Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Zwangsstörung und Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 5./6. November 2011 B.-M. Kindler, PSO II
Überblick: 05.11.11 - Zwangsstörungen 9:00 – 10:30 – Einstieg/ Theoretische Grundlagen „Zwangsstörungen“ 10:45 – 12:15 – Therapie bei Zwangsstörungen 13:00 – 14:30 – Patientenexploration: Stationäre Patientin Frau S. 14:45 – 16:15 – Erstellung der Fallkonzeptionalisierung Kleingruppenarbeit 16:30 – 17:45 – Vorstellung der Fallkonzeptionalisierung/ Behandlungspläne, Diskussion www.uniklinikum-dresden.de Seite 2 2
Überblick: 06.11.11 – Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 9:00 – 10:30 – Einstieg/ Theoretische Grundlagen „Zwanghafte PS“ 10:45 – 12:15 – Beziehungsstörung & Arbeit an der Beziehung Komplementäre Beziehungsgestaltung 13:00 – 14:30 – Patientenvorstellung: Ambulante Patientin Frau M. Patientenexploration 14:45 – 16:15 – Fallkonzeptionalisierung in Kleingruppen Vorstellung und Diskussion www.uniklinikum-dresden.de Seite 3 3
„Wenn ich einen Fehler mache, widerfährt meinen Lieben Schreckliches!“ Der Rattenmann Motto: „Wenn ich einen Fehler mache, widerfährt meinen Lieben Schreckliches!“ www.uniklinikum-dresden.de Seite 4
Theoretische Grundlagen „Zwangsstörungen“ Erscheinungsbild und Definitionskriterien Prävalenzen Diagnostik, Differentialdiagnosen Komorbiditäten Ätiologiemodelle Neuronale Strukturen Folgen neuronaler Überaktivität www.uniklinikum-dresden.de Seite 5
Erscheinungsbild und Definitionskriterien ICD: F42 Zwangsstörung Zwangsgedanken = Ideen, Vorstellungen, Impulse, die den Pat. immer wieder stereotyp beschäftigen. Fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden. Zwangshandlungen = Stereotypien, die ständig wiederholt werden. Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. Der Patient erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das Schaden bringt. Verhalten wird als sinnlos erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich. www.uniklinikum-dresden.de Seite 6
Erscheinungsbild und Definitionskriterien ICD: F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken/Grübelzwang Zwanghafte Ideen, bildhafte Vorstellungen, Zwangsimpulse 3 Hauptthemen: Aggression Blasphemie Sexualität Zwangsgedanken sind nicht zufällig, sondern abhängig vom persönlichen Wertesystem www.uniklinikum-dresden.de Seite 7
Erscheinungsbild und Definitionskriterien ICD: F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken/Grübelzwang Fast immer quälend quälend, teils endlose Überlegung unwägbarer Alternativen, häufig verbunden mit der Unfähigkeit, einfache, aber notwendige Entscheidungen des täglichen Lebens zu treffen. Enge Beziehung zwischen Grübelzwängen und Depression. Eine Zwangsstörung ist nur dann zu diagnostizieren, wenn der Grübelzwang nicht während einer depressiven Episode auftritt und anhält. www.uniklinikum-dresden.de Seite 8
Erscheinungsbild und Definitionskriterien ICD: F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen / Zwangsrituale Bezug zur Reinlichkeit (besonders Händewaschen) Kontrolle (gefährliche Situationen ausschließen) Ordnung Dem Verhalten liegt die Furcht vor einer Gefahr zugrunde, die den Patienten bedroht oder von ihm ausgeht; das Ritual ist ein wirkungsloser, symbolischer Versuch, diese Gefahr abzuwenden. www.uniklinikum-dresden.de Seite 9
ICD: F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen / Zwangsrituale Erscheinungsbild ICD: F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen / Zwangsrituale Kontrollieren: Kochherd, Haustüre, Rechnungen Waschen: Hände waschen, duschen Putzen: Fenster putzen, Wohnung putzen Ordnen: Besteck, Kleider, Teppichfransen Sammeln, Horten: Dinge stapeln, sich nicht trennen können Langsamkeit: Zähne putzen, segmentieren und im Zeitlupentempo durchführen www.uniklinikum-dresden.de Seite 10
Erscheinungsbild: Ich-Dystonie ICD: F42 Zwangsstörung Zustände und Symptome werden von der Person als „nicht zu ihr gehörig“ erlebt, als nicht Bestandteil der Person. „Ich weiß, dass ich das nicht tun müsste.“– „Es ist Quatsch, dass alles aufzuheben – „ Es ist krank, das zu denken.“ – „Ich bin sehr umständlich, wenn ich meine Wohnung verlasse“. – „Normalerweise müsste ich mich nicht so lange waschen“. Das Verhalten verursacht Leidensdruck: „Ich würde gerne damit aufhören, aber ich bin dann so angespannt“. www.uniklinikum-dresden.de Seite 11
Exkurs: Magisches Denken (DSM: Schizotypische PS) Irrtümlichen Annahme einer Person, dass ihre Gedanken, Worte oder Handlungen Einfluss auf ursächlich nicht verbundene Ereignisse ein bestimmtes Ereignis hervorrufen oder verhindern könne, wobei allgemeingültige Regeln von Ursache und Wirkung ignoriert werden. Im Erwachsenenalter kann es ein Symptom mehrerer, abgeschwächter psychotischer Symptome sein. www.uniklinikum-dresden.de Seite 12
Exkurs: Magisches Denken (DSM: Schizotypische PS) Bei Zwangspatienten gilt der Versuch, wahrgenommene Gefahren mit Hilfe magischer Rituale abzuwehren, als Zwangshandlungen. Das Leben soll mit Hilfe magischer Vorgänge noch sicherer werden (Bsp.: Die Kontrollen in ungerader Anzahl vornehmen). www.uniklinikum-dresden.de Seite 13
Prävalenzen ICD: F42 Zwangsstörung Die Gesamtprävalenz der Zwangsstörung beträgt 1 – 3%. Frauen scheinen häufiger als Männer zu erkranken ( durch Studien nicht eindeutig belegt, Kapfhammer, 2000). Es zeigt sich eine zweigipflige Verteilung: bei 30 – 50% der der Patienten bricht die Krankheit bereits in der Kindheit aus bei ca. 66% erst mit ca. 25. Jahren 85% der Zwangsstörungen verlaufen chronisch, 10% mit stetiger Verschlechterung. www.uniklinikum-dresden.de Seite 14
