Die Akteur-Netzwerk-Theorie am Beispiel der Lebenskunstphilosophie

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 Präsentation transkript:

Die Akteur-Netzwerk-Theorie am Beispiel der Lebenskunstphilosophie Bruno Latour Wilhelm Schmid

Ausgangsbasis: Lebenskunstphilosophie als soziologische Praxis „Lebenskunst meint dabei die bewusste Gestaltung des Lebens und des Selbst, um daraus ein Kunstwerk zu machen. Das Leben erscheint dabei als Material, die Kunst als Gestaltungsprozess, die Philosophie als geistige Hilfestellung, nicht als Therapie.“ (Wilhelm Schmid). Zentrale Fragen: Wie kann eine Lebenskunstphilosophie generiert werden? Welche Akteure generieren das Konstrukt „Lebenskunstphilosophie“? Wie realisiert /integriert das Individuum (s)eine Lebenskunstphilosophie? Wie kann die Soziologie diese Prozesse beobachten? Was macht die Lebenskunstphilosophie zu einer soziologischen Praxis? Methode der Analyse Versuch einer definitorischen Rahmung des Begriffs LKP Verortung der LKP in der Gesellschaft Fokussierung auf Orte, an denen Aspekte einer LKP hergestellt werden

Religion und Spiritualität Konkrete Analyseschritte: M. Foucault W. Schmid Individuali-sierung Psychologie Philosophie Reflexive Moderne Religion und Spiritualität Technik und Konsum Ökologische Moderne Definition der LKP Gesellschaft der LKP Praxen der LKP Problem: Bei allen Praxen der LKP zeigt sich, dass diese immer nur einzelne Teilbereiche einer LKP darstellen (inhaltliche Ebene) die (sozio-)theoretischen Konzepte an Grenzbereiche und Grauzonen führen, da die Praxis sowohl ein hoch individueller als auch ein multi-vernetzter Bereich ist

Fazit 1: Zwar kann die Soziologie eine Kalibrierung zur Erklärung der LKP liefern, alle Konzepte scheitern aber an der In-Fragestellung tradierter Kategorien (wie bspw. psychologisches Leiden, Religion, Konsum, Technik) durch das individuelle und flexible kunstwerken des Individuums und durch das für den soziologischen Blick notwendige Abstrahieren des Sozialen als Ankerpunkt der Beobachtung. Dies bewirkt, dass der Prozess des individuellen Lebenskunstphilosophierens nur abstrahiert und an fixen Konstruktionen erklärt werden kann, die Spezifität und Flexibilität der LKP werden aber nur bedingt erfasst . Fazit 2: Die LKP kann als Sinnhorizont hinter dem individualisierten Subjekt verstanden werden. In dieser Funktion wird das Scheitern tradierter Kategorien immanent, da das Individuum diese subjektiv transzendiert und kategorisiert. LKP integriert somit die Kennzeichen einer reflexiven Moderne (bspw. Enttraditionalisierung) und provoziert die Notwendigkeit praxeologischer Perspektiven. „Die Essenz, die Wesenheit ist etwas Perspektivistisches und setzt eine Vielheit schon voraus“ (Deleuze, 1976, S.85).

Von Sozial 1 zu Sozial 2 – Das Anliegen der Akteur-Netzwerk-Theorie: „Nun haben wir uns selbst alle zu Narren erzogen. Sozialwissenschaftler lernen es auf der Schulbank ihrer Disziplinen und machen sich über den Pöbel lustig, der naiverweise an den Mond glaubt. Wenn die Akteure von der Jungfrau Maria sprechen, von Gottheiten, Saligrams, UFOs, schwarzen Löchern, Viren, Genen, Sexualität und so fort, wissen wir, dass wir nicht auf die so bezeichneten Dinge schauen sollen – wer wäre heute noch so naiv? - ,sondern statt dessen auf den Finger, und von dort folgen wir dem Arm die Nervenfasern entlang zum Geist des Glaubenden, und von dort weiter das Rückenmark entlang zu den Gesellschaftsstrukturen, kulturellen Systemen, diskursiven Formationen oder evolutionären Grundlagen, die solche Glaubensvorstellungen möglich machen. Die antifetische Verzerrung ist so stark, dass es unmöglich scheint, etwas gegen sie einzuwenden, ohne empörte Aufschreie auszulösen: Realismus! Religiosität! Spiritismus! Reaktion!“ (Latour, 2000, S.352). Annahme 1: Latour kritisiert die Abstraktion der Dinge in den Sozialwissen-schaften und die Vernachlässigung der „irrationalen“ Wesenheiten menschlichen Handelns.

