Prof. Dr. Jörn Leonhard Vorlesung Dynamik, Expansion und Krise: Westeuropa auf dem Weg in die ambivalente Moderne 1850-1890 - 5. Folge -

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Prof. Dr. Jörn Leonhard Vorlesung Dynamik, Expansion und Krise: Westeuropa auf dem Weg in die ambivalente Moderne 1850-1890 - 5. Folge -

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung I Ergebnisse der Revolution 1848: - militärische Entscheidungen durch Eingreifen ausländischer Mächte - Schwäche der Nationalbewegung durch programmatische Heterogenität und strategische Unterschiede (repubblicani, radicali, moderati) - territoriale Zersplitterung des Landes wird zunächst festgeschrieben wie in Deutschland: Nationsbildung und Nationalstaatsbildung auf politischer Agenda auch über „Scheitern“ der Revolution hinaus

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung II Italienische Territorien 1848/49: - Königreich Sardinien-Piemont mit einheimischer Dynastie (Savoyen) - (österreichisches) Königreich Lombardo-Venezien - Parma, Vicenza, Modena, Toskana: habsburgische Nebenlinien oder Sekundogenituren - Kirchenstaat und oberitalienische Legationen - Königreich beider Sizilien (spanische Bourbonen)

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung III 1848: Hoffnung auf italienische Einigung durch militärische Entscheidung Piemonts (Carlo Alberto) gegen Österreich (Radetzky) Pluralismus des Risorgimento: - Giuseppe Mazzini: unitarisch-demokratische Republik - Vincenzo Gioberto: Bund italienischer Staaten unter päpstlicher Führung (Neoguelphen) Aber: Ausbleiben päpstlicher Unterstützung für piemontesischen „Nationalkrieg“ Juli 1848: Niederlage Carlo Albertos bei Custozza und Abdankung Römische Republik (Mazzini, Garibaldi) nach Ermordung Pellegrino Rossis und Flucht Pius‘ IX. Republikgründung auch in Venedig durch Daniele Manin

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung IV 1849: Militärische Niederlage Piemonts und gewaltsame Auflösung der Republiken in Venedig und Rom < Intervention Frankreichs März 1848: Statuto Albertino in Piemont - Grundlage für italienische Verfassung 1870 (formal bis 1946 gültig) - hoher Wahlzensus, aber faktisch Entwicklung zur parlamentarischen Monarchie (vs. preußisch-deutscher Dualismus) nach englischem Vorbild 1852: Camillo Cavour folgt Massimo d‘Azeglio als piemontesischer Ministerpräsident Centro-Sinistra als parlamentarische Basis: Koalition aus Liberalen und gemäßigten Demokraten Bürgerlich bestimmte Reformphase nach 1849 in Piemont verstärkt dessen Gewicht in italienischer Nationsbildung: Bauernbefreiung, Verkehrswege, Trennung zwischen Staat und Kirche

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung V Lösung italienischer wie deutscher Frage nur im Kontext europäischer Politik: Krimkrieg als Anlaß > piemontesische Beteiligung, Kontakte Cavours zu britischer und französischer Regierung Nation-building: 1857 Società Nazionale (Pallavicino) als Gegengewicht zu Mazzinis partito d‘azione; Motto V.E.R.D.I. (Vittorio Emanuele Re d‘Italia) Piemontesisch-französische Annäherung nach Orsini-Attentat: Treffen von Plombières; Motiv: Eindämmung des radikal-demokratischen und republikanischen Mazzinianismo Ziel: Piemont als Nukleus des Nationalstaates, Angliederung und Plebiszite; dafür Abtretung Savoyens und Nizzas an Frankreich Dezember 1858: geheimer Bündnisvertrag, Aufrüstungen und Milizaufstellungen (Garibaldi) provozieren Österreich zum Krieg, das bei Solferino und Magenta geschlagen wird Eigendynamik der nationalen Bewegung über Absprachen Cavours mit Napoleon III. hinausgehend, Empörung über Abtretungen an Frankreich Piemontesische Annexionspolitik in Mittelitalien, 1860: Zusammentritt des ersten italienischen Parlaments in Turin

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung VI Mai 1860: nation-building „von unten“ > Garibaldis „Zug der Tausend“ von Sizilien und Unteritalien ausgehend, aber Ausbleiben einer sozialen Revolution (Entfremdung der Landarbeiter) Konflikt zwischen Cavours und Garibaldis Strategie: Bildung des italienischen Königreichs durch „Piemontisierung“ Italiens > Annexionen und anschließende Plebiszite („Anschlüsse“ statt „Zusammenschluß“); cf. Lampedusa, Il Gattopardo State-Building (äußere Nationalstaatsbildung) 1866 und 1871 abgeschlossen: - 1866 preußisch-italienisches Bündnis für drei Monate: Gewinn Venedigs im Kontext der österr. Niederlage von Königgrätz - 1870/71: deutsch-franz. Krieg führt zu Abzug franz. Truppen aus Rom > 20. September 1871 „Eroberung“ Roms durch garibaldinische Truppen, Papst als „Gefangener des Vatikans“; Verlegung der Hauptstadt von Florenz nach Rom

Italien: Die Hypotheken von Nations- und Staatsbildung VII Abschluß des state-building 1871, aber unabgeschlossenes nation-building (innere Ausbildung des Nationalstaates): - nur 1,9% der Bevölkerung besitzen zunächst Wahlrecht (später erhöht auf 6,9%) - 1861: 75% Analphabetenquote, 1877: allgemeine Schulpflicht - ökonomisches und soziales Nord-Süd-Gefälle (Mezzogiorno-Problematik), Massenauswanderungen - Fehlen von Verkehrsverbindungen (1860: 800 km Eisenbahnlinien in Piemont, 100 km in Neapel) - Dominanz des Agrarsektors in den Jahrzehnten nach 1871: 70% (der arbeitenden Bevölkerung) gegenüber 8% in Industrie und Gewerbe und 12% in Tertiärbereich