Diagnostik ICD: F42 Zwangsstörung SKID: Strukturiertes Kl. Interview Achse I (Wittchen) Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) (Goodman) Deutsche Version: Hand u. Büttner- Westphal 1991 Das semistrukturierte Interview wurde auch als Selbstbeurteilungsfragebogen publiziert (Baer 2001, Ambühl 2004) Selbstrating von Schaible et al (2001) Hamburger Zwangsinventar (HZI) (Hoyer u. Margraf 2003) Padua- Zwangsfragebogen (Padua-R) (van Oppen et. al., 1995 Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (MOCI), Hodgson u. Rachman, 1977, dt. Übersetzung Kallinke et al. www.uniklinikum-dresden.de Seite 15
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Differentialdiagnostik ICD: F42 Zwangsstörung Abgrenzung zur Schizophrenie: Bei bizarr erscheinenden Denk- oder Handlungszwängen bzw. bei idiosynkratischer Formulierung des Patienten, häufig Fehldiagnosen in Richtung Schizophrenie („meine innere Stimme sagt mir, dass..“.) Liegt Realitätsverkennung vor? Liegen weitere Anzeichen für eine psychotische Störung vor? Oder kann als „innere Stimme“ die „Stimme des Gewissens“ gemeint sein? Abgrenzung zum Wahn: Beim Wahn dominiert die Gewissheit, beim Zwang der Zweifel. Bei der Zwangsstörung sind Urteils- und Kritikfähigkeit nicht gestört (es gibt zudem Übergangsformen). www.uniklinikum-dresden.de Seite 17
Differentialdiagnostik ICD: F42 Zwangsstörung Ähnlichkeiten und Überschneidungen: Angststörungen Depression Essstörungen, stoffgebundene Süchte Zwangssymptome z. T. auch als Begleitsymptome von Epilepsie, Parkinson-Erkrankung, Sydenham Chorea. Zwänge entstehen hier aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors, also keine Zwangsstörung i. S. einer funktionalen Handlung. www.uniklinikum-dresden.de Seite 18
Differentialdiagnostik ICD: F42 Zwangsstörung OCD-related disorder (Störungen des Zwangsspektrums): Gemeinsam ist den Störungen eine erhöhte Anspannung, die die Patienten zu verringern Versuchen. www.uniklinikum-dresden.de Seite 19
ICD: F42 Zwangsstörung: Treten häufig auf in Verbindung mit Komorbiditäten ICD: F42 Zwangsstörung: Treten häufig auf in Verbindung mit Affektive Störungen (Depression, Dysthymia) Phobien (soziale Phobie, Panikstörung m./o. Agoraphobie) PTSD Essstörungen Schizophrenie Störungen des Zwangsspektrums Impulskontrollstörungen, Tic-Störungen, Persönlichkeitsstörungen www.uniklinikum-dresden.de Seite 20
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Psychodynamik: Ausgangpunkt für Zwangsstörungen sind Konflikte zwischen Es und Ich. Furcht vor Es-Impulsen (Zwangsgedanke) führt zum Einsatz von Abwehrmechanismen (Zwangshandlung), um Angst zu reduzieren. Beginn: Zw. 2 und 4 LJ: Psychosexuelle Lust ist an Ausscheidungsfunktion gebunden, während die Eltern zugleich mit der Sauberkeitserziehung beginnen und von den Kindern analen Befriedigungsaufschub fordern. www.uniklinikum-dresden.de Seite 21
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Psychodynamik: Wut führt zur Entwicklung aggressiver Es-Impulse. Wird Aggressivität unterdrückt, kann das Kind auch Scham- und Schuldgefühle sowie das Gefühl, schmutzig zu sein, entwickeln. Gegen die aggressiven Impulse des Kindes stellt sich jetzt ein starker Wunsch, diese Impulse zu beherrschen. Menschen mit einer Zwangsstörung zeigen aggressive Impulse sowie hohes Kontrollbedürfnis diese Impulse zu unterdrücken. www.uniklinikum-dresden.de Seite 22
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Freudsche Hypothese: Zwänge dienen dem Schutz des Individuums, vor einer psychotischen Dekompensation . Wahrscheinlichkeit für einen Zwangspatienten später an Schizophrenie zu erkranken ist nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung (3%). www.uniklinikum-dresden.de Seite 23
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Lerntheorie: Zwei-Faktoren-Modell (Mowrer) Ursprünglich Erklärungsmodell für Phobien: Erste Stufe: Klassische Konditionierung, neutraler Reiz wird mit traumatischem Ereignis gekoppelt, Verhalten reduziert Angst (neg. Verstärkung). Zweite Stufe: Operante Konditionierung: Verhalten hat sich angstreduzierend bewährt, wird stabilisiert und nimmt zunehmend ritualisierenden Charakter an. Zwangshandlungen = konditioniertes, aktives Vermeidungsver- halten auf „unscharfe Reize“ (bspw.: „Etwas ist nicht in Ordnung“) www.uniklinikum-dresden.de Seite 24
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Lerntheorie: Zwei-Faktoren-Modell (Mowrer): Zwangsverhalten ist deshalb so extrem stabil, weil der Patient nicht die Erfahrung machen kann, dass die von ihm befürchtete Konsequenz auch ohne Ausführung des Verhalten nicht eintreten würde. + Klare Erklärung für die Aufrechterhaltung der Zwangsverhalten. Nur die wenigsten Patienten berichten von traumatischen Ereignissen als auslösend für ihre Zwangssymptomatik. Zwangsgedanken können nicht erklärt werden. www.uniklinikum-dresden.de Seite 25
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Kognitiv-behaviorale Modell (Salkovskis): Zwang zeigt 2 Komponenten mit unterschiedlicher Funktion: Gedanken zeigen Stimulus-Charakter (aufdringliche Gedanken /Intrusionen) und erhalten ihre Bedeutung durch einen Bewertungsprozess (“das dürfte ich nicht denken“). Auf negative Bewertung folgt Angst, Anspannung. Reaktionen sowohl auf Handlungsebene als auch auf kognitiver Ebene, haben die Funktion der Neutralisierung. Angst wir kurzfristig reduziert. Langfristig wird Zwangsverhalten stabilisiert. www.uniklinikum-dresden.de Seite 26
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Kognitiv-behaviorale Modell: Entstehung von Zwangsgedanken: Patient versucht nicht mit Verhaltensweisen zu neutralisieren, sondern mittels Gedankenunterdrückung. Aufdringliche Gedanken erhalten erst dann die Qualität von Zwangsgedanken, wenn die Betroffenen sie fehlinterpretieren („ich habe schlechte Gedanken, daher bin ich ein schlechter Mensch“). Gedankenunterdrückung führt zu paradoxen Effekt: Die Bedeutsamkeit der Gedanken und die Auftretenswahr- scheinlichkeit steigt. www.uniklinikum-dresden.de Seite 27
