Wandel des Judithbildes

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 Präsentation transkript:

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Deutsches Seminar Universität Zürich / Sommersemester 2005 Seminar „Judithdichtungen in der deutschen Literatur des Mittelalters“ Dozentin: Frau Dr. Henrike Lähnemann Referent: Tiziano S. Cerrone Wie wir mittlerweile alle wissen stellt die Judithfigur, obwohl ihre Aktualität in der heutigen Zeit stark abgenommen hat, ein zentrales Motiv der jüdisch-christlichen Kultur dar. Die Judith-Figur blieb auch in der Neuzeit während Jahrhunderten hindurch populär und einflussreich und führte zu unzähligen Judith-Darstellungen und –Bearbeitungen in Literatur, bildenden Kunst oder gar im Film – aber auch ausser halb der Kunstproduktion. Selbst auf Gebrauchsgegenständen war die jüdische Tugendheldin omnipräsent. Meine Präsentation kann natürlich nicht die Gesamtheit aller möglichen Zusammenhänge um die Judith-Figur .abdecken, der zeitlich beschränkte Rahmen erlaubt es mir nur einige Beispiele aus der bildenden Kunst- anzuführen, um anzudeuten, wie das Judithbild in der Neuzeit eine bzw. mehrere eklatante Umdeutungen erfahren hat und weshalb die Tugendheldin der Bibel und des Mittelalters aus ihren sakralen Umfeld herausgelöst und für die verschiedensten Zwecke instrumentalisiert konnte.

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Inhalt der Präsentation I. Judithbild bis zum Ende des Mittelalters II. Gründe für die beginnende Umdeutung III. Wandel anhand von Beispielen Zunächst will ich kurz den Inhalt meiner Präsentation umreissen: Eingangs werde ich auf das traditionelle Judith-Bild zu sprechen kommen müssen, wie es in der Bibel – genauer gesagt in der Vulgata – zum Ausdruck kommt, um zu zeigen, dass die Ambivalenz der Judithgestalt hier noch nicht eingeschrieben ist. Erst in der neuzeitlichen Rezeption des Textes zeigt sich eine ambivalente Haltung gegenüber Judith. ------------- Im zweiten Teil will ich Gründe für die in der Neuzeit einsetzende Umdeutung nennen, die auch zeigen werden, dass die Ambivalenzproblematik erst zu dieser Zeit virulent wird. -------------- Zum Abschluss der Präsentation werden dann Beispiele aus der bildenden Kunst – hier müssen philologische aber auch andere Medien, in denen die Judithgestalt fortgeschrieben worden ist, unerwähnt bleiben – sowie einige Extrempositionen der neuzeitlichen Judithrezeption vorgestellt.

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit I. Judithbild bis zum Ende des Mittelalters - Übergeordnetes Thema des Judith-Buches: Vernichtung eines heidnischen Feindes mit Gottes Hilfe durch eine Frau - Quintessenz der Narration führt zu einer ambivalenten Be- wertung der Judith-Figur Nach eingehender Beschäftigung mit der mittelalterlichen Bibeldichtung u.ä. wissen wir nunmehr, dass das übergeordnete Thema des Judith-Buches die Vernichtung eines heidnischen Feindes mit Gottes Hilfe durch eine Frau darstellt. --------- Diese Quintessenz der Narration bildet die Basis für die ambivalenten Interpretationen ihrer Titelgestalt, die jedoch wie wir noch sehen werden, erst in der Neuzeit konstruiert werden, denn die apokryphe Tugendheldinhat mit ihrer Geschichte widersprüchliche Reaktionen provoziert - ob in patriarchalischen oder auch feministischen Rezeptionen. Judith ist einerseits Allegorie für das gehorsame und auserwählte jüdische Volk. Gleichzeitig durchbricht sie mit ihrer Eigeninitiative die Regeln des unbedingten Gehorsams - und tut dies als Frau, der die Subordination unter den männlichen Gebieter als Kriterium ihrer Geschlechterrolle seit Jahrhunderten eingeschrieben ist! Ihre Heldentat ist im Judith-Buch als Ausnahmesituation gekennzeichnet - eine Tat zwar mit weitreichenden Konsequenzen, doch redomestiziert sie sich nach vollbrachter Tat selber in die limitierenden Mauern der Heimatstadt und innerhalb der Wände ihres Hauses – ein Aspekt, der in einer feministischen Lesart natürlich keine Würdigung erfahren kann. ----------- Judith wird im Mittelalter ausschließlich als Retterin des ausgewählten jüdischen Volkes verehrt - eine Rezeptionshaltung, die der Interpretation ab Beginn der Neuzeit z.B. als fatale femme forte, die ein wehrloses männliches Opfer metaphorisch gesprochen kastriert, diametral gegenübersteht. - Umdeutung der Tugendheldin setzt ca. zu Beginn der Neu- zeit ein

