Praktische Philosophie der Neuzeit

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Praktische Philosophie der Neuzeit Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie der Neuzeit 9. Staatsvertrag Vergleich (Hobbes, Spinoza, Locke, Pufendorf)

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Staatsvertrag Vergleich Hobbes: „Ich gebe mein Recht, über mich selbst zu bestimmen, auf und übertrage es diesem anderen Menschen oder dieser Versammlung – unter der alleinigen Bedingung, dass auch du ihm deine Rechte überantwortest und ihn ebenfalls zu seinen Handlungen ermächtigst“ (Lev. Kap. XVII) („Versammlung, in der durch Abstimmung der Wille aller zu einem gemeinsamen Willen vereinigt wird“). „Zum dritten muss sich ein jeder bei der Wahl des Souveräns dem Urteil der Mehrheit fügen. ... Ob er bei dem Vertragsschluß anwesend war oder nicht, ob er nach seiner Meinung gefragt wurde oder nicht, er muss sich entweder unterordnen, oder er wird in dem Zustand des Krieges aller gegen alle verharren und kann von jedem getötet werden, ohne dass ihm Unrecht geschähe.“ (Lev. Kap. XVIII) Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 2

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Idealiter schließt also jeder mit jedem einen Vertrag, realiter muss man sich in einem Gebiet einer Mehrheit fügen, sonst bleibt man im Kriegszustand (muss das Gebiet verlassen oder hat keinen Rechtsschutz). Gesellschaftsvertrag und Herrschaftsvertrag in einem Akt, zweiseitiger Vertrag jedes mit jedem, kein Vertrag mit dem Herrscher, keine unantastbareren Rechte des Einzelnen, kein Widerstandsrecht. Spinoza: „Es braucht eben nur jeder die ganze Macht, die er besitzt, auf die Gesellschaft zu übertragen, die damit das Recht der Natur auf alles hat, d.h. die allein die höchste Regierungsgewalt innehat und der jeder aus freiem Willen oder aus Furcht vor der härtesten Bestrafung gehorchen muss. Das Recht einer derartigen Gesellschaft heißt Demokratie; sie ist demnach zu definieren als eine allgemeine Vereinigung von Menschen, die in ihrer Gesamtheit das höchste Recht zu allem hat, was sie vermag.“ (TTP. Kap. XVI). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 3

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Die Gesellschaft kann die Staatsformen der Monarchie, Aristokratie oder Demokratie im engeren Sinne (Herrschaft durch Bürgerversammlung) beschließen. Also Trennung von Staatsvertrag und Regierungseinrichtung. Keine Grenzen der Rechte des Staates außer Denkfreiheit und freie Meinungsäußerung (nicht: Aufruf zum Aufruhr). Kein Widerstandsrecht. Demokratie ist die beste Staatsform, weil sie der natürlichen Freiheit und dem Freiheitsverlangen der Menschen am nächsten ist. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Locke: „Die einzige Möglichkeit, mit der jemand diese natürliche Freiheit aufgibt und die Fesseln der bürgerlichen Gesellschaft (civil society) anlegt, liegt in der Übereinkunft (by agreeing) mit anderen, sich zusammenzuschließen und in eine Gemeinschaft (community) zu vereinigen, mit dem Ziel eines behaglichen, sicheren und friedlichen Miteinanderlebens, in dem sicheren Genuß ihres Eigentums und in größerer Sicherheit gegenüber allen, die nicht zu dieser Gemeinschaft gehören“ (2. Abh. § 95) „..vorausgesetzt werden, dass sie alle Gewalt, die für das Ziel, um derentwillen sie sich zu einer Gesellschaft (society) vereinigen, notwendig ist, an die Mehrheit der Gesellschaft (community) abtreten... und das geschieht durch die bloße Übereinkunft, sich zu einer politischen Gesellschaft (political society) zu vereinigen, was schon den ganzen Vertrag (compact) enthält, der zwischen den Individuen, die in das Staatswesen (commonwealth) eintreten oder es begründen, geschlossen wird und notwendig ist“ (§ 99). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 5

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Also: Vertrag (Vertragsform unbestimmt) zur Einrichtung eines Staates oder einer politische Gesellschaft mit dem Ziel der Sicherheit und des Schutzes des Eigentums (des ursprünglich rechtlich Eigenen: Leben, Integrität, ungestörte rechtmäßige Bewegungsfreiheit, Sacheigentum). Zu den Mitteln dieses Schutzes gehören die Gewalten der Gesetzgebung und richterlichen Entscheidung sowie der „Außenvertretung“ (Bündnisse, Krieg). Die Gesetzgebung muss bei der Mehrheit der Bürger liegen. Werden die ursprünglichen Rechte gebrochen, tritt nach Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel der Widerstand ein. Dieser Vertrag kann vor oder innerhalb jeder Regierungsform (historisch zumeist: Monarchie) geschlossen werden (Umwandlung der Monarchie von absolute in konstitutionelle bzw. „politische“). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 6

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Samuel Pufendorf: „Damit der Staat auf ordentliche Weise ensteht, sind zwei Verträge und ein Beschluss erforderlich. Zuallererst schließt eine im Zustand natürlicher Freiheit lebende Menge von Menschen, sobald sie zur Gründung eines Staates schreitet, untereinander jeder mit jedem einen Vertrag, wonach sie sich für immer zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und die Anliegen ihrer Wohlfahrt und Sicherheit durch gemeinsamen Beschluss und gemeinsamer Führung besorgen wollen... Diesem Vertrag müssen alle einzelnen zustimmen. Wer nicht zustimmt, bleibt außerhalb des zukünftigen Staates“ (Von den Pflichten II, Kap. 6, § 7). „Nach diesem Vertrag muss ein Beschluss darüber gefasst werden, welche Regierungsform gewählt werden soll“ (§ 8) „Nach dem Beschluss über die Regierungsform ist ein zweiter Vertrag erforderlich, durch den einer oder mehrere bestimmt werden, denen die Leitung des im Entstehen begriffenen Staates übertragen wird. Durch diesen vertrag verpflichten sich die Leiter des Staates zur Sorge für die gemeinsame Sicherheit und Wohlfahrt und die Bürger zum Gehorsam“ (§ 9). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 7

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Also: Gesellschaftsvertrag, Beschluss über Regierungsform, Regierungsvertrag Die Regierung verpflichtet sich zwar auf das Gemeinwohl und die Naturrechte, aber es gibt trotzdem kein Widerstandsrecht. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 8