Avifauna und Verkehrslärm: Wo liegt das Problem?

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 Präsentation transkript:

Avifauna und Verkehrslärm: Wo liegt das Problem? F+E-Vorhaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Avifauna und Verkehrslärm: Wo liegt das Problem? Methoden und Bewertungsinstrumente Ergebnisse Ist nun alles klar? Zeichnungen: Dr. W. Daunicht 2

Avifauna und Verkehrslärm: Wo liegt das Problem? Akustische Signale haben im Leben vieler Vogelarten wichtige Funktionen. - Gesänge und Rufe zur Partnerfindung - Demonstration des Territorialanspruchs gegenüber Rivalen - Lokalisierung von Beutetieren - Aufrechterhaltung des Kontakts im Familienverband - Rechtzeitiges Hören von Warnrufen von Artgenossen oder von Vögeln anderer Arten Verkehrslärm kann diese Signale maskieren. 3

Artspezifische Prognose der Empfindlichkeit gegen Verkehrslärm Ziele des Projektes Artspezifische Prognose der Empfindlichkeit gegen Verkehrslärm Bewertungsmaßstäbe für Auswirkungen des Verkehrslärms Minderungsmaßnahmen Für welche Vogelarten sind Schallschutzmaßnahmen angebracht? Kompensation: Eigenschaften von geeigneten Gebieten 125 Brut- und Rastvogelarten, überwiegend selten und gefährdet nach EG Vogelschutzrichtlinie zu schützende Arten (Anhang I VSchRL, Zugvögel nach Art. 4(2)) charakteristische Arten von Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-RL nach EG- bzw. Bundesartenschutzverordnung geschützte Arten 4

tendenziell nur trassenfern Welche Methode? schwach lärmempfindliche Arten sehr lärmempfindliche Arten tendenziell nur trassenfern auch trassennah Lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Vögel und dem Schallpegel bzw. der Entfernung zur Straße erkennen? Ist der Zusammenhang von Vogelvorkommen und Schallpegel stärker als zu anderen Faktoren? Hierfür sind prinzipiell multiple Regressionsanalysen erforderlich. Voraussetzungen: - Die Vögel sind in ausreichender Menge vertreten. - Das räumliche Nutzungsmuster der Arten lässt sich zuverlässig ermitteln. - Die Habitate, die die Vögel benötigen, sind in ausreichender Menge vorhanden. 5

Wir müssen Instrumente entwickeln, Für sehr häufige Arten mit relativ unspezifischen Standortansprüchen lässt sich eine Datenbasis zusammenzutragen, die eine statistische Auswertung erlaubt. Es ist aussichtslos, in überschaubaren Räumen sehr seltene Vögel und die z.T. sehr seltenen für sie geeigneten Standorte in einer Menge zu finden, die eine seriöse statistische Auswertung erlaubt. < 100 101 bis 1.001 bis 10.001 bis 100.001 > 1 Mio. 1.000 10.000 100.000 bis 1 Mio. 40 30 20 10 Häufigkeitsklassen der bearbeiteten Arten Arten des F+E-Vorhabens Avifauna und Verkehrslärm Arten des BMVIT / ASFINAG-Projektes ca. 43 Arten auf ca. 250 Flächen Sind Ergebnisse, die für häufige Arten ermittelt werden, auf andere Arten übertragbar? Wir müssen Instrumente entwickeln, die eine Beschreibung der Empfindlichkeit gegen Verkehrsschall sowohl von häufigen als auch von seltenen Vogelarten und einen Vergleich der Arten untereinander ermöglichen. 6

