Gefahr, dass sie nicht zurückgezahlt werden. Denn die Kirche hat sich keinerlei Sicherheiten geben lassen, wie das normalerweise bei Banken verpflichtend ist (also z.B. notarielle Grundschuldbeleihung). Der kirchliche Finanzchef (Priester) hat die Initiative eines Mitarbeiters der Finanzverwaltung, der ein Studienkollege des Bischofs ist, abgezeichnet und nicht überprüft. Es gab keinerlei bischöfliche Kontrolle. Der Bischof hat dennoch Anzeige erstattet, weil er davon ausgeht, dass sich zwei der an der speziellen Transaktion beteiligten Mitarbeiter durch eine Beteiligung an der zuständigen Firma in den USA persönlich bereichert haben. Gegen die ehemaligen Mitarbeiter wird von Seiten der bayerischen Staatsanwaltschaft ermittelt, weshalb sie in Untersuchungshaft sitzen. Die Diözese Eichstätt ist zu Beginn 2018 heftig in allen säkularen Medienorganen in die Kritik geraten (SZ). Die Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche in Deutschland wurde durch diese Veruntreuung kirchlicher Gelder, die ja ursprünglich aus Kirchensteuermitteln stammen, wiederum stark erschüttert. Um welches wirtschaftsethische Problem geht es hier? Wie sollte Kirche in der Zukunft handeln und vorgehen? – 22 –

23 Sozialethik reagiert auf veränderte Wirtschaft
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Wirtschaftshistorische Einschnitte: Industrialisierung mit marktwirtschaft- licher Arbeitsteilung zunächst innerhalb von westlichen Nationalstaaten ( Jh.) und Globalisierung (Ende 20.Jh.) Veränderte Moralanforderungen in der Marktwirtschaft: 10 umweltverschmutzende papierproduzierende Unternehmen, die verschmutzte Abwässer in einen Fluss leiten - darunter 2 christliche (Zusatzkosten durch Filteranlage, höhere Preise), dann klassische Marktbereinigung durch Insolvenz der moralischen Grundsätzliches Problem, das zu beachten: In der modernen Wirtschaft liegt häufig, anders wie im Privatleben eine Entkoppelung von Motiven und Ergebnissen vor; die Wirkungen des Handeln sind nicht absehbar bzw. gut gemeinte Handlungen sind oft selbstschädigend oder selbstausbeutend. Wir gehen von einer moralischen Erpressbarkeit von Unternehmen im Wettbewerb aus, wenn sich nicht alle gleichgerichtet verhalten. Entsprechend des neuen Steuerungsbedarfs muss auch die Methode der Sozialethik eine andere sein. – 23 –

24 Zentrale Vorüberlegung: Wie wird Moral transportiert?
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Wichtige Unterscheidung: Handlungen oder Handlungsbedingungen? Ein Methodenwechsel ist in der Wirtschaftsethik erforderlich, da oft keine Steuerung durch individuelle Handlungen möglich, sondern nur anonyme Tauschbeziehungen, die über strukturelle Bedingungen steuerbar sind (nicht über individuelle Verhaltensänderung). Ort der Moral ist die Regel Beispiele: Zwei Kinder teilen sich eine Torte auf (Regel der Aufteilung vorgängig) Barmherziger Samariter (Lk 10, 25-37) (Ziel: Sozialstaat) – 24 –

25 Drei Ebenen der Normativierung
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Ausgangsfrage lautet: Wie soll ich handeln? Ebenen der Moral: Der systematische Ort der Ethik bleibt auch immer das menschliche Handeln in all seinen Möglichkeiten zum Guten und zum Schlechten (z.B. Korruption oder fairer Wettbewerb, Misswirtschaft oder Produktivität, Wohlstand oder Armut, Leistung oder Müßiggang, Fairness oder Betrug…). Es macht wenig Sinn, nur das Handeln einer Person beurteilen zu wollen, weil eine Person in Interaktionssystemen nicht gänzlich “frei“ ist (z.B. in Konkurrenzsituationen, im weltweiten Wettbewerb). Es müssen folglich auch die Regel- und Anreizsysteme in Hinblick auf ihre Gerechtigkeit reflektiert werden. Es gibt also immer eine Interdependenz von individueller Entscheidung und struktureller Bedingung zu berücksichtig (z.B. betriebliche Hierarchien, technische Beschränkungen, Wettbewerbsdruck durch Markt, nationale Gesetzgebung, beschränkte Kompetenzen, globale Handelshemmnisse, kulturelle Bedingtheiten…..). – 25 –

26 Sozialethik und ökonomische Kompetenz
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Problem: Sozialethik hat keine sozialwissenschaftliche Kompetenz per se. Sie ist bereits für die Identifikation der ethischen Probleme auf die empirischen Wissen- schaften angewiesen, hier auf die Ökonomie Ansonsten tritt sie in die Falle des ethischen Normativismus! Deshalb methodische Thesen aus der kath. Soziallehre: Oswald von Nell-Breuning SJ, Nestor der katholischen Soziallehre: „Wirtschaftsethik, die sich nicht nur in Wunschträumen ergehen will, kann nichts anderes sein als angewandte ökonomische Theorie.“ Papst Benedikt XVI.: „Eine Moral, die dabei die Sachkenntnis der Wirtschaftsgesetze überspringen zu können meint, ist nicht Moral, sondern Moralismus, also das Gegenteil von Moral.“ – 26 –

27 Ökonomie als Partnerwissenschaft in der interdisziplinären Zusammenarbeit
2. Kapitel: Sozialethik und Ökonomie Zusammenfassung zur Verhältnisbestimmung: Christliche Hermeneutik liefert ethische Optionen und ethische Zwecke, aber garstiger Graben der Geschichte (z.B. zur Zeit des AT reine subsistenz- und Tauschwirtschaft, noch keine Arbeitsteilung, keine technische Produktion) Aber: Theologie hat keine eigene sozialwissenschaftliche Kompetenzen Deshalb liefert die Ökonomik die Ausführungsbedingungen von Moral und nicht selten eine Methode zur Überwindung von Knappheiten, Not, Unterversorgung. D.h. die Ökonomik liefert uns Mittel zur Umsetzung und Implementierung ethischer Zwecke. Sie garantiert kann damit die Erfüllung von Interessen bei allen wirtschaftlichen Akteuren (nicht nur bei Unternehmern, sondern auch bei Arbeitnehmern, Kunden und Konsumenten) garantieren. – 27 –

28 3. Kapitel Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft
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29 Ökonomie in der ethischen Rezeption
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Aristoteles Immanuel Kant Christliche Ethik – 29 –

30 Antiker Bezug zur Ökonomie
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Aristoteles als Repräsentant der antiken Blick auf die Wirtschaft: Die Wirtschaft hat keinen Zweck an sich höchster, erstrebenswerter Zustand ist die εὐδαιμονία, ein Zustand, der Glückseligkeit Wirtschaftliche Güter haben folglich nur sekundäre Bedeutung Das wirtschaftsethische Ideal ist die oikonomia, die „Hausverwaltungskunst“ eines Landbesitzers, die durch Tauschhandel ergänzt wird. Denn so wir Autarkie und die Befriedigung natürlicher Bedürfnisse ermöglicht (völlige Selbstständigkeit) Geld hat demnach keinen Selbstzweck, sondern ist zu vereinfachtem Tausch da. Unterscheidung dazu: Unnatürliche Erwerbskunst (Wirtschaft zum Selbstzweck) – 30 –

31 Ethik und Ökonomie bei Aristoteles
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Daraus lässt sich ethisch vorzugswürdiges Wirtschaften nach Aristoteles ableiten: Nicht die Vermehrung des Reichtums ist das Ziel der Wirtschaft. Denn jedes menschliche Handeln, sollte einer „Sache“ dienen! Die Sache der Wirtschaft ist es: Menschen mit lebensnotwendigen Gütern zu versorgen und die ausreichende Befriedigung natürlicher und begrenzter Bedürfnisse herzustellen. (Bedürfnisökonomie). Also ist jede Tätigkeit ist zu verwerfen, die nur um des Gewinns willen vorgenommen wird. Parallele zu christlichem Verständnis von Wirtschaft und wirtschaftlicher Interaktion: allgemein Versorgung und Stillung von Grundbedürfnissen der Menschen. – 31 –

32 Kritik und Würdigung von Aristoteles
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Ökonomisch moderne Kritik an antikem Verständnis In einer komplexen, wettbewerbsmäßig orientierten Wirtschaft ist das Gewinnmotiv unverzichtbar (Unternehmen brauchen Kostendeckung, Investitionen, Rücklagen und Konkurrenzfähigkeit, um am Markt zu bleiben) Aber: Es gibt Grenzen der Gewinnmaximierung, vor allem bei öffentlichen und meritorischen Gütern (geht nicht über Markt, z.B. Bildung, Gesundheit…) Würdigung von Aristoteles Aristoteles lässt uns einen Unterschied machen zwischen systemnotwendigen Gewinnstreben im Sinne der Konsumenten (Fall: Steve Jobs, Apple; Große Industriebetriebe, die eine Volkswirtschaft aufrechterhalten) ethisch kritisierbarer wirtschaftlicher Interaktion, die Menschen bewusst schädigen (Bsp. Finanzmarktspekulationen, Derivate ohne realwirtschaftlichen Bezug, soziale Netzwerke als Plattformen von Hass, politischer Agitation und Diffamierung, frühkapitalistische Ausbeutung von Arbeitnehmern (kein Arbeits-schutz u. Ruhezeiten, Lohndumping, Kinderarbeit, Wirtschaftskriminalität…) – 32 –

33 Kritik und Würdigung von Aristoteles
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Schlussfolgerungen: Christliche Ethik und Aristoteles gehen davon aus, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist und nicht per se maßlos oder schlecht Schmumpeter: Ein dynamischer Unternehmer ist nicht unmittelbar an Gelderwerb interessiert (stimmt für viele Mittelständler und Unternehmensgründer; Beispiel Apple…) Aristoteles betont Glück als regulierenden Faktor des Wirtschaftens im Kontext des Maßes (was die aktuelle Glücksforschung bestätigt) CSW betont Gerechtigkeit gegenüber allen Betroffenen, vor allem den Armen, als Maß des Wirtschaftens, ebenso wie die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Gütern - selbst wenn an vielen Orten hierzu noch geeignete Rahmenbedingungen und Gesetze fehlen. – 33 –

34 Immanuel Kants Ethik und ihre wirtschafsethische Relevanz
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Kant ( ) als Philosoph der Aufklärung, die er als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ verstand Grundfragen nach Kant: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Diese Fragen führen nach Kants Überzeugung letztlich zu der Frage: „Was ist der Mensch?“ Voraussetzungen sind bestimmte metaphysische Postulate: Existenz Gottes + Unsterblichkeit der Seele – 34 –

35 Vernunft- und Freiheitsethik Kants
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Ausgangspunkt von Kants Ethik ist Autonomie des Menschen Autonomie = Fähigkeit des Menschen sich nicht den vorgegebenen Gesetzen fügen zu müssen, sondern sich selbst Gesetze geben zu können und danach handeln zu können Das heißt auch, dass der Mensch sich seinen Instinkten, Trieben und Gefühlen widersetzen kann und sollte. Die in jedem Mensch wirksame Vernunft ermöglicht es dem Menschen moralisch zu handeln. Ist der menschliche Wille auf das Sittengesetz gerichtet, handelt es sich um einen guten Willen. Hier allerdings Voraussetzung der praktischen Vernunft, nicht nur ökonomischer Rationalität. – 35 –

