Sexualbezogene Internetnutzung: Chancen und Probleme

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 Präsentation transkript:

Sexualbezogene Internetnutzung: Chancen und Probleme Dipl.-Psych. Christiane Eichenberg Institut für Klinische Psychologie & Psychotherapie, Universität zu Köln Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum 25jährigen Jubiläum der pro familia Trier 09. Dezember 2004, 18.30 Uhr, Trier

Populäre Bewertungen sexualbezogenen Internet-Gebrauchs Alarmierende Position Net-Sex degeneriert uns zu einer reinen Masturbationsgesellschaft! Im Internet gibt es sehr viel u. besonders harte Pornografie! Frauen werden häufig sexuell belästigt u. durch sexuelle Netzinhalte abgeschreckt! In den sexuellen Diskussionsforen stellen sich Perverse und Kriminelle ungehindert da! Kinder und Jugendlich sind durch die Flut sexueller Netzinhalte gefährdet! Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Populäre Bewertungen sexualbezogenen Internet-Gebrauchs Beschwichtigende Position Cybersex wird nur von wenigen praktiziert und ist sowieso unbefriedigend und öde. Es ist weder besonders viel noch besonders harte Pornografie im Internet zu finden. Frauen können aufdringlichen Nutzern leicht ausweichen. In den sexuellen Diskussions- foren findet überwiegend nur belangloser Small-Talk statt. Jugendschutz ist durch Zugriffssperren u. elterliche Kontrolle zu gewährleisten. Döring (1998) Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Furchtbarere Betrachtung sexualbezogenen Internet-Gebrauchs Differenzierte Beleuchtung von Online-Sexualität in ihren vielfältigen Erscheinungsformen und Funktionen: I Selbstgewählte Online-Sexualität II Ungewollte Online-Sexualität Online Belästigung Cyber-Prostitution III Online-Sexualität des Partners Cybersexsucht Cyberuntreue Döring (2003) Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Spektrum selbstgewählter sexueller Internetaktivitäten I Rezeption von Aufklärungs- + Informationsmaterialien II Meinungs- + Erfahrungsaustausch III Inanspruchnahme profession. sexualbezogener Online-Beratung IV Abruf erotischer + pornografischer Darstellungen V Sexueller Selbstausdruck durch eigene Publikationen VI Cybersex und Cyberliebe Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

I Informationsmaterialien Allgemein Medicine-Worldwide, Online-Lexikon „Sexualität“: www.m-ww.de/sexualitaet_fortpflanzung/lexikon/index.html Für bestimmte Zielgruppen Jugendliche: www.sextra.de Frauen: www.femina.com Marginalisierte sexuelle Subkulturen: www.andersartig.net Bei bestimmten Störungen + Problemen Sexueller Missbrauch: www.praevention.org/sexuelle_gewalt.htm Impotenz: www.impodoc.de Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

II Diskussionsforen Allgemein netdoktor.de: www.netdoktor.de/sex_partnerschaft/index.shtml Für bestimmte Zielgruppen Bisexualität: BiNe e.V., Frauen: bine.net/wwwboardf/index.html Bei bestimmten Störungen + Problemen Transsexualität: de.alt.soc.transgendered Vaginismus: de.groups.yahoo.com/group/Vaginismus-Germany

Information und Diskussion: Vor- und Nachteile VORTEILE NACHTEILE Information: kostenlos breites Themenspektrum orts- u. zeitunabhängiger Zugriff diskret Verbindung von Info und Kontakt Qualitätssicherung: Fehl- und Falschinformationen Kinder/Jugendliche: wenn erste und einzige Aufklärung Diskussion: Niedrigschwelligkeit Förderung von Selbstakzeptanz neues Lernen Transfer der gewonnenen Erfahrungen ins real life Gruppenklima: Destruktiv durch Sexuelle Belästigung Flaming Enttäuschung Verwirrung Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

III Professionelle Online-Beratung (1/4) Kostenpflichtig Allgemein: Psychologe.de: www.psychologe.de Dipl.-Psych. C. Casanova Waser: www.bodytherapie.ch Sexuelle Funktionsstörungen (des Mannes): Dr. M. Müller: www.impodoc.de Kostenlos Pro familia: www.sextra.de Sexualität und geistige Behinderung: Lebenshilfe e.V. Berlin, Projekt Liebe, Lust & Frust: www.lebenshilfe-berlin.de Täter von sexueller Gewalt: Modellprojekt der EUGET: www.gewalt-hotline.net Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