Die Frage lautet deshalb: Die akustische Kommunikation hat nicht für alle Arten die gleiche Bedeutung. Ein negativer Effekt des Verkehrslärms für eine Vogelart ist umso wahrscheinlicher, je stärker sie zur Erfüllung von entscheidenden Lebensfunktionen auf den Empfang akustischer Signale angewiesen ist. Auch ohne Lärm haben wildlebende Vögel unterschiedlich effektive Kommunikationsstrategien. Nicht diese grundsätzlichen Unterschiede sind hier relevant, sondern ob und wie stark die natürliche Kommunikationsfähigkeit der Arten durch Verkehrslärm eingeschränkt wird. Die Frage lautet deshalb: Welche Verhaltenseigenschaften und Kommunikationsstrategien, die unter natürlichen Bedingungen effektiv sind, werden in Anwesenheit von Verkehrslärm weniger wirksam bzw. zu echten Handikaps? 7

Ranking-Liste der Empfindlichkeit der Vogelarten gegen Verkehrslärm Auswertung der artspezifischen Strategien der akustischen und nicht-akustischen Kommunikation Verhaltenseigenschaften Wie stark hängt die Erfüllung wichtiger Lebensfunktionen vom Empfang akustischer Signale ab? Wann singt /ruft die Art? Verfügt sie über andere Kommunikationsstrategien? Ist sie besonders darauf angewiesen Feinde rechtzeitig zu hören, Beutetiere akustisch zu orten usw. Artspezifische akustische Dependenz Akustische Eigenschaften der Rufe und Gesänge Wie stark kann der Empfang der artspezifischen Rufe und Gesänge durch Verkehrsgeräusche gestört werden? Frequenzen (Sonagramme), Lautstärke, Syntax, Wiederholungsrate usw. Artspezifische Maskierungsanfälligkeit Punktvergabesystem Ranking-Liste der Empfindlichkeit der Vogelarten gegen Verkehrslärm Differenzierte Aussagen für verschiedene Lebensphasen und Funktionen (z.B. Partnerfindung, Nahrungssuche, Gefahrenwahrnehmung) 8

schwach empfindlich sehr empfindlich Ranking-Platz der Art 132 1 13 Wachtelkönig Wie maskierungsanfällig sind die Rufe und Gesänge einer Art bei Verkehrslärm Wie stark hängt für eine Art die Erfüllung einer Lebensfunktion vom Empfang akustischer Signale ab? In welcher Lebensphase ist die akustische Kommunikation am wichtigsten? In welchen Teillebensräumen ist die akustische Kommunikation am wichtigsten? 9

Große Rohrdommel 0% 78% 81% 72% 64% Relative Schallempfindlichkeit der einzelnen Lebensfunktionen [% des höchst erreichbaren Wertes] Große Rohrdommel (Anhang 1 VSchRL) 0% 78% 81% 72% 64% hohe Maskierungsanfälligkeit: Rufe im Frequenzband: 0-2 KHz, geringe Wiederholungsrate lautes Signal als Hinweis für eine große intendierte Reichweite Lebensraum unübersichtlich: Kontaktfunktion überwiegend akustisch lange Zeitspanne bis zur Flugfähigkeit der Jungen (erst nach 50-55 Tagen flügge) optisches Absuchen bestimmter Strukturen Lebensraum unübersichtlich: Warnsignale überwiegend akustisch wenige Nachkommen 10

Relative Schallempfindlichkeit der einzelnen Lebensfunktionen [% des höchst erreichbaren Wertes] Eisvogel (Anhang 1 VSchRL) 0% Brutröhre für Feinde schwer zugänglich (Erdwände) oder leicht auffindbar (Wurzelteller) Das rechtzeitige Wahrnehmen von Warnsignalen verbessert die Chancen der Nestlinge, unentdeckt zu bleiben, nicht. Fischfresser optische Ortung der Beute 0% Jungvögel nach wenigen Tagen selbständig, sehr wendige Flieger, sobald flügge. 28% 0% sehr geringe Maskierungsanfälligkeit der Rufe: Energiemaximum 4 bis 7 kHz Frequenzspektrum der Verkehrsgeräusche: Schwerpunkt unter 4 kHz 44% 11

