Unbewußte Verarbeitung und Willensfreiheit

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 Präsentation transkript:

Unbewußte Verarbeitung und Willensfreiheit 10.01.2009 Seminar „Economics, Psychology and Decision making“ Prof. Dr. Christian Kaernbach, Prof. Dr. Ulrich Schmidt Seminararbeit: Harm Brandt Referent: Simon Ohlig

Gliederung Der Begriff der Willensfreiheit Experimente Libet Haynes Theoretische Standpunkte Determinismus Indeterminismus Libertarismus Kompatiblismus und Inkompatiblismus Fazit/Ausblick Diskussion

Der Terminus „Willensfreiheit“ ?

Das Libet-Experiment Erste Versuche in diese Richtung von William Grey Walter Mitte der 60er Jahre Libets Grundfrage: In welcher Beziehung steht das Auftreten einer freiwilligen Handlung zu den Hirnprozessen, die es vermitteln?

Das Libet-Experiment Ziel war es, möglichst exakt festzustellen, wann die Vp eine bewusste Handlungsentscheidung trifft, ab wann der motorische Kortex die Ausführung der Handlung vorbereitet und wann die betreffende Muskulatur tatsächlich aktiviert wird. Messung des symmetrischen Bereitschaftspotentials im Kortex mithilfe des EEG Messung des Zeitpunktes der Entscheidung durch Selbstauskunft der Vpn Messung der Muskelaktivität mithilfe des EMG

Das Libet-Experiment Durchführung: Vpn sollten Hand/Finger zu beliebigen Zeitpunkt bewegen und sich den Zeitpunktauf zu dem sie den Drang („urge“) zur Handlung spürten auf einer schnelllaufenden Uhr merken Das symmetrische Bereitschaftspotential wurde als neuronales Korrelat des handlungsauslösenden Hirnzustandes gedeutet

Das Libet-Experiment Auswertung/Ergebnisse: Nullpunkt der Zeitskala: Beginn der Muskelaktivierung (Mittelung von 40 EMG-Aufzeichnungen des jeweils gleichen Probanden) Bei −550ms setzte das Bereitschaftspotential von spontanen Handlungen ein; Der berichtete Zeitpunkt des Handlungswunsches lag bei −200ms.

Das Libet-Experiment Interpretation Libet selbst folgerte zunächst aus seinen Resultaten, dass der Entschluss zu handeln von unbewussten Gehirnprozessen gefällt wird, bevor er als Handlungswunsch ins Bewusstsein dringt Veto-Funktion des Willens: ein Bereitschaftspotential führt nicht zwingend zu einer Handlung, sondern kann bis ca. 50ms vor der Muskelaktivierung noch abgebrochen werden

Das Libet-Experiment Kritik der Versuchsaufbau wurder weder konzipiert, noch ist er dazu geeignet Aussagen zu Willensfreiheit und moralischer Verantwortlichkeit treffen zu können die Entscheidung des Probanden kein Abwägen rationaler und emotioneller Gründe erfordere, wie sie für Entscheidungen des freien Willens charakteristisch seien. Komplexen Handlungen gehe zudem eine Planungsphase voraus, die zeitlich zweifellos vor dem ersten Bereitschaftspotential der Ausführung liege.

Das Libet-Experiment Kritik durch Haynes (2008) unklar, inwieweit das Bereitschaftspotential überhaupt entscheidungsbeeinflussend wirkt. Differenz zwischen Bereitschaftspotential und bewusster Willensausbildung zu gering für eindeutige Urteile eine einzige Verhaltensoption ist keine ausreichende Basis, um Entscheidungsfreiheit bewerten zu können.

Haynes-Experiment Die Vp sollte spontan mit dem linken oder rechten Zeigefinger einen Knopf drücken. Parallel dazu lief auf dem Bildschirm eine Zufallsfolge von Konsonanten ab, die alle 500 Millisekunden verändert wurde. In dem Moment, in dem sich die Versuchspersonen für den Knopfdruck entschieden hatten, sollten sie sich den angezeigten Buchstaben merken. Nun wurde versucht durch Beobachtung der neuronalen Muster im fMRT-Scan die Entscheidung der Vpn vorauszusagen.