III Professionelle Online-Beratung (2/4) VORTEILE NACHTEILE Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen Ethische Probleme Anonymität der Kommunikation- situation: Subjektiv unverbindlichere Kontaktaufnahme Erleichterte Kontaktaufnahme bei Schwellenängsten Beschleunigte Selbstöffnung Fehlende theoretische Fundierung: Theorie der Online-Beratung Mangelnde Kenntnis über Wirkmechanismen mediumspezifische Beratungstechniken Schriftliche, schnelle und höher frequentierte Konsultation Keine klinische Diagnostik Asynchronizität der Kommunikation: keine Terminabsprachen „zone for reflection“ Auswirkungen auf Interventionskraft Archivierung/Editierung möglich Negative Effekte der Archivierung Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

III Professionelle Online-Beratung (3/4) Evaluation von sextra.de (Diplomarbeit von U. Mayer (2004) am Institut für Klinische Psychologie, Uni Köln) Motivation zur Nutzung von sextra.de MOTIV %-ANTEIL („trifft vollkommen zu“ u. „trifft ziemlich zu“; n= 105) Einfache und schnelle Erreichbarkeit 89% Anonymität 72% Rat unabhängig vom persönlichen Auftreten/ Aussehen 64% Möglichkeit, Antwort mehrmals durchzulesen 63% Mehr Zeit zum Überlegen als beim Gespräch 61% Peinlichkeit, über dieses Problem mit jmd. persönlich zu sprechen 37% Langer Anfahrtsweg, um einen Berater persönlich aufzusuchen 24% Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

III Professionelle Online-Beratung (4/4) Pre-Post-Befragung: Erwartung an Online-Beratung - Erfüllung ERWARTUNG %-ANTEIL („trifft vollkommen zu“ u. „trifft ziemlich zu“; n= 62) Konkrete Anregung zur Problemlösung 94% / 60% Gelegenheit zur Problembearbeitung 93% / 66% Konkrete Information über das Problem 91% / 59% Möglichkeit, Klarheit zu gewinnen 84% / 65% Verbesserung von Beziehungen 75% / 44% Möglichkeit, Dinge v. d. Seele zu schreiben 64% / 74% Knapp 1/4 hatten zuvor noch nie über ihr Problem gesprochen, über 1/3 noch nie Beratung in Anspruch genommen 1/3 hatten die sextra.de zuvor schon einmal genutzt 2/3 der Ratsuchenden war sehr zufrieden o. zufrieden mit der Beratung Bei 1/4 hat sich durch die Beratung etwas im Leben positiv verändert Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

IV Abruf von Erotika und Pornografie (1/2) Angebot Suchmaschinenabfrage: www.google.de [Dez. 2003, Dez. 2004] Suchwort Anzahl der Treffer 2003 2004 Musik 5.810.000 23.300.000 Erotik 5.690.000 15.700.000 Reisen 4.410.000 22.400.000 Arbeit 3.630.000 14.600.000 Sport 3.510.000 18.500.000 Nachrichten 3.410.00 16.100.000 Sex 3.210.000 9.370.000 Pornographie/Pornografie 343.000/353.000 604.000/605.000 Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

IV Abruf von Erotika und Pornografie (2/2) Nachfrage Intensität der Nutzung: ARD/ZDF-Online-Studie (2002), N= 1.011 Online-Inhalte (mindestens 1x/Woche genutzt, in %) ab 14J. n=1.011 14-19J. n=137 Aktuelle Informationen über Deutschland u. im Ausland 36 % 54 % Informationen über PC´s und Software 30 % 41 % Sportinformationen 26 % 40 % Unterhaltungsangebote 23 % Informationen zu TV-Programmen und -sendungen 12 % Informationen aus dem Kulturbereich 24 % 20 % Verbraucher- und Ratgeber-Informationen 17 % Kartenservice für Veranstaltungen 9 % Gewinnspiele 7 % Kontaktanzeigen 2 % 6 % Sex-/Erotikangebote 4 % Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

