Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland Ergebnisse der repräsentativen Studie im Auftrag des.

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 Präsentation transkript:

Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland Ergebnisse der repräsentativen Studie im Auftrag des BMFSFJ, Fachtagung Frankfurt, 18.09.2012 Dr. Monika Schröttle, Uni Bielefeld/Gießen

Die Studie wurde von 2009 – 2011 im Auftrag des BMFSFJ erstellt von: Dr. Monika Schröttle, Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld (Projektleitung) Prof. Dr. Claudia Hornberg, Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld (Projektleitung) Dr. Sandra Glammeier, Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld (Wiss. Mitarbeiterin) Dr. Brigitte Sellach, Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauen- und Genderforschung e.V. (GSF), Frankfurt (Kooperationspartnerin) Prof. Dr. Barbara Kavemann, Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg (SOFFI.F, Büro Berlin), Berlin (Kooperationspartnerin) Dr. Henry Puhe/Ute Wagemann, SOKO Institut GmbH Sozialforschung und Kommunikation, Bielefeld (Kooperationspartner) Prof. Dr. Julia Zinsmeister Fachhochschule Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Institut für Soziales Recht (Kooperationspartnerin) Praktikanten/-innen: Kathrin Vogt, Nadine Vinke, Kristin Koch, Nadja Weirich, Katharina Plehn, Armin Wolf, Olga Elli, Daniel Mecke (Universität Bielefeld) Über 100 Interviewerinnen in verschiedenen Teams

Fachliche Begleitung und Unterstützung durch: Weibernetz e.V. Hessisches Netzwerk behinderter Frauen Forum e.V. Deutscher Gehörlosenbund Weitere Verbände und Organisationen für Menschen mit Behinderungen Expertinnen im BMFSFJ / Referat 404 Zahlreiche weitere Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Lobbyarbeit

Bei der Studie handelt es sich um die weltweit erste Studie, bei der Frauen mit Behinderungen repräsentativ befragt und unterschiedliche Zielgruppen erreicht wurden … sowohl in Haushalten als auch in Einrichtungen Themen: Lebenssituation, Gewalterfahrungen und Diskriminierungen in Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben in allgemeiner Sprache und in vereinfachter Sprache gehörlose Frauen (DGS-Interviews) Frauen mit und ohne Behindertenausweis große Anzahl von Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen und Beeinträchtigungen Gesamtzahl Befragte: über 1.500 Frauen.

Überblick – Anlage und Studienteile repräsentativ nicht repräsentativ Haushalte 800 Frauen Einrichtungen 420 Frauen davon: 102 psychisch erkrankte oder schwerstkör- per-mehrfach behinderte Frauen (in allgemeiner Sprache) 318 Frauen mit Lernschwierig- keiten/sog. geistigen Behinderungen (in vereinfachter Sprache) Zusatzbefragung 341 Frauen in Haushalten davon: 128 blinde/stark sehbehinderte Frauen, 130 schwerst-körper- und mehrfach behinderte Frauen 83 gehör-lose/stark hör-behinderte Frauen (in DGS) Qualitative Studie 31 von Gewalt betroffene Frauen in Haushalten und Einrichtungen Befragung zum Hilfe- und Unterstüt-zungsbedarf

Ergebnisse der repräsentativen Haushalts- und Einrichtungsbefragung 1. Beeinträchtigungen der Frauen bei allen Befragungsgruppen multiple Beeinträchtigungen hoher Anteil von Frauen mit psychischen Problemen in allen Befragungsgruppen Haushaltsbefragung: trotz hohen Belastungen 60% kein Behindertenausweis Behinderung trat vielfach erst im Erwachsenenleben auf bei: - 2/3 der in Haushalten lebenden Frauen - 1/2 der in allgemeiner Sprache in Einrichtungen befragten Frauen - weniger 10% der in vereinfachter Sprache befragten Frauen.

2. Diskriminierung und strukturelle Benachteiligung

Sozialstruktur und strukturelle Benachteiligung 1. Repräsentative Befragungsteile: Benachteiligungen am stärksten bei Frauen, die in Einrichtungen leben: haben seltener qualifizierte Schul- und Berufsausbildungen. arbeiten in der Regel in Werkstätten mit geringem Einkommen. sind häufiger nicht verheiratet / keine Paarbeziehung. haben häufiger keine Kinder. erleben Einschränkungen des selbstbestimmten Lebens. 2. Frauen der nicht-repräsentativen Zusatzbefragung ebenfalls von strukturellen Diskriminierungen betroffen geringe Haushaltseinkommen (insbesondere bei gehörlosen Frauen, trotz erhöhter Erwerbseinbindung) finanzielle Engpässe / existenzielle Ängste (bei allen drei Gruppen): Einkommensniveau nicht ausreichend, um eigenes Leben und erhöhte Aufwendungen zu bestreiten.