Partnerfindung / Revier Pirol Wachtel Große Rohrdommel Birkhuhn Rauhfußkauz Sperlingskauz Wachtelkönig Hohltaube Zwergdommel Auerhuhn Uhu Waldkauz Ziegenmelker Pirol Partnerfindung / Revier Schleiereule Waldohreule Uhu Rauhfußkauz Waldkauz Nahrung Auerhuhn Haselhuhn Rebhuhn Bekassine Wachtelkönig Tüpfelralle Birkhuhn Wachtel Gr. Brachvogel Rotschenkel Uferschnepfe Kiebitz Gefahr / Kontakt 12

Verteilung der relativen Lärmempfindlichkeiten der untersuchten Vogelarten [n=132] Anzahl der Arten schwach empfindliche Arten sehr empfindliche Arten 0 Punkte 800 Beispiele Raufußkauz Birkhuhn Gr. Rohrdommel Wachtelkönig Ziegenmelker Hohltaube Uferschnepfe Gr. Brachvogel Nachtigall , Amsel Kohlmeise Sperbergrasmücke Neuntöter Waldlaubsänger Mittelspecht Eisvogel Turmfalke Schwarzstorch Uferschwalbe Gänsesäger 13

Validierung der Empfindlichkeitsprognose ... und stimmt das nun? Validierung der Empfindlichkeitsprognose Autobahn Bundesstraße von der Verkehrsstärke unabhängiges Raumnutzungsmuster von der Verkehrsstärke abhängiges Raumnutzungsmuster Kreisstraße Wenn der Verkehrslärm am Abstandsverhalten der Vögel maßgeblich beteiligt ist, dann muss der Abstand zu stark befahrenen Straßen größer sein als zu schwach befahrenen Straßen. 14

1 2 Zufallsstichprobe mit insgesamt ca. 11.000 Fundpunkten ca. 150 km Autobahnen ca. 350 km Bundesstraßen ca. 400 km Landesstraßen ca. 390 km Kreisstraßen ca. 230 km Eisenbahnen Flächendaten aus Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (z.B. Datenbanken der Vogelschutzwarten) + streckenbezogene Kartierungen = 500 km = 790 km Zufallsstichprobe mit insgesamt ca. 11.000 Fundpunkten Häufigkeit der Fundpunkte für verschiedene Verkehrsmengen ausgewertet in 100 m-Klassen bis 1.000 m vom Fahrbahnrand Die Fundpunkte aus jeder Abstandsklasse stammen aus zahlreichen Einzelgebieten. Die gemischte Herkunft des Datensatzes reduziert den Einfluss von lokalen Standortfaktoren auf das gesamte Verteilungsmuster. 1 Beim Verdacht auf ein von der Verkehrsmenge abhängiges Muster wurde für jeden Fundpunkt der Beurteilungspegel (RLS 90) berechnet. 2 15

Grauspecht Mittelspecht (Anhang 1 VSchRL) Autobahnen u. Bundesstraßen [n=128] Landes- und Kreisstraßen [n=245] Mittelspecht (Anhang 1 VSchRL) 200-300 m 200-400 m Autobahnen u. Bundesstraßen [n= 270] Landes- und Kreisstraßen [n= 271] 16

Kranich (Anhang 1 VSchRL) Autobahnen u. Bundesstraßen [n=49] Landes- u. Kreisstraßen [n= 144] Gemeindestraßen [n=115] Abstand zur Straße [m] größerer Abstand zu schwächer befahrenen Straßen  andere Faktoren sind entscheidender (Störung durch Menschen) bestätigt durch Telemetrie-Untersuchungen (Nowald 2003) 17

