Einführung in die Sprachvermittlung

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 Präsentation transkript:

Einführung in die Sprachvermittlung 11: Weingarten 2001 Orthographisch-grammatisches Wissen

Ziel der Untersuchung Am Beispiel des Schriftsystems überprüfen, in welchem Maße explizites Regelwissen für korrektes Schreiben relevant ist. Ist das System eher Regel- oder musterbasiert? Welche Arten von Sprachwissen haben Schreiber in der Schule? Wie bildet sich bei Schülern dieses Wissen (als eigenaktiver Prozess) heraus? Welche Rolle spielt hierbei die Wissensvermittlung in der Schule?

Arten des Sprachwissens I 1. Praktische Sprach-verwendung: (I) sprachliche Korrektheit: Ein Sprecher verwendet einen Ausdruck grammatisch korrekt. situative Angemessenheit: Ein Sprecher verwendet einen Ausdruck situativ angemessen 2. Urteile (über Aussagen) (IIa): Grammatikalität: Satz S ist grammatisch korrekt: „Das stimmt so nicht.“ Akzeptabilität: Die Äußerung A ist in der Situation Si angemessen. „Das klingt steif / gekünstelt“

Arten den Sprachwissens II 3. Operationen: (IIB) Formen: In dem Satz „Der flinke Hase entwischte dem Hund“ kann man flinke weg-lassen, ohne dass der Satz dabei ungrammatisch wird. Funktionen: Wenn ich in der Situation Si (im Wartezim-mer) in der Äußerung (der Arzthelferin zum Patienten) „Würden Sie bitte kommen“ das Wort Sie durch das Wort du ersetze, ist die Äußerung nicht mehr situativ angemessen. 4. Metasprachliche Urteile / Sprachre-flexion: (III / IV) Formen: Der Ausdruck gern in „Ich helfe dir gern“ ist ein Adverb. Funktionen: Die Äußerung „Es tut mir leid!“ ist eine Entschuldigung.

Implizites und explizites Gedächtnis Begriffspaare, welche die beiden Gedächtnisarten beschreiben (nach Squire 1987) explizit (bewusst) implizit (unbewusst) Tatsachen Fertigkeiten deklarativ prozedual Gedächtnis Gewohnheit wissen dass wissen wie bewusstes Erinnern Fähigkeiten Erinnern mit Aufzeichnen Erinnern ohne Aufzeichnen repräsentational dispositional episodisch semantisch Arbeitsgedächtnis Referenzgedächtnis I

Phonologisches Bewusstsein Indikatoren sind folgende Operationen: Anzahl der Silben mitklopfen oder mit Stäbchen legen Passende Reimwörter finden (Es war einmal eine Maus, die wohnte in einem… Den ersten oder letzten Laut eines Wortes auslassen (Maus – aus / Baum – Bau) Eindringlinge finden: „Welches Wort passt nicht dazu?“ (toll – ton – tobias - rot)

Pseudowort-Test Dehnungs-H Silbengelenk-Schreibung S-Laute GKS

Gespräche über Rechtschreibung I Beispiel 2: 3. Schulj: <müsen> S1 das schreibt man klein. S2 das weiß ich auch S1 aber mit Doppel-s : [mYs.sәn] Das Doppelkonsonantengraphem wird hörbar gemacht, indem man das Wort silbisch zerlegt. Dies ist phonetisch-phonologisch eine Fiktion: es ist nur ein Konsonant zu hören. Die künstliche Form [mYs.sәn] aktiviert allenfalls bereits eine entsprechend im Lexikon gespeicherte Form.

Gespräche über Rechtschreibung II Beispiel 5: 4. Schj. <plötslich> S1: wird mit <z> [tsεt] geschrieben V1: warum? S1: Es ist ein scharfes [εs] [‘plœts:lıç], guck <s> {z?} ist mehr so sanft [‘plœdzlıç] Das Graphem <s> kann zwar [s] und [z] repräsentieren, aber nicht am Silbenende. Hier bedeutet <s> immer [s]. Die Schreibung mit <z> ist notwendig, weil hier die Schärfungsregel eintritt, bei der <zz> immer durch <tz> ersetzt werden muss, vgl. Katze [katsә] im Unterschied zu Kapuze [kapu:tsә].

Gespräche über Rechtschreibung III Beispiel 6: 4. Schj. <schpitzes> S1: Ha! Ohne <ch>! S2: [spıtsn spıtsn špıtsn] ja, ich weiß nich V1: warum denn? S1: ja, das is irgendwie ganz komisch mit der Rechtschreib- reform. Da wird irgendwie ohne <ch> geschrieben. V1: Und wie habt ihr es vorher geschrieben? S2: äh auch mit <sp> S1: in der ersten Klasse vielleicht mit <schp> Zusätzliche Verwirrung durch breite öffentliche Diskussion um Rechtschreibreform Keine Aufmerksamkeit auf Differenz von Lautung und Schreibung Buchstaben werden als Einzelgrapheme thematisiert, nicht als Mehrfachgrapheme für Laute: <sch> steht für [š], aber auch <s>. Das Nichtwissen um die Regel bleibt folgenlos fürs Schreiben: Oder haben die Schüler eher ein Wissen über Muster und Analogien?

Fazit (Weingarten 2001) Die Kinder explizieren chaotische Fragmente metasprachlichen, gelehrten(!) „Wissens“. Für ihr schriftliches Handeln scheint dies weitgehend folgenlos zu sein. Expliziertes „Wissen“ und sprachliche Praxis scheinen weitgehend unverbunden zu sein . Sprachliches Wissen ist weitgehend implizit. Sprachliches Lernen verläuft überwiegend implizit und selbstgesteuert. Sprachlehre bedeutet die Schaffung eines geeigneten Rahmens für implizite und selbstgesteuerte Lernprozesse.