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit - Judith-Buch führt Omnipotenz Gottes vor - Judith als Tugendpersonifikation - Virtus Virtutum = Synthese aller Tugenden Das Judith-Buch führt wie gesagt die Omnipotenz Gottes vor. ---------- Um aber überhaupt von Gott auserwählt zu werden, um eine grosse Tat zu vollbringen, muss die entsprechende Gestalt gewisse Prämissen erfüllen. Die Darstellung des Charakters der Protagonistin Judith in der Vulgata ist dementsprechend durchweg positiv gekennzeichnet und konnte dazu führen, dass sie im Mittelalter als Virtus Virtutum, der Synthese aller Tugenden, allegorisiert werden konnte. ---------

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Judiths Tugenden gemäss Vulgata 1. Religiosität 2. Humilitas (Demut / Bescheidenheit) 3. Castitas (Keuschheit) Die verschiedenen positiv besetzten Charaktereigenschaften, die Judith als Tugendallegorie Virtus Virtutum schon in der Vulgata auf sich vereinigt, sollen in der Folge entfaltet werden. ---------- Zunächst folgt Judith mit ihrer Lebensweise den vorgeschriebenen Riten. Aufgrund ihrer beschriebenen Religiosität vereint Judith die Summe aller Tugenden auf sich, so daß sie im Mittelalter überhaupt als Virtus Virtutum glorifiziert werden konnte, die wie wir ebenfalls bereits wissen in einem engen Kontext mit der kirchlichen Deutung der Muttergottes stand. Eine Parallelisierung der beiden Gestalten ergibt sich daraus, dass beide zu ihrer Aufgabe erwählt worden sind und das metaphorische Dämonische in der Welt besiegen. Die Interpretation Judiths als Präfiguration Mariae und damit als Virtus Virtutum ist traditionell eng miteinander verwoben. ---- Eine weitere Tugend Judiths stellt ihre Humilitas, ihre Demut, dar. Diese basiert auf der Demonstration ihres Bewusstseins, ein Instrument in der Hand Gottes zu sein, der über ihre Funktion in dem Geschehen und in Anbetracht ihres gottesfürchtigen Verhaltens über den Ausgang der Tat entscheidet. Judith selbst kennzeichnet sich als demütig und folgsam, den göttlichen Auftrag auszuführen. ------ An die Betonung des sozialen Status als Witwe, die als Vollstreckerin göttlicher Gerechtigkeit fungiert, schließt sich die eminent wichtige Tugend der Castitas, der Keuschheit, an, mit der die Heldin als Erwählte prädestiniert ist. Judith achtet also auch in dieser Hinsicht auf die religiösen Gebote im Hinblick auf ihre weibliche Rolle. Die soziale Funktion der Ehefrau hat sie erfüllt, wobei mögliche Nachkommen keine Erwähnung finden. Nach dem Tod ihres Mannes erreicht sie erneut den Zustand der Reinheit. Sie bleibt unverheiratet. Sexualität wird somit aus ihrem Leben ausgeschlossen. Äusserlich sichtbarer Ausdruck ihrer Keuschheit ist die Witwenkleidung, die die weiblichen Körpermerkmale verdeckt. Der Hinweis auf die sexuelle Unantastbarkeit, trotz des bewußten Einsatzes ihres Körpers gegen Holofernes, gibt Judith den gerechtfertigten Heldenstatus. Der moralische Stellenwert der sexuellen Enthaltsamkeit der Frau wird im Zusammenhang mit der Tat besonders unterstrichen. Die auserwählte Frau fungiert als Werkzeug göttlicher Intervention, wobei ihre sexuelle Abstinenz zum entscheidenden Kriterium der Auserwählung wird. Die sexuelle Enthaltsamkeit ist demnach die Bedingung für die Erwählung durch Gott wie auch für die nachfolgende positive Anerkennung des Gewaltaktes.