36 Kategorischer Imperativ Immanuel Kants
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Moralisch handeln tut der Mensch dann, wenn er oder sie die eigenen Maximen des Handelns auf ihre Verallgemeinerbarkeit prüft. Maxime = nicht einzelne Handlungsregeln, sondern allgemeine Lebensgrundsätze Kategorischer Imperativ als absolut gültiges Kriterium des moralisch Guten: Grundformel: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Selbst-)Zweckformel: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (Grundlage zur Metaphysik der Sitten) Naturgesetzformel: „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte.“ D.h. Instrumentalisierungsverbot gegenüber Menschen, auch für die Wirtschaft! – 36 –

37 Kritik der Pflichtethik
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Die Pflichten bei Kant sind noch nicht hinreichend für eine moderne Ethik, ebenso wenig wie für eine Wirtschaftsethik Problem für Wirtschaftstheorie: Pflichten in Form unternehmerischer Verantwortung dann wichtig, wenn Compliance gefordert wird, oder wenn es Verhaltensunsicher-heiten gibt, z.B. Regulierungsvakuum, neue Situation, Kooperationen zum wechselseitigen Vorteil. Strukturproblem: zu große Fürsorge kontraproduktiv (papierherstell. Unternehmen) Wenn der Wettbewerb in der Marktwirtschaft durch soziale Planung (DDR, Kommunismus) ersetzt wird, gibt es keine Leistungsbereitschaft mehr, die für die Überwindung von Knappheiten und eine effiziente Grundversorgung der Bevölkerung sorgt. Dies führt dann zu Wohlstandsverlusten für alle Betroffenen (Historisches Scheitern des sozialistischen Experimentes). Es ist kein Instrument so leistungsfähig wie die Konkurrenz von vielen kundigen Marktteilnehmern, die sich gegenseitig im Preis unterbieten. D.h. die kantische Ethik ist nur begrenzt als Wirtschaftsethik verwendbar und einsatzfähig, aber dennoch unverzichtbar als Orientierung. – 37 –

38 Der Staat für ein Volk von Teufeln – Zum ewigen Frieden (Kant)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft a. Keine individualethische Lösung, aber strukturelle: Im ewigen Frieden spricht Kant davon, dass ein Staat so sein müsse, dass ein „Volk von Teufeln“ darin leben könnte: Hierfür benötige man „allgemeine Gesetze“, die die Privatgesinnungen so im Zaum halten, dass sie „in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solchen bösen Gesinnungen hätten.“ Dies ist vorausgedacht genau die Lösung der marktwirtschaftlichen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. b. Individualethik Kants dennoch heute noch von Relevanz, auch im Wirtschaftsleben: Kants Ethik hat viele Elemente, die für eine moderne Wirtschaftsethik unverzichtbar sind. Der Universalisierbarkeitsgrundsatz von Normen ist unübertroffen, da die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit einer Handlung ist unverzichtbar. Das Instrumentalisierungsverbot und die Betonung menschlicher Würde sowie menschlicher Rechte. (Bsp: Manipulation der Abgastests und der Software bei Dieselfahrzeugen) – 38 –

39 Kritik an Kant 3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Sehr idealistische Individualmoral, die Vernunft, Gewissen und Verantwortung beim einzelnen voraussetzt. Diese ist in marktwirtschaftlicher Realität in hohem Maße ausbeutbar (vgl. Papierproduzierende Unternehmen). Deshalb ist die Verlagerung der Rechtsethik auf die Gesetzesebene sinnvoll, die er im ewigen Frieden vorschlägt. Diese würde weiterhin Wettbewerb möglich machen. Vorschlag der Rezeption Kants für die Wirtschaftsethik: Ethische und rechtliche Rahmenbedingungen für Wettbewerber so konstruieren, dass moralisches Verhalten belohnt wird, aber eigennütziges und gewinnorientiertes Verhalten in Grenzen möglich bleibt. (Beispiel: Dieselmotoren mit Stickstoffausstoß, wie könnte Lösung durch Industrie oder durch Staat bzw. Städte aussehen?) – 39 –

40 Menschenwürde und Ethik aus christlicher Sicht (1)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Grundsätzlich sollte es ein Relativierung des Ökonomischen geben „Die Zeit ist kurz, daher soll,……wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht, denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1.Kor 7,31) Auch Kaufakte sind nur Mittel, um bestimmten immanenten Zweck zu erreichen (meist Bedürfnisbefriedigung). D.h. christliche Ethik hat eine gewisse Konsumdistanz. Der Würdebegriff ergibt sich aus der Schöpfungstheologie und christlichen Anthropologie Streben nach dem höchsten Gut ist nicht im Menschen angelegt, sondern resultiert aus der personalen Beziehung zu seinem Schöpfer Alle Menschen sind Geschöpfe Gottes, sie sind von Gott so geliebt, dass er Seinen Sohn inkarniert hat und dieser Mensch geworden ist. Der Mensch gilt in doppelter Hinsicht (AT+NT) als Ebenbild Gottes Dies ist eine religiöse Würdigung des Menschen wie sie stärker nicht sein könnte – 40 –

41 Menschenwürde und Ethik aus christlicher Sicht (2)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Einwand gegen christliche Ethik: Sehr vorrausetzungsreiche Aussagen, wie sie heute von einer säkularen Mitwelt kaum mehr verstanden werden können. Allerdings prägen eine Ethik der Würde und der Menschenrechte bis heute das Leben und die Ethik der westlichen Welt (auch bis in die Verfassungstraditionen von rechtsstaatlichen Demokratien und die Leitlinien von Unternehmen hinein). Christliche Religion wird in säkularer Welt stark kritisiert, jedoch nie ihre Ethik, insbesondere das Hauptgebot: „Liebet einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. (Joh. 13,34) – 41 –

42 Menschenwürde und Ethik aus christlicher Sicht (3)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Das alttestamentliche Liebesgebot (Lev.19,18 u. 34) schließt bereits Fremde ein Neutestamentlich nimmt Jesus sogar die Feinde mit hinzu ( Mt 5,43-44, Lk 6,27). Neutestamentlich richtet sich die Liebe Jesu primär auf die Armen, Kranken, Unterdrückten und vermeintlich Minderwertigen (vgl. Lk 4,18 Armen gute N.; Mt 25,35-36 WG; Mt 25,40 was ihr gering. Brüder getan habt, das habt ihr mir getan) D.h: dass die christlich-ethische Verpflichtung eine spezifische gegenüber den am meisten Benachteiligten, den Armen und Unterdrückten ist – 42 –

43 Menschenwürde und Ethik aus christlicher Sicht (4)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Die Grundnorm der christlichen Ethik, nämlich die Nächstenliebe, ist eine unübertroffene Ethik des Respektes, der Achtung, der Würdezuschreibung und des Friedens und der Liebe: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (1 Joh 4,20) Dies ist das Besondere an unserem christlichen Verständnis und das eigentliche christliche Proprium, das die Zeiten überdauern dürfte. Vor allem versteht Jesus die Liebe als eine Grundnorm (höchstes Gebot), dem andere Normen unterzuordnen sind, und anhand derer andere zu bemessen sind. Denn nur die Liebe wird dem Menschen in seiner Verletzlichkeit eigentlich gerecht. – 43 –

44 Menschenwürde und Ethik aus christlicher Sicht (5)
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Hinzu kommt das Verständnis des Menschen als Geschöpf Gottes, was ihm und ihr Würde zuschreibt: Menschliche Würde wird durch die gegenseitige Achtung, die sich Menschen entgegenbringen, respektiert und geschützt. Das bedeutet im sozialen Miteinander, dass menschliche Rechte, die die Existenz und das fundamentale Wohlergehen des einzelnen schützen sollen, niemals zur Disposition stehen dürfen (unverzichtbare Rechtsethik) Ohne Anerkennung von Würde, Selbstaufgabe, Identitätsaufgabe und früher Tod (Bsp. Zwangsprostitution, Folter, Traumatisierung….). – 44 –

45 Christliche Ethik als heuristische Richtungsangabe
3. Kapitel: Historisch-ethische Rezeption mit Blick auf die Wirtschaft Es leitet sich weiterhin ab, dass das Ökonomische immer sekundär bleibt und dem ethischen Imperativ von Würde, Respekt und Liebe gegenüber Menschen unterliegt. Es leitet sich ein Verständnis für soziale Gerechtigkeit ab - auch über nationale Grenzen hinaus: die Option für die Armen weltweit. Es leitet sich auch ein kosmopolitische Verständnis von Wirtschaftsethik ab, das nie durch Rückfälle in Nationalismen erschüttert werden darf. Gegenbeispiel: Zölle und Tarife (Trump Stahl und Aluminium) – 45 –

46 4. Kapitel Ökonomie in ihren ethischen Annahmen -
Wirtschaftshistorisch betrachtet – 46 –

47 Die geschichtliche Dimension
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen In Aristotelischen Tugendbegriff fällt wirtschaftliches und moralisches Handeln zusammen Wer tugendhaft handeln will, muss die Regeln der oikonomia befolgen Thomas von Aquin als Vertreter der Scholastik entwickelt dies weiter im Prinzip der Tauschgerechtigkeit Die rechte Ökonomik bleibt auch hier Teil der Ethik Gerechter Tausch, gerechter Lohn und gerechter Zins sind Objekte moralphilosophischer Reflexion und allgemeinem menschlichem Handeln Immerhin werden im MA bereits moralische Probleme der Tauschwirtschaft und des Geldverkehrs erkannt und erörtert Englische Moralphilosophie im 15./16. Jahrhundert ist erst der Zeitpunkt der Ausdifferenzierung und des Aufbrechens der Kultursachbereiche: Ethik und Ökonomik – 47 –

48 Die geschichtliche Dimension
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Die Bienenfabel von Mandeville bringt die Erkenntnis: Nicht die Tugenden, sondern die Laster bringen öffentlichen Wohlstand: „Mit Tugend bloß kommt man nicht weit; wer wünscht, dass eine goldene Zeit zurückkehrt, sollte nicht vergessen: Man musste damals Eicheln essen.“ Das „Laster“ besteht in einem grenzenlosen Habenwollen, in einer vom Geld geprägten Bedürfnisstruktur, die nach immer neuen Befriedigungen sucht. Genau durch diese allgemeine Lasterhaftigkeit aber gedeiht der Bienen-Staat: „Trotz all dem sündlichen Gewimmel, war’s doch im Ganzen wie im Himmel. In Krieg und Frieden warb mit Kunst manch fremde Macht um ihre Gunst; Ihr Überfluss an Geld und Leben ließ immer sie den Ausschlag geben. - Wie hat’s ein solches Land doch gut, wo Macht ganz auf Verbrechen ruht ! Aber es geht nur gut, wenn alles durch Gesetze geregelt und beschnitten wird!!! Marktwirtschaftliches Paradoxon: Eigennutzen ist wohlstandsförderlich und positiv, Tugenden sind wohlstandshemmend und damit schlecht! – 48 –

49 Die geschichtliche Dimension des Problems
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Adam Smith siegt das Eigeninteresse des Menschen als entscheidende Triebkraft für jegliches Handeln (auch das moralische) Dies Eigeninteresse ist von Egoismus zu unterscheiden (muss universalisierbar sein durch Annahme eines unparteiischen Zuschauers)! Unsichtbare Hand (unparteiische Ordnungsmacht) sorgt dafür, dass es in Gesamtwohl resultiert! Wettbewerb transformiert also nach dieser These selbstsüchtige Handlungsmotive in solidarische Handlungsergebnisse Arbeitsteilung hängt von der Ausdehnung der Märkte ab; sie ist zum wechselseitigen Vorteil aller Beteiligten. Theorie der unsichtbaren Hand und „trickle down effect“ sind jedoch bis heute sehr umstrittene Thesen! – 49 –

50 Adam Smith als Begründer der Theorie der Marktwirtschaft
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von deren Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihre Eigenliebe, und wir sprechen zu ihnen nie von unseren eigenen Bedürfnissen, sondern von deren eigenen Vorteilen.“ (The Wealth of Nations, 1776). – 50 –