Von Sozial 1 zu Sozial 2 – Das Anliegen der Akteur-Netzwerk-Theorie: „Sind wir es nicht müde, für immer in der Sprache eingeschlossen zu sein oder gefangen in den sozialen Repräsentationen, wie uns so viele Sozialwissenschaftler gerne sähen? Wir wollen Zugang zu den Dingen selbst, nicht nur zu ihren Phänomenen. (…) Die Kollektive, in denen wir leben, sind aktiver, produktiver, sozialisierter, als die langweiligen Dinge an sich es uns erwarten ließen. Sind wir nicht dieser Soziologien müde, die ausschließlich auf dem Sozialen aufbauen, das anscheinend allein durch die Wiederholung der Worte ‚Macht’ und ‚Legitimität’ getragen wird, weil die Soziologen weder Inhalten der Objekte noch mit der Welt der Sprachen zurechtkommen, welche gleichwohl die Gesellschaft konstruieren? Unsere Kollektive sind wirklicher, naturalisierter, diskursiver, als die langweiligen Menschen unter sich es uns erwarten ließen. Sind wir nicht der Sprachspiele und die ewige skeptische Dekonstruktion der Bedeutung leid?“ (Latour, 1995, S.121f). Annahme 2: Latour betont die Kollektivität des Lebens und der Akteure. Dabei betont er die Notwendigkeit, sich von abstrakten Begriffen zu lösen und die Natur der Dinge ernst zu nehmen.

Von Sozial 1 zu Sozial 2 – Das Anliegen der Akteur-Netzwerk-Theorie: Analytische Basis: „Die ANT geht nun nicht mehr von der These aus, dass alles sozial konstruiert sei, sondern das Soziale wird ebenso wie Technik und Natur als erklärungsbedürftig betrachtet“ (Moebius, 2005). „Damit werden aus reinen sozialen Tatsachen, die sich nur sozial erklären lassen, heterogene und individuelle kosmo-politische Ereignisse der Verknüpfung menschlicher und nicht-menschlicher, sozialer und nicht-sozialer Einheiten“ (Schillmeier/Pohler, 2006, S.339). „In vielerlei Hinsicht ist die ANT einfach ein Versuch, den Mitgliedern der zeitgenössischen Gesellhaft ebensoviel Spielraum zu lassen, sich selbst zu definieren, wie ihn die Ethnographen gewähren“ (Latour, S.74). Ziel der ANT: Soziologie der Verbindungen und Übersetzungen „Netzwerk ist ein Konzept, kein Ding da draußen. Es ist ein Werkzeug, mit dessen Hilfe etwas schrieben werden kann, nicht das Beschriebene“ (Latour, S.228). „Als Akteure bezeichnet er alle Einheiten, die modifizierend in die Welt eingreifen, letztlich alle Entitäten, denen eine Wirkmächtigkeit zugeschrieben wird“ (Kneer, S. 277).

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Lebenskunstphilosophie als soziologische Praxis: LKP als Praxis Gesellschaft als Einbettung Praxen der Lebenskunst Individueller Lebensentwurf Soziologie, Psychologie, Medizin, Religion, Biologie, Politik, Wirtschaft… Der Kurs LKP als soziologische Praxis ist eine mögliche Form der Netzwerkbeschreibung der vielfältigen Kollektive, in dem das Soziologische der LKP zum Sprechen gebracht wurde anhand der Möglichkeiten des Sozialen 1. Somit fungiert der gesamte Kurs als Teil des „Soziale 2“ der LKP wie es Latour beschreibt. Jede Abstraktion, Beschreibung, Entität, Meinung etc. produziert die LKP als Versammlungsort des Sozialen, da sich darin diese multiplen Akteure verbinden und spezifisch für die LKP übersetzt werden.