„Kommunizieren in der Presselandschaft“ Hochschule für Wirtschaft Ludwigshafen/Rhein 27. Mai 2011 Dr. Christian Gruber, Ressortleiter Wissenschaft, Rheinpfalz.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Initiative SCHAU HIN! Was Deine Kinder machen.
Advertisements

Lokale und globale Netzwerke
Kommunikation in der Werbung
Periodismo Online Niveau Lernsystem Lerneinheit Inhalte Presse Radio / TV Ziele Einführung Didaktik Zielgruppe Übungen Periodismo Online e-learning Plattform.
Der Weg zu einer Collaboration Strategy
Kommunikationsträger und –mittel des Direct Marketing
Das Mediensystem in Deutschland
Telefontraining für professionelles Telefonverhalten.
Das Mediensystem in Deutschland
Kann man im Netz Geld verdienen? Proseminar 2: Medienlehre Dozentin: Maria Löhblich, M.A. Denka Stancheva
I. Zehn Prinzipien, wie Evangelisation wirklich funktioniert
„Was steht eigentlich hinter dem Roten Kreuz?“
Die häufigsten Fehler im Network-Marketing!
Stephan Kolbe Koordinator für Medienpolitik Global Player – wer gestaltet den digitalen Wandel?
Martin Kravec 4.A Pavol-Horov-Gymnasium 2005/2006
Und was macht man damit? Berufsfelder für HistorikerInnen. Schüler-Information 2010 Dr. Jürgen Büschenfeld Arbeitsbereich Geschichte als Beruf Universität.
Mediendeutsch - Mediendeutsch - Sommersemester 2006 Dr. Stephan Stein.
Theorien, Methoden, Modelle und Praxis
Mediapakete 2008 Das regionale Wirtschaftsportal im Internet.
Offsite –Optimierung bzw. wo Sie noch gefunden werden
Ein Vortrag von Maj-Britt, Bernadette, Moritz, Margarita und Michelle
We support your business!
Die „grenzenlose“ Erde
Kundenbindung und Beziehungsmarketing Lektion M 2 Zusatzfolien Lektion 2 Kundenbindung und Beziehungsmarketing © Abteilung Werbewissenschaft.
„Core Business-Plan“: Hilfestellung zur Strukturierung eigener Ideen
Weyregg – eine Pfarre zum Wohlfühlen
Print lebt !? Die Tageszeitung im Internet-Zeitalter
Übung 1: Bringe die Folie in Ordnung, indem du eine passende Schrift- und Hintergrundfarbe verwendest. Der Text soll gleich bleiben.
Werbemittel werden gleichzeitig, in großer Menge, in einer Region benötigt Wahlkämpfe sind aus wirtschaftlicher Sicht etwas Besonderes:
Выполнила ученица 8 «Б» класса Баранкина Даша
Im Unterricht kann man Einsteigen Ideen sammeln Selbständig lernen
Stadtmanagement.
SoLoMo Zukunftsperspektiven der lokalen und regionalen Medien.
MASSENMEDIEN.
Vertrauen schaffen in der Krise
Management, Führung & Kommunikation
Eine berufliche Standortbestimmung mit 50+
Wir bewegen!! © 2014 SC.L – Strategy Communication Lötters.
Integrierte Corporate Communication - gelungene Beispiele
Kommunikationsworkshop oneTUI
mit Leitfragen die eigene Idee strukturieren
PR 2.0 Warum Theorie und Praxis so weit auseinander klaffen. PRleben Graz, 15. Mai 2009.
Deutsche Tageszeitungen
FH-GELSENKIRCHEN || EJÖ || PROF. OBERMEIER || JTK SS 2005 || STEFAN GEWECKE PR FÜR FORTGESCHRITTENE INTERNATIONALE PR || MARKETING UND PR ||
Qualifizierung von GruppenleiterInnen
Kommunikationsträger und –mittel des Direct Marketing
Shell Eco-marathon 2009 (2008/2009). Projekt: „Shell Eco-marathon“ Der Shell Eco-marathon ist einer der weltweit größten Energieeffizienzwettbewerbe und.
Information und Meinung trennen
Information und Meinung trennen
Hinweis: Diese Präsentation läuft selbstständig - kann aber mit der Leertaste beschleunigt werden.
Für einen starken Service public – Für ein demokratiegerechtes Mediensystem Edith Graf-Litscher, Nationalrätin SP (Thurgau) Anhörung der EMEK zum Thema.
Pressemitteilung texten
L ITERATUR UND DAS I NTERNET Diskussionstraining Motive, Thema 4.
Kommunikation - Die Macht von Bildern in Unternehmen
PR-Vorlagen.
Die modernen Massenmedien
Deutsche Tageszeitungen
Social-Media-Strategien für Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit Fakultät Medien Gabriele Hooffacker.
Basierend auf den Arbeiten von
Mentoring Dr. Nadja Tschirner
Gedanken G.W
Emma Manucharian, Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). ist eine gemeinsame Einrichtung der deutschen Hochschulen, fördert die internationalen.
Engineering Region Darmstadt Rhein Main Neckar.
Radiozentrale GmbH 2016 Radiohörer im Fokus – Wer, wie, womit, wo hört Radiozentrale GmbH, Frühjahr 2016.
Funktionsträgerseminar 2016
10 Gründe, Deutsch zu lernen
„Online first – Online only? Der Siegeszug der Regionalportale“ Thomas Mrazek, München
Prototyping Berlin · Seite 2 Prototyping: Was und wozu Die Zukunft ausprobieren und erfahren durch „Machen“. Einen Mikrokosmos kreieren.
Digital Divide Digitalisierung der Gesellschaft
 Präsentation transkript:

