Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Siegfried Bernfeld 1892 - 1953 Hanspeter Hongler Jan. 2010.

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 Präsentation transkript:

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Siegfried Bernfeld 1892 - 1953 Hanspeter Hongler Jan. 2010

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Lebensdaten - Geboren 1892 in Lemberg, Galizien - Aufgewachsen und Studium in Wien - Engagement in der liberalen jüdischen Jugendbewegung - Beeinflusst von Reformpädagogik (G. Wyneken), ostjüdischen päd. Strömungen und sozialistischem Gedankengut - 1921: KinderheimBaumgarten: Idee der Gemeinschaftserziehung (Verbindung von Reformpädagogik und Psychoanalytischem Denken) - Grosser Einfluss auf Kibbuz-Erziehung (avant la lettre) - ab 1922 praktizierender Psychoanalytiker - 1923: Dissertation „Der Begriff der Jugend“ - 1937 Emigration in die USA (San Francisco) Freud: “der vielleicht stärkste Kopf unter meinen Schülern und Anhängern“ 2 Hanspeter Hongler Jan. 2010 2

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Hanspeter Hongler Jan. 2010 3

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Wichtige Schriften: Kinderheim Baumgarten – Bericht über einen ernsthaften Versuch mit neuer Erziehung (1921) - Über eine typische Form der männlichen Pubertät (1923) - Psychologie des Säuglings (1925) - Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung (1925) - Der soziale Ort und seine Bedeutung für Neurose, Verwahrlosung und Pädagogik (1929) 4 Hanspeter Hongler Jan. 2010 4

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit 5 Hanspeter Hongler Jan. 2010 5

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Was ist Erziehung? „Die Erziehung ist (…) die Summe der Reaktionen einer Gesellschaft auf die Entwicklungstatsache“ (Sisyphos, S. 51) Wer ist der Erzieher? Der Erzieher „ist gar kein Er, kein Ich, sondern ein denkendes, handelndes Ich, dem eine ichfremde Gewalt: das Triebwünschen seines Verdrängten, hemmend und treibend gegenübersteht. So steht der Erzieher vor zwei Kindern: dem zu erziehenden vor ihm und dem verdrängten in ihm. Er kann gar nicht anders, als jenes zu behandeln wie er dieses erlebte. Denn was jenem recht, wäre diesem billig. Und er wiederholt den Untergang des eigenen Ödipuskomplexes am fremden Kind, an sich selbst.“ (Sisyphos, S. 141) 6 Hanspeter Hongler Jan. 2010 6

Zur Haltung des Pädagogen / der Pädagogin Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Zur Haltung des Pädagogen / der Pädagogin „Wenn ich nun schildern soll, wie wir diese sehr wesentliche Veränderung, diesen sehr wesentlichen Fortschritt in der Entwicklung unserer Schüler erzielten (im Kinderheim Baumgarten) (…) so ist eine sehr beträchtliche Schwierigkeit zu überwinden, denn wir haben im Grunde nur sehr wenig ‚getan‘. Dies macht den Vertreter der neuen Erziehung so wehrlos gegenüber den andern, dass es nicht so sehr die einzelnen Massnahmen sind, die ich n unterscheiden, als vielmehr seine ganze Gesinnung und Einstellung. Er ‚tut‘ überhaupt viel weniger, viel später, viel unauffälliger als der andere. Das aber aus einem ehrlichen Gefühl und nicht als pädagogischen Trick, weil er nicht die satte Selbstgewissheit und Selbstsicherheit, weil er nicht die ichverliebte Überschätzung seiner eigenen Person und ihrer Handlungen – weder im Guten noch im Bösen – besitzt, weil ihn vor allem die primäre Affektstellung gegenüber der Kindheit und der Jugend unterscheidet.“ (Bernfeld 1921, S. 119) 7 Hanspeter Hongler Jan. 2010 7

Zur Haltung des Pädagogen / der Pädagogin Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Zur Haltung des Pädagogen / der Pädagogin Die Kompromissgesinnung ist nicht zu verwechseln mit anti-autoritärer Erziehung: „Kameradschaftlichkeit darf nicht heissen, sich auf das Niveau der Kinder zu begeben, denn in diesem Fall wird der Erwachsene läppisch; und heisst nicht, den Kindern gefallen wollen, denn in diesem Fall wird er heuchlerisch und richtungslos.“ (Bernfeld 1921, S. 40) „Die Antinomie zwischen dem berechtigten Willen des Kindes und dem berechtigten Willen des Lehrers löst keine Pädagogik auf, vielmehr besteht sie in dieser Antinomie. Aber es ist ein wesentlicher Unterschied, ob das resultat ein psychologischer Kompromiss ist, in dem Teile von beiden Gegensätzlichkeiten eine innige und vom Kinde zuletzt freiwillig bejahte Durchdringung eingehen, oder ob es die Vergewaltigung des kindlichen Willens und die Durchsetzung des von ihm abgelehnten erwachsenen Willens ist.“ (a.a.O. S. 52) 8 Hanspeter Hongler Jan. 2010 8

Zur Funktion der Psychoanalyse für die Pädagogik Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Zur Funktion der Psychoanalyse für die Pädagogik PSA ermöglicht eine „wertfreie“ Wahrnehmung pädagogischer Tat- bestände PSA ermöglicht zunächst zu sehen, was in diesem besonderen Fall ist. „Drei brave Kinder nebeneinander auf der einen Seite und drei schlimme, störrische, rebellische auf der andern Seite sind nicht zwei Gruppen, sondern sind möglicherweise sechs verschiedene Gruppen; denn aus sehr verschiedenen Anfängen kann sich das im Augenblick gleichartige oder fast gleichartige Bild des braven oder des störrischen Kindes entwickeln.“ (Bernfeld, zit. nach Müller, S. 45) PSA bringt der Pädagogik die richtige Art bei, ‚pessimistisch‘ zu sein „Die Psychoanalyse lehrt uns Respekt vor der Tatsache der Entwicklung des Kindes. (…) Wir verlieren nie das Gefühl, dass hier Naturgewalten wirken, in die wir zwar immer wieder einzugreifen lernen -; aber, wie das eben zwischen Mensch und Natur so zu sein pflegt: Die Mächtigeren bleiben die Naturgewalten!“ (Bernfeld, zit. nach Müller, S.46) Psychoanalyse gibt “festen Baugrund“ für die Pädagogik Psychoanalyse ist als „Baumaterial“ der Pädagogik aber ungeeignet 9 Hanspeter Hongler Jan. 2010 9

Modul 63: Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit Literatur: Bernfeld, S. (1967, Orig. 1925). Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Frankfurt: Suhrkamp Bernfeld, S. (1974). Bernfeld, S. (1974, Orig. 1921). Kinderheim Baumgarten – Bericht über einen ernsthaften Versuch mit neuer Erziehung. In: Siegfried Bernfeld: Antiautoritäre Erziehung und Psychoanalyse. Bd. I. Frankfurt: Ullstein. S. 94-215 Fallend, K., Reichmayr, I. (Hrsg.).(1992). Siegfried Bernfeld oder die Grenzen der Psycho- analyse. Materialien zu Leben und Werk. Basel/Frankfurt. Müller, B. (1995). Siegfried Bernfeld. In: R. Fatke, H. Scarbath (Hrsg.). Pioniere Psycho- analytischer Pädagogik. Frankfurt a.M.: Peter Lang. S. 37-53 10 Hanspeter Hongler Jan. 2010 10