Ätiologiemodelle ICD: F42 Zwangsstörung Netzwerktheorie von Zwängen (Foa & Kozak): Neben kognitiver Seite wird Emotions- und Informations- verarbeitung beachtet. Assoziative Verknüpfungen = Angstnetzwerke als Programme für Flucht oder Vermeidungsreaktion (kohärent, stabil und irrational). Neurophysiologische Theorien von Zwängen (Baxter, 1987): Frontalhirn, Basalganglien und limbisches System sind bei der Manifestation von Zwängen involviert Überaktivität dieses Regelkreises – reguliert sich nach erfolgreicher VT. www.uniklinikum-dresden.de Seite 28
Neuronale Strukturen ICD: F42 Zwangsstörung Orbitofrontale Cortex, Basalganglien, Thalamus: überaktiv Neuronale Impulse gehen vom präfrontalen Cortex über die Basalganglien zum Thalamus. Hier bereitliegende Verhaltensprogramme werden sowohl aktiviert als auch gehemmt – i. d. R. ausgeglichen, da Verhalten situationsangepasst gesteuert wird. Ungleichgewicht zeigt sich in der Zwangsstörung sowie bei Huntingtonschen Krankheit, Tourette-Syndrom, Parkinsonschen Krankheit. Nach Baxter werden auf cortikaler Ebene Verhaltensmakros in Gang gesetzt, die um Themen wie „Aggression“, „Hygiene“, oder „Sexualität“ kreisen. www.uniklinikum-dresden.de Seite 29
Neuronale Strukturen ICD: F42 Zwangsstörung Hemmung der von der Frontalhirnaktivität kommenden Gedanken durch die Basalganglien ist bei Zwangspatienten reduziert – Gedanken werden nicht gestoppt: Chronisches „Unvollständigkeitsgefühl“ (Rapoport) „Sich aufdrängende Unruhe“ (Schwartz, 1999) führt zu dem Gedanken: „Es ist etwas nicht in Ordnung“! www.uniklinikum-dresden.de Seite 30
Folgen neuronaler „ Überaktivität“ ICD: F42 Zwangsstörung Cortikales „Fehlerentdeckungs- und Korrekturprogramm“ im Cingulären Kortex. Bei Zwangspatienten zeigt sich „Fehlalarm“ mit den Folgen von Unruhe und der Ahnung „Irgendwas muss von mir korrigiert werden“, „irgendwas ist falsch gelaufen“. Die neurobiologische Fehlermeldung – die unabhängig von der Informationsaufnahme ist – erklärt, warum Zwangspatienten keine „endgültige“ Sicherheit erleben können. Lernvorgänge und Instinkt-gebundene Verhaltensweisen sind vermutlich an der Ausgestaltung der Zwangshandlungen wesentlich beteiligt. www.uniklinikum-dresden.de Seite 31
Instinkt-gebundene Verhaltensweisen ICD: F42 Zwangsstörung Instinkt-gebundene Verhaltensweisen = genetisch eigebettete Programme. Die Zwangserkrankungen sind durch Grundmuster bestimmt (stammesgeschichtliches Erbe) : Territoriale Abschirmung (Andere auf Distanz halten) Verschleppung eigener Spuren (Grooming) Anlegen von Vorräten (Sammeln, Horten) www.uniklinikum-dresden.de Seite 32
Therapie bei Zwangsstörungen Leitlinien Aufklärung des Patienten Exposition mit Reaktionsverhinderung Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme Behandlung von Zwangsgedanken Behandlung in Gruppen Pharmakotherapie www.uniklinikum-dresden.de Seite 33
Leitlinien ICD: F42 Zwangsstörung Expositionsbehandlung und Reaktionsverhinderung: Konfrontation mit der Stimulus-Exposition und der Verhinderung von Vermeidungsreaktionen - graduiert (Empfehlung!) oder in Form einer Reizüberflutung (flooting). Grundlage der Exposition ist die Erstellung einer Angsthierarchie. In sensu ist je nach Art der Symptomatik (insbesondere Zwangsbefürchtungen mit katastrophalem Inhalt) gegenüber in vivo vorzuziehen. Auch eine In-vivo-Exposition ist unverzichtbares Behandlungselement, insbesondere für das Einüben der Reaktionsverhinderung. www.uniklinikum-dresden.de Seite 34
Leitlinien ICD: F42 Zwangsstörung Expositionsbehandlung und Reaktionsverhinderung: Der Patient wird instruiert, über einen festgelegten Zeitraum Handlungen, die zur Symptomatik gehören, zu unterlassen bzw. - im Falle von täglich notwendigen Verrichtungen - auf ein zeitlich begrenztes Minimum zu reduzieren. Für eine gelungene Reaktionsverhinderung im vereinbarten Rahmen sollte der Patient durch soziale oder Verhaltensverstärkung angemessen belohnt werden. www.uniklinikum-dresden.de Seite 35
Leitlinien ICD: F42 Zwangsstörung Kognitive Therapieverfahren: zielen auf die Minderung der Angst induzierenden Gedanken und auf die kognitive Bewertung. Polarisiertes Denken (Schwarz-Weiß-Denken, Alles-oder- Nichts-Denken) Übergeneralisierung (ist immer so, alle sind so) Arbitäre Schlussfolgerung (negative Interpretationen ohne Datenbasis) Selektiver Filter (Betonung negativer Ereignisse, Negation positiver Erfahrungen) Katastrophisieren (Übertreibung negativer Ereignisse) www.uniklinikum-dresden.de Seite 36
Aufklärung des Patienten ICD: F42 Zwangsstörung Psychedukation Vermittlung eines plausiblen Erklärungsmodells: Biographischer Hintergrund Ableitung eines idiosynkratischen Störungsmodells Verhaltensanalyse Funktionalität der Zwänge www.uniklinikum-dresden.de Seite 37
Aufklärung des Patienten ICD: F42 Zwangsstörung www.uniklinikum-dresden.de Seite 38
Aufklärung des Patienten ICD: F42 Zwangsstörung Verhaltensanalyse: www.uniklinikum-dresden.de Seite 39
Aufklärung des Patienten ICD: F42 Zwangsstörung Ableitung des Vorgehens in der Therapie: Zielklärung! Welche Behandlungsmöglichkeiten können angeboten werden? Vorgehen und Wirkfaktoren der einzelnen Techniken aufzeigen. Abwägen – positive und negative Seiten der Behandlung besprechen. Entscheidung treffen! www.uniklinikum-dresden.de Seite 40
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung Anwendung erst seit Mitte 60er Jahre – Wirksamkeit nachgewiesen: Stabile Behandlungserfolge (50 bis 85%). Soziodemographische Merkmale keinen Einfluss auf Therapieergebnis. Patienten mit reinen Zwangsgedanken zeigen schlechteste Prognosen. Hohe Ängstlichkeit prognostisch günstig. Hohe Depression prognostisch ungünstig. www.uniklinikum-dresden.de Seite 41
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung www.uniklinikum-dresden.de Seite 42
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung www.uniklinikum-dresden.de Seite 43
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung Erstellen einer Zwangshierarchie. Schriftliches Fixieren der Exposition. Vorbereiten eines konkreten Übungsablaufs und des Expositionsvertrages. Besprechen von Normalität. Besprechung möglicher späterer positiver Alternativverhaltensweisen (Verhaltensaufbau). www.uniklinikum-dresden.de Seite 44