„Kommunizieren in der Presselandschaft“ Hochschule für Wirtschaft Ludwigshafen/Rhein 27. Mai 2011 Dr. Christian Gruber, Ressortleiter Wissenschaft, Rheinpfalz am Sonntag

Kommunikation in der Presselandschaft Die Ausgangslage im Unternehmen: Geschlossene Gesellschaft ► „Es ist so: Die Führungsebenen kommunizieren hinter einem blick- und schalldichten, meterhohen Metallzaun, der oben mit Stacheldraht bestückt ist, und werfen ab und zu einen Brocken Information oben drüber für die draußen gierig wartenden Kommunikationshunde, den sie dann veröffentlichen dürfen“ Insider aus der Automobilbranche ► Folge: Schlechte Krisenkommunikation, siehe Bilfinger Berger oder Toyota

Kommunikation in der Presselandschaft Was der Chef für wichtig hält: sich selbst ► „Als Nationaler Champion eines Kreises europäischer Spitzenmanager hat XY-Chef Dr. YZ Position für Europa bezogen (…)“ ► Problem: Der Text ist nicht in der Lage, die Eigenwahrnehmung der Vorstandsetage zu überschreiten ► Folge: Statt gelungener Imagekommunikation ist der Text eine Steilvorlage für eine Satire

Kommunikation in der Presselandschaft Was die Presse für wichtig hält: die Krise ► DIE ZEIT: „Bereuen Sie den Standortsicherungsvertrag?“ ► BASF: „Auch eine solche Vereinbarung enthält Öffnungsklauseln für Notfälle. Und wenn die eintreten, setzt man sich zusammen und sucht nach (…) Lösungen (…) In Kürze reden wir über eine neue Folgevereinbarung“ ► DIE ZEIT macht daraus die Nachricht: „Selbst im größten Werk Ludwigshafen, das via Standortsicherungs- vertrag eigentlich bis Ende 2010 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sein sollte, verhandelt das Management offenbar mit den Betriebsräten über Einsparungen (…)“ ► Wirkung auf die BASF-Mitarbeiter: verheerend ► Gegenstrategie: Das Prinzip der ökonomischen Räson

Kommunikation in der Presselandschaft Die missglückte Pressemitteilung ► „Mehr als 150 geladene Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Sport und Kultur versammelten sich zu dem von der XY GmbH, Anbieter von Banner Displays und Outdoor Displays, zusammen mit YX, Agentur für PR und Kommunikation, veranstalteten Business Talk in den Geschäftsräumen der XY GmbH (…). Motto des Open House Events war das Netzwerken regionaler Unternehmer mit dem Ziel, gemeinsame Wege zu finden, um die Wirtschaftsregion zu stärken“

Kommunikation in der Presselandschaft Die gelungene Pressemitteilung ► Eine Überschrift braucht Signalworte: „Von wegen altes Eisen. XY zeigt, wie viel öko- logisches Potenzial in gebrauchten Handys steckt“ ► Ein Text braucht Relevanz und Klarheit: „Das Verwerten ausrangierter Handys ist das Kerngeschäft von XY. Das Münchner Unternehmen kauft über seine Internetseite (…) gebrauchteMobiltelefone an, prüft diese auf ihre Funktionsfähigkeit und verkauft sie weiter in Schwellen- und Entwicklungsländer. Dort leisten die Geräte wertvolle Dienste beim Aufbau von Kommunikationsnetzen. Wichtiger Neben- effekt: Der Lebenszyklus eines Handys wird (…) verlängert (…) und damit ein aktiver Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit geleistet. (…) 5 % des Ankaufspreises für einen wohltätigen Zweck (…)“

Kommunikation in der Presselandschaft Publikum (14 bis 49) und Zeitbudget ► Hörfunk: 221 Minuten täglich; Budget: 37% aber: Nebenher-Effekt („easy listening“) ► Fernsehen: 220 Minuten täglich; Budget: 37% aber: Großteil Serien, Shows, Unterhaltung ► Internet: 70 Minuten täglich; Budget: 12% aber: Hol-Medium, kein Bring-Medium ► Tageszeitung: 28 Minuten täglich; Budget: 5%