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit 4. Kardinaltugenden a) Temperantia (Besonnenheit / Mässigung) b) Justitia (Gerechtigkeit) Neben den gerade erwähnten positiven Eigenschaften, lassen sich bei Judith naturgemäss auch die sogenannten Kardinaltugenden, der Temperantia, Justitia, Fortitudo und Prudentia erkennen, die sich ebenfalls gegenseitig bedingen und ergänzen. Judith ist sich nämlich bewusst, daß die Überwindung der assyrischen Feinde einzig durch den Willen Gottes gelingen kann, der damit der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Darin zeigt sich sowohl der Glaube an die göttliche Gerechtigkeit sowie die Mäßigkeit in den eigenen Ansprüchen an den Verdienst, dieser Gerechtigkeit zum Ziel verholfen zu haben, wenn ihr auch einiges an Tapferkeit zugestanden wird. Das gottesfürchtige Leben in ihrer Heimatstadt wie auch ihr Verhalten im Lager des Holofernes hingegen werden als Ausdruck ihrer Klugheit gerühmt. c) Fortitudo (Mut / Tapferkeit) d) Prudentia (Einsicht / Weisheit / Klugheit /Umsicht)

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Zusammenfassung von Teil I - Judith als Personifikation der Gesamtheit christlicher Tugenden - Bewertung in der Vulgata durchweg positiv Judith gilt als Personifikation der Gesamtheit christlicher Tugenden ------- Es darf also behauptet werden, dass die Bewertung in der Vulgata durchweg positiv ist. Jedoch führte die Fülle an Tugenden dazu, dass die Judithgestalt ebenfalls in anderen Kontexten als Personifikation einzelner Tugenden dienen konnte. Diese Möglichkeit einzelne Tugenden aus der Gesamtheit der Virtus Virtutum herauszulösen und in andere Kontexte zu verpflanzen verstärkt sich in der Neuzeit auch dahingehend, dass diese Tugend plötzlich zu einem Laster umgedeutet werden kann, wobei nochmals zu erwähnen ist, dass diese Problematik wie gesehen nicht schon in der Vulgata eingeschrieben wäre. Aber wenden wir uns jetzt den Gründen zu, die zu diesen Umdeutungen geführt haben. - Übertragung einzelner Tugenden in andere Kontexte