Diskriminierungen und strukturelle Gewalt im Alltag Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen haben fast durchgängig (81-99%) diskriminierende Handlungen durch Personen / Institutionen erlebt Konkrete Benachteiligungen und Diskriminierungen durch Menschen / Institutionen: - von etwa jeder zweiten bis dritten Frau der repräsentativen Haushalts-/Einrichtungsbefragung genannt (und von ca. 75% der Frauen der Zusatzbefragung) sich nicht ernst genommen fühlen: - von etwa 40-60% genannt (Zusatzbefragung: 70-82%) belästigende, bevormundende oder benachteiligende Verhaltensweisen durch Personen im Zusammenhang mit der Behinderung - von jeder dritten Frau genannt (Zusatzbefragung: ca. 65%)

Diskriminierungen und strukturelle Gewalt im Alltag Frauen in Einrichtungen gaben besonders häufig Einschränkungen und Diskriminierungen an Von Bedingungen und Regeln in der Freiheit eingeschränkt fühlten sich zwei von fünf Frauen in Einrichtungen. Angestarrt und ungefragt geduzt worden zu sein gab jede zweite bis dritte Frau der Einrichtungsbefragung an. Beschimpft wurde fast jede zweite Frau, die in einer Einrichtung lebt. Ungefragt oder unangenehm angefasst wurden zwei von fünf Frauen in einer Einrichtung.

Frauen in Einrichtungen gaben besonders häufig Einschränkungen und Diskriminierungen an mangelnde Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten unzureichender Schutz der Privat- und Intimsphäre mangelnder Schutz vor psychischer, physischer und sexueller Gewalt durch Bewohner/-innen und Personal Fehlen von engen und vertrauensvollen Beziehungen kaum Paar- und Familienbeziehungen in Einrichtungen fehlende Bildungs- und Ausbildungsressourcen / keine eigenen finanziellen Mittel

Diagramm 3: Sexualität und Reproduktion

3. Gewalt in Kindheit und Jugend

Gewalt in Kindheit und Jugend Frauen der Studie haben deutlich häufiger psychische, körperliche und sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlebt Wechselseitiger Zusammenhang von Gewalt und Behinderung Gewalt in Kindheit und Jugend: - teilweise erhöhte Betroffenheit durch elterliche körperliche, vor allem aber psychische Gewalt * psychische Gewalt: ca. 50-60% (vs. 36% bei Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt) * körperliche Gewalt: 74-90% (vs. 81%) - 2- bis 3-fach erhöhte Betroffenheit durch sexuellen Missbrauch in Kindheit/Jugend: jede 3. bis 4. Frau der Haushalts- und Einrichtungsbefragung sexuelle Übergriffe durch Kinder/Jugendliche und Erwachsene erlebt (Zusatzbefragung: jede 2. bis 3. Frau)

4. Gewalt im Erwachsenenleben

Gewalt im Erwachsenenleben Frauen der Studie haben deutlich häufiger sexuelle Gewalt im Erwachsenenleben erlebt. Sexuelle Gewalt im Erwachsenenleben - 2- bis 3-fach erhöhte Betroffenheit durch sexuelle Gewalt im Erwachsenenleben gegenüber Bevölkerungsdurchschnitt - mehr als jede 3. bis 5. Frau der repräsentativen Befragung hat sexuelle Übergriffe im Erwachsenenleben erlebt (Zusatzbefragung: ca. jede 2. bis 3. Frau) - höchste Betroffenheit: psychisch erkrankte Frauen (38%) und gehörlose Frauen mit (43%) Sexuelle Gewalt im Lebensverlauf: in Kindheit und/oder Erwachsenenleben - mehr als jede zweite bis dritte Frau der Studie hat sexuelle Gewalt in Kindheit und/oder Erwachsenenleben (am häufigsten: Frauen mit psychischen Erkrankungen und gehörlose Frauen).

