Freude, schöner Götterfunken - Phänomenologie und Kriteriologie religiöser Freude.

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Freude, schöner Götterfunken - Phänomenologie und Kriteriologie religiöser Freude

Bausteine einer Geschichte der Gefühle im Anschluss an Jan Plamper: - Emotionale Praktiken - Emotionales Regime, Feeling Rules - Gefühlsnavigation - Kommunikation und Artikulation der Gefühle - Gefühle als deutungsbedürftige Deutungsleistungen

1. Zur Theorie der Gefühle Montag, den 1. Januar 1739: Die Herren Whitefield […] mein Bruder Charles und andere 60 Brüder waren bei unserem Liebesmahl in Fetter Lane anwesend. Gegen drei Uhr morgens, während wir beteten, kam die Kraft Gottes plötzlich mit solcher Macht über uns, dass viele vor Freude laut weinten und andere zu Boden fielen.

These: Religiöse Kommunikation hat immer auch zu tun mit der Beschreibung, Deutung und Bewertung von religiösen Gefühlen. Theologie ist die Reflexion dieser (oft impliziten) Deutungs- und Bewertungsleistungen. Theologie ist die ausdrückliche Arbeit an Feeling Rules, die als angemessen oder unangemessen, zu weit oder zu eng diskutiert werden. Theologische Reflexion entwirft so oder so eine Kriteriologie religiöser Gefühle. 2. Theologie als Reflexion religiöser Gefühlskommunikation

Great Awakening 1730er-1740er in den Britisch-amerikanischen Kolonien -Geistliche Aufbrüche in vielen Gemeinden -Reiseprediger und dramatischer Evangelisationsstil (George Whitefield) -Massenhafte Bekehrungen und ekstatische Erscheinungen -Örtliche Spaltungen und postkonfessionalistische Tendenzen -Streit um das Revivalism zwischen Old Lights und New Lights

Jonathan Edwards ( ) -Verknüpfung von puritanischem Erbe und Horizonten der Frühaufklärung A Faithful Narrative, London (Bericht über Erweckung in Northhampton 1734/45) -1741/42: The Distinguishing Marks of a Work oft the Spirit of God und Some Thoughts concerning the Revival of Religion in New-England : A Treatise Concerning Religious Affections -1750: Entlassung durch seine Gemeinde -1757: Präsident von Princeton

Die ganze Nacht über stand mir klar und lebendig vor Augen, wie groß die himmlische Kostbarkeit der alles überragenden Liebe Christi zu mir war. Mir wurde bewusst, dass ich ihm teuer bin, wobei ich eine unaussprechlich wunderbare Stille der Seele empfand, die in völliger Ruhe in ihm begründet war … Es schien, als flösse aus Christi Herzen beständig Welle auf Welle himmlischer und göttlicher Liebe in mein Herz. Meine Seele verharrte in einer Art himmlischen Elysium.… Was ich in jeder Minute während der ganzen Zeit spürte, da dies anhielt, war mehr wert als die Summe aller äußerlichen Annehmlichkeiten und Freuden, die mir in meinem ganzen Leben zuteilwurden. Es war das reine Glück, das die Seele speiste und sättigte. Zeugnis aus Some Thoughts (1742)

Charles Chauncy ( ) - Bostoner Führer der Old Lights (Erweckungskritiker) - Hauptwerk: Seasonable Thoughts on the State of Religion in New England (1743) - Kritik an Disorders and greater Extravagances: Reiseprediger, Missachtung der Parochiegrenzen, Spaltungen in Gemeinden, emotionale Ekstasen, Gefühlsüberschwang, Kritik an Skeptikern, öffentliche Auftritte von Frauen, Jugendlichen und Schwarzen, Vernachlässigung der klassischen Lehre und der öffentlichen Moral (Actions speak much louder than words)

Jonathan Edwards und die Sprache der Gefühlswörter - Emotion - Passion - Feeling - Sentiment - Affection

2.1 Gefühl und Anthropologie - Charles Chauncy: Sektoriale Unterscheidung und hierarchische Zuordnung von Vernunft und Affekt. - Satan works upon the Reason by the Passion; the Ghost works upon the Passion by Reason. - Jonathan Edwards: Funktionale Unterscheidung und dichotomischer Holismus. Die Unterscheidung von understanding and will idealisiert nicht die Dominanz der einen Instanz über die andere, sondern die Konsonanz von z. B. klaren Gedanken und starken Gefühlen. Nicht die Unordnung, sondern die Einseitigkeit mentaler Weltzugänge ist defizitär. - Gegensätzliche faculty psychology prädisponiert unterschiedliche theologische Beurteilungen.