Kommunikation in der Presselandschaft Strukturen/Reichweiten Print ► 334 lokale oder regionale Tageszeitungen (2006), davon118 mit Vollredaktion (publizistische Einheit); Scheinvielfalt (55% Einzeitungskreise, 37% Zwei- zeitungskreise) ► Nur 20 Verlage produzieren Blätter mit Auflagen von über ► Deutschlands regionale Abonnementzeitungen erreichen im Schnitt 60% des Publikums ► Straßenverkaufszeitungen erreichen nur 5% des Publikums trotz „Bild“ (Auflage rund 3,5 Millionen) ► Die überregionalen Abonnementzeitungen erreichen nur 5,5 Prozent des Publikums

Kommunikation in der Presselandschaft Das bedeutet für die Unternehmenskommunikation ► Global denken, regional kommunizieren ► Über die regionale Presse erreicht man die meisten Mitarbeiter am Standort ► Heimvorteil: Die Mitarbeiterschaft ist auch Kunde der Zeitung vor Ort ► Das führt zu differenzierterer Berichterstattung

Kommunikation in der Presselandschaft Konzentrationsprozesse und ihre Folgen ► Beispiele: Gruner+Jahr legt die Redaktionen von „Capital“, „Impulse“ und „Börse online“ zusammen. DuMont-Schauberg konzentriert die überregionale Berichterstattung von „Berliner Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“, Kölner „Stadt-Anzeiger“ und „Mittel- deutscher Zeitung“ (Halle) ► Folgen: Die Chancen von Unternehmen, in der Krise über die verschiedenen Medien hinweg differenziert wahrgenommen zu werden, sinken ► In der Medienlandschaft ist es wie mit dem Klimawandel: Die (nachrichtlichen) Großwetterlagen werden extremer

Kommunikation in der Presselandschaft Pressemaschinerie 1: Die Redaktion ► Die Ausdünnung der Personaldecke und die gleichzeitig steigende Arbeitsbelastung („cross media“) erhöhen den Zeitdruck und lassen die Recherchekapazitäten schrumpfen ► Neue Organisationsmodelle („news desks“) nehmen fachliche Kompetenz aus der Redaktion ► Folgen: Qualitätsmängel; die Berichterstattung wird anfälliger für Fehler; der Betreuungsaufwand für die Pressestelle wächst; das PR-Problem

Kommunikation in der Presselandschaft Pressemaschinerie 2: Das System ► Das Wesen des Journalismus ist Verkürzung, im Optimalfall auf das Wesentliche ► Die Agentur sammelt, verdichtet und generiert dabei unbeabsichtigt Kontexte; die Redaktion übernimmt, sammelt, verdichtet und generiert dabei unbeabsichtigt neue Kontexte ► Meinungsführerschaft: Die Ware Nachricht auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, der Exklusivität – und die Suche nach der Erregungsgemeinschaft

Kommunikation in der Presselandschaft Pressemaschinerie 3: Selbstreferenz ► Die spezifischen Informationsbeschaffungs- und Informationsaufbereitungsbedingungen der Medien erzeugen spezifische Wahrnehmungs- muster und Eigendynamiken, die die Wirklichkeit verzerren können und sich im Extremfall einem selbstreferenziellen Modus annähern ► Folge: Es ist unvorhersehbar, was aus einer Nachricht wird. Beispiel: Axel Heitmanns (Lanxess) und Jürgen Hambrechts (BASF) zeitlich und räumlich getrennt gemachte Äußerungen werden unter der Schlagzeile „Rabenschwarz“ zur Krise der gesamten Chemiebranche

Kommunikation in der Presselandschaft Der Umgang mit der Presse ► Es fällt Presseorganen schwer, Fehler einzugestehen, da ihr Geschäftsmodell auf Glaubwürdigkeit beruht ► Journalisten können Sachverhalte blitzschnell drehen und zum Gegenangriff übergehen; die Informationsflut bietet ihnen Deckung ► Pressestellen sollten deshalb gelassen bleiben, solange keine groben Fehler passieren. Die Gegendarstellung ist ein stumpfes juristisches Schwert ► Nichts kann den guten, persönlichen Kontakt in die Redaktion ersetzen; der sollte aber nicht auf Manipulation, sondern auf Glaubwürdigkeit beruhen. Deshalb: Finger weg von plumper PR

Kommunikation in der Presselandschaft Drei Leitfragen der Außenkommunikation ► Wer bin ich? Marke oder nicht; Gefahrstoff oder nicht ► Was brauche ich? Implementiertes Krisenmanagement ► Wen brauche ich? Den kritisch-loyalen, kreativen, vertikal sozial mobilen Kommunikationsprofi, nicht das Sprachrohr

Literatur (Auswahl) ► Gruber, C.: Glaubwürdig kommunizieren, Wiesbaden, 2010 ► Ruß-Mohl, S.: Die deutschsprachige Medienland- schaft im Überblick, Sinclair-Haus-Gespräch 2003

Vielen Dank!