Praktische Philosophie der Neuzeit

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 Präsentation transkript:

Praktische Philosophie der Neuzeit Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie der Neuzeit David Hume

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I David Hume (1711–1776) geb. 1711 Edinburgh - schott. Landadel studiert in Edinburgh, zunächst Jura, ab 1729 Philosophie und schöne Literatur - früh an Ethik interessiert, nach seinen Briefen beeindruckt von der antiken Idee einer Wissenschaft der menschlichen Natur als Grundlage des Wissens von Glück und Tugend. 1730/31 Lebenskrise, Versuch der "Heilung" durch einen praktischen Beruf (Angestellter eines Handelshauses) scheitert 1734-1737 Frankreich (schreibt am Traktat) 1739/40 Traktat über die menschliche Natur - Misserfolg, Anonyme Selbstrezension: 1740 Abriss eines neuen Buches, betitelt ein Traktat über die menschliche Natur 1742 Essays, Moral and Political 1748 Essays Concerning Human Understanding 1757 Four Dissertations (2. Teil und 2 Abhandlungen zur Ästhetik und Naturgeschichte der Religion) Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 2

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 1745 und 1751 vergebliches Bemühen um Lehrstühle in Edinburgh, Glasgow - verschiedene Berufe (Hauslehrer, Sekretär eines Admirals, diplomatische Mission) 1752 Bibliothekar an der Bibliothek der Anwaltskammer Edinburgh 1754, 56, 59, 62 Geschichte Englands 1763 Sekretär der englischen Botschaft Paris - Kontakt zur Enzyklopädie 1767-69 Außenministerium in London (diplomatischer Korrespondent) 1769 zurück nach Edinburgh gestorben 1776 April: Autobiographie (veröffentlicht 1777 mit Adam Smiths Briefen: glücklicher Tod des areligiösen Stoikers) in der Autobiographie: literar. Ehrgeiz und Misserfolg später literar. u. finanzieller Erfolg (wie der Erstgeborene) unerschütterlich durch Anfeindungen, „stoisch“ freundlich, anspruchslos 1779 Dialoge über natürliche Religion Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 3

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Humes praktische Philosophie: Allgemeines Humes praktische Philosophie basiert auf einer Theorie der sozialen und moralischen Gefühle bzw. Affekte. Die sozialen Affekte des Wohlwollens und Mitleidens bzw. der Sympathie sind für die Gesellschaft nützlich. Die Vernunft klärt in einer instrumentellen Rolle die Fakten (was hat einer getan, was braucht einer) und die Mittel, Ziele zu erreichen (z.B. helfen), spielt im moralischen Urteil (affektive Billigung und Verstandesakt) eine untergeordnete Rolle. Es gibt keine strikte Trennung von Ethik und Politik. „Morals“ umfasst die Moral- und Rechtsordnung. Aber (wie bei Hobbes, Locke und Rousseau) erneut das Schema: Natur des Menschen – Vertrag – Rechtsordnung. Man kann von einer Anthropologie als Grundlage der Moral-, Rechts- und Staatsphilosophie sprechen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Humes Theorie der menschlichen Natur Die „Theorie des Naturzustandes“ spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Differenz zwischen einem Zustand ohne staatlich gesichertes Recht und „status civilis“, Rechtsordnung mit legitimen Zwang, wird nicht so scharf und grundsätzlich angesehen wie bei Hobbes. Menschen können solitär nicht leben, die Verbände, in denen sie leben, haben immer irgend welche, oft unausdrückliche Regeln bzw. Konventionen (auch Räuber, Spieler, etc.) Sie bezwecken zumeist gegenseitige Erleichterung und Bequemlichkeit. Rechtsregeln und Staat verdeutlichen nur bestehende Konventionen und sichern ihre Effektivität (Weiterentwicklung Lockes Naturzustandslehre). Hume beginnt mit einer empirischen Psychologie der Affekte. Aus diesen wird induktiv auf allgemeine Eigenschaften der menschlichen Natur geschlossen. Systematische Entwicklung von einer psychologischen Theorie der Erkenntnis (I. über den Verstand) - über eine psychologische Theorie der Handlungsmotive bzw. Affekte (II. über die Affekte) zur Moralphilosophie (III. über Moral) - der Theorie der richtigen, individuell und sozial nützlichen Affekte und unserer gefühlsmäßigen Billigung oder Verwerfung von Handlungsmotiven. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 5

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Humes Affektenlehre Das Wichtige an der moralischen Affektenlehre ist (A) das Verhältnis von Affekt und Vernunft und (B) das von moralneutralen und moralisch "urteilenden" Affekten. (A1) Die Vernunft kann unsere Affekte nicht beeinflussen und ist nur passiv. Die Affekte sind hingegen aktiv (spontan). Auch die Regeln und Kriterien richtigen Handelns folgen nicht aus der Vernunft: „Solange man zugibt, daß die Vernunft keinen Einfluß auf unsere Affekte und Handlungen hat, ist die Behauptung nichtig, daß Sittlichkeit durch bloße Deduktion der Vernunft gefunden werde. Ein aktives Prinzip kann niemals auf ein inaktives begründet werden.“ Die Vernunft hat im Praktischen nur die Funktion, die Wahrheit von Tatsachenurteilen, die allerdings einen Gegenstand des Affektes (Zorn, Liebe) enthalten können, festzustellen und die Mittel für die Erreichung der Zwecke der Affekte zu klären. Die moralische Billigung oder Missbilligung, ob ein Zweck eine Handlung, ein Gefühl gut oder schlecht ist, ist selber Sache von Affekten, aber einer besonderen Gruppe, der moralischen Gefühle. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 6

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I (A2) Vernunft und Moral Moralischer Affekt / moralisches Gefühl ist ein erfassendes Billigen bzw. Missbilligen (existentiell)). Dies sind keine kognitiven Akte, Erkenntnisse, Schlüsse etc. Die Vernunft ist aber nicht bedeutungslos, sondern wichtig für: das Sachverhaltsurteil (wer hat was getan, was hat er/sie nötig, etc.) das Folgenurteil (was wird meine Handlung bewirken, wie verstanden, empfunden werden) die Zweck-Mittel-Überlegung (wie erreiche ich ein Ziel am besten) Dies ersetzt aber nicht den Entschluss als entscheidenden Auslöser, der mit „Gerechtigkeitsgefühl“, moralischer Empörung, Bewunderung, Verurteilung etc. zu tun hat. Die Vernunft bzw. der Verstand klären den Sachverhalt, das "Herz" spricht dann sein Urteil: "Nachdem aber alle Umstände und Beziehungen zu unserer Kenntnis gelangt sind, hat der Verstand kein Feld mehr, an dem er sich betätigen kann. Die Mißbilligung oder Billigung, die dann folgt, kann nicht das Werk der Urteilskraft, sondern nur das des Herzens sein". (121) Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 7

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I (A3) Vernunft und Moral Aber Hume geht noch weiter: bei der eigenen Überlegung über richtiges Handeln und bei der Prüfung von Gesetzen und Rechtsakten sagt erst die Vernunft, welche Handlung am nützlichsten und daher richtig ist ("weil nur dies Vermögen uns über die Tendenz von Eigenschaften und Handlungen Aufschluß zu geben und ihre wohltätigen Wirkungen für die Gesellschaft und ihre Träger aufzuweisen vermag 135"). Aber Nützlichkeit selber wird "affektiv" gebilligt. Also weder das Prinzip der Moral aus der Vernunft noch die Verbindlichkeit. Vernunft ist nicht selber "praktisch". Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 8