Einführung in die Allgemeine Sprachwissenschaft

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 Präsentation transkript:

Einführung in die Allgemeine Sprachwissenschaft Vorlesung PD Dr. Manana Tandaschwili WS 2006/07, FB 09, Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft J.W.Goethe-Universität Frankfurt am Main

Grammatische Kategorien Kategorien sind das Resultat der Klassifikation von Lexemen Redeteile bzw. Wortarten der den Lexemen zukommenden bedeutungsrelevanten morphologischen Eigenschaften Kasus, Numerus, Tempus, Aspekt... der Klassifikation semantisch irrelevanter morphologischer Erscheinungen Genus der Nomina

Kasus Kasus – grammatische Kategorie vs. Kasus im einzelnen: Kasus als paradigmatische Kategorie bzw. System vs. Kasus als einzelne Konstituente des Paradigmas. Die Frau sah hübsch aus Das Aussehen der Frau war faszinierend. Er gab der Frau ihre Tasche zurück. Er sah die Frau auf der anderen Seite der Straße.

Kasus Kasus - zentrale paradigmatische Kategorie der Nominalmorphologie zur Satzgliedmarkierung. Grundkasus vs. Lokalkasus Grundkasus primärer oder grammatischer Kasus, durch den die Beziehungen zwischen den primären Aktantenpositionen (v.a. Agens und Patiens) wiedergegeben werden; Lokalkasus Kasus, durch die die verschiedene adverbiale Beziehungen zum Ausdruck kommen. Beispiel: Hans hat sein neues Buch über seine Reise nach Afrika in der vergangenen Woche an Dietrich geschickt.

Grundkasus Kasus als Bezeichnung für die einzelnen Konstituenten des Paradigmas, wie: a) Grundkasus: Nominativ Absolutiv Ergativ Genitiv Dativ Akkusativ

Sprachtypen Sprachtypen Nominativsprache Nominativsprachen Ergativsprachen Aktivsprachen Nominativsprache Deutsch Hans malt einen Apfel S: Nom. V tr. DO: Akk. Der Apfel wird gemalt S: Nom. V intr. Hans steht. S: Nom. V intr.

Sprachtypen Ergativsprache Udisch: viče-n sṭakan-ax xạxạ-ne-pe S: Erg. DO:Dat. V: tr. Bruder Glas zerbrechen (xạxạpesun) “Der Bruder zerbricht das Glas” sṭakan xạxạ-ne-ce (xạxạesun zerbrechen intr.) S:Abs. V: intr. Glas zerbrechen (xạxạpesun) “Das Glas zerbricht.”

Sprachtypen Nominativ- bzw. Akkusativsprachen Ergativsprachen Nominativ (Subjekt bei transitiven und intransitiven Verben) Genitiv Dativ Akkusativ Ergativsprachen Absolutiv (Subjekt bei intransitiven Verben) Ergativ (Subjekt bei transitiven Verben)

Casus rectus vs. casus obliquus Casus rectus : mit diesem Terminus wird der der Kasus des Subjekts bezeichnet; d.h. der Kasus, der das Subjekt eines Satzes markiert: in Nominativsprachen – Nominativ; in Ergativsprachen – Absolutiv. Casus obliquus (lat. obliquus) abhängiger Kasus. In vielen Sprachen von der Rektion eines Verbs, einer Präposition oder eines Adjektivs geforderter Kasus. Hans legt das Buch auf das Regal.

Lokal- und Adverbialkasus Instrumental (mit) In einigen Sprachen Kasus, als dessen Kasusbedeutung die Bezeichnung des Instruments, des Mittels zur Ausführung der vom Prädikatausdruck bezeichneten Handlung angesehen wird. Lokativ (im Haus etc.) Kasus mit der Kasusbedeutung „befindlich am bezeichneten Ort“. Inessiv (in) z. B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „befindlich in, innerhalb“: -ssa / -ssä talossa „im Haus, innerhalb des Hauses“.

Lokalkasus Elativ (heraus aus) Illativ (hinein) Adessiv (auf) z. B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „aus, heraus“: -sta talosta „aus dem Haus“. Illativ (hinein) Kasus z.B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „Ortsveränderung in... hinein“: -Vn taloon „in das Haus hinein“. Adessiv (auf) Kasus z.B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „befindlich an, nahe bei“:-lla/ -llä- talolla „am Haus“.

Lokalkasus Ablativ (von) Allativ (zu mir) Bezeichnung des Ausgangspunktes einer Bewegung: lat. domō „vom Haus“, finn. talolta „“vom Haus weg“. Allativ (zu mir) Kasus z. B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „Ziel einer Ortsveränderung“: -lle talolle „zum Haus hin“. Essiv (in einem Zustand; Existenzkasus) Kasus z. B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „Existenz als“ (Existenzkasus): -na / -nä naise-na „als Frau“. Partitiv (Teil von) Kasus mit der Kasusbedeutung „partiell betroffen, teilweise“.

