Dr.-Ing. Thorsten Gottschau Synthetische Biokraftstoffe (BtL-Kraftstoffe): Verfahren, Aktivitäten und Potenziale für die Landwirtschaft Dr.-Ing. Thorsten Gottschau Fachagentur Nachwachsende Rohstoff e.V. (FNR), Gülzow Vortrag anlässlich der Tagung Bioenergie – Basis für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft am 09. März 2006 in Güstrow
Gliederung Einführung und Rahmenbedingungen Synthetische Biokraftstoffe: Grundlagen, Aktivitäten und Verfahren Bedeutung für die Landwirtschaft
Erdölimporte und Kraftstoffversorgung Deutschlands Jahr 1973 1983 1993 2003 Rohöleinfuhr (in 1000 t) 110.493 85.019 99.464 106.360 Mineralölpro- dukteinfuhr (in 1000 t) 41.789 41.701 45.741 36.062 Inlandspro-duktion (in 1000 t) 6.638 4.167 3.064 3.690 Verbrauch Ottokraftstoffe (in 1000 t) 20.537 25.903 31.528 25.850 Verbrauch Dieselkraftstoff (in 1000 t) 14.292 17.283 25.084 27.944 Quelle: Mineralölwirtschaftverband (MWV): Mineralöl-Zahlen 2003, Hamburg, Mai 2004
Entwicklung der Kohlendioxid-Emissionen Deutschland 1991-2001 Quelle: BMWA: Energie Daten 2003
EU Ziele zum Einsatz erneuerbarer Energien (EE) in verschiedenen Sektoren Anteil am Energieverbrauch insgesamt 12 % EE bis 2010 – aktuell 6% Elektrizität (ca. 45 % des EU Energieverbrauchs) 21 % EE bis 2010 – aktuell ca. 14 % Heizung (ca. 30 % des EU Energieverbrauchs) Kein spezifisches Ziel festgelegt Biotreibstoffe (ca. 25 % des EU Energieverbrauchs) 5,75 % EE bis 2010 - aktuell 1,4 %
Erfüllung der EU-Mengenziele 2005 gemäß Richtlinie 2003/30/EG (Anteil der Kraftstoffe am gesamten Kraftstoffverbrauch **) * EU-Kommission, Aktionsplan für Biomasse, KOM(2005) 628 ** Bezogen auf den Energiegehalt
Biomasse-Aktionsplan der EU Ziele des am 07. Dezember 2005 von der EU-Kommission verabschiedeten Biomasse-Aktionsplans sind: Beitrag der Biomasse an der Energieerzeugung in der EU verdoppeln weitere Ausweitung bis 2020 vorbereiten Vorschläge der Kommission zu den Bereichen Wärme- und Stromerzeugung Biokraftstoffe Querschnittsaufgaben Forschung und Entwicklung (FuE)
Biokraftstoffoptionen - Richtlinie 2003/30/EG Bioethanol, ETBE*, Biomethanol**, MTBE, Pflanzenöle*, Biodiesel (FAME)*, Dimethylether (DME), Biogas*, BtL-Kraftstoffe**, Biowasserstoff*** * 1 . Kraftstoff-Generation ** 2 . Kraftstoff-Generation *** langfristige Option
Potenziale von Biokraftstoffen
? Problem Einfacher Kohlenwasserstoff Dieselkraftstoff (vereinfacht) -[CH2-CH2-]n- ? Lignin Cellulose C6H10O5 Stoff Anteil [%] Cellulose 40 – 50 Lignin 20 – 30 Andere 20 - 30 Komplexe organische Moleküle Biobrennstoffe
Lösungsweg: Vergasung und Synthese Aufgabe: Biomasse zu Kohlenwasserstoff CH1,4O0,7 ==> -[CH2]- Mögliche Lösung: Umsetzung zu Synthesegas CH1,4O0,7 ==> CO + H2 Synthesen: CO + H2 ==> - [CH2]n- + H2O Fischer-Tropsch Methanol CO + 2H2 ==> CH3OH
Bei der Vergasung ablaufende Reaktionen (vereinfachte Darstellung) 2C + O2 2 CO Teilverbrennung C + H20 CO + H2 heterogene Wassergas-Reaktion C + CO2 2 CO Boudouard-Reaktion CO + H20 CO2 + H2 homogene Wassergas-Reaktion C + 2H2 CH4 hydrierende Vergasung CO + 3H2 CH4 + H2O Methanisierung