51 Das Fußballspiel als Sinnbild der Wirtschaft:
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Smith unterscheidet zwischen: Handlungen (Spielzügen) und Handlungsbedingungen (Spielregeln) Unternehmen sind die Spieler; sie müssen konkurrieren durch gute Produkte und Innovationen Sie dürfen nicht kooperieren (!!!) , weil das zu höheren Preisen für die Konsumenten führen würde. Konkurrenz bewirkt nämlich einen Preisdruck nach unten, zugunsten der Konsumenten. Der Markt als gilt als Entdeckungsverfahren: Innovationen und neue Produktionsverfahren (August F. von Hayek) Der Markt schafft ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, wodurch Gleichgewichtspreise entstehen. Preise geben Signale über Knappheiten (Beispiele Zinn und Öl heute). – 51 –

52 Wo ist der Sitz der Moral in der Marktwirtschaft ? (Adam Smith)
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Der Sitz der Moral in der Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung, die politisch gestaltet wird, also die Spielregeln (Adam Smith). 1. Vorteile der Marktwirtschaft: Prozess der schöpferischen Zerstörung (Schumpeter): Durch Wettbewerb und Konkurrenz scheiden auch Unternehmen aus Durchsetzten der konkurrenzfähigen, kapitalintensiven, arbeitssamen und innovativen Diese haben Expansionsmöglichkeiten und die Aufstiegsmöglichkeiten 2. Probleme der Marktwirtschaft: Marktversagen und Exklusion von nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen und Arbeitnehmer (Insolvenzen und Arbeitslosigkeit sind die Folge) Beispiel: Wachstum und Wohlstandsgewinne aufgrund von freien Kräften des Markte Da Marktwirtschaft noch keine Garantie für gerechte Verteilung ist Soziale Gerechtigkeit gibt es erst durch soziale Institutionen und Sozialstaaten – 52 –

53 Die erwünschte Dilemmastruktur der Marktwirtschaft
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Das Gefangenendilemma als Grundprinzip des Wettbewerbs Eigentlich würden alle Gefangenen besser wegkommen, wenn sie gemeinsam leugnen, da alle ohne Strafe aus dem Gefängnis kämen. Aber die Struktur des Dilemmas hält sie davon ab, sich abzusprechen. Deshalb ziehen sie die second best Lösung vor und gestehen die Tat, so dass sie 10 Jahre bekommen. Die Strategie gestehen dominiert die Strategie leugnen. So erhalten sie alle eine gerechte Strafe. Das Gefangenendilemma hat soziale Funktion in der Wirtschaft, denn der Markt verhindert Preisabsprachen zulasten der Konsumenten und Unternehmenskonzentrationen, die zu Monopolen führen. – 53 –

54 Ökonomie in der Logik des Gefangenendilemmas
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Beispiel: Zwei Autohändler in Oregon machen erhebliche Verluste am Sonntag, müssten sich also eigentlich zu Lasten der Stadt, in der Sie sind, absprechen und schließen. Gesellschaft wählt Wettbewerb: bewusste Desinformation, Konkurrenz, Vermeidung von Absprachen, Wettbewerb und Selbstschädigung der Anbieter zum Vorteil der Gesamtgesellschaft, nämlich der Konsumenten. Sogar hohe in unseren westlichen Rechtsstaaten für Wettbewerbs- oder Preisabsprachen unter Unternehmen (z.B. Kartellrecht auf EU-Ebene). – 54 –

55 Unterscheidung von Dilemmata notwendig
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Wo sind Dilemmata erwünscht, die Kooperationen von Unternehmen bewusst verhindern? Wettbewerb im Markt ist gewollt, sogar Kartellbehörden notwendig Wo sind Aufhebung von Dilemmata notwendig? Solidarität, soziale Gerechtigkeit innerbetriebliches Miteinander, soziale Absicherung, Bereitstellung öffentlichen und meritorischen Gütern, Arbeitsschutz, Konsumentenschutz, Datenschutz, Vermeidung von Lohn-, Steuerdumping, Zöllen und Tarifen – 55 –

56 Marktwirtschaft - wesentliche Errungenschaft zur
Wohlfahrtssteigerung und Armutsbeseitigung 4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Märkte sind noch keine Garantie für Soziale Gerechtigkeit: oft Marktversagen – gerade international Wohlfahrtssteigerung ist effizient, aber Verteilung nach Leistung und Kapitaleinsatz ist noch nicht sozial Kritik an sozialen Effekten der Marktwirtschaft ist legitim, ohne das System als solches infrage zu stellen. Denn bislang gibt es noch kein besseres, auch keinen dritten Weg. – 56 –

57 Die geschichtliche Dimension (2)
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen David Ricardo und Thomas Malthus emanzipieren die Ökonomie weiter von der Ethik, indem das Interesse an einer beschreibenden Ökonomie und nicht einer normativen Ökonomie in den Vordergrund tritt Mit Heinrich Gossen und seiner Nutzentheorie schreitet die Anpassung an die Naturwissenschaft im Sinne der exakten Beschreibung einer Mechanik voran Neoklassik als eine Versachlichung wirtschaftlicher Vorgänge und eine exakte mathematische Beschreibung entsteht Damit verdeckt die Ökonomik zunehmend ihre Werturteile und steckt sie in ihre Annahmen. – 57 –

58 Die geschichtliche Dimension (4)
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Hans Albert und Karl Popper: Kritischer Rationalismus und Positivismus Hier geht es um die Auffassung, dass keine Aussage auf eine sichere Begründung rückführbar sei, sicheres Wissen sei nicht möglich (Ende der Letztbegründung) „Alle Sicherheiten in der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos“ (Hans Albert: Traktat über kritische Vernunft, 1991, 36) August Friedrich von Hyeck: Neoliberalismus und Laizess Faire; staatliche Aufgaben nur: Rechtsordnung (Vertragsfreiheit und Eigentumsrechte), Bereitstellung öffentlicher Güter, Zertifizierungen und Informationen, Erhebung von Steuern, Sicherung des Mindesteinkommens. (Verfassung der Freiheit, 1960) Ideal der Ökonomie als werturteilsfreie Wissenschaft und liberale Gesellschaftstheorie mit dem Ziel optimaler Effizienzen wirkt bis heute bei Ökonomen in ihrem Selbstverständnis fort. – 58 –

59 Die geschichtliche Dimension (3)
4. Kapitel: Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Max Weber warnt zurecht vor der Vermischung von wissenschaftlichen Sachaussagen und Werturteilen Niklas Luhmann beschreibt den Vorgang der Entkoppelung von System und Umwelt (Systemtheorie) folgendermaßen: Das System Wirtschaft sei für moralischen Code gut/schlecht schlichtweg taub. Dennoch geht die Entwicklung der Ökonomie in diese Richtung weiter. Wirtschaftsethik muss aber mehr sein als systemimmanente Reflexion, sie muss Ethik mit ökonomischer Sachlogik in Verbindung bringen und kritisch im Sinne der Menschen und ihrer Würde darüber hinausdenken. – 59 –

60 Der Utilitarismus 4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen
Zahlreiche Spielformen, die sich zum Teil in ihren Annahmen widersprechen Kernthese: Die Maximierung des kollektiven Gesamtnutzens ist das oberste Ziel und die charakteristische Eigenschaft moralisch richtigen Handelns im Utilitarismus. Unterscheidung innerhalb des Utilitarismus: Handlungs- und Regelutilitarismus – 60 –

61 Geschichte des Utilitarismus (1)
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Jeremy Bentham ( ) als Begründer des klassischen Utilitarismus Handlungsutilitarismus Nicht mehr Rechte oder Pflichten stehen im Vordergrund ethischer Betrachtung, sondern vielmehr das Streben nach „happiness und pleasure“ „Nature has placed mankind under the governance of two sovereign masters, pain and pleasure. It is for them alone to point out what we ought to do as well as to determine what we shall do.“ Freude und Leid können quantifiziert werden. So ist eine universalistische Abwägung des Nutzens möglich, indem die Gesamtbilanz einer Handlung gezogen wird. Moralisch ist also geboten: „das größte Glück der größten Zahl!“ – 61 –

62 Geschichte des Utilitarismus (2)
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen John Stuart Mill ( ) versucht Empfindungen zu qualifizieren und entwirft den qualitativen Utilitarismus Die Befriedung, die ein Schwein empfindet, ist nicht auf die Ebene eines Menschen zu stellen „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr.“ Problematisch ist nun, dass die Unterschiede in den Empfindungen nicht mehr quantifizierbar sind. – 62 –

63 Geschichte des Utilitarismus (3)
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Im Laufe des 20. Jahrhunderts bildet sich der Regelutilitarismus heraus Nicht mehr die Nutzenbilanz einer Handlung steht im Fokus, sondern die Frage, wie sich eine bestimmte Handlungsregel auswirkt Regelutilitarismus geht zweistufig vor: Regelkonformität der einzelnen Handlung wird überprüft Moralische Legitimität einer Regel wird überprüft Regel nur gerechtfertigt, wenn sie kollektivem Wohlergehen dient. Eine solche Regel kann jedoch von einer Mehrheit gekippt werden. Die Minderheit hat sich dann unterzuordnen. Problem: Das Wohl des Einzelnen wird dem kollektiven Wohl untergeordnet: Individuelle Menschenrechte stehen zur Disposition eines kollektiven Nutzenkalküls. Das widerspricht jeglicher christlichem Moralempfinden, in der von der gleichen Würde aller ausgegangen wird. – 63 –

64 Beispiel für Aporien des Utilitarismus
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen In einer kleinen Stadt des „Wilden Westens“ wird im 19. Jahrhundert Jim James angeklagt, ein Pferd gestohlen zu haben. Darauf steht die Todesstrafe durch Erhängen. Jim behauptet, das Pferd von einem durchreisenden Fremden gekauft zu haben. Aber der ist über alle Berge und kann den Kauf nicht bestätigen. Der Richter der Stadt hat zufällig den Kauf beobachtet, was aber niemand weiß. Auch Jim hat den Richter nicht gesehen, der hinter Bäumen versteckt ein Fass Whisky kaufte, was natürlich illegal war. Die öffentliche Meinung verlangt die Todesstrafe für Jim. Der Richter könnte bezeugen, dass es sich um keinen Diebstahl handelt und den Angeklagten freisprechen. Dann müsste er aber seine eigene Gesetzesübertretung offen legen. Er würde seinen Job verlieren und es wäre fraglich, ob und wann ein neuer Richter eingesetzt werden könnte. Die ganze Stadt würde darunter leiden. Rein utilitaristisch gesehen, wo es ja um das Wohl der größtmöglichen Zahl geht, wäre es besser, diesen Zustand zu vermeiden und dafür den unschuldigen Jim zu hängen. Mit anderen Worten: Die Ethik des Utilitarismus tritt die Gerechtigkeit mit Füßen. (De George, 1986, S. 54 ff.) Interessant ist, wie De George in seinem Buch versucht, ein utilitaristisches Argument gegen die Tötung des unschuldigen Jim James zu finden, die Forderung nach Gerechtigkeit also utilitaristisch und nicht deontologisch zu begründen. Allerdings sieht auch De George, dass die Harmonisierung von Deontologie und Utilitarismus ihre Grenzen hat, und dass es Fälle gibt, in denen nach dem einen oder dem anderen Prinzip zu entscheiden ist. – 64 –

