Die sizilianische Dichterschule am Hofe Friedrichs II.

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 Präsentation transkript:

Die sizilianische Dichterschule am Hofe Friedrichs II. Friedrich II. (links) trifft al-Malik al-Kāmil (rechts); Quelle: http://it.wikipedia.org/wiki/Scuola_siciliana Datum: 31.05.2010 Dr. Andreas Michel – Süditalien aus linguistischer Perspektive, OS/HS Referentinnen: Gianna Pezzolla, Melina Çolakoğlu

Gliederung Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen La scuola poetica siciliana – die sizilianische Dichterschule Textbeispiele Literaturverzeichnis

Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) Kindheit & Jugend *26.Dezember 1194 in Jesi Vater: Stauferkaiser Heinrich VI Mutter: Konstanze von Sizilien Frühe Kindheit: Streit um seine Anerkennung in Deutschland 1211: wird in Nürnberg zum König gewählt

Gewinnung der Herrschaft über Süditalien (ab 1221) Seine ersten Jahre in Deutschland (1212-1220) 1220: Kaiserkrönung in Rom Machtausübung Friedrichs II. in Italien: → Aufbau zentralistischer Verwaltung und Beamtenapparat → Bau von Kastellen zur Landesverteidigung → Gründung Universität Neapels → Zentrum Süditaliens verschob sich von Sizilien aus in den Norden (v.a. Apulien)

Ausbau der sizilianischen Monarchie und Gesetzgebung (ab 1230) Erstes umfassendes Gesetzeswerk des Mittelalter „Konstitutionen von Melfi“ 10 Jahre später Nachträge der Konstitutionen durch Ausbau des Gesundheitssystems 1235/1236 zweiter Aufenthalt in Deutschland

Friedrichs Hof in Süditalien als Kulturzentrum Friedrich II. „das Wunder der Welt“ Entstehung der ersten Dichterschule Italiens, die scuola siciliana Interesse Friedrichs zog die intelligentesten Dichter, Gelehrten und Beamte aus ganz Italien an seinen Hof Bekanntestes Werk Friedrichs: Studien über die Vogeljagd 1246: das Falkenbuch erschien

Kampf mit den Päpsten – Krieg mit den italienischen Städten (1237 - 1250) Letzten 12 Jahre seines Lebens geprägt von Kriegen mit lombardischen Städten Gleichzeitig immerwährende Auseinandersetzungen mit Päpsten und der Kirche Am 13.Dezember 1250 stirbt Friedrich II an einer fiebrigen Entzündung in Fiorentino, Apulien Kurz darauf Ende der Dynastie der Staufer

II. La scuola poetica siciliana – die sizilianische Dichterschule Beginn der italienischen Nationalliteratur Anfänge im sizilianischen Reich der Staufer (1194 – 1266) Begriff schon bei Dante (1265 – 1321) http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Regno_di_Sicilia_1154.svg&filetimestamp=20070417032107

Was ist die sizilianische Dichterschule? Dichter aus Süditalien, später aus ganz Italien → vor allem aus der Toskana, Tre Corone Sammelpunkt am Hof Friedrichs II. – überregionale Resonanz Wegbereiter für die Entwicklung der italienischen Literatursprache Giorgio Vasari, Sei poeti toscani, 1544 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vasari002.jpg

Dante Alighieri, De vulgari eloquentia „Freilich die berühmten Helden, Kaiser Friedrich und sein trefflicher Sohn Manfred, den Adel und die Gradheit ihrer Gestalt entfaltend, so lange das Glück ihnen treu blieb, trachteten dem Menschlichen nach, das Thierische verschmähend, weshalb die an Herzen Edlen und mit Anmuth Begabten der Majestät so großer Fürsten anzuhangen versuchten, sodaß zu ihrer Zeit Alles, was die edelsten Lateiner unternahmen, ursprünglich am Hofe so großer Kronenträger ans Licht trat. Und weil ihr Königsthron Sicilien war, geschah es, daß Alles, was unsre Vorgänger in der Volkssprache verfaßten, sicilisch genannt wird, was wir gleichfalls noch thun und auch unsre Nachkommen nicht abzuändern vermögen werden.“ http://de.wikisource.org/wiki/De_vulgari_eloquentia/I._Buch_%E2%80%93_Zw%C3%B6lftes_Kapitel

