„(…) die Übertragung hat eingesetzt!“

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 Präsentation transkript:

„(…) die Übertragung hat eingesetzt!“ August Aichhorn (1878 – 1949) „(…) die Übertragung hat eingesetzt!“ Seminar (HS11/12): Psychoanalytische Pädagogik und Fallverstehen in der Sozialen Arbeit

Punkt

Stationen seines Schaffens Geboren am 27. Juli 1878 in Wien Ausbildung zum Staatslehrer in Wien 1898-1908: Stelle in einer öffentlichen Wiener Volksschule 1899-1906: Matura, Studium Maschinenbau (abgebrochen) 1907: entstanden «militärisch organisierte Knabenhorte», setzte sich dagegen mit anderen Lehrern zur Wehr 1908: Zentralleitung über alle Knabenhorte, konnte Erziehungswesen auf militärischer Grundlage abwehren 1918-1923: «Experiment» Oberhollabrunn (Anstalt für verwahrloste Knaben in einem ehemaligen Flüchtlingslager) 1923-1930: Erziehungsberatung in Wien, Leiter von 14 Bezirksjugendämtern Später: Vorträge, Mitherausgeber der „Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik“, Ausbildung von Ärzten und Psychologen

Aichhorns erzieherische Prinzipien (1) Prämisse: «Verwahrlosung ist nicht an der sozialen Schädlichkeit zu bemessen, sondern als eine sinnvolle Reaktion des Subjektes auf Versagung besonders in der frühen Kindheit zu begreifen.» (Wegner 1995, S. 24) Erzieherische Prinzipien der Milde und Güte (vs. Bestrafung / Disziplinierung): Begründung durch Verweis auf ein Zuwenig an Zärtlichkeit, Liebe, Aufmerksamkeit in der Kindheit. Subjektperspektive: Seine Perspektive auf die Verwahrlosten war radikal subjektiv. Der Verwahrloste hatte immer recht. Aichhorns Anliegen war, ihn in seinen familialen und lebensweltlichen Verstrickungen zu verstehen (vgl. Wegner 1995, S. 22) Alles verstehen heisst nicht, alles verzeihen! Hat das richtige Verhältnis zu seiner Umgebung (noch) nicht gefunden

Aichhorns erzieherische Prinzipien (2) Subjektbezogenheit: «Ich will nun dieses Kind oder diesen Jugendlichen für mich haben. Dabei ist mir völlig gleichgültig, was die soziale Gemeinschaft dazu sagt. Mein primäres Ziel ist nicht, ihn in die soziale Gemeinschaft zu führen, sondern mir soll er gehören und nicht der ‘Verwahrlosung’. Ich bekämpfe nicht ihn, sondern er ist der Preis, der mir zufällt, wenn ich siege.» (a.a.O., S. 23) Eingliederung in die Gesellschaft als «Nebenprodukt» «Duellmentalität»: Aichhorn tritt dem Verwahrlosten nicht als Vertreter einer sozialen Institution entgegen, sondern als Mensch. Milieu: Möglichkeit zu vielfältigen Lebensäusserungen, Eröffnung und Erprobung neuer Handlungsspielräume (Oberhollabrunn)

Die Übertragung bei Aichhorn Herstellung einer positiven Gefühlsbeziehung (positive Übertragung) zwischen Jugendlichem/Kind und ErzieherIn die positive Übertragung schafft erst die Voraussetzung für die eigentliche erzieherische Arbeit die negative Übertragung und die Arbeit am Widerstand sollte seiner Auffassung nach der psychoanalytischen Therapie vorbehalten bleiben. Herstellung der Übertragung in der Erziehungsberatung: In der Regel: an Interessen der Kinder/Jugendlichen anknüpfen

Zum Verhältnis von Psychoanalyse und Pädagogik (1) «Der Verfasser (A. Aichhorn) hatte in amtlicher Stellung als Leiter städtischer Fürsorgeanstalten lange Jahre gewirkt, ehe er mit der Psychoanalyse bekannt wurde. Sein Verhalten den Pflegebefohlenen entsprang aus der Quelle einer warmen Anteilnahme an dem Schicksal dieser Unglücklichen und wurde durch eine intuitive Einfühlung in deren seelische Bedürfnisse richtig geleitet. Die Psychoanalyse konnte ihn praktisch wenig Neues lehren, aber sie brachte ihm die klare theoretische Einsicht in die Berechtigung seines Handelns und setzte ihn in den Stand, es vor anderen zu begründen.» (S. Freud, aus dem Geleitwort zur ersten Auflage «Verwahrloste Jugend», 1925).

Zum Verhältnis von Psychoanalyse und Pädagogik (2) «Erfolge aus einer Begabung sind Zufallstreffer, wichtig für den Einzelnen, aber völlig wertlos für den Ausbau einer Methode. Nur wenn es mir gelingt, theoretische Einsicht in die Berechtigung meines Handelns zu erlangen und wenn es mir möglich ist, es vor anderen zu begründen, kann ich hoffen, den Anfangsweg zu dieser Methode aufzufinden, von der ich nicht wusste, wie sie aussehen wird. Daher suchte ich weiter und kam in meinem Suchen zur Psychoanalyse. (…) Die dynamische Betrachtungsweise der Psychoanalyse, die Einblick gibt in das psychische Kräftespiel und in die Wirkung unbewusster seelischer Vorgänge auf bewusste, zog mich sofort an.» (aus: Wegner 1995, S. 19f.)

Exemplarisch: Aichhorns Umgang mit aggressiven Jugendlichen «Ich betone, dass es durchwegs Kinder mit ärgsten Aggressionen, also schwierigste Fälle waren. Es kam oft ganz unvermittelt zu unglaublichen Skandalszenen. Nicht selten sah man sie mit Tischmessern aufeinander losgehen, sich die Suppenteller gegenseitig an den Kopf schleudern.» «(…) soweit nur immer möglich, gewähren zu lassen. Erzieherinnen und Erzieher hatten sich zu bemühen, durch noch so arge Streitigkeiten nicht aus der Fassung zu kommen. Bei Streit- und Rauf- und Wutszenen war nur zu trachten, Unglück zu verhüten, dabei aber jede Parteinahme für einen der streitenden Teile zu unterlassen.» «Mir war die Scheinaggression und daher die Ungefährlichkeit sehr deutlich. Weil ich so gar nicht aus der Fassung und in Aufregung kam … und eine tüchtige Ohrfeige versetzte, schleuderte der Messerheld dieses mit Wucht von sich» und brach weinend zusammen. «Die zwölf Aggressiven waren zu einer homogenen Masse zusammengeschweisst, die nicht mehr grössere Schwierigkeiten machte als jede andere Gruppe.»

Aichhorns Werke Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung (1925) Die narzisstische Übertragung des jugendlichen Hochstaplers (1937) Der verwahrloste, neurotische Jugendliche (1938) Erziehungsberatung und Erziehungshilfe (1938) Psychoanalyse und Erziehungsberatung (1938)

Literatur Aichhorn, A.: Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung. Bern 2005. Wegner, T.: August Aichhorn (1978-1949). In: Fatke, R./Scarbath, H. (Hrsg.): Pioniere Psychoanalytischer Pädagogik. Frankfurt a.M. 1995, S. 17-30.