Demographie 7: Siedlungsformen: Bevölkerungsdichte, Stadt

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 Präsentation transkript:

Demographie 7: Siedlungsformen: Bevölkerungsdichte, Stadt Albert F. Reiterer Demographie 7: Siedlungsformen: Bevölkerungsdichte, Stadt Literatur: Bairoch, Freund Ebenezer Howard, Le Corbusier Menschen leben in sozialen Verbänden und sind nur insoweit überhaupt Menschen. Diese Verbände sind aber nicht nur sozial, sie sind notwendiger Weise auch räumlich strukturiert. Es ist eine triviale Tatsache, dass Menschen in kleineren öder größeren Gruppen dicht aneinander oder auch weit verstreut leben. Aber das hat entscheidende Bedeutung für die Beziehungen untereinander. Die Bibel – Genesis, Kapitel 13 – erzählt vom Streit zwischen Abraham, der damals noch Abram hieß, und Lot, bzw. zwischen ihren Leuten um die für sie wichtigste Ressource, Weideland: „Da sprach Abram zu Lot: ‚Steht nicht das ganze Land dir offen? Trenne dich lieber von mir! Willst du nach links, so gehe ich nach rechts. Willst du aber nach rechts, so gehe ich nach links.’“ Der Haupt-Konflikt innerhalb einer Nomaden-Gesellschaft wird einfach gelöst: durch Trennung. Diese Art von Konfliktlösung ist alt. Sammler und Jäger haben sie häufig praktiziert, wie R. B. Lee (1979, 370 ff.) es bei den Buschleuten sah. Als aber ein sesshaftes Leben sich durchsetzte, fand dieses Konflikt-Management seine Grenzen (Bandy 2001 und 2004). Konflikt-Management-Institutionen traten in diesem Entwicklungs- und Zivilisierungsprozess (i. S. Elias’) an seine Stelle. Die Siedlungsgeographie ist ein kompliziertes Abbild unterschiedlicher demographischer Systeme. Sie ist eine spezifische Sozio- und Ethnographie. Demographische Prozesse / Strukturen finden sich eindeutig: Die Slums in Calcutta, die Pueblos jovenes in Sao Paolo und Lima, die gecekondus um Ankara bilden den späten Ersten Demographischen Übergang in der Dritten Welt ab. In der Suburbia und den Gartenstädten Westeuropas, in Perchtoldsdorf und Kornneuburg usw., finden wir den Zweiten Demographischen Übergang der hoch entwickelten Gesellschaften. Der sich entwickelnde Nationalstaat des 19. Jahrhunderts zeigte sich sowohl in der traditionalen Bevölkerungsweise des europäischen Agrardorfs, wie auch im Ersten Demographischen Übergang Europas in den proletarischen Industriestädten wie schließlich in den bürgerlichen Kleinfamilien der Verwaltungs- und Dienstleistungs-Städte.