Abstände zur Straße und Beurteilungspegel (RLS 90) [n = 49] Große Rohrdommel Anhang 1 VSchRL 360-620 BP in D Abstände zur Straße und Beurteilungspegel (RLS 90) [n = 49] 52 dB(A) tags Hirvonen 2001 (Finnland) Nach Inbetriebnahme einer Straße (15.000 bis 20.000 Kfz) gaben Rohrdommel Brutreviere in einem Abstand von 500 m, d.h. ab einer Schallbelastung über „53-56 dB“ auf. Mittelungspegelabschätzung unter Verwendung der RLS 90: Annahmen Standort: Küstenniederung  ebenes Relief 17.500 Kfz/ 24 Std. Fahrtgeschwindigkeit 100 km/h 51,9 dB(A) tags-Isophone (RLS 90) in 500 m Abstand von der Trasse 18

von 40 Arten des Anhangs I VSchRL Ergebnisse für 14 Arten Trotz des Aufwandes bleibt die Ausbeute mager: 23 seltene Arten 12 von 40 Arten des Anhangs I VSchRL 11 Arten der BArtSchVO bzw. charakteristische Arten von FFH-Lebensraumtypen Große Rohrdommel, Grauspecht, Heidelerche, Kranich, Mittelspecht, Neuntöter, Ortolan, Schwarzspecht, Wachtelkönig (Blaukehlchen, Rohrweihe, Rotmilan) + ca. 40 häufige Arten (Projekt BMVIT / ASFINAG) 4 Arten des Anhangs I VSchRL Neuntöter, Schwarzspecht, Sperbergrasmücke, Halsbandschnäpper von 40 Arten des Anhangs I VSchRL Ergebnisse für 14 Arten Tüpfelralle (Anhang 1 VSchRL) (500-1000 BP in Deutschland) Autobahnen u. Bundesstraßen [n=17] Landes-und Kreisstraßen [n=38] n = 55 19

So weit überprüfbar, keine Unterschätzung der Empfindlichkeit ... und stimmt das Modell ? So weit überprüfbar, keine Unterschätzung der Empfindlichkeit Tendenz zur Überschätzung der Empfindlichkeit Das Modell ist für seltene Arten konzipiert und unterstellt, dass ein Austausch von akustischen Signalen über große Distanzen notwendig ist. Überschätzung der Empfindlichkeit von Arten, die mit hohen Dichten vorkommen und auch bei eingeschränkter Reichweite ihrer Gesänge von Artgenossen gehört werden (z.B. Amsel Rang 26 von 132). Das Verteilungsbild im Gelände kann leicht zu einer Unterschätzung verleiten. Das Modell ist u.U. zuverlässiger. Arten, die auf selten vorhandene Brutplätze angewiesen sind, haben nicht die freie Wahl. Strukturell geeignete Standorte können trotz Lärm besiedelt werden, obwohl sich die Vögel lieber woanders ansiedeln würden. Mit einer Tendenz zur Überschätzung ist man bei hochgradig gefährdeten Arten auf der sicheren Seite. Einzelne Gegenbeispiele lassen sich immer finden. Die hohe Zahl ausgewerteter Vorkommen und in Verbindung mit einer plausiblen Modellprognose gewährleisten eine höhere Aussagesicherheit als anekdotische Beobachtungen. 20

Zuordnung nach „Reißverschlussprinzip“ Eine Validierung mit Geländedaten ist nur für einen geringen Teil der seltenen Arten möglich. Die Kombination von Geländedaten und theoretischer Prognose stellt zurzeit die einzige praktikable Lösung dar, um für alle Arten eine Aussage zur Störanfälligkeit durch Verkehrslärm zu treffen. Ranking-Liste 1 2 3 . 132 Validierte Arten Zugeordnete Arten hohe Störanfälligkeit für Verkehrslärm geringe Störanfälligkeit für Verkehrslärm Zuordnung nach „Reißverschlussprinzip“ 21

kritischer Schallspegel kritische Effektdistanz Verteilung der relativen Schallempfindlichkeiten der untersuchten Vogelarten schwach empfindliche Arten sehr empfindliche Arten kritischer Schallspegel kritische Effektdistanz Anzahl der Arten keine Meidung von trassennahen Bereichen über 50-100m hinaus oder kein Einfluss der Verkehrsstärke auf das Verteilungsmuster der Arten über bekannte Effektdistanzen von Landschaftsstrukturen und Störreizen hinaus aber z.T. deutliche Abstände bis 500 m! Einfluss des Lärms nicht trennbar vom Einfluss anderer Faktoren erkennbarer Einfluss der Verkehrsstärke auf das Verteilungsmuster der Arten über bekannte Effektdistanzen von Landschaftsstrukturen und Störreizen hinaus Einfluss des Lärms trennbar vom Einfluss anderer Faktoren 22

