Arzneimittel im Alter Vortrag für Pflegekräfte Herausgeber: ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Apotheker Thomas Uhrhan, MSc März 2010
Inhalte Demographie / Epidemiologie Physiologische Veränderung des alternden Organismus Bedeutung für die Anwendung von Arzneimitteln (Pharmakokinetik / -dynamik) Geriatrische Aspekte bestimmter Therapiestrategien
Der demographische Wandel Bevölkerungsentwicklung Prognose 2030: 34% der Bevölkerung älter als 60 Jahre Altersgruppe 80+ wächst am stärksten Quelle: Renteln-Kruse, 2009
Die gesundheitliche Situation Etwa 80% der über 60-Jährigen leiden an mindestens einer chronischen Krankheit Erkrankung Häufigkeit Arthritis 70% Hypertonie 45% Herzerkrankungen 21% Diabetes 12% Quelle: McLean & LeCouteur 2004
Die gesundheitliche Situation Alterstypische Erkrankungen Demenz M. Parkinson Osteoporose Herz-Kreislauf-Erkrankungen Foto: Pixelio.de
Die gesundheitliche Situation Geriatrische Syndrome Verwirrtheitszustände Depressive Verstimmung Stürze Orthostasestörung Obstipation Inkontinenz Foto: Pixelio.de
Der Arzneimittelgebrauch GEK Arzneimittelreport 2006
Definitionen des Alterns Altern: (engl.) aging; degenerativer biolog. Prozess, der mit zunehmendem Lebensalter zu psych. und phys. Abnutzungserscheinungen führt, u. meist zw. 50 u. 65. Lj. beginnt (Eugerie); die Differenz zw. sog. Chronologischem (entspr. Geburtsurkunde) u. biol. Lebensalter (entspr. Körperfunktion u./od. intellektueller Leistung) beeinflussen folgende Faktoren: sozioökonomische Bedingungen (v.a. Beruf, Lebensweise u. Ernährung), genet. Konstitution, emotionaler Umgang mit Problemen (s. Coping), lang dauernde Kontamination mit Schadstoffen (kann zu Akkumulation und funkt. Stoffwechselveränderungen führen), chron. Erkr.; Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage
Theorien über das Altern 1 Spezies Mittlere Lebenserwartung (Jahre) Maus 3-3,5 Hund 10-12 Frosch 10-15 Schwein 20-25 Menschenaffen 20-30 Krokodil 50 Mensch 70-74 Elefant 150-200 Genetische Faktoren Die „Telomer-Theorie“ Nach Estler, 1999 Foto: Pixelio.de
Theorien über das Altern 2 Äußere Faktoren Die „Radikal“-Theorie Regeneration Kalorienzufuhr Fotos: Pixelio.de
Theorien über das Altern 3 Genetische Faktoren Äußere Faktoren „Je älter wir werden, umso unterschiedlicher werden wir auch“ Fotos: Pixelio.de
Physiologische Veränderungen Regenerationsfähigkeit nimmt ab Fortschreitende Degeneration Abnahme funktionstüchtigen Gewebes Apoptose (“Zelle begeht Selbstmord”) Nekrose (Absterben von Gewebe, z.B. Dekubitus) Hypertrophie oder Ersatz durch Fett oder Bindegewebe
Veränderungen auf zellulärer Ebene Veränderung im Gewebe Folgen Elastin ↓ Abnahme der Elastizität von Haut, Blutgefäßen, Lunge Bindegewebs-grundsubstanz ↓ Abnahme der Wasserbindungsfähigkeit des Bindegewebes „Entquellung“ der Linse Verlust an Brechkraft Erhöhte Abnutzbarkeit des Gelenkknorpels Knochenmasse ↓ Osteopenie/Osteporose Muskelmasse ↓ Sarkopenie Nach Estler, 1999
Veränderungen auf Organebene Veränderung des Organgewichts im Alter* Herz + 11% Lunge Gehirn + 5% Nieren - 9% Leber - 20% Muskulatur - 40% * Organgewicht eines über 70-Jährigen im Vergleich zu einem Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 30 Nach Estler, 1999
