Prof. Dr. Jörn Leonhard Vorlesung Dynamik, Expansion und Krise: Westeuropa auf dem Weg in die ambivalente Moderne 1850-1890 - 4. Folge -

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Prof. Dr. Jörn Leonhard Vorlesung Dynamik, Expansion und Krise: Westeuropa auf dem Weg in die ambivalente Moderne 1850-1890 - 4. Folge -

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch I Scheitern preußischer Unionspläne: Enttäuschung kleindeutscher Nationalbewegung Dezember 1850 erste bekannte Rede Bismarcks (gefördert durch Gerlach-Brüder): „staatlicher Egoismus“ vs. „Romantik“, preußisches Staats- vs. deutsches Nationalinteresse Scheitern weitergehender Bundesreformpläne und Restauration des Deutschen Bundes (Bismarck wird preußischer Bundestagsgesandter in Frankfurt) Bundesreaktionsbeschluß, aber keine Rücknahme der Verfassungen (Preußen!)

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch II Konstitutionalisierung in Preußen vs. Neoabsolutismus in Habsburgermonarchie (Auflösung des Reichstags von Kremsier, Bach‘sches System) Grundprobleme Habsburgs in 1850er Jahren: - autokratischer Zentralstaat vs. föderale Tendenzen - Gewicht Wiens und der Deutschösterreicher vs. multinationale Struktur der Habsburgermonarchie - späte Bauernbefreiung - 1855 Konkordat - Grundproblem: enorme Verschuldung des Staates (< militärische Aktionen in Revolution unter Schwarzenberg, indirekte Involvierung in Krimkrieg und Italienischem Krieg)

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch III Preußen: Verfassungsoktroy 1849 (cf. Kommissionsentwurf der Frankfurter Paulskirche) Dreiklassenwahlrecht: allgemeines, indirektes und ungleiches Wahlrecht, öffentliche Stimmabgabe Februar 1850: Verfassungseid des preußischen Königs; keine willkürliche Revision der Verfassung mehr möglich Preußen wird im Gegensatz zu Habsburg Verfassungsstaat: - ministerielle Kontrasignatur, aber keine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit - Notstandsgesetzgebung durch den König - königliche Kommandogewalt (Ausklammerung aller Militärfragen aus der Gesetzgebung des Parlaments) - Grundrechte - parlamentarisches Budgetrecht

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch IV Dualismus zwischen Monarchie und Parlament als Sonderform der deutschen Verfassungsgeschichte (vs. parlamentarische Monarchie in Großbritannien), nach 1850 auch in Preußen Ambivalenz der „Restauration“ in Preußen nach 1849: - Konstitutionalisierung, aber Dreiklassenwahlrecht und Vetorecht des Monarchen - Verfassungseid des Königs, aber Vorgehen gegen Demokraten (cf. Stiehl‘sche Regulative) - Wiederherstellung der Polizeifunktion des preußischen Landadels, aber keine Wiedereinführung der adligen Patrimonialgerichtsbarkeit - Adel vs. zentralstaatliche Bürokratie als Konfliktlinie

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch V Deutscher Bund seit Punktation von Ölmütz Exerzierplatz des preußisch-österreichischen Konflikts Bismarck: Teilung der Interessensphären und Fokus auf preußisch-partikularistisches Staatsinteresse Veränderung der relativen Positionen Österreichs und Preußens durch internationale Politik (Krimkrieg und Italienischer Krieg) Österreich gegen russisches Vorgehen in Moldau und Wallachei (Außenminister Graf Buol) Preußischer Neutralitätskurs (Manteuffel), lediglich preußisch-österreichisches Defensivbündnis Bismarck: Schwächung Österreichs als Ziel, keine ideologische Festlegung (cf. prorussische Hochkonservative, antirussische Wochenblatt-Partei der preußischen Liberalen) Pariser Friedensschluß 1856 revidiert auch Konstellation von Ölmütz 1850: Schwächung Rußlands und mittelbar auch Österreichs

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch VI Italienischer Krieg 1859/61: keine Bundeshilfe für Österreich (preußische Bedingungen: Kommandogewalt und Parität im Dt. Bund) Handelspolitik als Konfliktfeld zwischen Österreich und Preußen: - verhinderter Eintritt Österreichs in den preußisch dominierten Zollverein - preußisch-französischer Handelsvertrag 1862 - eigener österreichisch dominierter Zollbund ohne Preußen scheitert „Neue Ära“ in preußischer Innenpolitik seit 1858 (cf. auch in Bayern und Baden: Lamey, Roggenbach) - Wochenblatt-Partei (Auersberg, Bethmann-Hollweg) vs. Kamarilla um Gerlach-Brüder, Isolierung Bismarcks (Gesandter in St. Petersburg) - Prinzregent Wilhelm: Preußen müsse „moralische Eroberungen“ machen Motive für politische Neuausrichtung am Ende der 1850er Jahre: - öffentliche Meinung seit Krimkrieg und Italienischem Krieg - Zerbrechen der Allianz zwischen Österreich und Rußland - Distanzierung von Neoabsolutismus wie in Österreich - Kulturkampfklima: Angst vor „Auslieferung“ der Politik an die katholische Kirche

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch VII Italienischer Krieg 1859/61 als doppelter Erfahrungsumbruch - Österreich: Kriegsniederlage bedingt erste Reformphase mit Ansätzen der Konstitutionalisierung (cf. Oktoberpatent 1859, Februarpatent 1860), aber keine Lösung des schwelenden Konflikts mit Ungarn (> Ausgleich 1867) - Entwicklung der öffentlichen Meinung in Deutschland: Schillerfeiern, Gründung des Nationalvereins 1859 (italienisches Vorbild: Società Nazionale; dagegen österreichisches, großdeutsch inspiriertes Gegenstück: Reformverein 1862), Diskussion einer kleindeutschen Option der Nationalstaatsbildung unter preußischer Führung (cf. Benningsen) - seit 1859 nationale Frage in Deutschland erneut im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses Konfliktkonstellation von 1866 also angelegt in der Veränderung des politischen Klimas seit Ende der 1850er Jahre

Deutschland seit 1850: Restauration und Aufbruch VIII Aufstieg Bismarcks im Kontext des preußischen Heeres- und Verfassungskonflikts Kontexte der seit den 1850er Jahren geplanten Heeresreformen: - Problem der Wehrgerechtigkeit - sinkende militärischer Schlagkraft - Problem der Landwehr (Erbe der Reformära nach 1806 und der antinapoleonischen Kriege 1813-15) gegenüber Linientruppen: Mißtrauen der Regierung und des Monarchen gegenüber „Nation in Waffen“ Nach Rücktritt v. Bonins neuer Kriegsminister Roon: Konflikt mit liberalen Parlamentariern über Frage künftiger Dienstzeit Verhärtung der Fronten: Heeresreform auf Wege eines königlicher Organisationsaktes ohne parlamentarische Beteiligung und provisorische Budgetbewilligung durch Parlament Verhältnis zwischen Regierung und Parlament: interdependente Mißperzeption mit Folge massiver Konfliktverschärfung