Charakteristika der Teilverfahren Vergasung: Eintrag von Biomasse in den Vergaser (besonders bei druckaufgeladenen Verfahren) Produktgaszusammensetzung Störstoffe wie Teere oder Halogene Synthesen: Laufen unter Druck ab: Fischer-Tropsch: 30 bis 50 bar Methanol: 50 bis 100 bar Empfindliche Katalysatoren (Halogene, Schwefel, Partikel, Teere)
Zur Vergasung Das Vergasungsverfahren ist das Kernstück der BtL-Produktion Problembereiche der Vergasung sind: Teere Partikel/Staub Andere Störstoffe wie Alkalien und Halogene Produktgaszusammensetzung
Verfahrensführung bei Vergasungsverfahren Verfahrensführung bei Gegenstrom- und Gleichstromprozessen Links: Gegenstrom Rechts: Gleichstrom Quelle: Kaltschmitt, M., Hartmann,H.: Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren
Wirbelschichtvergasung Zirkulierende Wirbelschichtvergasung nach FhG-UMSICHT. Quelle: Herstellerangaben
Teergehalte der Vergasung Verfahren Teergehalte [g/Nm³] Spanne/Mittelwert Festbett, Gegenstrom 10 bis 150/50 Festbett, Gleichstrom 0,1 bis 6/0,5 stationäre Wirbelschicht 1 bis 23/12 zirkulierende Wirbelschicht 1 bis 30/8
Partikelfrachten bei der Vergasung Verfahren Partikelgehalte [g/Nm³] Spanne/Mittelwert Festbett, Gegenstrom 0,1 bis 3/1 Festbett, Gleichstrom 0,2 bis 8/1 stationäre Wirbelschicht 1 bis 100/4 zirkulierende Wirbelschicht 8 bis 100/20
Produktgaszusammensetzungen Parameter Festbett, Gegenstrom Festbett, Gleichstrom zirkulierende Wirbelschicht H2 [Vol.-%] 10 bis 14 15 bis 21 15 bis 22 CO [Vol.-%] 15 bis 20 10 bis 22 13 bis 15 CO2 [Vol.-%] 8 bis 10 11 bis 13 CH4 [Vol.-%] 2 bis 3 1 bis 5 2 bis 4 Heizwert [MJ/Nm³] 3,7 bis 5,3 4,0 bis 5,6 3,6 bis 5,9 Angaben für die Vergasung von Holz Quelle: Kaltschmitt, M., Hartmann,H.: Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren
Einfluss der Vergasungshilfsmittels Parameter Luft Dampf Dampf/Sauer- stoff-Mischung H2 [Vol.-%] 8 bis 10 53 bis 54 25 bis 30 CO [Vol.-%] 16 bis 18 21 bis 22 43 bis 47 Heizwert [MJ/Nm³] 4,5 bis 6,5 12,7 bis 13,3 12,0 bis 13,0 Gasausbeute [Nm³/kg Brennstoff] 1,7 bis 20 1,3 bis 1,4 1,0 bis 1,1 Angaben für die Vergasung von Holz Quelle: Kaltschmitt, M., Hartmann,H.: Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren
Definition Synthetische Biokraftstoffe/Biomass-to-Liquid (BtL) BtL-Kraftstoffe sind aus Kohlenwasserstoffen zusammengesetzte Kraftstoffe, die über ein aus Biomasse gewonnenes Synthesegas erzeugt werden. Als Syntheseschritt kann jede Synthese eingesetzt werden, die direkt oder über Zwischenprodukte Kohlenwasserstoff erzeugt. Es kann eine Vorkonditionierung der Biomasse erfolgen, ein direkte Biomassevergasung ist nicht zwingend.
Schema BtL-Herstellung Aufbereitung Transport Zwischenprodukt H2 Gaskondi- tionierung CO2 Vergasung Synthese Fischer-Tropsch Methanol-to-Synfuel(MtS) Aufbereitung Aufbereitung „on site“ H2 Biobrennstoffe Waldrestholz, Plantagenholz, Energiegetreide, Mais u.ä.