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung Vertragsbeispiel (Auszug): „Ich verpflichte mich, vom 01. bis 14.12., folgende Verhaltensweisen ganz zu unterlassen: Händewaschen und Duschen Zähneputzen folgende Verhaltensweisen werden wie folgt ausgeführt: Verwendung von jeweils 1 Feuchttuch nach Stuhlgang Jeden Morgen 1 X frische Unterwäsche In den Stimulussituationen führe ich über meine Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen Protokoll.“ www.uniklinikum-dresden.de Seite 45
Exposition mit Reaktionsverhinderung ICD: F42 Zwangsstörung Nach Stichtag: Exposition mit Reaktionsverhinderung gemäß Vertrag: in vivo, flooding graduiert. Begleitung durch Therapeut: Verstärken, Emotions- bewältigung, Modell geben, Achten auf Vermeidung, Verantwortung dezidiert übergeben! Tägliche Gespräche über Expo: Guppe, Einzel, Visite, Pflege, etc.) Heimexpositionen Ausführung alternativer Verhaltensweisen www.uniklinikum-dresden.de Seite 46
Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen ICD: F42 Zwangsstörung Zwang ist „nicht nur“ negativ verstärkte Reaktion auf Stimuli… Kognitive Elemente spielen wesentliche Rolle bei Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangsstörung: Erwartungen/Befürchtungen hinsichtlich aversiver Konsequenzen Dysfunktionale Überzeugungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen katastrophisierende Überschätzung der eigenen Verantwortlichkeit www.uniklinikum-dresden.de Seite 47
Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen ICD: F42 Zwangsstörung Identifikation dysfunktionaler Überzeugung: „Ich denke, wenn mir so ein schlimmer Fehler passiert, wird mir das niemand verzeihen.“ Häufig müssen dysfunktionale Überzeugungen „entdeckt werden“: „Was wäre so furchtbar an einem Hausbrand?“ – „Ich werde dafür aufkommen müssen.“ „Wie würde das aussehen?“ „Was würde das bedeuten, wenn all Ihr Geld weg wäre?“ „Was würde es bedeuten, wenn Ihr Freund Sie verlässt?“ www.uniklinikum-dresden.de Seite 48
Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen ICD: F42 Zwangsstörung Bearbeiten des Sicherheitsgefühls Kosten-Nutzen- Analyse Verhaltensexperimente mit „kleine Risiken“ Risikoübungen zu individuellen Grundannahmen Paradoxe Betrachtung des Sicherheitsgefühls „Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich mit Bakterien umbringen, wie würden Sie das anstellen?“ www.uniklinikum-dresden.de Seite 49
Bearbeitung dysfunktionaler Überzeugungen Sokratischer Dialog = Hinterfragen der Evidenzen für eine Überzeugung: Was spricht dafür? Was spricht dagegen? Was wäre daran das Schlimmste? Welche Bedeutung hat dies für Sie? Wenn dies so wäre, welche Konsequenz hätte es? Könnte es auch anders sein? Geleitetes Entdecken: Therapeut überzeugt Patienten nicht von der Wahrheit, sondern regt ihn dazu an, seine Überzeugung zu überdenken. www.uniklinikum-dresden.de Seite 50
Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen ICD: F42 Zwangsstörung Gedankenexperimente: Therapeutin: „Wie sicher sind Sie, dass das Haus abbrennt, wenn Sie den Herd anlassen?“ Patientin „50%“ Therapeutin: „Wenn Sie mir 100 Euro dafür geben müssten, um wieder zurück zugehen, um zu kontrollieren, würden Sie es tun?“ www.uniklinikum-dresden.de Seite 51
Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen ICD: F42 Zwangsstörung Überschätzung des eigenen Einflusse: Pie Chart - Methode Doppelte Standards offen legen Übermäßige Zuschreibung von Schuld und Verantwortung: Eigene Überhöhung herausarbeiten Leben ohne Fehler vs. Leben mit Fehlern www.uniklinikum-dresden.de Seite 52
Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme ICD: F42 Zwangsstörung Lebensaufgaben vermeiden Keine Lösung vom Elternhaus Schwierige Lebenssituation Ausbildung / Berufstätigkeit vermeiden Zwänge in Beziehungen zwischen Menschen Zwang als Konfliktvermeidung, Abgrenzung von anderen Sek. Krankheitsgewinn (andere versorgen Pat.) Einfluss haben: Familie hat sich dem Zwangssystem unterzuordnen. www.uniklinikum-dresden.de Seite 53
Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme ICD: F42 Zwangsstörung Zwänge als Gefühlsmanagement neg. Gefühle „wegzwängeln“ Frustration über die eigene Lebenssituation vermeiden pos. Gefühle erzeugen: innere Sicherheit, Sicherheit Leere bekämpfen Zwänge als Automatismen Zwänge laufen teilautomatisch ab (Gewohnheiten) Zwänge bekommen Eigenwert (Alltagsrituale) www.uniklinikum-dresden.de Seite 54
Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme ICD: F42 Zwangsstörung Funktionen für das Selbst Stabilisierung der Gefühlslage durch Pseudokontrolle Vermeidung von echtem persönlichem Wachstum Vermeidung anderer Störungen (Bsp. Depression) Allmachtsgefühle (z.B. bei magischen Zwängen) Zwänge als Lebensphilosophie Übertriebene Moral schafft Überlegenheitsgefühl www.uniklinikum-dresden.de Seite 55
Behandlung von Zwangsgedanken ICD: F42 Zwangsstörung Das wichtigste Ziel: Die subjektive Bedeutung der aufdringlichen Gedanken zu reduzieren. Gedanken sollen „wieder“ unwichtig werden, keine Trigger-Fkt. mehr haben. Der Zwangsgedanke soll nebensächlich werden, so wie „das Gras ist grün“. Erwartungsgemäß sinkt damit langfristig auch die Frequenz der Gedanken, aber dies wird zunächst nicht als explizites Ziel definiert. Das Verschwinden der Zwangsgedanken wird nicht angestrebt!! www.uniklinikum-dresden.de Seite 56
Behandlung von Zwangsgedanken ICD: F42 Zwangsstörung Nach dem Prinzip der Habituation arbeitet sowohl das Übersättigungstraining (die Patienten sollen einen Zwangsgedanken herbeiführen und ihn mindestens 15 Minuten lang aufrecht halten) und die Exposition in der Phantasie (der Therapeut oder ein besprochenes Tonband konfrontiert den Patienten solange mit angstauslösenden Gedanken und Phantasien, bis ein deutlicher Spannungsabfall eintritt). Exposition in sensu (Endloskassette, Collagen erstellen, Reden..) www.uniklinikum-dresden.de Seite 57
