Historische und philosophische Grundlagen des Strafrechts Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Pawlik LL.M. WS 2014/15
Historische und philosophische Grundlagen des Strafrechts § 2: Grundmodelle der Strafbegründung
Aufgabe der Straftheorien: Legitimation der Ausübung von Strafzwang A. Bedeutung der Philosophie für die Frage nach der Legitimität von Strafe Aufgabe der Straftheorien: Legitimation der Ausübung von Strafzwang Funktion der Straftheorien: Übersetzungsmedien zwischen Welt- und Menschenbildern einerseits und den gegebenen strafrechtlichen Regelungen andererseits
Aristoteles: Mensch als von Natur aus politisches Wesen A. Bedeutung der Philosophie für die Frage nach der Legitimität von Strafe Unterschiedliche Ausformungen dieser Aufgabe: Aristoteles und Hobbes im Vergleich Aristoteles: Mensch als von Natur aus politisches Wesen Abgrenzung guter von schlechter Staatsformen Parallele in der Straftheorie: Differenzierung nur nach gerechten und ungerechten Strafen Hobbes: Mensch als von Natur aus apolitisches Wesen Staat als solcher ist legitimationsbedürftig Parallele in der Straftheorie: Ist Strafe überhaupt zu rechtfertigen?
Strafzwang und bürgerliche Freiheit A. Bedeutung der Philosophie für die Frage nach der Legitimität von Strafe Strafzwang und bürgerliche Freiheit Kant: Unterscheidung zw. Tugend- u. Rechtspflichten: Spannungsverhältnis zw. Freiheit und Strafzwang Feuerbach: Strafe = „Art des Zwangsmittels“, „das aber als eine Beschränkung […] gegen ein berechtigtes Subjekt nur dann angewendet werden [kann], wenn ein Rechtsgrund zu demselben vorhanden ist; denn sonst ist dieser Zwang widerrechtlich“ Tugendpflichten beruhen alleine auf freiem Selbstzwang Rechtspflichten äußerer Zwang möglich
A. Bedeutung der Philosophie für die Frage nach der Legitimität von Strafe Friedrich Julius Stahl: Strafe wegen ihres Zwangs-charakters überhaupt nur durch göttliche Einsetzung legitimierbar Dieser Erklärungsversuch ist für eine säkularisierte Gesellschaft ausgeschlossen
B. Grundmodelle der Strafbegründung Präventionstheorien Vergeltungstheorien Teleologische Ethikansätze Wertigkeit des Handelns bestimmt sich nach den Zielen Zukunftsbezogen Deontologische Ethikansätze Handlung muss in sich berechtigt sein Vergangenheits-bezogen
B. Grundmodelle der Strafbegründung Kritik der Straftheorien Gegen die Präventionslehren: Legitimation der Strafe über die erwarteten Handlungsfolgen ist mit der Menschenwürde des Bestraften unvereinbar Gegen die Vergeltungslehren: Zweckfreie Strafen lassen sich nach Maßgabe einer säkularen Staatsauffassung nicht legitimieren
C. Straftheorien und Zeitgeist Akzeptanz der verschiedenen Straftheorien ist von bestimmten gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen abhängig Bsp.: Das Resozialisierungsideal in den 1960er und 1970er Jahren bezog seine Attraktivität aus dem Gedanken des Wohlfahrtsstaates Eine überzeugende Straftheorie muss daher dem Stand der Zeit angepasst sein