Internetbeschaffung von legalen und illegalen Substanzen

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 Präsentation transkript:

Internetbeschaffung von legalen und illegalen Substanzen Probleme, Präventions- und Interventionsmöglichkeiten Dr. Michael Schaub, Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung Zürich

Inhalt Entwicklungen in der CH Aktuelle Zahlen aus der CH Internationale Studien Was für Probleme entstehen? Was wird dagegen unternommen? Zukünftige Präventions- und Interventionsmöglichkeiten Diskussion

Entwicklungen in der Schweiz… Interpellation, Medikamentenhandel auf Internet, Nationalrat S. Jean-Charles (9.12.1996) Antworten Bund: Schaffung von Grenzkontrollen, Anpassung Bundesgesetz mit Expertenkommission zur Kontrolle von Medikamenten am Zoll (bisher nur Btm., immunbiologischen Erzeugnisse, Blutprodukte) Ab 1.1.2002: Swissmedic für Arzneimittelkontrolle zuständig aufgrund des neuen Heilmittelgesetzes GPK-Bericht zum Heilmittelinstitut Swissmedic (August 2004): „Nach chaotischem Start auf dem Weg zum Ziel“ Ab Frühling 2004 erste Medienmitteilungen in der Presse von Swissmedic

Erste Medienmitteilungen I Swissinfo Beispiel 2003: „Anfang 2003 konfiszierten Schweizer Zollbeamte eine Sendung mit 220'000 Viagra-Tabletten (Verkaufswert ca. 3.9 Mio. Franken). Die Potenzpillen waren nicht ordnungsgemäss in Faltschachteln, sondern in Blister abgefüllt. Nur diese Tatsache fiel den Zöllnern auf. Sonst wären die Pillen wohl unerkannt eingeführt worden, denn der Empfänger war ein Pharma-Grossist in der Schweiz. “

Erste Medienmitteilungen II Swissinfo 15.03.2004: „Die Schweiz und die USA wollen den Handel mit Betäubungs-, Schlaf- und Aufputschmitteln für Private im Internet verbieten: ein Markt, der sich pro Jahr verdoppelt.“ -> Resolution UNO-Betäubungs-mittel-Kommission „Riskante Bestellungen“ „Pakistan am Pranger“ „Nur rezeptpflichtige Medikamente gefragt“

Erste Medienmitteilungen III Swissinfo 22.07.2004: „… von Swissmedic kontrollierten Import-Produkten … grosse Anzahl mit hochdosierten Vitaminen und Mineralien.“ „Anfang Juni hatte Swissmedic eine Schweizer Internetseite gesperrt, die dem illegalen Handel mit US-Arzneimitteln diente. Mehrere Dutzend Kilogramm der angepriesenen Heilmittel wurden beschlagnahmt.“

Aktuellere Entwicklungen I Swissinfo 15.10.2008: „Kampf der illegalen "Internet-Apotheke" Der Handel mit illegalen Medikamenten im Internet floriert. Das Heilmittelinstitut Swissmedic und die Apotheken haben eine Kampagne gestartet, in der sie vor Gesundheitsrisiken warnen. “

Aktuellere Entwicklungen II Meldungen über den illegalen Handel mit Arzneimitteln 2007 2008 Zuständigkeit von Swissmedic: Illegaler Vertrieb 98 72 Arzneimittelfälschungen 39 44 Beurteilungen von ill. Arzneimitteln 30 52 Meldungen über illegalen Vertrieb 23 41 Kantonale Zuständigkeit: Illegaler Detailhandel 44 64 Kosmetika o.ä. mit Heilanpreisung 36 21 Total Meldungen 270 294 Quelle: Swissmedic

Aktuelle Zahlen und Trends Erstes Halbjahr 2009: Zoll meldet Swissmedic 568 „verdächtigte Sendungen“ Entspricht Zunahme um 92% gegenüber dem ersten Halbjahr 2008 Zunahme von Sendungen aus Asien, v.a. Indien Zunahme bei den Schlankheitsmitteln Aufgrund von Hochrechnungen muss mit jährlich bis zu 50'000 illegalen Arzneimittelimporten gerechnet werden… Quelle: Swissmedic

Herkunftsländer Erstes Halbjahr 2009: Indien 36% Westeuropa 25% Asien (ohne Indien, z.B. China, Thailand) 14% Osteuropa (Slowakei, Kosovo, Bulgarien) 10% Tropische Inselstaaten (Vanuatu, Fidschi, Aruba) 5% Mittel- und Südamerika 4% Quelle: Swissmedic