47 dB(A) nachts bzw. 52 dB(A) tags Große Rohrdommel, Wachtelkönig Kritische Schallpegel für die Funktionen Partnerfindung / Revierverteidigung 47 dB(A) nachts bzw. 52 dB(A) tags Große Rohrdommel, Wachtelkönig Zwergdommel, Rohrschwirl Birkhuhn, Auerhuhn Ziegenmelker bei Überschreitung vollständiger Verlust der Habitateignung wahrscheinlich 58 dB(A) tags Hohltaube bei Verkehrsstärken > 60.000 DTV vollständiger Verlust der Habitateignung wahrscheinlich Für die übrigen untersuchten Arten reicht der Einfluss des Verkehrslärms nicht weiter als der Einfluss anderer Störfaktoren. Er kann deshalb im Raum nicht klar abgegrenzt werden. Zur Bewertung von Beeinträchtigungen dieser Arten ist es deshalb sinnvoller, kritische Effektdistanzen heranzuziehen. Diese reichen artspezifisch von ca. 50 bis ca. 500 m. 23

Funktionen Gefahr/Kontakt ? Eine besondere Betroffenheit ist anzunehmen für Arten, für die das Prädationsrisiko auch ohne störenden Verkehrsschall sehr hoch ist. Wenn Warnrufe nicht rechtzeitig gehört werden, kann sich die Gefährdung verschärfen. Funktionen Gefahr/Kontakt Auerhuhn Birkhuhn Haselhuhn Großtrappe Wachtel Wachtelkönig Tüpfelralle Rotschenkel Großer Brachvogel Bekassine Kiebitz Uferschnepfe Bei Wahrnehmung einer potentiellen Gefahr reagieren Vögel mit einer erhöhten Wachsamkeit (z.B. der Vogel schaut hoch, stellt seinen Gesang ein, oder hört auf zu fressen). Bestätigt sich die Gefahr, werden Warnrufe ausgegeben. Die Aufmerkdistanz (alert distance) ist nicht identisch mit der Fluchtdistanz, die in der Regel sehr viel kürzer ist, weil sie eine ultima ratio-Strategie darstellt. Die Zeitspanne zwischen Aufmerken und dem tatsächlichen Eintreten der Gefahr kann genutzt werden, z.B. um Verstecke aufzusuchen. Aus welcher Entfernung muss ein Warnruf noch gehört werden, damit der Vogel rechtzeitig darauf reagieren kann? Was heißt hier „rechtzeitig“ ? ? 70 dB(A) laute Warnrufe können aus den genannten Entfernungen noch gehört werden, wenn der Hintergrundlärm 55 dB(A) nicht übersteigt. je nach Art und Lebensphase: Offenlandvögel: 50 bis 200 m  Arbeitshypothese = 200 m Waldvögel: 50 bis 100 m  Arbeitshypothese = 100 m 24

47 dB(A) nachts / 52 dB(A) tags Für diese Arten wird für die Funktion Partnerfindung / Revier ein schärferer kritischer Wert vorgeschlagen.  keine Änderung wegen erhöhter Prädationsgefahr Auerhuhn Birkhuhn Wachtelkönig Haselhuhn Wachtel Großtrappe Bekassine Gr. Brachvogel Tüpfelralle Uferschnepfe Kiebitz (BV) Rotschenkel (BV) Diese Arten treten unabhängig von der Verkehrsstärke mit reduzierten Dichten entlang von Straßen auf. A. Wenn die 55 dB(A) tags-Isophone innerhalb der ohnehin gemiedenen Zone verläuft, keine Änderung wegen erhöhter Prädationsgefahr. B. Wenn die 55 dB(A) tags-Isophone in einem größeren Abstand als die ohnehin gemiedenen Zone verläuft, 25%-Verlust der Habitateignung für den zusätzlich beeinträchtigten Bereich. 55 dB(A) tags 25% Verlust der Habitateignung A B Meidungszone 25