Behandlung in Gruppen ICD: F42 Zwangsstörung Störungsspezifische Gruppen Störungsunspezifische Gruppen für Zwangspatienten PIA-Gruppenangebot der Klinik Gruppe für Patienten mit Zwangsstörung und zwanghafter Persönlichkeitsstörung www.uniklinikum-dresden.de Seite 58
Pharmakotherapie ICD: F42 Zwangsstörung Zwänge sprechen nicht auf Anxiolytika an. Erfolge finden sich bei Serotonin-Reuptake-Hemmer (Antidepressiva): Clomipramin (wirksamste Medi., jedoch viele Nebenwirkungen, auch Probleme beim Absetzen, Zwangssymptome steigen wieder an und zzgl. Depression) Fluvoxamin, Fluoxetin, Setralin, Paroxetin www.uniklinikum-dresden.de Seite 59
Rückfallprophylaxe ICD: F42 Zwangsstörung Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit eines RF Rekapitulation der gelernten Strategien Identifikation potentieller Rückfallsituationen Antizipation des effektiven Umgangs damit Stressmanagement Nutzen sozialer Ressourcen (Selbsthilfegruppe) Auffrischungssitzungen beim Therapeuten Familien, in denen negative, kritische und ärgerliche Äußerungen beobachtet werden, provozieren Rückfälle. Insbesondere wenn Familien der Überzeugung sind, Patienten könnten ihre Zwänge unterdrücken, „wenn sie nur wollten“. www.uniklinikum-dresden.de Seite 60
Literaturliste Zwangsstörungen Freud, S. (1982) Zwei Falldarstellungen- Der Rattenmann – Der Fall Schreber. Fischer. Frankfurt a. M. Lakatos, A., Reinecker, R. (2001/2008) Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen, Ein Therapiemanual. Hogrefe. Göttingen Emmelkamp, P. & van Oppen P. (2000) Zwangsstörungen. Fortschritte der Psychotherapie. Manuale für die Praxis. Hogrefe. Göttingen Grawe, K. (2004) Neuropsychotherapie. Hogrefe. Göttingen Süllwold, L., Herrlich, J., Volk, S. (2001) Zwangskrankheiten: Psychobiologie, Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie [Taschenbuch] Oelkers, C., Hautzinger, M. & Bleibel, M. (2007) Zwangsstörungen. Ein kofnitiv- verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. BELTZ. Weinheim. Ecker, W. (1994). & J. Sturm (Hrsg.), Handbuch Stationäre Verhaltenstherapie bei Zwangsneurosen. In M. Zielke: Stationäre Verhaltenstherapie (S. 511 -519). Weinheim www.uniklinikum-dresden.de Seite 61
Literaturliste Zwangsstörungen: Selbsthilfeliteratur Schmidt, U. Crombach, G. & Reinecker, H. (1996). Der Weg aus der Zwangserkrankung. Bericht einer Betroffenen für ihre Leidensgefährten. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht. Hoffmann, N. (1990) Wenn Zwänge das Leben einengen. Mannheim: PAL- Verlag. Hoffmann, N. (1994) Seele im Korsett. Freiburg: Herder. Fricke, S. & Hand, I. (2007) Zwangsstörungen verstehen und bewältigen. Hilfe zur Selbsthilfe. Balance Buch & Medien. Bonn Paderborn. www.uniklinikum-dresden.de Seite 62
Fallkonzeptionalisierung: Maßgeschneiderter Therapieplan Welche Symptomatik liegt vor? Welche soziale Situation? In welchem Zusammenhang steht die Lebensgeschichte zur Störung (Störungsentwicklung)? Erstellung eines Erklärungsmodells. Für welche Therapieziele ist die Patientin am meisten motiviert? Welche Zwangsverhaltensweisen & - gedanken sollen überwunden werden? Welche Behandlungsform scheint geeignet? Wie soll behandelt werden? Welche motivationalen Schemata sollen verändert werden? Welche Beziehungsmuster sollen verändert werden? Wie? Welche Lebensaufgaben werden vermieden? Welche Ressourcen können aktiviert werden? Was könnte die Patientin bei der Neugestaltung von Beziehungen/Lebenszielen unterstützen? www.uniklinikum-dresden.de Seite 63
Überblick: 06.11.11 – Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 9:00 – 10:30 – Einstieg/ Theoretische Grundlagen „Zwanghafte PS“ 10:45 – 12:15 – Beziehungsstörung & Arbeit an der Beziehung Komplementäre Beziehungsgestaltung 13:00 – 14:30 – Patientenvorstellung: Ambulante Patientin Frau M. Patientenexploration 14:45 – 16:15 – Fallkonzeptionalisierung in Kleingruppen Vorstellung und Diskussion www.uniklinikum-dresden.de Seite 64 64
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist eine Distanz-Störung, bei der die Personen sich durch hohe Normorientierung und Rigidität auszeichnen. (R. Sachse, Persönlichkeitsstörungen – Leitfaden für die Psychologische Praxis) www.uniklinikum-dresden.de Seite 65
Wichtige DSM-Kriterien ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Übermäßige Beschäftigung mit Details, Ordnung und Plänen Nichterfüllen von Aufgaben durch Streben nach Perfektion übermäßige Gewissenhaftigkeit, Starrheit gegenüber Moralvorstellungen Unfähigkeit zu delegieren Strenge und Unnachgiebigkeit www.uniklinikum-dresden.de Seite 66
Wichtige Kriterien: Insbesondere in Beziehungen ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Persönliche Beziehungen sind nach Regeln gestaltet und müssen „korrekt“ sein. Überlegene Autoritäten erzeugen Ängste. Um Autoritäten zu beeindrucken zeigen ZPS gute Normbefolgung. Feindseligkeit kann ausgelebt werden, indem für eine Autorität die Bestrafung anderer übernommen wird. Versuch andere zu veranlassen, sich ebenfalls an Regeln zu halten, die sie selbst als „objektiv“ und „verbindlich“ definieren. www.uniklinikum-dresden.de Seite 67
Kosten und Nutzen werden gegeneinander ausgelotet: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Aspekte der finanziellen und persönlichen Sicherheit sind wichtiger als potentielle Verbesserung der Situation. Leben ist nicht von der Suche nach Erfüllung und Freude geprägt, sondern von dem ständigen Bemühen, Gefahren abzuwehren. Für andere ist der Umgang anstrengend. Bedürfnis nach beruhigender Zuwendung ist häufig „ein Loch ohne Boden“. Leben der Patienten selbst ist sehr eingeschränkt; Pat. erwarten auch von ihren Bezugspersonen, dass sie ihr Leben einschränken. www.uniklinikum-dresden.de Seite 68