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit II. Gründe für die beginnende Umdeutung - beginnende Säkularisation in der Renaissance - sozialhistorische Gründe - Buchdruck und Volkssprachen ermöglichen (auch für Frauen) besseren Zugang zu Wissensbeständen Die in der Renaissance einsetzende Säkularisierung schwächt den religiösen Kontext des Judith-Buches und der weibliche Körper gewinnt – wie noch zu zeigen sein wird - eine eminente Relevanz für die Deutung des weiblichen Helden, der ja seinen Körper mit List und Tücke einzusetzen weiß. In diesem Umfeld ist auch nach der Bedeutung und Bewertung der rhetorischen Fähigkeiten der Judith zu fragen, die Holofernes und seine Gefolgsleute ebenfalls mit ihrer Beredsamkeit zu entzücken und zu täuschen weiß. ---------- Die einsetzende die gesellschaftliche Diskussion um die Stellung der Frau. Es wurde verstärkt darüber nachgedacht, was den Charakter des weiblichen Geschlechts ausmachen würde, wie sie beschaffen sind und welchen Zweck sie zu erfüllen hätten. In diesem Zusammenhang wurde die Judithgestalt zu einer Schlüsselfigur der Kontroverse. Die Gestaltung und Rezeptionen nicht nur der Judithfigur, sondern generell von Frauengestalten in jener Zeit und auch später mag demnach als Ausdruck einer diskriminierenden Abwehrreaktion dieser ins öffentliche Bewußtsein gerückten Neupositionierung der Frau zu deuten sein. Diese Neupositionierung erfolgte aufgrund der Tatsache, dass es den Frauen wegen der Zurückdrängung des Lateinischen durch die Volkssprachen möglich geworden war, an verschiedenen Diskursen zu partizipieren Zudem spielte die Entwicklung des Buchdrucks eine wichtige Rolle, da sie auch den Frauen die Möglichkeit zur Publikation eröffnet.  

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit - nunmehr negative Auslegung der zuvor positiv bewerte- ten Eigenschaften und Handlungen der Judithgestalt - Bewertung der rhetorischen Fähigkeiten - Judith und der Einsatz ihres Körpers Auf dem eben genannten Hintergrund kommt es jetzt vermehrt zu einer negativen Auslegung der zuvor positiv bewerteten Eigenschaften und Handlungen der Heldin des Judith-Buch. ----------- Im Judith-Buch werden Schönheit sowie die Macht des Wortes ausdrücklich und lobend hervorgehoben. Judith scheint dem Heerführer einen Sieg über das jüdische Volk zu versprechen, indem sie zwar keine explizite Lüge ausspricht, dennoch Holofernes durch bewußte Auslassung wichtige Informationen vorenthält. Judith wiegt den Feind also durch ihre listige Rede in Sicherheit. Die Wirkung ihres Körpers auf den Heerführer unterstützt ihre sprachliche List als Mittel zur Besiegung des Feindes. Die bewußte Inszenierung ihres weiblichen Körpers benutzt Judith demnach ebenfalls als Mittel, den Heerführer kopf- und orientierungslos zu machen. Das Ziel, den Mann mittels des bewußten Einsatzes ihres Körpers zu blenden und letztlich zu töten, macht die Heldin nach dem Wegfallen des religiösen Kontextes, der diese Strategie als probates Mittel der Bekämpfung des gottlosen Feindes erlaubte, jedoch als tückisch verdächtig, so daß ihre Tugendhaftigkeit für den neuzeitlichen Rezipienten ambivalent erscheint. Gerade die Keuschheit der Heldin macht es ja erst möglich, sie zu verehren und sie gerade aufgrund ihrer als listig oder auch als gescheit zu beurteilenden Vorgehensweise als vorbildliche Tugendheldin zu kategorisieren.