Vorteile BtL-Kraftstoffe BtL-Kraftstoffe können so produziert werden, dass sie die bestehenden Kraftstoffnormen DIN EN 228 und DIN EN 590 einhalten BtL-Kraftstoffe können über die Synthese/Auf-bereitung geänderten Anforderungen von Ver-brennungsmotoren vergleichsweise einfach angepasst werden die Verteilungsinfrastruktur erdölstämmiger Kraftstoffe kann ohne Modifikationen genutzt werden zur Produktion können grundsätzlich alle Arten von Biomasse genutzt werden, damit kann auf ein hohes Biomassepotenzial zurückgegriffen werden
Nachteile BtL-Kraftstoff die Energieausbeute der BtL-Route ist mit 18 bis 20%, bezogen auf den Energieeintrag des Kraftstoffs, (noch) gering das Herstellungsverfahren ist komplex und ohne entsprechende Zwischenschritte nicht für eine (stark) dezentralisierte Produktion geeignet für die Herstellung und Aufbereitung werden größere Mengen Wasserstoff benötigt
Deutsche Aktivitäten bei BtL-Kraftstoffen SunDiesel®/Carbo-V®-Verfahren der Choren Industries GmbH, Freiberg/Sachsen (mit Shell) Dreistufige Vergasung mit Fischer-Tropsch-Synthese CUTEC-Institut GmbH, Clausthal-Zellefeld Stationäre Wirbelschicht mit Teilstrom Fischer-Tropsch-Synthese (ARTFUEL-Vorhaben) Forschungszentrum Karlsruhe Slurry-Herstellung und Flugstromvergasung (BioLiq) Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (IEC) der Technischen Universität Bergakademie Freiberg (P)HTW-Vergaser mit Methanol-to-Synfuel(MtS)-Route
Choren Industries GmbH, Freiberg/Sa.: Carbo-V® Prozess Technisch am weitesten entwickeltes deutsches BtL-Verfahren. Für 2007 ist die Inbetriebnahme einer Demonstrations-anlage mit ca. 50 MWth in Freiberg mit einer Kapazität von ca. 15.000 t/a Zusammenarbeit mit Shell Charakteristika: Drei Vergaserstufen: Niedertemperaturvergaser (500°C) Hochtemperaturvergasung der Teere (1400°C) Flugstromvergasung Biokoks (800°C) Fischer-Tropsch-Synthese Brennstoff vorzugsweise Holz, auch Stroh möglich
Carbo-V®-Prozess Quelle: Herstellerangaben
ARTFUEL-Projekt der CUTEC Technikumsanlage, derzeit im Probebetrieb Umsetzung eines Teilstroms des Produktgases Förderprojekt des Landes Niedersachsen Charakteristika: Einstufige stationäre atmosphärische Wirbelschichtvergasung, Leistung ca. 0,4 MWth Fischer-Tropsch-Synthese eines Teilgasstroms (ca. 1/10) Brennstoffe Holz und Stroh
BioLiq-Verfahren des Forschungszentrums Karlsruhe (teilweise) Umsetzung im Technikumsmaßstab erfolgt Erhöhte Dezentralität durch Biomassekonditionierung erreichbar Umsetzung in den Pilotmaßstab läuft als Förderprojekt von BMELV/FNR Charakteristika: Biomasse-Konditionierung über Slurry-Herstellung Synthesegaserzeugung im Flugstromvergaser (GSP-Vergasertyp der Future Energy AG) Fischer-Tropsch-Synthese und Methanolsynthese möglich, zentrale Umsetzung des Methanols zu BtL- Kraftstoffen Brennstoffe vorzugsweise Stroh, ggf. Holz
Vergasungsschritt im BioLiq-Verfahren Nutzung des erprobten GSP-Vergasers der Future Energy AG, Freiberg/Sachsen Flugstromvergaser Besonderheiten: Hoher Arbeitsdruck möglich Geringe Verweilzeiten Teerfreies und methanarmes Synthesegas Hohe Asche- und Salzgehalte des Brennstoffsmögliche Lange Reisezeiten Umfangreiche Erfahrungen mit GSP-Vergasertyp www.fzk.de
GSP-Vergaser der Future Energy AG Vergaserkopf Vergaserunterteil