65 Kritik und Einwände gegen Utilitarismus
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Utilitarismus besitzt einen blinden Fleck, wenn es um den Schutz der Menschenrechte geht Das Wohl des Einzelnen wird dem Wohl der Gemeinschaft untergeordnet Bsp.: Jim James und der Richter (…), Gerechtigkeit wird nicht genüge getan Alle Rechte werden dem Gesamtnutzen untergeordnet Die Maximierung des Kollektivnutzens ist gerechtigkeitstheoretisch unbefriedigend Es ist nicht gleichgültig, in welchem Maß der Einzelne am Gesamtnutzen partizipiert; im Extremfall kann der Einzelnutzen verrechnet werden und der einzelne wird damit aufs ärgste instrumentalisiert zum Nutzen des Kollektivs (Totalitarismusverdacht). Das durchschnittliche Einkommensniveau eines Landes ist für viele globale Einschätzungen maßgeblich (Vorsicht: noch kein ausreichendes ethisches Kriterium, nur Wohlstandsmaß für einen Gesamtgesellschaft). Utilitarismus beachtet die Frage nach Verteilungsgerechtigkeit nicht. Der zukünftige Nutzen wird vernachlässigt. – 65 –

66 Kritik des Utilitarismus
4. Kapitel: Die Ökonomie in ihren ethischen Annahmen Zusammenfassend kann man sagen: Der Utilitarismus wird seinem ursprünglichen Anspruch nicht gerecht, es bleibt vielmehr nur eine brauchbare Orientierungshilfe, die die Theorie der Marktwirtschaft stark geprägt hat. Er stellt den Hintergrund für viele ökonomische Ideen dar: Gefahr der Gleichsetzung des Guten mit dem ökonomischen Effizienzgedanken. Aber: Positiv ist, dass sich mit einem utilitaristischen Kalkül die Effizienz von Märkten beurteilen lässt, was auch wichtig ist. Dennoch: Keine vollständige utilitaristische Beurteilung möglich (z.B. auch die Effizienz von Schnellfeuerwaffen in Privatbesitz) Recht von Menschen lassen sich nicht in Nutzenkategorien rekonstruieren oder durch Nutzen garantieren. – 66 –

67 5. Kapitel Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik
– 67 –

68 Wirtschaftsethik als Verknüpfung von ethischer Vernunft und ökonomischer Rationalität
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Eine sachgemäße Relation der Disziplinen ergibt sich aus der Verständigung, was mit „Ethik“ und „Ökonomik“ gemeint ist Def. Ethik als Wissenschaft von moralischem Handeln und gerechten Institutionen zur Garantie des Respektes der Würde von Menschen Def. Ökonomik als Wissenschaft von der Wirtschaft als dem rationalen Umgang mit knappen Gütern und die Theorie der optimalen Allokation von wirtschaftlichen Ressourcen (Arbeit, Boden, Kapital). – 68 –

69 Ökonomie als Partnerwissenschaft in der interdisziplinären Zusammenarbeit
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Ökonomie hilft uns Mittel der Implementation für ethische Zwecke zu finden Christliche Hermeneutik liefert ethische Optionen und ethische Zwecke Frage: Gegeneinander, Übereinander oder Nebeneinander von Ethik und Ökonomik? – 69 –

70 Die grundsätzliche Einteilung wirtschaftsethischer Ansätze
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.1 Vertikale Konzepte 5.1.1 Dominanz Ökonomie 5.1.2 Dominanz Ethik 5.2 Horizontale Konzepte 5.2.1 Heterogenität 5.2.2 Identität Übersetzbarkeit als Gestaltungs-aufgabe 5.2.3 Vollständige Heterogenität Identität als Gestaltungs-aufgabe Volle Identität beider Bereiche – 70 –

71 Vertikale Konzepte; d.h. Über- oder Unterordnungsverhältnisse
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.1.1 Dominanz der Ökonomie Neoklassische Ökonomie: funktionale Moralbetrachtung Libertärer Wirtschaftsliberalismus als politische Philosophie und Gesellschaftstheorie (Raz, Nozik, Rothbard, Narveson, Hayeck, Becker…) Ökonomische Ethik (Molitor, Pies) Alle: Annahme des homo oeconomicus 5.1.2 Dominanz der Ethik Ansatz von Peter Ulrich (Integrative Ethik, Diskursprinzip) Ansatz klassischen Naturrechts (ontologische Erkenntnis dessen, was moralische Natur ist) – 71 –

72 5.1.1 Dominanz der Ökonomie: Der Homo Oeconomicus
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.1.1 Dominanz der Ökonomie Das Ideal eines zweckrationalen Akteurs: Ein handelndes Individuum, das mit ökonomischer Rationalität ausschließlich seinen eigenen Nutzen maximiert (analog: Unternehmen, die ihren Gewinn maximieren). Ökonomische Theorie sieht Rationalität im „homo oeconomicus“ (HO) verkörpert, der verschieden interpretiert werden kann Der HO als ökonomisches Ideal Der HO als anthropologische Aussage Der HO als modelltheoretische Kunstfigur – 72 –

73 Probleme des homo oeconomicus
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Drei grundlegende Probleme des HO: Menschen werden so gesehen, dass sie Normen nicht ändern oder prägen können. Die Sozialethik hat jedoch das entgegengesetzte Ziel, nämlich gerade die Änderung der Institutionen im Hinblick auf mehr Humanität und Gerechtigkeit. Nur Nutzenmaximierung als dominante Handlung ist möglich, aber ethisch und anthropologisch unterkomplex. Das Menschenbild einer christlichen Ethik bzw. der Personenbegriff umfasst hingegen ganz andere Dimensionen: Vernunft, Freiheit, Gewissen, Selbstbestimmung, Würde… also eine vielfältige Komplexität der menschlichen Person, anthropologische Vielfalt und ethische Qualität (aber Vorsicht: wir sind deshalb nicht die Feinde der Ökonomie!) – 73 –

74 Klarstellung zum homo oec.
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Einwände im Sinne des HO: Ist nicht als Menschenbild gedacht, sondern es geht um eine Rationalitätsannahme: d.h. Beobachtungen über klassisches Verhalten im Wettbewerb z.B. bei Unternehmern, Arbeitsnehmern oder Konsumenten Es geht um eine Modellannahme, kein egoistisches Monster; vielmehr verhilft die Nutzenmaximierungsannahme der Ökonomie, eine rationale Strategie der Knappheitsbewältigung zu kalkulieren (bspw. Unternehmen überlegen, wie Nachfrage nach Produkten am besten zu bewerkstelligen ist) Es geht nicht um einen ethischen Begriff und anthropologische Aussage über Eigennutzen der menschlichen Person – 74 –

75 Wichtige ökonomische Einsichten
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Effizienz als Ausdruck instrumenteller Rationalität ist nicht unethisch Zweckrationalität und ihr nicht-intendierte Ergebnis Nach einer Formulierung F. von Hayeks ist das, was der Wettbewerb hervorbringt, das „nicht-intendierte Ergebnis intentionalen Handelns“. Teile des Gemeinwohls werden nicht direkt, sondern indirekt herbeigeführt: Effizienz, optimale Güterversorgung, ausreichend Arbeit, Wohlstand…. Annahme der wohltätigen Wirkung des Wettbewerbs – 75 –

76 Grenzen der Ökonomie 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Was spricht gegen die Ökonomie: ihr eigenen Grenzen, die nur durch staatliche Restriktionen oder verantwortliche Akteure korrigiert werden können D.h. es braucht zur Überwindung von Marktversagen: Verbot und Vermeidung von Preisabsprachen und Kartellen Verbot und Vermeidung von Umweltverschmutzung Stärkung und Schutz von Arbeitnehmern: Mindestlohn, soziale Ordnung, Arbeitsschutz, Kündigungsschutz… Konsumentenschutz, z.B. Gesundheitsniveaus bei Produkten u. Garantien der Nichtschädigung von Konsumenten Bereitstellung öffentlicher und meritorischer Güter über den Markt nur suboptimal (Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Sicherheit….), deshalb staatliche Aufgabe d.h. unsichtbare Hand freier Märkte ist nicht perfekt; Märkte können versagen! – 76 –

77 Evaluation der Ökonomie als Dominanzmodell
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Ohne Rechtsstaaten keine funktionierenden Märkte Ohne freie Märkte kein Wohlstand Ein rein ökonomische Denken ist noch keine Wirtschaftsethik, sondern sehr beschränkte Rationalität Aber Unterschied zwischen Neoklassik: nur binnenökonomisch ökonomischer Ethik: wenigstens Begründung ökonomisch rationaler Regeln Gefahr der Verabsolutierung des ökonomischen Denkens, wenn nicht klar ist, dass es um eine Rationalität unter vielen geht, und dass die Welt und die Menschen in ihrer moralischen Identität und in ihren rechtsethischen Ansprüchen deutlich komplexer sind. – 77 –

78 5.1.2 Dominanz der Ethik 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.1.2 Dominanz der Ethik: a. Peter Ulrichs „Integrative Wirtschaftsethik“ Genuin ethische Prämissen Primat einer integrativen Ethik Modell der Diskursethik: gegenseitige Anerkennung in unbegrenzter Diskursgemeinschaft Ökonomie soll mit praktischer Sozialökonomie domestiziert werden Unternehmenspolitischer Dialog mit allen Betroffenen Gewinnmotiv soll durch Konsensprinzip ersetzt werden – 78 –

79 Ulrichs Fundamentalkritik an der Ökonomie
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Gegen Harmonievorstellung der Ökonomie; negative Auswirkungen überwiegen: deshalb multidimensionale Zielfunktion Kritik an der „Selbstimmunisierung“ der Ökonomie gegen moralische Forderungen Ökonomische Sachgesetze werden hier als „Zwang zur Unmoral“ gesehen Ziel von Ulrichs Ethik ist eine integrative Wirtschaftsethik Ökonomische Sachlogik wird ein nachrangiger ethischer Wert zugesprochen Markt wird vor allem in seinen Schattenseiten gesehen – 79 –

80 Kritik an Ulrich 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Lösungsvorschlag von Ulrich bleibt auf Ebene der Unternehmen, wird nicht ordnungspolitisch Moral soll direkt durch Unternehmen eingebracht werden (fragt sich wie, da auf dieser Ebene ausbeutbar) Linke, antiökonomische Polemik, die die Marktwirtschaft in ihrer Leistung verkennt Ulrichs Vorschläge würden Marktwirtschaft beeinträchtigen und ihrer Produktivität berauben (papierproduzierende Unternehmen) Verkennen der Zweistufigkeit der ethischen Legitimität und die Produktivität von Märkten (Fußballspiel) Extreme Dominanz der Ethik und Missachtung der ökomischen Eigenlogik Zielsetzung muss es sein, Normen primär auf der Ordnungsebene zu etablieren – 80 –

81 Der Fall Siemens 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Im Laufe 2007 wurde bekannt, dass Siemens zahlreiche schwarze Kassen unterhielt, um die Korruption in verschiedenen Ländern zu finanzieren. Bis zum Jahr 1996 waren solche Zahlungen in Deutschland legal und konnten bei der Steuer als Kosten geltend gemacht werden. Nach 1998 wurden diese Zahlung nie ganz eingestellt, sondern nur zurückgefahren. Weder Wirtschaftsprüfer noch unternehmensinterne „Compliance-Richtlinien“ sahen in den Zahlungen ein Problem an. Wie denken Sie? Und wie sollte das gelöst werden? – 81 –

82 Nestle Fall 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik In 70er Jahren falsche Vertriebspraktiken und aggressive Marketingmethoden Substitutionsprodukte für Muttermilch in Ländern der Dritten Welt Marketing-Strategie wurde ohne den Dialog mit den Betroffenen konzipiert: Müttern in Entwicklungsländern, Gesundheitsbehörden in diesen Ländern, Ärzten usw. Folgen: falsche Anwendung von Baby-Milchpulver: Tod zahlreicher Säuglinge, da Hygienestandards nicht eingehalten wurden, Abstillen von Müttern, die das Stillen unterlassen und stattdessen Säuglingen Ersatzprodukte gegeben haben (Gesundheitsschädigung von Neugeborenen) Weltweite Schlagzeilen: „Nestle tötet Babies!“ Ergebnis: massiver Verbraucher-Boykott von Nestle in den USA, Anhörungen vor dem amerikanischen Kongress und durch ein Gerichtsurteil Dann erst suchte Nestle den Dialog mit den Betroffenen, veränderte seine Marketingstrategien und gab bessere Verbraucherinformation Was denken Sie? Wie lässt sich hier wirtschaftsethisch eine Lösung herbeiführen? – 82 –