Kategorien Erstes Halbjahr 2009: Erektionsförderer 24% Schlankheitsmittel 14% Muskelaufbaupräparate 12% Rezeptpflichtige Haarwuchsmittel 8% Schmerzmittel 4% Psychopharmaka 3% Hormonale Verhütungsmittel 3% Weitere: rezeptpflichtige Arzneimittel gegen Bluthochdruck, Infektionen, Schlafstörungen, u.a. Quelle: Swissmedic

Besonders bedenkliches Produkt: die Kapseln mit angeblich chinesischen Kräutern enthalten den rezeptpflichtigen Wirkstoff Sibutramin, die abführende Substanz Phenolphthalein, sowie Blei und Quecksilber im Mehrfachen des zulässigen Grenzwerts. Quelle: SwissMedic

Zahlen zu Illegalen Substanzen, welche unter das BtmG fallen würden Zahlen zu Illegalen Substanzen, welche unter das BtmG fallen würden? Zahlen zu Substanzen mit hohem Abhängigkeitspotenzial? Zahlen zu Substanzen mit hohen gesundheitlichen Risiken?

Monitoring Stadt Zürich Party-Szene: Ecstasy schlecht erhältlich -> vermehrt Zugriff auf „Ersatzstoffe“ über das Internet Vermutete Gründe: Einfache Verfügbarkeit; vermeintliche Risikominimierung; Medikamentenmissbrauch fällt unter das Arzneimittelgesetz (nicht BtmG) GHB/GBL: meist übers Internet gekauft (in Liter), leicht zunehmend in der Homosexuellenszene, sonst eher Randphänomen (im Vergleich zum Kokainkonsum) Schnoz et al. Endbericht Monitoring Substanzkonsum in der Stadt Zürich 2009 für das Berichtsjahr 2008.

Internationale Studien I United Nations International Narcotics Control Board (2005) Zunehmende Zahl von illegalen Apotheken bieten eine virtuelle Plattform für den Handel verbotener Substanzen an jährlich weltweit mehrere Milliarden von Einzeldosen überwachter Substanzen über das Internet ohne entsprechendes Rezept illegal gehandelte Substanzen: hauptsächlich morphinhaltige Schmerzmittel, Potenzmittel, Stimulanzien und Benzodiazepine aber auch Fentanyl und Secobarbital wurden angeboten! Report for the INCB for 2004. New York. Internetrecherche zur Verschreibung von Opiaten Suchbegriffe „Codeine“, „Vicodin“, „OxyContin“, etc. Ergebnis: Mehr als 300 Webseiten wurden identifiziert, welche solche Substanzen rezeptfrei anboten. Forman et al. 2006. Am J Psychiatry 163: 1233-8.

Internationale Studien II Kontra Internet Boom: Schriftliche Befragung bei „prescription opioid analgesic abusers“: Dealer, Freunde, Verwandte und ärztliche Verschreibungen wurden als Quelle für Drogen mit gleich hoher Häufigkeit (50-65%) genannt. Stehlen und Dealen mit 20% Internet mit weniger als 6% Zweiter Teil: Kaufversuche durch die Studienautoren: Stufe II und III Opiate waren nicht – erfolgreich – zu kaufen, hingegen war Tramadol sehr einfach käuflich. Cicero et al. Pain Med. 2008; 9(6): 718-23.

Internationale Studien III Internetrecherche zum rezeptfreien Zugang zu Stimulanzien: Drug Term Schedule Primary Indication Mean Portal Sites (p.mths.) Phendimetrazine III obesity 58.5 Adderall® II ADHD 50.5 Amphetamine II ADHD 49 Bontril® III obesity 47.5 Didrex® III obesity 46 Ritalin® II ADHD 41 Concerta® II ADHD 31 Schepis et al. 2008. J Adolesc Health. 2008; 42:458-65.

Internationale Studien IV Internetrecherche zu Salvia Divinorum: - 42 Portalseiten und 18 Verkaufsseiten identifiziert 78% der gefundenen Seiten sind „pro use“ 2% geben Behandlungsinformationen an bei auftauchenden Problemen oder Warnhinweise an. Beispiele für Verharmlosungen: “no one has experienced a fatal or injurious over dose of salvia”; “pure extracts are much less damaging to your health”; “salvia is…not addictive”; and “one needn't worry about becoming addicted.” Pro use Beispiele “this is an extraordinary visionary herb”; “it will put you in touch with another world”; and “it gives a sensual enhancement…and is personally rewarding.” Hoover et al. 2008. J Subst Abuse Treat 35(1): 22-7.