Effektdistanzen Brutvögel / Straße Gemäß Modellprognosen und Teilverifizierung durch Geländedaten sind diese Distanzen nicht primär vom Lärm abhängig. Das heißt nicht, dass der Lärm gar keine Rolle spielt, aber andere Faktoren haben eine gleiche oder größere Reichweite. Die Effektdistanzen stellen „Nebenprodukte“ des Projektes dar: Sie liegen nicht für alle Arten vor. Gebüschbrüter: 50-200 m (Beispiele) bis max. 50 m: Amsel, Schafstelze, Buchfink, Rohrammer bis max. 100 m: Zaunkönig, Schwarzkehlchen bis max. 200 m: Neuntöter, Braunkehlchen, Grauammer Offenlandbrüter: 100-500 m (Beispiele) bis max. 200 m: Wiesenpieper, Ortolan, Heidelerche, Kiebitz*, Uferschnepfe bis max. 400 m: Bekassine, Großer Brachvogel bis max. 500 m: Feldlerche, Kranich* * umgekehrter Trend! größter Abstand zu schwach befahrenen Straßen Arten der Wälder, Gehölze und Parklandschaften: 100-300 m (Beispiele) bis max. 100 m: Nachtigall, Fitis, Kleiber, Halsbandschnäpper, Buntspecht, Wendehals, Mäusebussard, Schwarzmilan bis max. 300 m: Grauspecht, Mittelspecht, Schwarzspecht, Pirol Das Prognosemodell behandelt nur die Empfindlichkeit der Vögel gegen Straßenverkehrslärm. Eine Interpolation der Effektdistanzen zwischen den einzelnen Arten anhand des Ranking-Modells ist nicht zulässig. 26

Wie schätzt die ornithologische Fachwelt die Bedeutung des Verkehrslärms für Vögel ein? BfN-Studie: Analyse der Gefährdungsursachen planungsrelevanten Tiergruppen in Deutschland (Günther et al. 2005, Naturschutz und Biologische Vielfalt 21) Rote Liste-Autoren und Autorinnen, Artenspezialisten, Mitglieder der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft DOG, des Dachverbands deutscher Avifaunisten DDA, des NABU, von regionalen Vereinigungen, von Vogelschutzwarten und Landesämtern angesprochen. Expertenbefragung über artspezifische Gefährdungsursachen der Brutvögeln der Roten Liste 91 Personen 1013 Fragebögen für einzelne Arten Wichtigste Gefährdungsursachen: Faktoren, die zu direkten Habitatverlusten führen: Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserbau Ursachen-Komplex „Verkehr und Energie“ für Brutvögel: 7% aller genannten Gefährdungsursachen - Für 3 Arten an erster Stelle: Kollisionen und Anflüge an Freileitungen - Straßenbau an 23ster Stelle aller für Brutvögel genannten Gefährdungsursachen Der Verkehrslärm ist unter den ersten 50 genannten Gefährdungsgründen nicht vertreten. NABU-Studie: Vögel der Agrarlandschaft - Bestand, Gefährdung, Schutz (2004) 47 untersuchten Arten: Gefährdung durch Verkehr und Stromleitungen für 5 Arten relevant 27

Maßnahmen zur Schadensbegrenzung Minderungsmaßnahmen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung Wo leben die Vögel? Zeichnungen: Dr. H.-C. Vahle 28

Vögel, die von Singwarten in den Gebüsch- und Baumwipfeln aus singen Höhe ca. 20 m Wie hoch soll der Lärmschutzwall sein? Höhe ca. 10 m Zeichnungen: Dr. H.-C. Vahle 29