83 Christliche Ethik der Gewinn- und Marktbegrenzung - Beschreibung
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik b. Der Ansatz eines dominanten Naturrechts in der Theologie: Beschreibung Ethik ist der Ökonomie systematisch vorgeordnet Moralische Handlungsorientierung soll notwendige Bedingungen für Unternehmensführung bleiben; Unternehmensethik soll sich an ehrbarem Kaufmann orientieren Rein gewinnorientiertes Handeln ist zu verurteilen, da falsche Prioritäten der Werte, keine Gemeinwohlorientierung (egal, ob christliche Unternehmen dann aus dem Markt gefegt werden) Gerechte Preise werde nicht durch Markt (Ausgleich von Angebot und Nachfrage), sondern durch Moral festgesetzt Freie Märkte sind Ausdruck eines zügellosen Kapitalismus Deshalb soziale Domestizierung und Ablösung der Marktwirtschaft nötig, dritter Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gesucht – 83 –

84 Christliche Ethik der Gewinn- und Marktbegrenzung - Kritik
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik b. Der Ansatz eines dominanten Naturrechts in der Theologie: Kritik Keine grundsätzliche Differenzierung von freien Märkten und gerechten Regulierungen, sondern permanente Vermischung der Ebenen Unterschätzen der Produktivität und der Wohlstandswirkungen sowie der Armutsreduktion der Marktwirtschaft Auch Unternehmen und Unternehmer können moralische Akteure sein, wenn sie sich gesetzeskonform verhalten und allgemeine Normen menschlicher Würde achten. Moral der Fairness, der Nichtschädigung von Menschen und Natur, der Compliance mit der Rechtsordnung möglich Theoretische Fundierung Problem: Prinzipieller Konflikt von Moral und Gewinn; hier wird Moral nur an Motive o. Tugenden geknüpft, aber nicht an Ergebnissen, Wirkungen o. Folgen festgemacht (entspricht reiner Gesinnungsethik) Fundamentalkritik und fundamentale Systemkritik nicht berechtigt Abschaffung der Marktwirtschaft und Ersatz durch bessere Wirtschaftsordnung erst möglich, wenn eine solche Idee auch besteht und umsetzbar ist. – 84 –

85 Generelle Kritik an vertikalen Ansätzen
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Entweder zu Ökonomie- oder zu Moral-lastig Kann zu Eliminierung der Moral auf beiden Seiten führen Unternehmen haben moralische Verantwortung, sind aber durch Konkurrenz der Mitbewerber ausbeutbar Ethik muss empirische Einzelwissenschaft (hier: Ökonomie) in ihren Erkenntnissen und Märkte in ihrer Leistungsfähigkeit ernst nehmen, sonst lassen sich moralische Probleme weder erkennen noch lösen Echte Interdisziplinarität ist gefordert, die immer ein Diskurs auf Augenhöhe erforderlich ist. Dies bedeutet ein wechselseitiges wissenschaftstheoretisches und erkenntnistheoretisches Ernstnehmen des jeweils anderen. – 85 –

86 5.2 Horizontale Konzepte: 5.2.1 Heterogenität
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.2.1 Die Annahme vollständiger Heterogenität (Niklas Luhmann)  Reiner Konstruktivismus: Wirklichkeit ein Ergebnis des Denkens Unverträgliches Nebeneinander von Ökonomie und Ethik 2 unabhängige geschlossene Soziale Systeme Kommunikation zwischen den Systemen u.U. möglich, wenn nicht rein selbstreferentiell und damit abgeschlossen So etwas wie Wirtschaftsethik gibt es dementsprechend überhaupt nicht. – 86 –

87 5.2. Horizontale Konzepte: 5.2.2 Identität
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik 5.2.2 Die Annahme vollständiger Identität Die klassische Ökonomik (z.B.Adam Smith) Annahme der Harmonie von Ethik und Ökonomie, wenn in institutionellen politischen Ordnungsrahmen eingebettet Das Streben der einzelnen Menschen die Existenz zu sichern, Wohlfahrt zu steigern und Eigeninteresse zu verfolgen ist positiv und wird unter folgenden Voraussetzungen auch sozial nützlich (Smith: Bäcker, Brauer Metzger….+ Bienenfabel von Mandeville) Es ist zwischen Selbstinteresse und Egoismus oder Egozentrik zu unterscheiden. Es gibt vier kontrollierende Kräfte: Mitgefühl, Sinn für Gerechtigkeit, positive Gesetze, deren Beachtung der Staat fordert, und den Wettbewerb Hauptthese: bei einer freien Interaktion am Markt ergeben sich langfristig die besten Ergebnisse für alle Mitglieder einer Gesellschaft sozusagen automatisch, wie durch eine unsichtbare Hand. – 87 –

88 Kritik an Identitätsmodell der klassischen Ökonomik
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Kritik am Harmonie und Identitätsmodell: Zu optimistischer Glaube an Markt und die ungesteuerte Wirkung von Märkten Denn es gibt auch Marktversagen, Kartelle, Monopole und sozial schädliches Verhalten von Unternehmen und einzelnen Akteuren in und auf Märkten Es gibt auch frühkapitalistische Zustände und ungelöste soziale Fragen in Entwicklungs- und Schwellenländern ohne soziale Regulierung. Es gibt auch Defizite aufgrund einer fehlenden weltweiten Regulierung. Deshalb: Positive Funktion von freien Märkten, aber immer politischer Ausgleich und Marktkorrekturen notwendig – auch mit Blick auf Werte und Güter einer Gesellschaft und mit Blick auf das Weltgemeinwohl sowie die Ärmsten und Unterdrückten. – 88 –

89 5.2.3 Übersetzbarkeit als Gestaltungsaufgabe:
Karl Homann´s Wirtschaftsethik (1) 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Wirtschaftsethik hat die Gestaltungsaufgabe der Übersetzbarkeit von Ethik und Ökonomik aufgrund der gemeinsamen Grundstruktur: „Ökonomik als Ethik mit anderen Mitteln!“ (Homann 1994) Ökonomische Rationalität kein Gegensatz zur praktischen Vernunft Ökonomische Rationalität muss nur langfristig angesetzt sein und die Interessen aller Wirtschaftsakteure einbeziehen Ökonomische Rationalität muss zweistufig sein, also auch ordnungspolitisch: Spiel und Spielregeln (Fußballspiel seine Idee) Gesellschaftliche Zusammenarbeit zum wechselseitigen Vorteil; Organisationsfreiheit auf dem Markt und Rule of Law als Rahmenbedingung Wirtschaftsethik soll Konflikte zwischen Gewinnorientierung und Moral lösen, dadurch, dass sie Win-Win-Situationen und Investmentoptionen formuliert Beispiele: CO2-Steuern, Bankeneinlagensicherung, gesetzl. Arbeitnehmerschutz, Verbot von Dumping bei Preisen+Sozialstandards+ Steuern, Abgas- und Umwelt normen, Mutterschutz, Kranken, Pflege und Sozialversicherungspflicht…… – 89 –

90 Karl Homanns Wirtschaftsethik (2)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Individualmoral und Sozialmoral von ihrer Art und Methode unterschiedlich Denn in anonymen Großgesellschaften erfordern kontraintuitive Zusammen- hänge und strukturell übergreifende Gesetzmäßigkeiten eine Übersetzungs- leistung von Moral in Dilemmastrukturen. Def. Wirtschaftsethik bei Homann: „Sie befasst sich mit der Frage, welche Normen und Ideale unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft zur Geltung gebracht werden können“ (Homann 1992) Suche nach Wirtschaftsethik, die Eigengesetzlichkeiten der Ökonomik ernst nimmt (homo oec., Nutzenmaximierung, Anreize im Reiz-Reaktions-Schema schaffen, empirische Annahme, dass Menschen sich im Wesentlichen anpassen an Rahmenbedingungen, z.B. ehem. DDR und Religionszugehörigkeit…) Anfrage: Tun sie das wirklich? Was ist im Dieselskandal der deutschen Automobilindustrie mit der Anpassungsfähigkeit von Vorständen in großen Unternehmen los, wenn nicht einmal Gesetze eingehalten werden? – 90 –

91 Karl Homanns Wirtschaftsethik (3)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Anreiz- und Bedingungsethik und ökonomiefreundliche Ethik sinnvoll Paralleldiskurs: Unterscheidung zwischen Begründung von Moral und ihrer Implementation in reale Bedingungen - Versuch der Übersetzbarkeit Beispiel: Familien in der Marktwirtschaft (Honorierung der Erziehungsleistung, d.h. geeignete Anreize zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen, Synchronisierung von Familien und Arbeitswelt, vor allem Schaffung von familienfördernden Institutionen, dadurch Ermöglichung von Freiheit und Wahlmöglichkeiten) Verbleibendes Problem: Es verbleiben immer Restprobleme oder ethische Dilemmata, oft ist eine völlige Auflösung von Widersprüchen nicht möglich: z.B. in der ökologischen Frage und bei der Frage globaler Gerechtigkeit (was machen wir dann?) – 91 –

92 Kritik und Würdigung von Karl Homann (1)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Richtige Forderung: Verzicht auf defektierendes Vorteilsstreben, Vorteilssuche zu Lasten Dritter, Verbot des bewussten Durchbrechens von Regeln! Diese moralischen Imperative bleiben als ethische Gebote auch bei Homann (außerökonomische Größen); d.h. Kants Rechtspflichten bleiben moralphil. Voraussetzung: Selbstinteresse in der Marktwirtschaft nur bis dorthin erlaubt, wo es andere nicht klar schädigt Offen Fragen: Was ist mit Verdrängungswettbewerb, Inkaufnahme von Insolvenz des Wettbewerbers, Ausnutzen von Preisvorteilen, z.B. bei Arbeitskosten in Entwicklungs- und Schwellenländern, Ausnutzen von Gesetzeslücken und mangelnder internationaler Ordnung, Investments in Diktaturen, in denen Rechtsordnung menschenverachtend ist….? Welche Lösung bietet Homann hier? Dennoch Prämisse Homanns und der klassischen Ökonomie bleibt: Das Vorteilsstreben bildet den Kern aller Moral in der Marktwirtschaft und dies führt zu Wohlfahrt und Wohlstand ganzer Gesellschaften. Relativierung im Rahmen christlicher Moral: Hier kann individueller Vorteilsverzicht auch zu kollektivem Wohl führen (solche Fälle gibt es)! – 92 –

93 Kritik und Würdigung von Karl Homann (2)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Richtig: Grenze zwischen Moral und Unmoral nicht mehr Egoismus und Altruismus, sondern Eigeninteresse, das andere einbezieht oder ausschließt (Bsp. Christliches Liebesgebot) Aber Problem: Was machen, wenn ökonomische Interaktion einzelwirtschaftlich sinnvoll, aber makroökonomisch bzw. global schädlich? (Zölle Trump) Dann: Hypothetisches Vetorecht aller Betroffenen Stakeholder erforderlich und Grundgütergewährleistung für alle als rechtsethische Bedingung(-sethik) Richtig: Gerechte Ergebnisse und Folgen wichtiger in Wirtschaftsethik als Intentionen und Motive; damit weiter und nicht-monetärer Vorteilsbegriff akzeptabel, denn Unternehmen verfolgen Interessen, die langfristig die Grundbedürfnisse von Konsumenten sichern Christliche Wirtschaftsethik eher: Humanisierung des Gesamtsystems bzw. Offenhalten der ökonomischen Systemlogik auf moralische Ziele hin (wichtig, wenn Gesamtzusammenhänge für einzelne nicht erkennbar, z.B. Europäische Regulierungen, Euro, Freihandel und Zölle, Globalisierung…) – keine Verabsolutierung des Ökonomischen, aber Anerkennung! – 93 –

