Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer V Sprachwandel in der Vormoderne 26

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 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer V Sprachwandel in der Vormoderne 26 Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer V Sprachwandel in der Vormoderne 26. April 2007

Aus dem lat. Approbationsschreiben Otfrids von Weißenburg (8. Jh.) „Der rohe Zustand dieser Sprache kennt einerseits keine Eleganz und Zucht und ist nicht daran gewöhnt, sich von den Regeln der Grammatik zügeln zu lassen, andererseits ist sogar ihre schriftliche Fixierung bei vielen Wörtern entweder wegen der Häufung von Buchstaben oder wegen deren nicht geläufigem Klang schwierig. Denn bisweilen verlangt diese rohe Sprache meines Erachtens drei u nebeneinander, wobei die beiden ersten in ihrem Lautwert Konsonanten sind, wie mir scheint, während an dritter Stelle der vokalische Laut erhalten bleibt; bisweilen aber verlangt sie Laute von Vokalen, die weder a noch i noch u entsprechen; ich konnte diese Schwierigkeit umgehen: in solchen Fällen schien es mir geraten ein griechisches y hinzuschreiben. Und auch gegen diesen Buchstaben sträubt sich unsere Sprache bisweilen, indem sie sich manchmal bei einem bestimmten Laut überhaupt nur schwer mit einem Schriftzeichen verbinden läßt. Abweichend vom Lateinischen gebraucht diese Sprache ziemlich oft k und z, die von den Grammatikern unter die überflüssigen Buchstaben gerechnet werden. Das z aber gebraucht man in dieser Sprache, wie ich glaube, für den gelegentlich vorkommenden Zischlaut der Zähne, das k hingegen für den Kehllaut.“ Aus dem lat. Approbationsschreiben Otfrids von Weißenburg (8. Jh.) in der Übersetzung von Fidel Rädle (in: Kritische Bewahrung. Beiträge zur deutschen Philologie. Festschrift für Werner Schröder, hg. v. E.-J. Schmidt, Berlin 1975, S 223.)

Beginn der deutschsprachigen Schriftlichkeit im 8. Jahrhundert Ahd. Pater-Noster-Übersetzung

Beginn ahd. Pater-Noster-Übersetzungen (Transkriptionen mit lat. Vulgata-Text zum Vergleich) (9.Jh.)

? Beginn ahd. Pater-Noster-Übersetzungen (Transkriptionen mit lat. Vulgata-Text zum Vergleich) ? Medien-Verschiebung (/b/>/p/, /g/>/k/, /d/>/t/) (9.Jh.)

Was heißt ‚Mittelhochdeutsch‘ ?

Mittelhochdeutsch Mittel- hochdeutsch hoch- deutsch

Mittel- hochdeutsch  zeitlicher Aspekt

750 Althochdeutsch

750 Althochdeutsch

Herkunft des Wortes „deutsch“ lat. theodiscus (< germ. *eudiskaz) 750 Althochdeutsch Herkunft des Wortes „deutsch“ lat. theodiscus (< germ. *eudiskaz) ahd. theot/ thiot/ dhiot ‚Volk‘ mhd. diutsch > nhd. „deutsch“

750-1050 Ahd. 1050-1350 Mhd. 1350-1650 Frühnhd. ab 1650 Nhd. 1050 1350 Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Früh- neuhochdeutsch 750-1050 Ahd. 1050-1350 Mhd. 1350-1650 Frühnhd. ab 1650 Nhd.

1050 1350 750 Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Früh- neuhochdeutsch Verlust der vollen Endsilbenvokale (Endsilbenabschwächung)

Kennzeichen des Ahd.: Volle Endsilbenvokale /i/, /u/, /a/, /o/

End- und Vorsilbenabschwächung Volle End- und Vorsilbenvokale i, u, o, a werden im Mhd. größtenteils zu e abgeschwächt; die Endsilbenabschwächung setzt sich vom Mhd. zum Nhd. fort ahd. findan > mhd. finden ahd. wir funtum > funtun > mhd. funden ahd. gibirgi > mhd. gebirge ahd. scrbri > mhd. schrîbre > nhd. Schreiber

1050 1350 750 Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Früh- neuhochdeutsch Nhd. Diphthongierung Nhd. Monophthongierung

Monophthongierung: lieber müeder bruoder  „lieber müder Bruder“ mhd. nhd. Monophthongierung: lieber müeder bruoder  „lieber müder Bruder“ Diphthongierung : sîn niuwes hûs  „sein neues Haus“ [vgl. Grammatikpapier, S.42] <î> <û> <iu> <ie><uo><üe>

1050 1350 750 Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Früh- neuhochdeutsch Dehnung in offener Tonsilbe Bsp.: mhd. sa-gen /sa-/ > nhd. „sa-gen“ /sa:-/

Sprachliche Hauptkriterien des Nhd. (gegenüber dem Mhd.) Vollständige Durchführung der nhd. Diphthongierung und Monophthongierung in der Schriftsprache und den meisten Mundarten Vokaldehung in offener Tonsilbe (und in zahlreichen einsilbigen Wörtern) Entstehung einer normierten Schriftsprache (Orthographie) und Standardsprache (Syntax, Wortstellung, Aussprache) Reduktion der Anzahl an Diphthongen von mhd. 6 auf nhd. 3 weitgehende Systematisierung des Formenbaus und verstärkte Angleichung der Wortformen durch Analogieausgleich verstärkter Einsatz von periphrastischen Tempusbildungen und Paritzipialkonstruktionen zunehmend bedeutende Vermehrung des Wortschatzes durch Kompositabildung und Aufnahme von Fremdwörtern aus dem Französischen und Englischen

Mittelhoch- deutsch Herkunft des Wortes „deutsch“ lat. theodiscus < germ. *eudiskaz ahd. theot / thiot / d(h)iot ‚Volk‘ mhd. tiutsch / diutsch > nhd. „deutsch“

Das Deutsche als Teil der germ. und der idg. Sprachfamilie Mittelhoch- deutsch Das Deutsche als Teil der germ. und der idg. Sprachfamilie

Indogermanistik „Gegenstand der Indogermanistik sind Texte, Struktur und Geschichte der idg. Einzelsprachen sowie die vergleichende Rekonstruktion der idg. Grundsprache (das Urindogermanischen). Das rekonstruierte Urindogermanische bildet den Ausgangspunkt für die sprachhistorische Erklärung einzelsprachlicher Fakten.“ (Eva Tichy, Indogermanistisches Grundwissen für Studierende sprachwissenschaftlicher Disziplinen, 2. überarb. Aufl. Bremen 2004)

Indogermanische Sprachen Indoiranische Slawische Romanische andere: Germanische Persisch Russisch Latein Griechisch Sanskrit Tschechisch Spanisch Keltisch u.a. Kroatisch Französisch u.a. u.a.

maken germ. /k/ > hd. /x/ Benrather Linie machen Die maken/machen-Linie (Benrather Linie) trennt das Hochdeutsche (die hochdeutschen Mundarten) vom Niederdeutschen (den niederdeutschen Mundarten)