Gewalt im Erwachsenenleben Auch körperliche und psychische Gewalt im Erwachsenenleben wurde fast doppelt so häufig erlebt wie von Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt Körperliche Gewalt im Erwachsenenleben - fast doppelt so häufig wie Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (58-75% vs. 35%) + schwerere und bedrohlichere Übergriffe Psychische Gewalt im Erwachsenenleben - ebenfalls deutlich häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt (68-90% vs. 45%)

Gewalt im Erwachsenenleben – Täter/-innen und Tatkontexte Täter/-innen überwiegend aus Familie und Partnerschaft, aber auch Personen in Einrichtungen Täter/-innen überwiegend aus dem sozialen Nahraum (vor allem Partner und Familienmitglieder) Zusätzlich Täter/-innen in Einrichtungen (Personal bei psychischer und Bewohner/-innen bei psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt) Erhöhte Gefährdungen der Frauen der Zusatzbefragung aber auch in allen anderen Lebenskontexten Psychische Gewalt auch durch Ämter und Behörden sowie Gesundheitsdienste (insbesondere bei den in Haushalten lebenden Frauen der Haushalts- und Zusatzbefragung)

Bedrohlichkeit, Sicherheitsgefühl und Zusammenhang mit Behinderung Subjektiv wahrgenommene Bedrohlichkeit und Gefühl, sich nicht wehren zu können am höchsten ausgeprägt bei Frauen der Zusatzbefragung mit schwerstkörper-/mehrfach Behinderungen; stellen deutlich häufiger Zusammenhang von Gewalterfahrung und Behinderung her. Frauen in Einrichtungen und in Pflegesituationen: mangelndes Sicherheitsgefühl in Bezug auf Alleinsein mit Mitbewohner/-innen und mit Personal (etwa jede 4. bis 5. Frau fühlt sich im Kontakt mit Pflegekräften/Unterstützungspersonen alleine nicht sicher; die Hälfte bis drei Viertel bei Alleinsein mit Bewohner/-innen) vermindertes Sicherheitsgefühl in Alltagssituationen im öffentlichen Raum, insbesondere bei den körper-/mehrfachbehinderten Frauen sowie bei den Frauen mit psychischen Erkrankungen in Einrichtungen (häufig Vermeidungsverhalten).

Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen - Zusammenfassung Frauen mit Behinderungen bislang unzureichend vor körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt geschützt erleben deutlich häufiger Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen (nicht nur in Familie/ Partnerschaft) erhöhte Vulnerabilität und eingeschränkte Wehrhaftigkeit aufgrund der Behinderung, verringertes Sicherheitsgefühl, schränken Freiheit und Bewegungsspielraum ein unzureichend Schutz und Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die in Einrichtungen leben psychische Gewalt, auch durch Ämter, Behörden und Gesundheitswesen hoch relevant (insbesondere bei den in Haushalten lebenden Frauen) hohes Ausmaß an multiplen Gewalterfahrungen im Lebensverlauf (erhöhen gesundheitliche Beeinträchti-gungen und Risiko fortgesetzter Gewalt im Lebensverlauf) verstärkt Maßnahmen zur Unterstützung, Intervention und Prävention erforderlich

5. Ergebnisse der qualitativen Studie

Ergebnisse der qualitativen Befragung Besondere Vulnerabilität von Mädchen mit Behinderungen, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden (insbesondere bei eingeschränkter Gegenwehr und Hilfeleistungen im Kontext häuslicher Pflege) Destruktive Folgen für weiteren Lebenslauf und für Gewaltbetroffenheit bzw. verringerten Widerstand im Erwachsenenleben (erhöhte Bedürftigkeit und Abhängigkeit in Paarbeziehungen, Gefühl, keine Ansprüche stellen zu dürfen) Fremde/flüchtig Bekannte nutzen eingeschränkte Wehrhaftigkeit gezielt aus Kaum Schutz- und Beschwerdemöglichkeiten für Frauen in Einrichtungen; Abhängigkeiten verstärken Schutzlosigkeit

Ergebnisse der qualitativen Befragungen Insbesondere Frauen mit sogenannten geistigen Behinderungen sind eingeschränkt, selbständig außerhalb der Einrichtung Unterstützung zu suchen; ihnen wird oft nicht geglaubt. Unterstützungsangebote für Frauen überwiegend nicht zugänglich, nicht niederschwellig und zielgruppengerecht Suche nach Unterstützung durch Abhängigkeiten / Selbstwertprobleme und begrenzte soziale Kontakte erschwert. Einrichtungen oftmals geschlossene Systeme, Übergriffe bleiben unentdeckt

29 Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Gewalt und Entwertung in der Kindheit erschweren die Hilfesuche im Erwachsenenalter „Weil das ein bekanntes Muster war. Ich wurde zu Hause sehr streng gehalten und genau das Muster hatte ich in meiner Ehe auch.“ „Was mein Vater immer wieder gesagt hat: du hast nur ein Anrecht auf eine Hundehütte.“