94 Quintessenz: Vor allem gerechte politische Rahmenbedingungen machen aus ökon. Interessen soziale Ergebnisse 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Das moralische Sollen kann mit dem rationalen Eigeninteresse der Handlungs- subjekte beginnen, wenn sie langfristig und global sozialverträglich sind. Es lässt sich in der Wirtschaft nicht alles auf individuelle Präferenzen reduzieren, denn zu gelungener Interaktion gehören übergeordnete Regeln (garantieren soziale Standards, Konsumentenschutz, öffentliche Güter…..) Es sollte deshalb keine ideologische Überhöhung der „unsichtbaren Hand“ des Marktes und des Wettbewerbs geben. Bei fast allen Interaktion auf Märkten ist ethische Urteilsbildung und ethische Verantwortung nötig (Beispiele: Anarchie in sozialen Netzwerken, Investitionen in neue Produkte und Märkte, technologische Innovationen wie z.B. autonomes Fahren...) Ohne rechtsstaatliche Demokratien und Sozialstaaten funktionieren Märkte nicht zum Vorteil aller Betroffener. Ohne funktionierende Marktwirtschaft bleiben Demokratien arm. – 94 –

95 5.3 Interdisziplinärer Zusammenhang von Ethik und Ökonomik
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Ethische Funktion der Wirtschaft steht nicht im Gegensatz zur Ethik, sondern ist in ihrem Sinne (Produktivität, Effizienz, Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, Güterversorgung, Wohlfahrtssteigerung…) Interdisziplinäres Verhältnis der Gleichrangigkeit, aber völlig andere Materialobjekte (Mitteloptimierung versus ethische Zwecksetzung) Ethik in den Wissenschaften darf nicht mehr als übergreifende oder andere domestizierende Disziplin verstanden werden Deshalb ist beidseitiges Ernstnehmen nur durch wissenschaftstheoretische Kompatibilität möglich: d.h. wechselseitige Übersetzung von Disziplinen, z.B. humanen Anspruch mit Hilfe geeigneter Ökonomie; also ethische Ziele in Ökonomie hinein übersetzen! Ökonomie ergänzt die Ethik, ist ein Mittel zur Humanisierung von Gesellschaft, wenn sie umgekehrt das Humane nicht aus dem Blick verliert (Oswald von Nell- Breuning). – 95 –

96 Zuordnung von „Ethik“ und „Ökonomik“ (1)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Gegenseitige Ergänzung und Infragestellung: Aber in jedem Fall horizontal (d.h. gleichrangig)! Sowohl Ethik als auch Ökonomik ergänzen sich Ökonomik ergänzt die Ethik, da ohne eine detaillierte Sachkenntnis ökonomischer Zusammenhänge ethische Ansprüche schwerer verwirklicht werden können (Beispiel Überwindung von Hunger und Armut, Zertifikate für CO2 Ausstoß) Ethik aktiviert die Ökonomik, indem sie ethisch sinnvolle und ökonomisch rationale Innovationen anregt (Beispiel Internationale Regulierungen, Unternehmensleitlinien, Corporate Sozial Responsibility CSR…) Ethik und Ökonomie stellen sich allerdings auch manchmal wechselseitig in Frage: Verhältnis ist nicht frei von Dilemmata! – 96 –

97 Zuordnung von Ethik und Ökonomik (2)
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Die im Marktsystem inkriminierten Problem können beherrschbar in Grenzen gehalten werden, d.h. kein Systemwechsel nötig, kein dritter Weg Gegenseitige Infragestellung ist letztlich ein Wertekonflikt Ökonomische Sachzwänge sind oft nicht Ausdruck eines konkreten Sachkonfliktes, sondern Güterabwägungen: z.B. sind Wohlstand und Wachstum nicht in allen Fällen vorzugswürdig, wenn sie mit Übeln für Menschen verbunden sind (z.B. Ausbeutung von billigen Arbeitskräften, ökologische Schäden…, Erpressung von Unternehmen am unteren Ende der Wertschöpfungskette) Wirtschaftsethik soll diese Wertkonflikte transparent machen und für eine Lösung geeignete Kriterien vorschlagen Es können Vorzugsregeln entworfen werden, die die Priorität höherrangiger Güter deutlich machen Güterabwägungen und Übelminimierung kann auch in der Wirtschaftsethik hilfreich sein (Analogie zur Moraltheologie)! – 97 –

98 Voraussetzungen für die Verständigung über ein ethisch legitimes und zugleich rationales Handeln
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Verständigung geschieht immer interpersonell, d.h. in Kommunikationsprozessen: Kommunikatives Ethos mit Ziel der Übereinkunft nach Habermas als Voraussetzung bei Unternehmen, Wirtschaftsteilnehmern, Politikern, gesellschaftlichen Gruppen (Gleichrangigkeit, Wahrhaftigkeit, Offenheit….) Eine organisatorische Voraussetzung bilden faire Beteiligungschancen für alle Stakeholder + Betroffenen am Abstimmungsprozess im Markt und Unternehmen Auf der politischen Ebene sind faire Beteiligungschancen bei regelsetzenden, gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen erforderlich Auf internationaler Ebene sind vor allem globale Kollektivgüter zu bewahren (Biodiversität, Klimawandel, Wasserqualität und Wasserverfügbarkeit und Luftreinheit…) Voraussetzung: Existenz von gemeinsamen menschlichen Rechten, die von hoher Universalität sind (unabhängig von westlicher Entstehungsgeschichte) Kulturrelevanz und Kontextualität auch berücksichtigen, da überall anders (z.B. Asien anders als Westen, Afrika anders als Europa). – 98 –

99 Mögliche Ergebnisse einer Verständigung
5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Ethik und Ökonomik nehmen spiegelbildliche Funktionen wahr. Interpersonelle Kommunikation, Kompromisse und Güterabwägungen auf allen Ebenen notwendig Überlegungsgleichgewicht im Rawlschen Sinne als „wechselseitige Anpassung von Grundsätzen und überlegten Urteilen“ Diese Gleichgewichte sind nicht von Dauer und stellen Übergangslösungen dar; Institutionalisierung beste Lösung (Gesetze, Organisationen, die regulieren…) Gemeinsame Werte und Normen erleichtern einen solchen Beratungsprozess Hochrangige moralische Werte spiele auch bei Unternehmen in ihren Entscheidungen eine Rolle Argumente der ökonomischen Sachlogik werden manchmal überwunden. Die ist allerdings sehr selten (bspw. Mark Zuckerberg bei Facebook sehr verhaltener Datenschutz; anderes Beispiel Trumpf o. Chile, Rettung von Bergleuten) – 99 –

100 Fall: Ethische Werte im Konflikt mit unternehmerischen Sachzwängen: das Beispiel von Massenentlassungen 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik In einer Krise des Maschinenbaus Anfang der 1990er Jahre, als viele renommierte Firmen vom Markt verschwanden, geriet auch die Maschinenfabrik „Trumpf“ in eine Absatzkrise. Das Unternehmen musste Bankkredite aufnehmen, die an die Bedingung geknüpft waren, zur Kostenreduzierung 400 Kündigungen auszusprechen. Die heutige Geschäftsführerin dieses Familienunternehmens erinnert sich an die damalige Entscheidung ihres Vaters. Die Banken hätten mit ihrer Forderung bei ihm „auf Granit gebissen“. Er hätte gesagt: „Man kann Mitarbeitern kein Geld wegnehmen. Die Leute brauchen ihren Verdienst. Aber man kann sie überzeugen, dass sie mehr leisten müssen“, und das hätten die Mitarbeiter ihrem Chef auch abgenommen. An der Entlassung von 41 Personen kam er trotzdem nicht vorbei, und das – so die heutige Chefin – „geht meinem Vater heute noch nach“. Im Bericht des „manager magazins“ über diese Episode heißt es, die Geschäftsführerin dieses Familienunternehmens „lebt eine pietistisch geprägte Unternehmenskultur … beispielhaft zurückhaltend, bescheiden, integer“. Ganz offenkundig prägt in diesem Unternehmen die persönliche Werthaltung des Führungspersonals auch die unternehmerischen Entscheidungen. Man sucht Lösungen, die einem hochrangigen ethischen Wert unter Beachtung von Effizienzgesichtspunkten soweit wie möglich entgegenkommen. Quelle: manager magazin 1/2006, S. 58 f. – 100 –

101 Fall: Die Rettung von Menschenleben – Bsp
Fall: Die Rettung von Menschenleben – Bsp. für die Nachrangigkeit wirtsch. Ziele und der Unterstützungsbedarf durch den Staat 5. Kapitel: Wirtschaftsethik im Verhältnis zu Ökonomie und Ethik Im August 2010 wurden in der chilenischen Kupfermine San José 33 Bergleute in 700 m Tiefe verschüttet. Die Minengesellschaft hat daraufhin aufwändige Bohrungen durchgeführt, um die Verschütteten mit Lebensmitteln zu versorgen. Nach 69 Tagen konnten die Bergleute schließlich gerettet werden. Die bei dieser Rettungsaktion entstandenen Kosten wurden auf 22 Millionen US-$ geschätzt. So kam beispielsweise ein deutsches Rettungsgerät zum Einsatz, das sich schon beim Grubenunglück von Lengende in Deutschland bewährt hatte („Wunder von Lengende“). Für die chilenische Öffentlichkeit stand außer Frage, dass alle technischen Möglichkeiten zur Rettung der verschütteten Bergleute ausgeschöpft werden mussten, und dass dabei Kostenerwägungen keine Rolle spielen durften. Der chilenische Staat, der zunächst die gesamten Kosten übernommen hatte, erhielt im Rahmen eines Rechtsstreits 5 Millionen US-$ von der Minengesellschaft erstattet. Allerdings: Die Minengesellschaft ist über den Vorfall insolvent geworden und ist heute nicht mehr existent. – 101 –

102 6. Kapitel Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik
– 102 –

103 Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik - Arbeitsdefinition
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Definition: Christliche Wirtschaftsethik hat die Aufgabe eine ethische Theorie der Moral für wirtschaftliches Handeln und Rahmenbedingungen der Wirtschaft aus der Perspektive eines christlichen Humanismus zu entwickeln. Diese ethische Theorie soll gerechte Normen, Institutionen und Systemstrukturen begründen und implementieren, so dass wirtschaftliche Interaktionen in ihrer Folgewirkung menschlichen Personen in ihrer Würde bestätigen und nicht verletzen. – 103 –

104 Detaildiskussion über die Definitionsstruktur
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Reflexion darüber und Theorie der Begründung erforderlich Dreifache Ebene der Ansprechpartner: Micro: alle Wirtschaftsakteure (Haushalte, Konsumenten, Kunden, Arbeitnehmer…) Meso: Unternehmen Makro: Staat und Staatengemeinschaft, die Ordnungen festlegen Normen und Rahmenbedingungen primäre Zielgröße der Wirtschaftsethik, um Menschen gutes Leben zu ermöglichen, aber dennoch Moral im Markt unverzichtbar Wirtschaftsethik bietet Ermöglichungsrahmen (nicht mehr) und Kriterien für gute Unternehmensführung bei gleichzeitiger Bereichsbeschränkung auf Wirtschaft Aber Gerechtigkeitsanspruch ein fundamentaler: wirtschaftliche Interaktionen sollen zur Humanisierung von Gesellschaften beitragen. – 104 –

105 Grundsätzliche Methode einer christlichen Wirtschaftsethik
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Faustregel der sozialethischen Argumentation (Kardinal Cardijn) 1. Theologisches + empirisch-analytisches Sehen 2. Normatives Urteil bilden + allgemein begründen 3. Ethisches Handeln praktisch möglich machen Wissenschaftstheoretische Analogie: Analyse Theoriebildung Operationalisierung – 105 –