Haynes-Experiment Ergebnisse Bereits sieben Sekunden vor der bewussten Willensbildung wurden erste Gehirnaktivitäten zur Handlungsvorbereitung festgestellt, was bei einer Analyseverzögerung von 3 Sekunden insgesamt 10 Sekunden Verzögerung ausmacht. Die Messdaten aus dem Gehirn erhöhen die Trefferquote an manchen Zeitpunkten auf bis 60 Prozent und liegen damit signifikant über dem blinden raten.

Haynes-Experiment Kritik Die Entscheidung war immer noch sehr einfach und auch wenig bedeutend für die Probanden. Tatsächlich gibt es unter Fachleuten eine Kontroverse darüber, was die Versuchspersonen eigentlich machen, wenn sie im Hirnscanner liegen und offenbar nichts tun Die Erkennung von neuronalen Mustern alleine scheint in dieser Komplexitätsstufe noch kein finales Argument gegen Willensfreiheit zu sein.

Haynes-Experiment Kritik in einem Vorexperiment mehr als die Hälfte der Vpn ausgeschlossen. Wer z.B. links oder rechts bevorzugte oder nicht spontan genug entschied, durfte nicht in den Tomographen Die Vpn wurden instruiert genau dann zu handeln, wenn sie sich "Drangs gewahr werden, es zu tun." kein Paradbeispiel eine bewußten Entscheidung Bedeutung für die Debatte um die Willensfreiheit somit sehr fragwürdig

Der Terminus „Willensfreiheit“ Definition nach Kane: 1. Es ist an uns, eine Entscheidung aus einer Menge von Alternativen zu treffen (bedingte Willensfreihet) 2. Die Ursache der Entscheidungen und Handlungen liegt ebenfalls nur in uns und ist nicht bestimmt durch etwas oder jemanden, der nicht durch uns kontrolliert werden kann (unbedingte Willensfreiheit)

Determinismus „Lehre von der kausalen (Vor-)Bestimmtheit allen Geschehens“ → es gibt nur einen möglichen Ereignisverlauf „Die der Willensfreiheit widersprechende Theorie von der Bestimmung des Willens durch innere oder äußere Ursachen“ (Ethik)

Indeterminismus „Lehre von der nicht-Bestimmbarkeit bei physischen Vorgängen oder der Motive bei Handlungen“ Dies impliziert, dass es nicht-vorhersagbare Ereignisse gibt, Gewissermaßen „Unentschiedenheiten im Weltgeschehen“

Libertarismus Folgt einem indeterministischen Ansatz (menschliches) Entscheiden und Handeln ist somit nicht (vollständig) kausal ableitbar. Es gibt einen (wie auch immer gearteten) mentalen Ursprung, der Entscheidungen beeinflussen kann

Das Leib-Seele Trilemma Mentale Phänomene sind nichtphysikalische Phänomene. Mentale Phänomene sind im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam. Der Bereich physikalischer Phänomene ist kausal geschlossen.

Kompatiblismus und Inkompatiblismus Der Kompatibilismus sieht den Determinismus mit dem Konzept einer Willensfreiheit vereinbar. Dazu wird nicht von einer unbedingten Freiheitsidee ausgegangen, sondern es wird nur eine Einflussnahme auf Entscheidungen gefordert.

Kompatiblismus und Inkompatiblismus Eine unbedingte Willensfreiheit ist demnach nicht mit einem deterministischen System vereinbar, da der freie Wille ableitbar ist. Sonst wäre dieser substantielle Wille nicht frei. Aus Sicht der Deterministen kann der freie Wille im inkompatibilistischen Ansatz nur eine Illusion sein.

inkompatibilistischer Determinismus Roth, Singer und Walter sind der Ansicht, der freie Wille sei eine Illusion. Nach ihrer Auffassung geht der Willensakt neuronalen Prozessen nicht voraus Das Empfinden, etwas zu wollen - der „Willensakt“ also - resultiere als illusionäres Epiphänomen aus den kortikalen und subkortikalen Prozessen, die bei der Vorbereitung einer Willkürhandlung ablaufen.

Heutige Aussicht: Neurophilosphie Das Ziel der Neurophilosophie besteht darin herauszufinden, inwieweit das traditionelle libertarische Konzept der Willensfreiheit verändert werden muss, damit es mit unserem Wissen über das Gehirn verträglich ist. Allerdings scheint der Diskurs sich zu stark an philosophischen Terminologien aufzuhalten Die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse sind bei weitem nicht ausreichend um weitreichende Schlussfolgerungen für menschliches Handeln zu ziehen

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!