30 Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Aufgrund der Behinderung/Beeinträchtigung besteht eine spezifische Abhängigkeit vom Partner, die eine Trennung bei Gewalt und eine Hilfesuche erschwert. „Ich kam von ihm eigentlich nicht los, das ist ganz merkwürdig, also er hat mir nicht gut getan und trotzdem kam ich nicht von ihm los. Wahrscheinlich weil mir meine Mutter eingetrichtert hatte: Ja, du musst das nehmen, was du kriegst, weil ich eben halt behindert bin.“

Spezifische Barrieren 31 Spezifische Barrieren Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Diese drei Aspekte geringes Selbstbewusstsein, wachsende Abhängigkeit vom Partner und geringe Ressourcen sind geeignet, einmal begonnene Gewaltverhältnisse unter anhaltend ungünstigen Bedingungen nicht beenden zu können und zur Eskalation beizutragen.

Spezifische Gewaltrisiken 32 Spezifische Gewaltrisiken Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Pflegebedürftigkeit kann Übergriffe fördern und Gewalt unsichtbar machen „Wie das damals so üblich war, wurde man auch von Pflegern gewaschen, gebadet und so weiter. Und da sind natürlich auch einige Sachen passiert die nicht gerade schön waren, von wegen: ich muss ja auch da unten rum sauber machen. Und auf einmal war dann der Finger eben nicht gerade da, wo er hingehörte. Oder auch: Stell dich nicht so an.“

Spezifische Gewaltrisiken 33 Spezifische Gewaltrisiken Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Unzureichende externe Beschwerdemöglichkeiten für Bewohnerinnen von Einrichtungen der Behindertenhilfe „Und wenn ich damals gesagt hab, mit der möchte ich nicht mehr auf Toilette, weil sie hat mich angefasst, wurde gesagt: Ja und? Sei doch froh, dass du überhaupt was abkriegst. Hat noch keinen gestört, wenn er da angefasst wurde, du kriegst sowieso keinen Freund ab so schwerbehindert wie du bist, sei doch froh. Das war‘s dann.“ „Die sagen das wär `ne psychiatrische Einrichtung, da müsste man mit klarkommen.“

Impuls zur Hilfesuche kommt spät 34 Spezifische Barrieren der Hilfesuche bei Behinderungen/Beeinträchtigungen Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K Abhängigkeit vom Personal (Ähnlichkeit mit Übergriffen im familiären Kontext) Gewöhnung an das Überschreiten der Intimitätsgrenze und an Übergriffe auf den Körper Mangelnder Respekt und mangelndes Ernstnehmen, Infrage stellen der Glaubwürdigkeit Impuls zur Hilfesuche kommt spät

35 Der Mangel an Selbstwertgefühl, Respekt und Anerkennung fördert das Verschweigen der Gewalt und behindert die Hilfesuche Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K „Es wird da ein gewisser Druck aufgebaut und auch so ein gewisser Schuldkomplex: ich bin behindert und weil ich behindert bin, bin ich schuld, dass jemand mir helfen muss, und das ist so ein ganz unguter Kreislauf, der auch dazu führt dass Grenzüberschreitungen nicht gemeldet werden, der dazu führt dass Grenzüberschreitungen nicht ans Tageslicht kommen, der dazu führt dass Behinderte sagen: ich muss ja dankbar sein dass überhaupt jemand irgendwas macht für mich und so. Das ist ganz schlecht, ganz schlecht.“

36 Damit Unterstützung wirken kann, muss die Frau selbst in der Lage sein, sich als unterstützenswert zu sehen. Prof. Dr. Barbara Kavemann, SoFFI K „Wenn man merkt, dass man irgendwie Hilfe bekommt und Unterstützung oder dass man irgendwie einfach so angenommen wird wie man ist, dann kann das schon sehr viel bewirken. Selbstvertrauen stärken, sich nicht abhängig machen.“ „Was viel hilft ist jemand mit viel Verständnis, der einem Mut macht und sagt: Es gibt keinen Grund warum du mit gesenktem Kopf durch die Gegend laufen musst. Du bist stark.“

Fazit Verstärkte Aktivitäten, um niedrigschwellige und barrierefreie Schutz- und Unterstützungsangebote bereitzustellen Ärzte und Ärztinnen bei der Vermittlung von Information und Unterstützung relevant Konsequenter Schutz und Verhinderung von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, die in Einrichtungen leben Gewaltprävention muss mit konsequentem Abbau von Diskriminierung und struktureller Gewalt einhergehen Maßnahmen erforderlich, die Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein von Frauen mit Behinderungen stärken.

Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland Fragen? Diskussion … Studie im Internet unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=186150.html