Entstehung, Ziele, Verdienste Gründe für die Entstehung Streben nach Bildung Auch seine Frau Constanze von Aragon (1179 – 1222) bewunderte und förderte die Kunst Einflüsse der provenzalischen Troubadourlyrik Ziele Vereinheitlichung des Dialekts Festsprache am Hof Versuch der Troubadoulyrik in der eigenen Sprache so nah wie möglich zu kommen Verdienste Erste Schritte eine italienische Muttersprache hervorzubringen Erfindung des Sonetts

Giacomo da Lentini Ca. 1210 – 1260 Bedeutendster Vertreter der sizilianischen Dichterschule Sehr wahrscheinlich Erfinder des Sonetts Unvergängliches Ruhmestitel für die Dichterschule Künstlername: il Notaro Immenser Einfluss auf alle jüngeren Dichter Vorreiter des dolce stil nuovo Tritt in Dantes Divina Commedia auf „«O frate, issa vegg'io», diss'elli, «il nodo/ che 'l Notaro e Guittone e me ritenne/ di qua dal dolce stil novo ch'i' odo! ...»“ 24. Gesang des Purgatoriums, Vers 55 - 57 http://www.consiglionotarilecatania.it/img/foto-notariato.jpg

Die Gedichte Thema: Liebe Keine politischen/sozialkritischen Texte „ Diese Hofdichtung verstand sich als ein Glasperlenspiel mit dem Ziel der Evasion aus der Wirklichkeit.“ (Willemsen) Ca. 320 erhaltene Gedichte → mehr als die Hälfte anonym, Rest: zweifelhafte Autorschaft Auch der Kaiser selbst dichtete, wenn auch nicht auf höchstem Niveau http://www.sanmarcoinlamisweb.it/wp-content/uploads/2010/03/poesia.png

Überlieferungsprobleme Sammelschriften aus spätem 13. Jahrhundert Aus der Toskana; abgeändert rima siciliana conduci/cruci toskanisiert zu conduce/croce – dadurch unrein Giovanni Maria Barbieri (1519-1574) findet Libro siciliano mit Originalschriften Beispiel: Gedicht von König Enzio, illegitimer Sohn Friedrichs II. Manuskript von Barbieri http://www.artblog.comli.com/wp-content/uploads/2009/09/barbieri-arte-del-rimare-libro-siciliano.jpg

Sizilianisches Original vs. Toskanische Abschrift Re Enzo S’eo trovasse Pietanza Redazione siciliana IV Stanza Tutti li pinsaminti chi ’l spirtu meu divisa sunu pen’ e duluri                                 45 sinz’alligrar, chi nu lli s’accumpagna; e di manti turmenti abundu in mala guisa, chi ’l natural caluri ò pirdutu, tantu ’l cor batti e lagna;         50 or si po dir da manti: chi è zo, chi nu mori poi ch’ài sagnatu ’l cori? Rispundu: chi lu sagna in quil mumentu ’l stagna,                       55 nu pir meu ben, ma pir la sua virtuti. Redazione toscana IV Stanza Tutti quei pemsamenti ca spirti mei divisa, sono pene e dolore,                              45 sanz’allegrar, che no lgli s’acompangna; e di tanti tormenti abomdo en mala guisa, che ’l natural colore tuto perdo, tanto il cor sbatte e langna;   50 or si pò dir da manti: «Che è zò, ché no mori, poi c’a’ sangnato il core?» Rispondo: «Chi lo sangna, in quel momento stangna                       55 nom per meo ben, ma prova sua vertute».