106 Schritt: Theologische Grundoptionen (a) und empirisch-analytische Sehen aus Christlicher Perspektive (b) 6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Theologische Grundlegung durch Christliche Grundoptionen (a): Grundoptionen der christlichen Ethik, die wissenschaftlich begründbar sind, taugen auch zur hermeneutischen Grundlegung der Wirtschaftsethik: Aber: Garstiger Graben der Geschichte; in der Antike noch einfache Tauschwirtschaft, Handel und Subsistenzversorgung Deshalb vermitteln theologische Grundoptionen eine prinzipielle Orientierung und Ausrichtung der Wirtschaftsethik, jedoch noch keine hinreichende normative Begründung und auch keine ethische Lösung. Beispiele: Biblische Motive (soziale Ethos der Propheten, Frieden, Befreiung durch Gott, Bewahrung der Schöpfung, Option für die Armen, christliche Nächstenliebe usw.) – 106 –

107 1. Schritt: Theologische Grundoptionen (a) und empirisch-
1. Schritt: Theologische Grundoptionen (a) und empirisch- analytische Sehen aus Christlicher Perspektive (b) 6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Analytisches Sehen durch die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (b) Konstruktiver ethischer Beitrag zu moralischen Problemen. Aber: keine geeigneten eigenen Quellen zur Lösung (garstiger Graben der Geschichte) Problemanalyse mit der Hilfe anderer Sozialwissenschaften ist notwendig- Hintergrund: Prinzip der ausreichenden Sachkenntnis Beispiel Familiengerechtes Einkommen durch angemessenes Lohnniveau des Arbeiters (CA 15) und Familienernährers (setzt Hausfrauenehe voraus); Beispiel Arbeitslosigkeit: Arbeitslosenversicherung oder Recht auf Arbeit? Arbeitslosigkeit, ethisch spontan: unvermitteltes Recht auf Arbeit, das aber den Arbeitsmarkt aushöhlt und von Unternehmen nicht finanziert werden kann. Der Staat wird es finanziell nicht schaffen, ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Vorsicht vor kontraproduktivem Moralisieren!!!! – 107 –

108 2. Schritt: Normatives Urteil bilden + allgemein begründen
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Die universale Begründung von Normen hier keine theologische Verkündigung, sondern wissenschaftliche Erklärungsleistung gefordert Max Weber: Werte sind Gegenstand der Erkenntnis, nicht der Verkündigung Aber: Normative Ethik ist möglich, auch aus christlicher Perspektive (kein Positivismus) Definition: „Normen sind verallgemeinerbare Verhaltensregulative, die einen Bezug zu ethischen Gütern herstellen und diese sichern sollen“ Frage: Wie ist geeignete Begründung heute noch möglich, die weder normativistisch, noch utilitaristisch, relativistisch oder positivistisch ist, sondern eine normative Ethik mit Verallgemeinerbarkeitsanspruch und Pluralismusfähigkeit ist? – 108 –

109 2.1. Unternehmensethische Begründung (1)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Unternehmen sind auch soziale und politische Akteure und müssen ständige Güterabwägungen durchführen Normalerweise klare Rechtslage, aber auch Investitionen in rechtsfreie Räume (Globalisierung) Deshalb: Selbstorganisation der Unternehmen in Eigenverantwortung notwendig – 109 –

110 2.1. Unternehmensethische Begründung (2)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Unternehmerische Verantwortung als eine gerechtigkeitstheoretische Abwägung: Grundfrage: Was würden wir, unsere Kunden, unsere MitarbeiterInnen, die Gesellschaften, in denen wir tätig sind, in einer neutralen Situation als gerecht ansehen? (bspw. Produktqualität, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Persönlichkeitsschutz…) D.h. wenn keine klare Rechtslage, ist die hypothetische Konsensfähigkeit der unternehmerischen Entscheidung äußerst wichtig (Analogie Kirche und Finanzen) - Übereinkunft mit Mit- und Umwelt im vor-juristischen Raum möglich und zentral für die Zukunft von Unternehmen – 110 –

111 2.1. Unternehmensethische Begründung (3)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Unternehmensethisches Ziel wären: Sozialkontrakte und mikrosoziale Verträge durch Unternehmen mit Zivilbevölkerung und ethische Abwägung der Kooperation mit Staaten (Diktaturen z.B.) Imperativ der minimal gerechten informellen Institutionen, die durch Unternehmen geschaffen werden (vgl Contractarian Wirtschaftsethik, Donaldson und Dunfee). ……. Weitere unternehmensethische Debatten: Corporate Social Responsibility (CSR), Unternehmensleitlinien, Compliance Management, Corporate Governence, Mitverantwortung für öffentliche Güter – 111 –

112 2.2 Ordnungsethische Ebene: Prinzipien der CSE (a)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik 2.2.1 Sozialethisch prinzipielle Argumentation: Personenprinzip, entwickelt aus der ethisch-anthropologischen Prämisse Der Mensch ist Person und hat eine unveräußerliche Würde Deshalb: “muss der Mensch der Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen sein. [...] Dieses oberste Prinzip trägt und schützt die unantastbare Würde der menschlichen Person” (MM) Fundamentale Würde der menschlichen Person als Rechtsnorm ist das grundlegende Prinzip für die Gestaltung der Rahmenbedingungen menschlicher Interaktionen. – 112 –

113 2.2 Ordnungsethische Ebene: Prinzipien der CSE (a)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Solidaritätsprinzip Der einzelne Mensch und die gesamte Gesellschaft sind wechselseitig aufeinander verwiesen und vernetzt. ontologisches Strukturprinzip Daraus ergibt sich die wechselseitige Verantwortung der einzelnen Menschen für die Gesellschaft und der Gesellschaft für die einzelnen Menschen (alle für alle) ethisches Rechtsprinzip Die Vielheit wird als Einheit begriffen, deshalb soziale Zuordnung und wechselseitige Verpflichtung – 113 –

114 2.2 Ordnungsethische Ebene: Prinzipien der CSE (a)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Subsidiaritätsprinzip Vorrang der kleineren Einheit vor der größeren: Wo immer sie etwas mit eigenen Kräften leisten kann, darf es ihr nicht entzogen werden. Nur soweit (hilfsweise) Eingreifen des größeren Sozialgebildes zugunsten der Einzelnen und der kleineren Lebenskreise (Höffner), nur als Hilfe zur Selbsthilfe Prinzip zeigt soziale Zuständigkeit im Rahmen eines klaren Autonomie- , Selbstständigkeits- und Nichteinmischungskriteriums d.h. wirtschaftsethisch: Nur subsidiäre Rahmenbedingungen, wo Märkte nicht selbst funktionieren! Keine direkten Eingriffe in die Selbstorganisation – 114 –

115 2.2 Ordnungsethische Ebene: Gerechtigkeitsdimensionen (b)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik – 115 –

116 2.2 Ordnungsethische Ebene: Gerechtigkeitsdimensionen (b)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Beteiligungsgerechtigkeit Kombination von Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit Teilhabe aller und Gegenseitigkeit subsidiär organisierte Solidarität produktive Sozialpolitik mit dem Markt, nicht gegen den Markt Bsp. Niedriglohnsektor in Sozialer Marktwirtschaft durch Kombination von Arbeitslohn und Transfereinkommen (Kombilohn, neg. Einkommenssteuer) oder zweiter staatlich geförderter Arbeitsmarkt mit begrenzten Verdrängungseffekten – 116 –

117 2.2 Ordnungsethische Ebene: Gerechtigkeitsdimensionen (b)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik – 117 –

118 Schlüsse für Schritt 2: Begründung wirtschaftsethischer Normen
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Vorsicht vor Rückfall bei der Begründung von Normen hinter das Niveau einer guten Unternehmensethik Insgesamt ist eine Kombination von prinzipieller und gerechtigkeitstheoretischer Argumentation in der Sozialethik möglich, aber auch Prinzipien müssen in ihrer Anwendung mit den Betroffenen abgestimmt und auf reale Folgewirkungen hin bedacht werden! Auch für den politischen Diskurs und den Diskurs mit den Unternehmen müssen wir sozialethische Prinzipien noch einmal im Konsens mit anderen neu begründen. Eine vertragstheoretische bzw. gerechtigkeitstheoretische Begründung von wirtschaftsethischen Normen ist auch in der christlichen Wirtschaftsethik auf allen Ebenen sinnvoll. Denn der hypothetische Konsens ist das eigentliche Normativitätsprinzip moderner Ethik, auch in der christlichen Sozialethik! – 118 –

119 3. Schritt: Die interdisziplinäre Umsetzung von Normen (Handeln)
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Operationalisierung von Theorien heißt in der Ethik: Die Implementierbarkeit von Regeln bereits bei der Begründung überprüfen (z.B. Organe, Dialyse) Es heißt für die Kirche auch, sich den Dilemmata der Realität stellen. Es bedeutet letztlich: Nur tatsächlich umsetzbare und realisierbare Normen sind begründbar. Unterscheidung von Begründungs- und Anwendungsdiskurs in der Ethik wichtig (Beispiele Gesundheitssystem: Kluft zwischen Machbarem und wünschbarem, Sexualmoral: Kluft zwischen Hochmoral und Realität…) – 119 –

120 3. Schritt: Bleibendes Problem in der Zuordnung von Begründungs- und Anwendungsdiskurs
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Drei Möglichkeiten der Lösung: 1. Fall: Primat des Begründungsdiskurses (a): Hochmoral, Deontologie, Normativismus, essentialistisches Naturrecht 2. Fall: Dominanz des Anwendungsdiskurses (Realisierbarkeit) (b): ökonomistische und utilitaristische Ethik, enge ökonom. Rationalität verabsolutiert 3. Fall: Gleichrangige systematische Verknüpfung (c) : hier Verortung einer christlichen Wirtschaftsethik; hier Josef Wieland: Gleichheit in der Begründungsautonomie von Ethik und Ökonomik; parallele Diskurs: sozialwissenschaftliche Entscheidungslogik und Begründbarkeit durch Theologie und Philosophie – 120 –

121 3. Schritt: Implementation in die Dilemmastrukturen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Wie müssen wirtschaftsethische Regeln formuliert sein, um implementiert zu werden? Märkte nicht zerstören, da Wettbewerb gut für Konsumenten!!! Moral der Rahmenebene verankern, d.h. Regeln wettbewerbsneutral einführen; keine Moralappelle oder normativistischen Fehlschlüsse und eher mit Anreizen als mit Verboten arbeiten (z.B. CO2-Zertifikate oder CO2-Steuern, Subventionen für ökologische Maßnahmen) Nicht nur handlungs-, sondern gesellschaftstheoretisch vorgehen, also strukturell und systemorientiert: dominante Marktmacht einzelner Unternehmen oder Staaten, ruinösen Wettbewerb, Marktversagen strukturell verhindern (z.B. Branchenvereinbarungen) Interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Kompatibilität herstellen und Folgewirkungen bedenken (z.B. Arbeitskosten nie so erhöhen, dass nur noch automatisiert wird oder Roboter zuletzt menschliche Arbeit unrentabel machen). – 121 –

122 3. Schritt: Implementation in die Dilemmastrukturen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Christliche Ethik fordert mehr als effizienten Mitteleinsatz und Nutzenmaximierung: Menschen als Personen stehen im Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Institutionen, besonders die wirtschaftlich Benachteiligten und die Armen. Dieses humane Ziel des Wohls aller sollte mit gerechten und konsensuell begründbaren Regeln erreicht werden und mit Hilfe moderner Wirtschaft und ihrer Leistungsfähigkeit erreicht werden. Aber: Theologie erschöpft sich meist in Begründungsdiskursen, Umsetzung wird stark vernachlässigt Wichtig: Mangelnde Anwendbarkeit von Normen schlägt auf die Geltung von Moral durch (klass. Fall kirchliche Sexualmoral, aber auch pauschale Wirtschaftskritik) Wichtig: Mangelnde Kommunikation von Normen schlägt auf Akzeptanz von Moral durch (z.B. höchstes Sozialstaatsniveau, höchster Wohlstand in Europa, trotzdem Erfolge von Populisten und rechten Parteien, politische Motivationslücke) – 122 –