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Im Unterschied zu anderen Persönlichkeitsstörungen ist bei der ZPS darauf hinzuweisen, dass ein Teil der typischen Charakterzüge in bestimmtem Zusammenhang adaptiv und gesellschaftlich geschätzt sein können: Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit - z. B. im Rahmen einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit. www.uniklinikum-dresden.de Seite 69
Prävalenz / Komorbiditäten ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung 2% in der Bevölkerung 3,6 % in der psychiatrischen Population Nur bei 2 bis 6% der Patienten mit einer Zwangsstörung besteht zugleich auch eine ZPS Bei 15 bis 26% der ZPS findet sich eine Binge-Eating-Störung Bei 20 bis 61% der ZPS findet sich eine Anorexia nervosa Häufig: ZPS und Depression, Angststörung, Suchterkrankungen www.uniklinikum-dresden.de Seite 70
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Verhalten wird aus der Eigenperspektive als nicht störend, krankhaft, abweichend oder normverletzend wahrgenommen. „Ich habe eine Leidenschaft für‘s Sammeln.“ – „Es hat ja viele Vorteile Dinge aufzuheben.“ – „Wenn alle Menschen wie ich wären, hätten wir weniger Probleme auf der Welt.“ – „Ich kann nicht begreifen, warum meine Frau alles wegwerfen will“. Das eigene Handeln, Denken und Fühlen empfindet der Betroffene als zu sich selbst gehörend. Mangel an reflektierter Einsicht in die eigenen Gewohnheiten. www.uniklinikum-dresden.de Seite 71
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Entwicklung beruht auf frühen maladaptiven Schemata (die um ihr „Überleben kämpfen“. Früher haben sie die Realität repräsentiert. (Der Mensch strebt nach Konsistenz: Das Schema verursacht zwar Leiden, ist aber vertraut und deshalb irgendwie angenehm.) Frühe maladaptive Schemata fühlen sich „richtig“ an, auch wenn sich die Umweltbedingungen verändert haben – sie heute eigentlich modifiziert werden müssten. www.uniklinikum-dresden.de Seite 72
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Man kann annehmen, dass das System der vollständigen Abschottung bei Patienten, die in Therapie kommen, teilweise „brüchig“ ist. Patienten mit massiv ich-syntoner Symptomatik verspüren dagegen zu wenig Veränderungsmotivation, um sich auf Therapie einlassen zu können. www.uniklinikum-dresden.de Seite 73
Biographie und Beziehungserfahrungen in der Kindheit: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Häusliche Umgebung birgt viel Aggression, Ablehnung, Wut und Destruktivität hinter einer oberflächlich freundlichen Fassade. Zwanghafte lernen „verbale Magie“: Worte und Regeln werden wichtiger als Emotionen. Die Klienten entwickelten Lösungen für: massiven Konformitätsdruck, bei Regelüberschreitung: Abwertung, Kontrolle, Reglementierung, Aufkündigung von Solidarität, Bestrafung! www.uniklinikum-dresden.de Seite 74
Entwicklungsbedingungen: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Hoher Konformitätsdruck Allein das Befolgen von Normen schafft Kontrolle (Normen werden internalisiert). Beziehungen können grundsätzlich infrage gestellt werden („Du gehörst nicht mehr zur Familie“, „Du kommst ins Heim“, „Du bist nicht mehr mein Kind“.) Person bleibt- angesichts der drohenden Katastrophen nur die Wahl zwischen „100% Rebellion“ und Anpassung. www.uniklinikum-dresden.de Seite 75
Automatische Gedanken (nach Beck et al. 1999): ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Es gibt richtige und falsche Verhaltensweisen, Entscheidungen und Emotionen. Ich darf keine Fehler machen, sonst tauge ich nichts. Wenn man einen Fehler macht, hat man versagt; es ist unerträglich zu versagen. Wenn man einen Fehler macht, verdient man Kritik. Ich muss meine Umgebung und mich selbst vollkommen unter Kontrolle haben; Kontrollverlust ist unerträglich; Kontrollverlust ist gefährlich. www.uniklinikum-dresden.de Seite 76
Automatische Gedanken (nach Beck et al. 1999): ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Falls etwas gefährlich ist oder sein kann, sollte man furchtbare Angst davor haben. Man kann Katastrophen durch magische Rituale oder zwanghaftes Grübeln herbeiführen oder verhindern. Ist die perfekte Vorgehensweise nicht erkennbar, ist es besser, gar nichts zu tun. Ohne meine Regeln und Rituale verliere ich jeglichen Halt www.uniklinikum-dresden.de Seite 77
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Selbstschemata: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Klienten mit zwanghafter PS sind wahrscheinlich immer wieder massiv abgewertet, negativ definiert und abgelehnt worden. Das Motiv nach Anerkennung wird damit zentral sein! Extrem geringe Selbstachtung! Auf emotionale Nähe und Mitteilungsbereitschaft folgt Strafe: „Selbstöffnung ist gefährlich“. Hauptschema: „Vermeide Strafen durch vorauseilender Gehorsam“. Regeln und Normen wurden von der Person internalisiert. www.uniklinikum-dresden.de Seite 78
ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Beziehungsschemata: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Selbstschemata: Beziehungsschemata: Ständige Selbstabwertung: Ich bin nicht ok! Ich habe mangelnde Fähigkeiten Ich bin nicht akzeptabel Ich bin für andere gefährlich. Ich habe nichts zu bieten. Ich habe keine Kontrolle Beziehungen sind kalt und unfreundlich. In Beziehungen wird man eher abgewertet. Beziehungen sind nicht solidarisch. Man verlässt sich besser auf sich selbst Man gibt besser wenig von sich selbst preis. Man bleibt besser auf Distanz, denn Distanz gibt Sicherheit. www.uniklinikum-dresden.de Seite 79
Wichtigste Motive in der Motivhierarchie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung Solidarität Anerkennung Wichtigkeit Autonomie www.uniklinikum-dresden.de Seite 80
Spielebene vs. Motivebene www.uniklinikum-dresden.de Seite 81