Internationale Studien V Benutzung von eHealth Tools zur Medikamenten-bestellung, Beratung, etc. (Studie aus Maryland, USA): „Risikofaktoren“: schnelle Internetverbindung, Internet am Arbeitsplatz, generell hohe Internetzeiten, eher ältere Leute (35-49, 50-64, 65-74). „Protektoren“: Hochschulabschluss, Collegeabschluss Atkinson et al. J Med Internet Res. 2009;11(1).

Internationale Studien VI In den USA wurden im Jahr 2006 die Anzahl Personen mit gegenwärtigem nicht verordnetem Konsum von schmerzlindernden Substanzen und Psychopharmaka auf 2.8% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Dazu gehörten vor allem: Schmerzmittel - 5.2 Millionen Beruhigungsmittel - 1.8 Millionen Stimulanzien - 1.2 Millionen Sedativa - 0.4 Millionen Meistgenannte Substanzen, welche Missbraucht wurden: Opiate wie OxyContin and Vicodin; Valium and Xanax; Ritalin and Adderall. Quelle: NIDA report, März 2008

Was für Probleme bestehen? Herausforderung World Wide Web: Suchmaschinen (z.B. aus der Schweiz) sperren keine legalen/illegalen Medikamentenseiten; besteht trotzdem eine Sprachschwelle? Internationale Zusammenarbeit von Organisationen/Ländern zur Überwachung/Bekämpfung hat erst begonnen Betrugsanbieter: Sendung kommt nie an… Angegebenes Herkunftsland stimmt oft nicht…

Was für Probleme bestehen? Ausgehende Gefahren von bestellbaren Medikamenten: Verunreinigte, gefälschte Medikamente Medikamente mit unbekannten Stoffen zu hohen vs. zu niedrigen Wirkstoffkonzentrationen hohen Nebenwirkungsprofilen, etc. z.T. stark Abhängigkeitserzeugende Medikamente Illegale Medikamente (BtmG).

Was für Probleme bestehen? Was ist mit… Künstlich hergestellten Halluzinogene wie DMT, etc. gänzlich neuen (?) Substanzen Bei am Menschen noch gänzlich unerforschten Substanzen? Z.B. diverse Cannabinoide, etc.

Was wird dagegen unternommen? Bisherige Massnahmen: Zollkontrollen, vereinzelt Sperrung von Schweizer Webseiten, Bussen und Verfahren bei Privatpersonen, Beschlagnahmungen von Ware, etc. ABER: Was ist mit den ca. 49‘500 Sendungen, die nicht am Zoll auffliegen? Swissmedic gibt für Konsumenten „nur“ Medienmitteilungen, eine Informationsseite und ein Leitfaden heraus Menge eines Monatsbedarfs darf von Privatpersonen für den Eigengebrauch importiert werden (HMG; SR 812.21; AMBV; SR 812.212).

Pilotstudie zur Rückverfolgung der Medikamenten- herkunft mittels sogenannten smart Logs für BtmG Substanzen. Aber: Wo nicht gescannt wird, da wird auch nicht geloggt…

Zukünftige Präventions- und Interventionsmöglichkeiten Vorstudie für gut vernetzte Beratungswebseite geplant: wer bezahlt? Zusammenarbeit mit Suchmaschinenanbietern in der Schweiz? Wo bleibt die Internetüberwachung durch die Justiz (die bei anderen Bereichen der Internetkriminalität schon Anwendung findet)?

Fazit Vieles ist noch in den Kinderschuhen Vieles hätte sich rascher umsetzen lassen können Geschätztes Ausmass der Problematik lässt sich in etwa hoch rechnen Erektionsförderer, Schlankheitsmittel, Muskelaufbau-präparate machen in der Schweiz ca. 50% aus aber gerade bei illegalen Substanzen, solchen mit hohem Abhängigkeitspotential und/oder hohen gesundheitlichen Risiken ist vieles noch unklar Ideen für – bessere – Prävention wären vorhanden…

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: michael.schaub@isgf.uzh.ch