123 Quintessenz: Kerninhalte christlicher Wirtschaftsethik
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Wirtschaft als Mittel zur Humanisierung nutzen! Erster Schritt: Christliche Grundoptionen bleiben unser Ausgangspunkt Zweiter Schritt: Öffentliche Rechtfertigung von Normen (Konsensparadigma) Dritter Schritt: Interdisziplinäre Formulierung von Gerechtigkeitsnormen Def.: Christliche Wirtschaftsethik hat die Aufgabe, eine ethische Theorie der Moral wirtschaftlichen Handelns und der Wirtschaftsordnung im Ganzen in Gesellschaften umsetzbar zu begründen. Diese soll zum Schutz menschlicher Personen beitragen und strukturelle Gerechtigkeit für ein gutes Leben aller Betroffenen schaffen sowie insbesondere zur Beteiligung der Armen beitragen. Wir haben das zentrale Ziel „Beteiligungsgerechtigkeit“ genannt. – 123 –

124 Schlusskapitel: Die Einbettung christlicher Wirtschaftsethik in die Katholische Soziallehre
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Unterscheidung: Christliche Sozialethik (Wissenschaft) Katholische Soziallehre (offizielle kirchliche Dokumente) KSL: 3 wichtige ethische Grundsätze Wirtschaft wichtige Funktion für Wohlstand: Gaudium et Spes (Vat. II): offener Dialog, Zeichen der Zeit, Wirtschaft wichtiger autonomer Kultursachbereich, Bedürfnisbefriedigung aller Menschen….; Caritas in Veritate (2009): Markt schafft ausgleichende Gerechtigkeit, aber noch keine Verteilungsgerechtigkeit (35) Bedürftige in den Blick nehmen: Kriterium „für alle“ aus Decretum Gratiani 1140: „Speise den vor Hunger Sterbenden, denn ihn nicht speisen heißt ihn töten.“ Kritik gegenüber Ökonomie und Technik: Evangelii Gaudium (2013): „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen (…) Diese Wirtschaft tötet.“ (53) Laudato si (2015): Ambivalenz moderner Technik und Ökonomik; Humanökologie nötig; Konsumismus überwinden (Kap.6; 211) – 124 –

125 Wesentliche Unterscheidungen und Quellen der KSL
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Drei Ebenen unterscheiden: Die reale Wirtschaft Die Theorie der Marktwirtschaft Die Politik als Ordnungsrahmen für Märkte Enzykliken von wirtschaftsethischer Relevanz: ab Mater et Magistra 1961, Pacem in Terris 1963, Gaudium et Spes 1965, Populorum Progressio 1967, Octogesima Adveniens 1971, De Justitia in Mundo 1971, Laborem Exercens 1981, Solicitudo Rei Socialis 1988, Centesimus Annus 1991,Deus Caritas est 2005, Caritas in Veritate 2009, Laudato si 2015. – 125 –

126 KSL: Kriterien für den Markt
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Klar gegen sozialistische oder kommunistische Planwirtschaft: Weder vorbehalt- lose Befürwortung freier Marktwirtschaft, noch Fundamentalkritik (SRS21) Theorie der Marktwirtschaft ist bislang alternativlos, auch in KSL Markt ist für Kirche ein „berechtigter Raum der Freiheit“, in den der Staat nicht eingreifen soll (CA15, vgl. CiV 35) Aber Märkte sind nicht moralfrei, sie brauchen Ethik (CiV45) Denn Wirtschaft muss den Menschen dienen (PP26) Grund: Wirtschaft ist ein Teilsystem mit begrenzte Leistungsfähigkeit (OA 46), es sind politische Korrekturen an der Verteilung nötig (EG 191, MM68); Chancengleichheit ist erst herzustellen (PP 61) Märkte sind notwendige Bedingungen für Wohlstand, keine Garanten für soziale Gerechtigkeit (CiV 35ff; Kompendium der Soziallehre der Kirche 2/2006, 347) Märkte haben nur Mittelcharakter, der entscheidende Produktionsfaktor ist der Mensch (CA 32) – 126 –

127 KSL: Kriterien für den Rahmen der Wirtschaft
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Politik und Recht müssen an Gemeinwohl ausgerichtet sein (MM65, GS26+74), sie sind die primären Orte der sozialen Korrektur Politik und Recht sollen dem Markt richtige „Grenzen“ setzen, nicht intervenieren (CA 40) (nur bei Marktversagen) Die politische Rahmenordnung ist der Ort der sozialen Korrektur: Wirtschaft erhält Anreize für humane Zwecke, Staat schafft soziale Ausfallbürgschaft und öffentliche Güter (Bildung, Gesundheit….) Politik soll Ordnungspolitik im Sinne eines globalen Solidaritätsprinzips sein (CA 14f), um alle Völker gleichrangig und proportional einzuschließen (CA33, CiV39) Ziel: Internationale Ordnung (GS 88) subsidiärer Art (CiV67) mit koordinierender Weltautorität (CiV 67+LS 175) Beste Wirtschaftsordnung wäre eine „Globale Soziale Marktwirtschaft“ (Reinhard Marx 08,291) und eine ganzheitliche Humanökologie (LS ) mit Blick auf globales Gemeinwohl (LS174, , 169, 174) – 127 –

128 KSL Wohin geht die katholische Soziallehre mit Papst Franziskus?
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Franziskus will radikale Armutsorientierung von Gesellschaft und Wirtschaft: Soziallehre armutsorientiert: „Option … für die Armen“ (SRS 42, CA 28) Papst Franziskus fokussiert Wirtschaftsethik radikal auf die Inklusion der Armen hin (auch Unterdrückte, an den Rand gedrängte; EG , Laudato si) Neu: Papst dreht die Beweispflicht um: Das Wirtschaftssystem erhält nur Legitimität, wenn es armutsreduzierend und egalisierend wirkt Arme werden zum Prüfstein für die Gerechtigkeit der Wirtschaft, sind „Subjekte und Ziel“ der Wirtschaft (EG 203) + Vorbild (198) Systemwandel: „Vorrang des Lebens“ vor der Aneignung von Gütern, den Armen soll zurückgegeben werden, was ihnen zusteht (EG 188f) Forderung: „Wachstum in Gerechtigkeit“ (EG 204) + „Wohlstand aller“ (EG 206) Prophetische Sozialkritik im Sinne radikaler Systemkorrekturen – 128 –

129 KSL: Wohin geht die katholische Soziallehre mit Papst Franziskus?
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Franziskus verknüpft Ökonomie + Ökologie durch Prinzip der Nachhaltigkeit: Wirtschaft darf nicht isoliert, sondern muss im Rahmen einer ganzheitlichen Schöpfungsordnung verstanden werden (LS 67) D.h. Integration der ökologischen Kosten wirtschaftlicher Produktion (externe Effekte) (LS 195 z.B. durch Zertifikate oder CO2 Steuern). Unser Konsumverhalten und unser westlicher Lebenswandel müssen Kriterien globaler Verträglichkeit entsprechen und damit verallgemeinerbar werden (Nichtschädigungsprinzip) Reflexion des Wirtschaftswachstums, nur nachhaltiges Wachstum ist gerecht Komplettumbau der gesamten Weltwirtschaft Fortschritt soll neu definiert werden: Neuer ökologischer Lebensstil, nachhaltige Produktion und Technik, ökologische Umkehr als Versöhnung mit der Schöpfung Solidarische Humanökologie muss zum integralen Bestandteil einer Sozialen und ökologischen globalen Wirtschaft werden – 129 –

130 KSL: Schlussfolgerungen für katholische Wirtschaftsethik
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Humanökonomie und Humanökologie notwendig Vernetzung aller Subsysteme für menschliche Entwicklung nötig Ethische Rechtsansprüche für alle ad personam und in jeweiligem Kontext mit Hilfe adäquater Rahmenbedingungen (Grundgüter) Kriterien der Befähigung und Beteiligung aller: Grundrecht des sittlichen Freiheitsvollzugs (Hübental) Ende der Armut und Unterdrückung als ethische Aufgabe! Solidaritätspflicht universal, auf alle ausgedehnt (DCe30), nie nur national möglich Generelles Ziel: Wirtschaft muss inklusiv, partizipativ, nachhaltig und entwicklungsfördernd werden! Hintergrund: Theologische Einbettung jeglichen Wirtschaftslebens in Schöpfungstheologie und Christliche Soziallehre – 130 –

131 Schlussresümee 6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Christliche Wirtschaftsethik hat eine umfassende Deutung von Wirtschaft aus dem Glauben heraus, dass Gott die Welt als humane will. Deshalb ist unsere Wirtschaftsethik eine theologisch vernetzte, die christliche Grundoptionen als Grundlage der Wirtschaftsethik verwendet (soziale Gerechtigkeit, Option für die Armen, soziale Fürsorge, ect.) Diese theologische Argumentation ist nicht direkt handlungswirksam und in pluraler Welt nicht ohne weiteres akzeptanzfähig. Erst die konsensfähige Begründung von Normen und deren Implementierbarkeit garantieren der christlichen Wirtschaftsethik Gehör zu finden und wirtschafts- ethische Probleme zu lösen. Wunsch an Studierende: Beteiligen Sie sich mit wirtschaftsethischer Kompetenz am gesellschaftlichen Diskurs und versuchen Sie Gesellschaft konstruktiv mit zu gestalten! – 131 –

132 KSL: Der Theologische Hintergrund
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Eine christliche Wirtschaftsethik unterscheidet sich vor dem Hintergrund der Katholischen Soziallehre – 132 –

133 Schlussfolgerungen für die Christliche Wirtschaftsethik
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik Marktwirtschaft ein Mittel zur Humanisierung, dadurch, dass sie durch Arbeitsteilung und Produktivität Wohlstand schafft. Aber armutsvermeidende und ökologische Gerechtigkeitskriterien nötig, um den Markt zu humanisieren (Humanökonomie, -ökologie) Rechtsansprüche auf Grundgüter (Nahrung, Wasser, Behausung…) Subsistenzrechte reichen nicht aus; Grundrecht des sittlichen Freiheitsvollzuges für alle nötig (kulturell, sozial, politisch…) Kriterien der Befähigung und Beteiligung aller Menschen als Voraussetzung ihrer Entwicklung (SRS 32,1) Globaler Ausgleich durch Bevorzugung der untersten Milliarde (2 Kor 8,13) Ein Ende der Armut ist möglich durch eine sozialen globale Wirtschaft – 133 –

134 Systemkorrektur auch nach Franziskus erforderlich
6. Kapitel: Der Ansatz einer christlichen Wirtschaftsethik dass in „dieser Wirtschaft“ umgehend so verteilt wird, dass niemand mehr eines vermeidbaren frühzeitigen Todes stirbt dass „diese Wirtschaft“ armutsfokussiert gesteuert wird, damit niemand mehr exkludiert wird dass „diese Wirtschaft“ als Mittel zur Humanisierung der Menschheit genutzt wird und nicht zu ihrer Unterdrückung dass „diese Wirtschaft“ ökologischer Nachhaltigkeit nicht widerspricht, sondern sie befördert Schlussfolgerung Marktwirtschaft ist per se nicht verwerflich, sollte aber so gestaltet werden, dass sie der theologischen Bestimmung der Menschenfamilie zur Liebe untereinander (GS2, 74-75) nicht widerspricht – 134 –


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