Re Enzo S’eo trovasse Pietanza Redazione siciliana IV Stanza Tutti li pinsaminti chi ’l spirtu meu divisa sunu pen’ e duluri                                 45 sinz’alligrar, chi nu lli s’accumpagna; e di manti turmenti abundu in mala guisa, chi ’l natural caluri ò pirdutu, tantu ’l cor batti e lagna;         50 or si po dir da manti: chi è zo, chi nu mori poi ch’ài sagnatu ’l cori? Rispundu: chi lu sagna in quil mumentu ’l stagna,                       55 nu pir meu ben, ma pir la sua virtuti. → Sizilianisches Original

Re Enzo S’eo trovasse Pietanza Redazione siciliana IV Stanza Tutti li pinsaminti chi ’l spirtu meu divisa sunu pen’ e duluri                                 45 sinz’alligrar, chi nu lli s’accumpagna; e di manti turmenti abundu in mala guisa, chi ’l natural caluri ò pirdutu, tantu ’l cor batti e lagna;         50 or si po dir da manti: chi è zo, chi nu mori poi ch’ài sagnatu ’l cori? Rispundu: chi lu sagna in quil mumentu ’l stagna,                       55 nu pir meu ben, ma pir la sua virtuti.

Re Enzo S’eo trovasse Pietanza Redazione siciliana IV Stanza Tutti li pinsaminti chi ’l spirtu meu divisa sunu pen’ e duluri                                 45 sinz’alligrar, chi nu lli s’accumpagna; e di manti turmenti abundu in mala guisa, chi ’l natural caluri ò pirdutu, tantu ’l cor batti e lagna;         50 or si po dir da manti: chi è zo, chi nu mori poi ch’ài sagnatu ’l cori? Rispundu: chi lu sagna in quil mumentu ’l stagna,                       55 nu pir meu ben, ma pir la sua virtuti. Metaphonie: (o > uo) → bonu > buonu (e > ie) → pedi > piedi

Re Enzo S’eo trovasse Pietanza Redazione siciliana IV Stanza Tutti li pinsaminti chi ’l spirtu meu divisa sunu pen’ e duluri                                 45 sinz’alligrar, chi nu lli s’accumpagna; e di manti turmenti abundu in mala guisa, chi ’l natural caluri ò pirdutu, tantu ’l cor batti e lagna;         50 or si po dir da manti: chi è zo, chi nu mori poi ch’ài sagnatu ’l cori? Rispundu: chi lu sagna in quil mumentu ’l stagna,                       55 nu pir meu ben, ma pir la sua virtuti. Der bestimmte Artikel lu/u (m.Sg.) la/a (f.Sg.) li/i (m.Pl.) li/i (f.Pl.)

Giacomo da Lentini Madonna, dir vo voglio Madonna, dir vo voglio como l’amor m’à priso, inver’ lo grande orgoglio che voi, bella, mostrate, e no m’aita. 4 Oi lasso, lo meo core, che ’n tante pene è miso che vive quando more per bene amare, e teneselo a vita. 8 Dunque mor’u viv’eo? No, ma lo core meo more più spesso e forte che non faria di morte naturale, 12 per voi, donna, cui ama, più che se stesso brama, e voi pur lo sdegnate: Amor, vostra ’mistate vidi male. 16 […] Beispiele für den Erhalt sizilianischer Sprachformen inver‘ – „di contro a“ orgoglio - heute: Stolz, früher: hochmütige Ablehnung eines Verehrers

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!!!

IV. Literaturverzeichnis Carl A. Willemsen, Kaiser Friedrich II. und sein Dichterkreis, Wiesbaden, 1977 Manfred Hardt, Geschichte der italienischen Literatur, Frankfurt a. M., 2003 Herbert Nette, Friedrich II. von Hohenstaufen, Hamburg, 1995 Elisabeth Schulze-Witzenrath, Literaturwissenschaft für Italianisten, Tübingen, 1998 http://www.artblog.comli.com/lingua-originaria-lirica-siciliana/