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Weiblichkeitsentwurf auf dem Hintergrund der Judithgestalt als binäre Opposition Heilige und Hure Das Exempel Judith betreffend, ergeben sich nunmehr zwei kontrastive Weiblichkeitsentwürfe. Weiblichkeit am Beispiel Judiths wird zum einen als Summe christlicher Tugenden verstanden. Gleichzeitig aber ist sie mit den Eigenschaften hinterhältig und heuchlerisch konnotier. Weiblicher sex wird in diesem Zusammenhang zum zentralen Kriterium der Begriffsdefinition, da das biologische Geschlecht in der männlichen Wahrnehmung als Mittel der Hinterlist und Täuschung des Mannes verstanden wird. Diesem auf einer binären Opposition basierenden Entwurf zufolge existiere eine legitime Ordnung mit sanktionierten Beziehungen und notwendiger Sexualität mit der Aufgabe der Reproduktion neben einer illegitimen Welt, in der Liebe und sexuelle Lust zu finden seien.  Im ersten sozialen System wird die Ehefrau als Mutter und Organisatorin des Hauses domestiziert und als Inbegriff der weiblichen Tugendhaftigkeit verklärt. Das parallel existierende Weiblichkeitsbild definiert die Frau in erster Linie als weiblicher Körper, der für die Erfüllung männlicher libidinöser Wünsche zuständig ist. Der weibliche Körper wird dabei gleichzeitig als Ort der Sünde kategorisiert. Dieser Zusammenhang führt zur auf die religiös geprägte basierender Dichotomie von der Heiligen und der Hure, die die möglichen diametral gegenüber gestellten Konzepte der Feminität veranschaulicht. Der weib­liche Körper erfährt dabei ebenfalls eine ambivalente Beurteilung, da er einerseits als schön, erotisch anziehend und damit bewundernswert erscheint andererseits jedoch als Gefahr für die männliche Tugendhaftigkeit empfunden wird.  

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit III. Wandel anhand von Beispielen - Judith-Rezeption in Malerei und Plastik - soziale / geisteswissenschaftliche Judith-Rezeption - Adaption der Judithgestalt in politisch-religiösen Zu- sammenhängen Die hier entfaltete Dichotomie in den gender-Konzepten des Femininen visualisiert sich überaus deutlich in den unterschiedlichen neuzeitlichen Darstellungen der Judith. Die asexuelle Judith, die als Präfiguration der Maria als Virtus Virtutum allegorisiert wird, existiert parallel zu einer Judith, die als exponiertes Beispiel weiblichen Lasters ihren Körper in Tötungsabsicht inszeniert und einsetzt. In dieser Präsentation gilt mein Interesse dem Wandel in der Figuration der Judith hin zum Weiblichkeitsentwurf, zur sexuell aktiven und dadurch bedrohlichen Frau. An diesen Beispielen aus der bildenden Kunst zeigt sich, wie sich die Dekontextualisierung aus dem sakralen Kontext der ehemals als Tugendheldin gefeierten Judith in einem neuen säkularisierten Zusammenhang manifestiert. --------- In der Folge sollen neben Malerei und Plastik auch soziale, geistesgeschichtliche und politisch-religiöse Beispiele genannt werden.  

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Als erstes Beispiel aus der bildenden Kunst zeige ich zwei Gemälde von Lucas Cranach den Älteren, der zwischen 1472 und 1553 gelebt hat. Hierbei handelt es sich links um ein Salome-Bildnis und rechts eines von Judith, beide aus dem Jahre 1520. Beide Figuren sind in fast identischer Haltung auf der Bildfläche positioniert. Einzig der Oberkörper ist dargestellt. Beide Gestalten sind in Dreiviertelansicht zu sehen. Sie tragen aufwendige Kleidung, Kopfputz und reichen Schmuck. In analoger Weise präsentieren Salome wie auch Cranachs Judith den jeweils abgeschlagenen Männerkopf vor ihrem Körper. Die Figur der Salome ist aufgrund des Tellers, auf dein der Männerkopf auf­liegt, zu identifizieren. Judith hält den Holofernes-Kopf in identischer Positionierung fest. Nur die Attribute identifizieren die dargestellten Frauen als unterschiedliche Personen. Die Komposition und Gestaltungsweise jedoch verbinden die beiden Gemälde als Pendants und schaffen ebenso wie im venezianischen Umfeld eine Verknüpfung Judiths mit der Mörderin des Täufers mit densel­ben Konsequenzen für die außerbildliche Interpretation der Judith als Männermörderin. Das männliche Opfer der beiden Frauen blickt aus dem Bild auf den Betrachter, der sich darin gespiegelt sehen kann. Cranach parallelisiert die beiden Frauengestalten bis zur Austauschbarkeit. Obwohl die Bibel ganz klar zwischen beiden Frauengestalten unterscheiden muss.   Lucas Cranach d. Ä., Salome und Siegreiche Judith, beide 1530