Lokalkasus Translativ (wechseln zu) Abessiv (ohne) (Negationskasus) Kasus z. B. in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „Zustandsveränderung, Erwerb einer Eigenschaft“: Finn. –ksi: hän tuli vanhaksi „er ist alt geworden“. Abessiv (ohne) (Negationskasus) Lat. abesse „abwesend, nicht da sein“ (auch Karitiv) Kasus in finnougrischen Sprachen mit der Kasusbedeutung „Nichtvorhandensein“:- tta / -ttä. Z.B. talotta „ohne Haus“, syyttä „ohne Grund“. Komitativ (mit) Kasus mit der Kasusbedeutung „in Begleitung von, zusammen mit“. Superessiv (auf) Kasus mit der lokalen Kasusbedeutung „befindlich auf“: Ungar. -n házon „ auf dem Haus“.

Kasus Kasussynkretismus Kasusmarkierende Suffixe können für zwei oder mehrere Kasus identisch sein Z.B. Ergativ vs. Instrumentalis Udisch: adamar-en ašnebesa k-in. Mensch: Erg. arbeiten: Präs. Hand: Erg.-Instr. “Der Mensch arbeitet mit der Hand.”

Kasusmarkierung Kasusmarkierung bei Gruppenflexion Am Artikel: Einzelsprachspezifische Kongruenzregeln legen für mehrgliedrige Nominalausdrücke z.B. bei Gruppenflexion fest, ob und in welchem Maße die Kasusmarkierung mehrfach erfolgen muss: Am Artikel: Das Licht der Sonne Am Adjektiv Der Besuch der alten Dame Auch bei unflektierbaren Substantiven Z. B. im Russ. novogo radio (нового радио)

Person Sprache als Egozentrisches System Personengliederung: Person (Sprecher) Egozentrisch Person (Hörer) Egozentrisch Person (dritte Partei) Nichtegozentrisch Person (vierte Partei) Obviativ (Bloomfield, 1933) Algonquin-Sprachen (Bloomfield) Ego 3. Person 4. Person 1. und 2. na:pe:w na:pe:wa

Genus Die nominalen Wortklassen sind in vielen Sprachen hinsichtlich des Genus determiniert. Allerdings charakterisiert dieses nicht eine semantische Eigenschaft, d.h. dass grammatisches und natürliches Geschlecht nicht unbedingt übereinstimmen müssen. Maskulinum, Femininum, Neutrum. In verschiedenen Sprachen: Dt. Sonne (f), frz. soleil (m), russ. solnce (n) ; Dt. Tod (m), frz. mort (f), russ. smert’ (f) ; Engl. aunt - she, uncle – he; Genusschwankungen: der/das Barock, der/die Sellerie.

Klasse Klasse als Alternative des Genus Avar. vac: v-ač̣ana „der Bruder ist gekommen“ jas j-ač̣ana „die Schwester ist gekommen“ ču b-ač̣ana „das Pferd ist gekommen“ Vgl. dun v-ač̣ana „ich (m.) bin gekommen“ dun j-ač̣ana „ich (f.) bin gekommen“ mun v-ač̣ana „du (m.) bist gekommen“ mun j-ač̣ana „du (f.) bist gekommen“ Vgl. russ. ja byl „ich (m.) war“ ja byla „ich (f.) war“

Numerus Numerus („Zahl“): grammatische Kategorie des Nomens zum Erfassen von Quantitätsverhältnissen bzw. zur Angabe der Anzahl der Elemente. Falls die Einzelsprachen es fordern, erscheint der Numerus aufgrund von Kongruenzprinzipien sowohl bei den nominalen Wortarten, als auch beim finiten Verb. Numerus als grammatische Kategorie bedeutet nicht unbedingt eine natürliche Anzahl: russ. očki очки, br’uki брюки „Brille, Hose“. Singular vs. Plural Dual – (altgriechisch, einige slavische Sprachen) und Trial (Fidschi).

Inklusiv vs. Exklusiv In manchen Sprachen ist der Umstand grammatikalisiert, dass beim Personalpronomen der 1. Person Plural entweder der Sprecher und der Angesprochene (Inklusiv) oder der Sprecher und eine (oder mehrere) dritte Persone(n), nicht jedoch den Angesprochenen bezeichnet (Exklusiv). In der auf der Insel Annatom gesprochenen Sprache: Ainjak ich (Singular) Aijumrau wir zwei (exkl.) (Dual exklusiv) Aijumtai wir drei (exkl.) (Trial exklusiv) Aijama wir (exkl.) (Plural) Akaijau wir zwei (inkl.) (Dual inklusiv) Akataij wir drei (inkl.) (Trial inklusiv) Akaija wir (inkl.) (Plural) Aiek du (Singular) Aijaurau ihr zwei (Dual) Aijautaij ihr drei (Trial) Aijaua ihr (Plural)

Plural Pluralia tantum (tantum – lat. ”nur”) Substantiv, das nur im Plural vorkommt, etwa bei geographischen Eigennamen: Alpen, Malediven, aber auch Leute, Eltern, Ferien usw. Pluralis maiestatis ist die Verwendung des Pl. statt des Singulars zur selbsterhebenden Bezeichnung hochgestellter Persönlichkeiten: „Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden“. Pluralis auctoris: Plural der Bescheidenheit, Höflichkeit; ursprünglich rhetorisch-stilistisch bedingte Selbstbezeichnung des Autors mit der 1.Person Pl. Statt 1.Person Singular, um seine eigene Person zurücktreten zu lassen und den Hörer/Leser miteinzubeziehen, wie „wir wollen annehmen...“ Dieser Plural ist sehr verbreitet bei ärztlichen Behandlungen: „Wie geht es uns heute?“, „Haben wir heute Fieber?“.