V Sexueller Selbstausdruck = intrapersonale Kommunikation über erotische u. sexuelle Erfahrungen via Homepage Online-Fragebogenstudie bei N= 43 AnbieterInnen privater sexualbezogener Homepages ergab folgende Hauptmotive (Eichenberg, 2000): Information/ Aufklärung anbieten (z.B. für den Aspekt der Sexualität, den man selbst für sich erschlossen hat) Selbstdarstellung (z.B. Exhibitionismus; Outing bestimmter sexueller Begehrungsformen; Erfahrungen teilen) Unterhaltung anbieten (z.B. ästhetischer Anspruch; gesammeltes Material; frauenspezifische Angebote) Kontakte herstellen (z.B. zu Gleichgesinnten) sexuellen Selbstexploration und Identitätsdarstellung Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

VI Cybersex und Cyberliebe (1/2) Kennenlernen: beiläufig vs. Gezielt Motive: feste Partnerschaft vs. unverbindliche Nebenbeziehung Inhalt: emotional-romantischer Austausch vs. sexueller Fokus Besonderheiten im Vgl. zu F2F: 1. beschleunigte Selbstoffenbarung 2. Steigerung von Projektion u. Imagination Gefahren: Überinvolvment (Ent-)Täuschung Besondere Probleme: 1. Kulturelle Unterschiede/geografische Distanz 2. Differenzen in alltäglichen Gewohnheiten u. Lebensstilen 3. Medienwechsel: Verlust der etablierten emotionalen u. sexuellen Intimität keine pauschale Entwertung als eskapistische Scheinbeziehungen Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