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Spielebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Auf der Spielebene werden interaktionelle Ziele verfolgt: Bsp.: Lass nicht zu, dass man Dein System in Frage stellt, denn das wäre gefährlich. Bsp.: Gib wenig von Dir preis, denn das führt zur Abwertung. Es gibt keine Bedürfnis nach Normerfüllung auf der Spielebene!!! Normen zu erfüllen sind Lösungen für das interaktionelle Problem! Normerfüllung wirkt als Schutz gegen Ängste! www.uniklinikum-dresden.de Seite 82
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Spielebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Mit Interaktionspartnern, die bestimmt Normen nicht erfüllen, will man nichts mehr zu tun haben. So werden im Extremfall sogar eigene Kinder „verstoßen“, weil sie sich „unanständig“ verhalten haben. Patienten mit ZPS machen sich als Regelsetzer wenig Freunde: Ihre Images und Appelle sind: Ich weiß Bescheid Ich bin Euch moralisch überlegen Lasst mich in Ruhe Tut, was ich Euch sage, aber bleibt auf Distanz! www.uniklinikum-dresden.de Seite 83
Die komplementäre Beziehungsgestaltung Therapeutenverhalten wird auf die individuellen Bedürfnisse, Befürchtungen, Ziele und Motive der Patienten zugeschnitten Zentral: individuelle Passung zwischen Therapeutenmerkmalen und -verhalten mit spezifischen Patientenbedürfnissen Patienten mit Bedürfnis nach Autonomie profitieren mehr von nondirektiven gesprächstherapeutischen Therapeutenverhalten. Patienten mit einem Bedürfnis nach Struktur dagegen mehr von einem direktiveren, verhaltenstherapeutischeren Vorgehen. www.uniklinikum-dresden.de 84
Die komplementäre Beziehungsgestaltung Passung zwischen • Patient und Therapeut • Patient und Behandlungsmodell des Therapeuten • Störung und Therapeut • Störung und Behandlungsmodell direktive, strukturierte und symptom- und fertigkeitenorientierte Therapie scheint bei sog. externalisierenden Patienten erfolgreicher (Impulsivität, Handlungsorientierung, Aggressivität, Stimulusorientierung, geringe Introspektionsfähigkeit) interaktions- und einsichtsorientierte Therapie bei sog. internalisierenden Patienten erfolgreicher (Schüchternheit, Inhibition, Überregulation, Selbstkritik) www.uniklinikum-dresden.de 85
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Zunächst werden die Normen und Regeln des Patienten NICHT infrage gestellt (infrage stellen führt zu Reaktanz). Normen und Regeln werden aber auch nicht bestätigt (um nicht das dysfunktionale System des Klienten zu festigen) Normen und Regeln werden nicht kommentiert (weder gut, noch schlecht, weder problematisch, noch hilfreich). Normen werden ausschließlich explizit gemacht und als Normen verdeutlicht und akzeptiert. www.uniklinikum-dresden.de Seite 86
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Das erste was der Therapeut dem Klienten entgegenbringen sollte, ist Respekt. Dem Patient muss vermittelt werden können, dass sich der Therapeut für ihn interessiert, dass der Therapeut verstehen will, warum er was tut. …, dass der Therapeut verstehen will wie es dem Klienten geht, wie er denkt und warum er so denkt. Der Therapeut hat keine Ansprüche an den Klienten, der Klient kann thematisieren, was immer er will. www.uniklinikum-dresden.de Seite 87
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Es ist förderlich mit dem Klienten über unproblematische Themen zu reden: Was tut er gerne? Was interessiert ihn? (Der Pat. muss beim Therapeuten nicht darum kämpfen, akzeptiert zu werden). Wichtig: Therapeut nimmt Stärken und Ressourcen des Klienten wahr! Therapeut hält Patienten für kompetent, für fähig, für entschlussstark (und der Therapeut findet Bsp. wo der Pat. genau diese Merkmale zeigt..) www.uniklinikum-dresden.de Seite 88
Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung Vorsichtig - nach Aufbau der Beziehung - können zentrale Beziehungsmotive explizit gemacht werden: Bedürfnis nach Kontrolle, nach Anerkennung, Wichtigkeit, Solidarität, Autonomie und Selbstbestimmung. www.uniklinikum-dresden.de Seite 89
Literaturliste Persönlichkeitsstörung Beck/Freemann: Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen Fiedler: Persönlichkeitsstörungen Saß/Herpertz: Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen. Beiträge zu einem schulenübergreifenden Vorgehen. Herpertz/Saß: Persönlichkeitsstörungen Tress W./Wöller W./Hartkamp W./Langenbach M/Ott J.: Persönlichkeitsstörungen. Leitlinien und Quellentexte Millon: Disorder of personality Sachse: Psychologische Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen Trautmann-Sponsel/Zaudig: Diagnostik und Differentialdiagnostik der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV Young J et al. (2005): Schematherapie. Paderborn: Junfermann Luborsky L (1984): A manual for supportive-expressive dynamic psychotherapy Albani, Pokorny, Blaser, Kächele: Beziehungsmuster und Beziehungskonflikte Manual zur Methode des Zentralen Beziehungskonflikt-Themas (ZBKT). Ergänzungen und Weiterentwicklung der Leipzig-Ulmer ZBKT-Arbeitsgruppe (ZBKTLU) www.uniklinikum-dresden.de Seite 90
Literaturliste Persönlichkeitsstörungen : Selbsthilfeliteratur Young, J & Klosko, J. (2008) Sein Leben neu erfinden. Wie Sie Lebensfallen meistern. Junfermann. Kommentar: Zwanghafte Persönlichkeitszüge werden hier als „Variante der Lebensfalle Verletzbarkeit“ behandelt (ab S. 231): Übertriebene Sorgen vor Mittellosigkeit : Pat. hält Geld zusammen Übertriebene Vorsicht: nicht Eingehen von Risiken Übertriebene Anstrengungen: sich vor Verbrechen zu schützen. Grundsätzliche Vermeidung im Alltag. „Bewältigungsmechanismen“, die Gefahren abwehren, wie bspw. Symptome der Zwangsstörung oder abergläubisches Denken. www.uniklinikum-dresden.de Seite 91
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.uniklinikum-dresden.de Seite 92
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr K., 26 J., ohne Ausbildung, ledig, Single Symptomatik: Antriebs- und Motivationslosigkeit, sozialer Rückzug, Schüchternheit , in Leistungssituationen nervös, zittern, schwitzen. Sorgen, Grübeleien, Zukunftsängste. Orientierungslosigkeit, Einsamkeit. Suizidgedanken erstmalig 2008. Gelegenheitsraucher, mäßiger Alkoholkonsum. www.uniklinikum-dresden.de Seite 93