Pharmakokinetik Aufnahme Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Leber Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung 15
Aufnahme Aufnahme Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung
Aufnahme des Arzneistoffs Bsp. für Arzneistoffe, die im Alter verzögert aufgenommen werden: Baclofen Digoxin Flurazepam Prazepam L-Dopa Prazosin Veränderung im Alter Magenschleimhaut Magensäureproduktion Transport Keine einheitliche Wirkung auf die Arzneimittelwirkung Erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Verteilung Verteilung Aufnahme Abbau Wirkung Abbauprodukte Leber Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung
Veränderte Körperzusammensetzung im Alter Veränderung im Alter Fettgewebe Muskelmasse Gesamtkörperwasser
Wie sich der Arzneistoff im Körper verteilt Fettlösliche Stoffe Wasserlösliche Stoffe Bsp.: Psychopharmaka Sedativa/Hypnotika Antidepressiva Antipsychotika Amoxicillin Furosemid Können länger wirken Bsp.: Enalapril Phenazon Lorazepam Thyroxin Können stärker wirken Cave: Austrocknung
Abbau Abbau Aufnahme Verteilung Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung Leber Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung
Abbau in der Leber Die Leber Veränderungen im Alter Anzahl der Leberzellen Lebergewicht Pathologische Veränderungen
Ausscheidung Ausscheidung Aufnahme Verteilung Abbau Wirkung Leber Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung
Ausscheidung von Arzneistoffen Über die Lunge Über die Niere Über den Darm Foto: Pixelio.de
Ausscheidung über die Niere Veränderungen im Alter Anzahl der Nierenzellen Nierengewicht Pathologische Veränderungen
Verminderte Nierenfunktion beachten Bsp. für Arzneistoffe, bei denen im Alter die Ausscheidung vermindert ist Amilorid Ampicillin Ciprofloxacin Digoxin Furosemid Gentamicin Hydrochlorothiazid (HCT) Theophyllin Torasemid Dosisanpassung möglich durch Reduzierung der Stärke Verlängerung des Dosierungsintervalls
Pharmakodynamik: Wie wirken Arzneistoffe? Aufnahme Leber Verteilung Abbau Wirkung Abbauprodukte Ausscheidung
Veränderte (un-)erwünschte Wirkung Veränderungen der Arzneimittelwirkung im Alter Veränderung im Alter Die Wirkung von Beta-Blockern Die Wirkung von Benzodiazepinen Die Wirkung von Warfarin Die Empfindlichkeit des Magens gegenüber Schädigungen Störung der Atemfunktion durch Schmerz- und Schlafmittel Die Empfindlichkeit des Gehirns gegenüber Psychopharmaka
Ausgleichsreaktionen Die Reaktion des Körpers auf die Arzneimittelwirkung und verminderte Ausgleichsreaktionen des Körpers Wirkstoff(gruppe) Gefahr bei älteren Menschen Beispiele Blutzuckersenkende Arzneistoffe Hypoglykämie Verwirrtheit, Stürze Glibenclamid Blutdrucksenkende Arzneistoffe Hypotonie Verwirrtheit, Stürze, Schlaganfall, Herzinfarkt ACE-Hemmer Diuretika Ca.-Kanal-Blocker Blutdrucksenkung als Nebenwirkung Antidepressiva, Neuroleptika, Morphin
Grundsätze der Arzneimitteltherapie im Alter Strenge Indikationsstellung Vollständige und regelmäßige Arzneimittelanamnese Berücksichtigung der Besonderheiten bei älteren Menschen Niedrige Anfangsdosis, langsame Dosissteigerung Multimedikation vermeiden Auslass- und Absetzversuche (Arzt!) Achten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen Aufklärung, Information und Beratung Einfache Anwendung, ggf. Applikationshilfen
Arzneimittel im Alter Ihre Fragen?