VI Cybersex und Cyberliebe (2/2) Entwicklung von Cyber-Romanzen Döring (2000) zeigte mit einer Analyse von N= 109 Erfahrungsberichten, dass sich die meisten Internet-Romanzen gut entwickeln: Anzahl Anteil Stabilisierung 66 61 % Abbruch 12 11 % Transformation 8 7 % Unklarer Status 23 21 % Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Bedingungen von Online-Sexualität (1/3) Personenmerkmale 1. Geschlechtsidentität und sexuelle Identität 2. Soziokulturelle Merkmale 3. Körperliche und seelische Gesundheit 4. Internetkompetenz Kontextmerkmale 1. Soziale Integration 2. Soziale Kontrolle Medienmerkmale Döring (2003) Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Bedingungen von Online-Sexualität (2/3) Medienmerkmale Rezeption: Triple-A-Modell (Cooper, 1998) 1. Accessibility 2. Affordability 3. Anonymity Interaktion: Triple-C-Modell (Döring, 2003) 1. Communication 2. Collaboration 3. Community Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Bedingungen von Online-Sexualität (3/3) Personen-, Kontext- und Medienmerkmale bringen in Kombination miteinander konkrete Nutzungsweisen hervor , über die dann erst sexuelle Positiv- oder Negativ-Effekte vermittelt werden! Nutzungsdimensionen Selten vs. Häufig Passiv-rezeptiv vs. aktiv-produktiv Sozial vs. nicht-sozial Kommerziell vs. nicht-kommerziell Diskurs über Sexualität vs. sexuelle Interaktion Cooper (2002) Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Sexualität und Internet: Jugendliche (1/3) CHANCEN RISIKEN Altersadäquate Sexualaufklärung Erzieherische Delegation an das Internet Beitrag zur Stärkung und Akzeptanz der sexuellen Identität durch netzbasierten Austausch mit Gleichaltrigen u. Erwachsenen über sexuelle Fantasien u. Probleme Sexuelle Belästigung und Auffinden von altersinadäquatem Material Abhilfe: techn. Mittel: Filter-Software (Übersicht: www.saferinternet.org/filtering/filters.asp) Soziale Maßnahmen: Aktiver Diskurs über Internetnutzung u. -inhalte Sexuelle Selbstexploration im sozialen, psychischen u. körperlichen Sinne sicheres Explorieren des eigenen Begehrens „Digitale Divide“: Generationseffekt Abhilfe: Erhöhung der Internetkompetenz der Elterngeneration Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Sexualität und Internet: Jugendliche (2/3) US-Studie (Finkelhor et al., 2000): Methode: Telefoninterviews, 1.501 repräsentativ ausgewählten Jugendlichen (10-17J.) Ergebnisse: 25% gerieten unbeabsichtigt an Bilder mit Darstellungen nackter Personen o. sexuellen Interaktionen innerhalb des letzten Jahres; 20% erhielten ein unerwünschtes sexuelles Kontaktangebot innerhalb des letzten Jahres; 3% wurden danach gefragt, sich mit jmd. zu treffen, hatten mit jmd. telefoniert o. Geld- bzw. Sachgeschenke erhalten; dabei kam es jedoch nicht zur realen Kontaktumsetzung; 2/3 der `Täter´ sind selbst jugendlich, ihr `Verbrechen´ (sexuelle Belästigung) besteht i.d.R. darin, mit dem Opfer (jedes 3. männlich) über Sex reden zu wollen; (nur) 25% der Jugendlichen fühlten sich durch diese Ereignisse beunruhigt; (nur) 25% der Jugendlichen berichteten ihren Eltern von diesen Ereignissen. Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Sexualität und Internet: Jugendliche (3/3) Hinweise: „Ein Netz für Kinder- Surfen ohne Risiko. Ein praktischer Leitfaden für Eltern und Pädagogen“: www.polizei.nrw.de/siegen/Ein_Netz_fuer_Kinder.pdf Sicherheitstipps für den Aufenthalt in Chaträumen: www.digitale-chancen.de Gesell. für Medienpädagogik u. Kommunikationskultur: http://www.gmk-net.de, z.B. „Elternbroschüre: Mit Medien leben lernen“ SAFER SURF TIPPS - Gib keine persönlichen Informationen über dich und Dritte weiter! Du kannst nicht mehr kontrollieren, wie diese genutzt werden. Wenn dich im Netz etwas ängstigt, bedroht o. erschreckt: Hilfe findest du unter anderem bei: www.jugendschutz.net Wehr dich, wenn du beim Chatten o. durch E-Mails sexuell belästigt wirst. Informiere dich z.B. bei www.frauennotrufe.de (auch für Jungs) Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Fazit: Risiken von Online-Sexualität Wenn sie derartig dominiert, dass der Verdacht der Sucht aufkommt („Cybersexual Addiction“). Wenn sie als dauerhafter Ersatz für reale zwischenmenschliche Sexualität verwendet wird. Wenn sie durch das Ausleben von problematischem sexuellen Verhalten die Hemmschwelle zur Umsetzung in anderen Lebensbereichen herabsetzt. Wenn sie innerhalb von machtasymmetrischen Konstellationen erzwungen wird. Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Fazit: Chancen von Online-Sexualität Niederschwelliger Zugang zu sexualbezogener Information, Selbsthilfe u. Beratung Gegenüber Offline-Kontexten erleichterte konstruktive Auseinandersetzung mit sexuellen Erfahrungen Selbstakzeptanz förderndes Potenzial für marginalisierte sexuelle Subkulturen Erweiterung des sexuellen Handlungsspektrums für Frauen u. Mädchen Sexualtherapeutische Nutzung: Verknüpfung von Online- u. Offline-Hilfen Liberalisierung des Sexualdiskurses Sexualbezogene Internetnutzung, Eichenberg (2004)

Kontakt + Literatur Kontakt Literatur Dipl.-Psych. Christiane Eichenberg Institut für Klinische Psychologie & Psychotherapie, Universität zu Köln Höninger Weg 115, D-50969 Köln christiane@rz-online.de http://www.christianeeichenberg.de Literatur Cooper, A. (Ed.) (2002). Sex and the Internet: A Guidebook for Clinicans. Philadelphia, PA: Brunner-Routledge. Döring, N. (2003). Sex im Internet: (k)ein Thema für die Klinische Psychologie? In R. Ott & C. Eichenberg (Hrsg.). Klinische Psychologie und Internet. Potenziale für klinische Praxis, Intervention, Psychotherapie und Forschung (S. 271-291). Göttingen: Hogrefe. Eichenberg, C. (2004). Sexualität und Internet. In pro-familia-Bundesverband (Hrsg.), Dokumentation der Fachtagung „pro familia virtuell – Online-Dienstleistungen im bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte“ (S. 17-30). Frankfurt/M.: pro familia e.V. http://www.profamilia.de/getpic/2142.pdf Eichenberg, C. (2001). Umgang mit sexuellen Probleme im Internet: Informations-, Beratungs- und Selbsthilfemöglichkeiten für Betroffene. Psychotherapie im Dialog, 2, 3, 367-374.