2.2 Gefühl zwischen Authentizität und Täuschung Edwards arbeitet sich kritisch am klassischen Präparationismus der Puritaner ab. Grundsätzlich wird die Vielfalt legitimer Erfahrungen gestärkt (emotional liberty versus emotional suffering). Zugleich ist sich Edwards dessen bewusst, dass die Kommunikation religiöser Erfahrung weitere Erfahrungsmöglichkeiten erschließt wie auch normiert. Das ist legitim und problematisch. There is no one thing that I know of, that God has made such a means of promoting his work amongst us, as the news of others conversion.

2.2 Gefühl zwischen Authentizität und Täuschung Die Frage nach der Wahrheit religiöser Erfahrung stellt sich unweigerlich. In der theologischen Reflexion vermeidet Edwards gleichermaßen jeden Lehr- und Erfahrungsfundamentalismus. Religiöse Gefühle sind vielmehr in ihrem mehrdeutigen Zeichencharakter ernst zu nehmen. I am far from undertaking to give such signs of gracious affections, as shall be sufficient to enable any certainly to distinguish true affections from false in others; or to determine positively which of their neighbours are true professors, and which are hypocrites.

Kriterien bei Charles Chauncy: Mäßigung im Blick auf Intensität bzw. Ausdruck und Selbstbezügliche Rationalität im Blick auf die Intentionalität Kriterien bei Jonathan Edwards: Negativ: Intensität, leiblicher Ausdruck, religiöses Kommunikationsverhalten (Zeugnis, Lobpreis) und Affektivität (Gewissheit, Freude) haben keine Bewahrheitungsqualität. Positiv: Signifikatorisch relevant ist die Intentionalität religiöser Freude. Wahre religiöse Freude ist einer ästhetischen Erfahrung analog, die sich in interesselosem Wohlgefallen ganz auf die erschlossene Schönheit und Exzellenz ihres Gegenstandes hin öffnet. In ihrer Gegebenheitsweise widerfährt dieses Erleben als Selbsttranszendierung (unmittelbar und unwillkürlich). Edwards Kriteriologie religiöser Gefühle verweist zuletzt auf eine Phänomenologie der religiösen Symbolwelt.

Chauncy: Wahrer Glaube verifiziert sich in moralischem Lebenswandel, im Respekt der gesellschaftlichen und kirchlichen Ordnung. Edwards: A cheerful practice of our duty and doing the will of God, is the proper evidence of a truly holy joy. Edwards wird gegenüber der Rhetorik des Revival zunehmend kritisch. Mehr und mehr betont er die zentrale Bedeutung einer solchen Transformation der menschlichen Person, in der die tätige Liebe Vorrang erhält vor den Erfahrungsgestalten religiöser Ergriffenheit. Das steht nicht im Gegensatz zu einem Konzept von experimental religion, nur erweist sich der Wahrheitsgehalt religiöser Freude in der Transformation der menschlichen Person.

Wird auch bei Edwards die Ethik der eigentliche Wahrheitserweis der Religion? William James: Am Ende gelangt man zu unserem empirizistischen Kriterium: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Wurzeln. Jonathan Edwards Treatise on Religious Affections ist eine detaillierte Ausarbeitung dieser These. Nein, diese Deutung ist nicht zu halten.

Edwards betont dagegen den Sinnholismus von Erkenntnis, Erfahrung und Praxis. Es gibt keine Wahrheit religiöser Gefühle unabhängig von der Geschichte, in der sie ihren Ort haben. Darum wird die narrative Vergegenwärtigung und biographische Arbeit unverzichtbares Medium der Auseinandersetzung. Dies galt schon für das Schlüsselzeugnis religiöser Erfahrung in Some Thoughts; es war dem Selbstbericht seiner Frau Sarah entnommen. Eine abschließende Summe seiner Einsichten entfaltet Edwards in biographischen (David Brainerd) und historischen (History of Redemption) Werken.

3. Zeitdeutungskämpfe um die Wahrheit religiöser Gefühle Horizonte einer Theologie der Gefühle: Viele theologische Auseinandersetzungen der Moderne haben ihr nervöses Zentrum nicht nur unmittelbar in dogmatischen Fragen, sondern in Deutungskämpfen um Erfahrungs- und Ausdrucksgestalten religiöser Gefühle. Eine Reihe von Antinomien moderne Debatten ist dabei klärungsbedürftig: Vernunft versus Gefühl (Pietismus/Aufklärungstheologie) Elitenregime versus Demokratisierung (Postkonfessionalität) Erfahrung versus Entscheidung (vgl. Finney, Barth) Dualismus versus Universalismus (vgl. Schleiermacher) Optimismus versus Pessimismus (vgl. Kierkegaard)