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr K: Starke Abwertung in der Kindheit „Du bist nichts! Du kannst nichts! Das wird eh nichts!“ Mit Bruder (+5 J.) bis zum 13 LJ bei Mutter (+30, Kindergärtnerin) und Vater (+34, Maurer) aufgewachsen. Nach der Scheidung mit Mutter nach Radebeul gezogen. Stets zum Vater Kontakt gesucht . Neuer Lebenspartner der Mutter herrschsüchtig und rechthaberisch. Mutter häufig abwertend: „Du nimmst Dir zu viel vor und schaffst es dann nicht“. Als Kind vom Vater geschlagen und stark abgewertet. Vater sei nach der Scheidung kaum noch verfügbar gewesen („er hat mich hängen lassen“). www.uniklinikum-dresden.de Seite 94
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr K: Beziehungserfahrungen in der Kindheit/Jugend Mit 13. LJ Scheidung der Eltern erlebt, seitdem Antriebsproblematik. Offene Konflikte der Eltern, Bruder bereits im eigenen Haushalt: Den Streitigkeiten der Eltern gegenüber „allein ausgesetzt gewesen“. Schulschwierigkeiten mach Wechsel der Mittelschule („die Mitschüler hatten schon Grüppchen gebildet“). Mit 18 Jahren Hauptschulabschluss absolviert (“Ich schäme mich für meine Noten“) www.uniklinikum-dresden.de Seite 95
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr K: Beziehungserfahrungen Partnerschaft Eine Partnerschaft gehabt, die Partnerin habe ihn wegen eines anderen verlassen. Er habe sich damals um sie gekümmert, als sie sich eine Lehrstelle suchen musste. Sei sehr redegewandt gewesen, wenn er für sie gesprochen habe („nur für mich selbst kriege ich nicht den Mund auf“). Ihre Eltern „hätten ihn nie gemocht“, er habe nichts recht machen können. www.uniklinikum-dresden.de Seite 96
Herr K: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen Abwertung und familiären Unsicherheit als Ursprung dysfunktionaler Überzeugungen und emotionaler Fehlanpassung. Drang nach Rigidität entspringt dem Sicherheitsbedürfnis. Als besonders schlimm beschreibt der Patient die Zeit, in welcher sich die Eltern haben scheiden lassen. In dieser Zeit sei er „entwurzelt“ worden. Er habe sich vor allem allein gelassen gefühlt, sowohl von Mutter als auch Vater „Ich wurde hängen gelassen. Dichotome Schemata (es gibt nur richtige oder falsche Verhaltensweisen) führen zum Teil zum Stillstand zielgerichteten Verhaltens („ich laufe dann stundenlang im Kreis im Zimmer und vergesse Termine“). www.uniklinikum-dresden.de Seite 97
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr W., 48 J., Diplomökonom, ledig (in Partnerschaft lebend) Symptomatik: Kontrollzwänge, Herd und Haustür, Fenster, Tierkäfige. Sammelzwänge (Sammelleidenschaft), Zeitungen, Kassenzettel, Wurfsendungen. Entscheidungsschwierigkeiten, Herzleistungsminderung seit Nov. 2009, daraus folgend vermehrt Ängste. Lustlosigkeit bis zur stationären Therapie Alkoholmissbrauch www.uniklinikum-dresden.de Seite 98 98
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr W: Kindheit „Ich war Hans Dampf in allen Gassen“ Er sei neugierig gewesen, manchmal frech, aber auch mal unglücklich, insgesamt ein Kind voller Ideen. Nägelkauen bis 15 Jahre. Zwei- bis dreimal sei er zwischen den Jahren 1967 und 1969 von zu Hause fortgelaufen. Mit 5 Jahren allein mit Kinderroller zum Flughafen, einmal der Oma bei Ausflug entwischt und allein durch ganz Dresden gefahren. www.uniklinikum-dresden.de Seite 99 99
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr W: Beziehungserfahrungen in der Kindheit/Jugend Aufgewachsen bei alleinerziehender Mutter (+27, Kinderpflegerin), Vater (nahezu) unbekannt, aus Bulgarien, lebt dort mit eigener Familie (mit 27 J. hat Pat. Vater aufgesucht – ihn als Alkoholiker wahrgenommen, gewünscht, dass dies nicht sein Vater sei). Großvater (ms) versuchte Vaterrolle zu übernehmen, auch der Onkel (ms), signalisierte gleichzeitig, dass Pat. mit Mutter bei ihm in Berlin „unerwünscht“ seien, sollten lieber in DD wohnen bleiben, da er eigene Familie zu versorgen habe. Mutter hatte nur wenige kurzfristige Beziehungen, Pat. keinen „wirklichen“ Stiefvater erlebt. www.uniklinikum-dresden.de Seite 100
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr W: Beziehungserfahrungen Partnerschaft Die aktuelle Partnerin (41 Jahre) ist Physiotherapeutin und wird vom Patienten als einfühlsam und sehr lieb beschrieben (gibt alle Liebe die ein Mensch geben kann), mit Familiensinn und energisch. Das Paar kenne sich seit 1996. Seit 2003 lebe der Patient mit seiner Partnerin in gemeinsamer Wohnung. Beim Ausbau der Wohnung habe vor allem die Verwandtschaft der Partnerin sehr intensiv mitgearbeitet. Er sei stolz auf das gemeinsame Heim was sie sich geschaffen haben. An der Partnerin störe ihn, dass sie manchmal zu impulsiv sei. www.uniklinikum-dresden.de Seite 101
Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS Herr W: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen Als besonders schlimm beschreibt der Patient die Zeit, in welcher er ohne Partnerin alleine gelebt habe. In dieser Zeit habe er angefangen Dinge zu sammeln, was ihm das Gefühl von Sicherheit verschafft habe. Aufrechterhaltende Faktoren: Sicherheitserleben, Selbstberuhigung durch Kontrolle. Es wird „zusammengesammelt was zusammengehört“, sogar bevor es weggeworfen wird (Weinflaschen einer Kiste können nicht einzeln entsorgt werden). www.uniklinikum-dresden.de Seite 102
Herr W: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen Bedürfnis nach Zugehörigkeit, welche in der Kindheit vermisst wurde. Interaktionsmuster zur Mutter: Zuwendung teilweise überversorgend mit Schuldgefühlen versetzt: Aus dem „Hans Dampf in allen Gassen“ einen Menschen prägen, der Expansivität vermeidet (Betriebswirt statt Regisseur, lieber keine Entscheidung treffen, als eine falsche Entscheidung). www.uniklinikum-dresden.de Seite 103