(P)HTW-Verfahren der TU BA Freiberg Pilotanlage mit ca. 10 MWth Projekt befindet sich derzeit in der Vorbereitung Umsetzung ab dem Jahr 2007 vorgesehen Förderprojekt von BMELV/FNR Charakteristika: Einstufige druckaufgeladene Wirbelbettvergasung nach Winkler, Leistung ca. 10 MWth Methanolsynthese, zentrale Umsetzung des Methanols zu BtL-Kraftstoffen Brennstoffe Energiepflanzen, Stroh und ggf. Holz
Bestandsaufnahme Deutschland kann derzeit weltweit als führend bei Verfahren für BtL-Kraftstoffe angesehen werden es ist zu erwarten, dass im Jahr 2010 BtL-Kraftstoffe in nennenswerter Menge produziert werden voraussichtlich werden sich verschiedene BtL-Verfahren am Markt etablieren können, der Prozess der Choren Industries GmbH ist dabei derzeit technisch am weitesten entwickelt Ohne weitere öffentliche Förderung bzw. flankierende Maßnahmen (ermäßigte Mineralölsteuer) kann die Entwicklung von BtL-Prozessen nicht zu Ende geführt werden
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Aufgabe: Zentrale Koordinierungsstelle für nachwachsende Rohstoffe in Deutschland Gründung: Oktober 1993 Sitz: Gülzow bei Güstrow, Mecklenburg–Vorpommern Support: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Förderung (2005): FuE: 24,5 Mio. € Markteinführung: 7,9 Mio. € Status: Eingetragener Verein
Aufgaben der FNR
Fördermaßnahmen über die FNR Die FNR betreut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) das Programm Nachwachsende Rohstoffe zur Förderung von Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben Fördermaßnahmen im Bereich BtL: Vorbereitung einer (P)HTW-BtL-Pilotanlage bei der TU BA Freiberg Bau einer BioLiq-Pilotanlage beim Forschungszentrum Karlsruhe Ökobilanzierung von BtL-Prozessen durch das ifeu Ergänzend: Verbundvorhaben EVA zum Energiepflanzenanbau In Planung: BioLog-Vorhaben zur Biomasse-konditionierung
Bioenergiepotenzial Außer Energiepflanzen und Holz können auch Neben- und Koppelprodukte, Rest- und Abfallstoffe sowie Aufwuchs von Naturschutzflächen genutzt werden. Die energetische Nutzbarkeit solcher Biomassen wird unterschiedlich bewertet. Zudem hängt die Prognose der Flächenverfügbarkeit immer von den Randbedingungen ab! Die resultierendenbisherigen Aussagen zum Potenzial von Bioenergieträger sind daher recht uneinheitlich: Hartmann/Kaltschmitt: ca. 1.300 PJ/a (heute) Fritsche et al.: 523 – 654 PJ/a (Bezugsjahr: 2010) Nitsch et al.: 694 – 1.600 PJ/a (Bezugsjahr: 2010) Primärenergieverbrauch 2005: 14238 PJ
Flächenpotenziale für Bioenergie nach Fritsche et al. Jahr Referenz-senario [Mio. ha] Umwelt- szenario Biomasse- senzario 2010 2,03 0,82 1,97 2020 2,48 1,88 3,45 2030 3,48 3,01 4,44
Einfluss der Verfahrenseffizienz Energiepflanzenfläche nach Nitsch et al. Szenario Technisches Potenzial Bezugsjahr 2010 2020 2030 2040 2050 Fläche [Mio. ha] 2,5 3,4 4,3 5,2 6,1 Energie-ertrag [PJ/a] 694 944 1193 1443 1693 Verfahrenseffizienz Dieseläquivalent [Mio. t Diesel] 0,2 3,18 4,33 5,47 6,62 7,77 0,3 4,77 6,5 8,21 9,93 11,66 0,5 7,96 10,83 13,69 16,55 19,42
Fazit Bei einer konsequenten Entwicklung werden BtL- Kraftstoffe einen, auch mengenmäßig, wichtigen Beitrag zu einer zukünftigen nachhaltigen Kraftstoffversorgung erbringen können Für die Landwirtschaft kann die Brennstoffbereitstellung für BtL-Verfahren zu einem weiteren Standbein werden Durch die Umsetzung dezentral gestalteter BtL- Verfahren kann auch der ländliche Raum gestärkt und die Beschäftigungslage im ländlichen Raum verbessert werden
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!