♂ ♀ ♀ ♂ ♀ Partnerfindung bei der Feldlerche Flughöhe ca. 100 bis 150 m Singflug ca. 100 bis 150 m Wie hoch soll der Lärmschutzwall sein? Zeichnung: Dr. H.-C. Vahle 30

♀ ♂ Beispiel Wachtelkönig Flughöhe mindestens 50 m Wie hoch soll der Lärmschutzwall sein? ♂ Partnerfindung übrige Lebensphasen 31 Zeichnungen: Dr. H.-C. Vahle

Minderungsmöglichkeiten Die Höhe des Signalempfängers über dem Boden ist zu berücksichtigen. Da die meisten Vögel in vielen Lebensphasen zwischen verschiedenen Höhen über dem Boden wechseln, ist für solche Arten nur eine Schallminderung an der Quelle wirksam (z.B. OPA). Für Arten der Röhrichte und der halboffenen Landschaften können Lärmschutzwände / -wälle in bestimmten Lebensphasen wirksam sein. Wegen des Abstandsverhaltens von Wiesenvögeln zu vertikalen Strukturen könnten Wände bzw. Wälle eine Verschärfung des Habitatsverlustes nach sich ziehen. Arten mit einem kritischen Schallpegelwert Eine Lärmreduzierung an der Quelle ist wünschenswert. Ihr Umfang lässt sich aber nicht eindeutig quantifizieren, weil sich der Einfluss des Lärms vom Einfluss anderer Faktoren nicht räumlich trennen lässt. Deshalb werden als Schadensminderung populationsstützende Maßnahmen empfohlen. Kompensation: Habitatförderung in trassenfernen Bereichen Arten mit einer kritischen Effektdistanz ...aber wo? 32

Wiesenvögel Waldvögel 33

optische Störreize, Scheinwerferlicht, Landschaftsveränderungen „It’s not just noise!“ * optische Störreize, Scheinwerferlicht, Kollisionen, Verschiebungen der Konkurrenzverhältnissen unter den Arten, Landschaftsveränderungen ??? * Warren et al. (2006): Urban bioacoustics: It’s not just noise. – Animal Behaviour 71:491–502 34

Anforderungen des „Halle-Urteils“ hohe Anforderungen an die Planungssicherheit und die Zuverlässigkeit von Prüfkriterien eine zwar plausible Wirkungsprognose, die aber in absehbarer Zeit nicht restlos verifizierbar ist Quantitative Beziehungen zwischen Vogelvorkommen und Schallpegeln sind für seltene Arten selbst bei massiver Erhöhung des Untersuchungsaufwands nicht statistisch abzusichern.

Der Verkehr hält nicht still, solange ihr noch forscht. Im Unterschied zur naturwissenschaftlichen Forschung muss sich eine Handlungsanweisung für die Planungspraxis der Komplexität der Umwelt sofort stellen. Es werden „Unsicherheiten“ verbleiben. Wir müssen einen vernünftigen Weg finden, damit umzugehen. Entscheidungswege transparent darstellen und begründen Entscheidungsrelevante Unsicherheiten klar umreißen Restrisiken klar benennen und Monitoring als fester Bestandteil der Schadensbegrenzung Beitrag zur Wirkungsforschung als fester Bestandteil des Eingriffsausgleichs

Vielen Dank Kieler Institut für Landschaftsökologie Dr. Annick Garniel Dr. Winfried Daunicht Dipl. Biol. Ute Ojowski Dr. Ulrich Mierwald Dipl. Geogr. Berit Bredemeier Dipl. Biol. Inge Eischeid Dipl. Biol. Astrid Wiggershaus Kartierungen AG Tewes, Hatten-Sandkrug memo-consulting, Seeheim-Jugenheim Ökofakt, Bremen Umweltplan, Stralsund Schallberechnungen Lärmkontor, Hamburg Vielen Dank 37