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit   Dieses Judith-Gemälde stammt von der italienischen Barock-Malerin Artemisia Gentileschi und bringt den Moments der Enthauptung in seiner blutigen Drastik als ein symbolischer Befreiungsakt der Frau vor der Unterdrückung des Mannes zur Darstellung. Diese Deutung drängt sich deshalb auf, da Judith bei ihrem Befreiungsakt von ihrer Magd tatkräftig unterstützt wird. Auch die Freudsche Parallelisierung von Enthauptung und Kastration als Racheakt für die Unterdrückung scheinen in diesem Bild durch. Zwar wird hier Judith nicht explizit negativ dargestellt aber auch hier lässt sich eine Einengung und Funktionalisierung der biblischen Gestalt ausmachen. Artemisia Gentileschi, Judith Holofernes enthauptend, 1620

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit   Dieses Gemälde stammt von Crisofano Allori und wurde um 1615 geschaffen. Es stellt auf dem Hintergrund des Judith-Stoffes eine Bewältigung der lebensbiographischen Situation des Malers dar. Alloris gab den Zügen der Judith diejenigen seiner Geliebten, die ihn verlassen hatte. Hier suggeriert das Bild also, dass die Geliebte des Malers wie die biblische Gestalt in neuzeitlicher Rezeption eine mitleidlose Männermörderin sei. Cristofano Allori, Judith mit dem Haupte des Holofernes, 1615

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit   Der Niederländer Jan Metsys präsentiert in seinem um 1550 entstandenem Gemälde eine halb entkleidete Judith. Der befriedigte Gesichtsausdruck dieser Judith als femme fatale impliziert einen stattgefundenen Koitus zwischen ihr und dem nunmehr enthaupteten Holofernes und bringt das Gemälde in die Nähe pornographischer Darstellungen wie sie in jener Zeit in Bordellen und sonstigen anrüchigen Etablisements beliebt waren. Jan Metsys, Judith das Haupt Holofernes haltend, um 1550

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit   Ein moderneres Gemälde, nämlich eine Judit-Darstellungen von Gustav Klimt, die um die Jahrhundertwende entstanden reiht sich ebenfalls in die Tradition der famme fatale. Auch hier zeigt Judith einen sexuell saturierten Gesichtsausdruck nach der sybolischen Kastration des Mannes. Der religiöse Kontext ist nur noch im Goldgrund erahnbar, im Mittelpunkt steht die Sexualisierung der Judithgestalt, wie sie im fin de siecle beliebt war. Gustav Klimt, Judith I, 1901

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit Francisco Goya, Judith und Holofernes, um 1800   Ein moderneres Gemälde, nämlich eine Judit-Darstellungen von Gustav Klimt, die um die Jahrhundertwende entstanden reiht sich ebenfalls in die Tradition der famme fatale. Auch hier zeigt Judith einen sexuell saturierten Gesichtsausdruck nach der sybolischen Kastration des Mannes. Der religiöse Kontext ist nur noch im Goldgrund erahnbar, im Mittelpunkt steht die Sexualisierung der Judithgestalt, wie sie im fin de siecle beliebt war. Donatello, Judith und Holofernes, 1459

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit - Freuds Judith-Rezeption - Penis-Neid - Köpfen = symbolischer Ersatz für Kastrieren  

Wandel des Judithbildes in der Neuzeit - politisch-religiöse Aneignung der Judithgestalt in der Reformation - Judith als Muster ehelicher Tugend oder sexueller Aus- schweifung