Das soziale Skalen-Niveau steigt in Stufen (logarithmischer Maßstab) Die großen Phasen der Geschichte zeichnen sich durch das Anheben des Skalenniveaus der Gesellschaft aus. Der Umfang von Gesellschaft als Produktions- und Überlebenseinheit wird jeweils um ein Mehrfaches größer. Es ist, im Gleichschritt, ein Wechsel in der Subsistenzweise, in der technischen Ausstattung, und eben in der sozialen Organisation. Gegen Ende des Spät-Paläolithikum dürfte die Subsistenz- und Überlebenseinheit zwischen 20 und 50 Menschen umfasst haben – sagen wir der Einfachheit halber, dass um 14.000 v. u. Z. 40 Men-schen einen mittleren Gruppenumfang bildeten. Damals und im Mesolithikum begann sich infolge des Klimawandels die Zusammensetzung der bisher genutzten Ressourcen zu ändern. Eine Antwort auf diese schleichende Krise war in Europa das Abwandern mancher Menschengruppe mit dem Großwild nach dem Norden. Die historisch wesentlich wichtigere Antwort dürfte darin bestanden haben, auf bisher kaum genutzte Ressourcen zurück zu greifen. Ein viel breiteres Spektrum von Nahrungsmitteln als bisher erhielt Aufmerksamkeit (Stiner/Munroe/Surovel 2000; Munro 2004). In technischer Hinsicht brachte dies eine gewisse Spezialisierung. Dies wiederum musste das Anheben des sozialen Skalenniveaus gefördert haben. Die Größe der Primärgruppen dürfte sich in Sammler- und Jägergesellschaften vorerst nur wenig geändert haben. Doch die Beziehungen aus den Gruppen hinaus müssen sich verstärkt haben. Es entstanden also Systeme, die fester miteinander verbunden waren als die bisherigen Verwandtschaftssysteme. Dazu passt, dass die Radien der Beschaffung für Werkzeug-Material sich vom Aurignacien auf das Gravettien deutlich von vielleicht 30 km auf 100 km vergrößert (und dann infolge des Waldbewuchses sich wieder verkleinert) haben (Floss, zit. bei Urban 2000, 40). Bar-Yosef (1998, 161) gibt für die Levante im beginnenden Natufien das optimale Gebiet einer Sammlergruppe (deren Anzahl er nicht präzisiert) mit 300 bis 500 km2 an: Das wäre ein Radius von 10 bis 13 km, somit ein mittlerer Abstand zur nächsten Gruppe von 20 bis 26 km, ein lockerer Tagesmarsch. Die Steppenjäger hingegen hätten 500 bis 2.000 km2 gebraucht, also einen Radius von 13 bis 25 km gehabt, einen mittleren Abstand von 26 bis 50 km, damit eher zwei Tagesmärsche. Damit müssen sich die Überschneidungsgebiete mit anderen Gruppen erheblich vergrößert haben, da die Siedlungsdichte zugenommen haben muss. Aufgrund dessen müssen Regeln der Beziehung und der Konfliktaustragung bzw. Lösung entstanden sein.

Die lange Perspektive: Siedlungsdichte und Herrschaftsaufbau Orange: Cheferie / Häuptlingschaft Lila: Paramount-Cheferie / Oberhäuptlingschaft Blau: Polis mit ausdifferenzierter Herrschaft 1) Es gibt Schwellenwerte. (a) Unter einer bestimmten Bevölkerungszahl der Nuklear-Einheit gibt es keine autochthone Einheit (Maisels 1990: „…sufficiently numerous…“). (b) Unter einer kritischen Bevölkerungsdichte gibt es keine autochthone Herrschaft (Maisels 1990: „…sufficiently nucleated…“). Unterhalb einer bestimmten Dichte, z. B. in Sammler- und Jägergesellschaften wie bei den Eskimos, den australischen Aborigines oder manchen Amazonasindianern, braucht es keine autonomen Konfliktlösungsinstitutionen. Dies gilt für paläolithische Gesellschaften. 2) Doch es gibt einen Trade-off zwischen Umfang und Dichte: (a) Politische Organisation kann sich bei hoher Dichte entwickeln, auch wenn die Bevölkerungszahl eher klein ist. Hohe Dichte erfordert effiziente Organisationsleistung, wie z. B. Konflikt-Management. (b) Selbst wenn die Dichte nicht überaus hoch ist, ist politische Organisation notwendig, sofern der Umfang der Subsistenzeinheit wächst. Integration ist ansonsten nicht dauerhaft und überhaupt sehr unwahrscheinlich. Es gibt also vermutlich „Isokratien“ (Kurven bzw. eher Zonen bzw. Flächen gleicher Macht-Struktur), welche Bevölkerungsumfang und -dichte .etwas unterschiedlich kombinieren. Village splitting in Amazonia „often takes place at a polutaion level of less than 100, and village size seldom exceeds 200“ (Carneiro 1970, 738). Beides gilt nur für die autochthone Entstehung von Herrschaft und Staat. Ist Herrschaft bereits irgendwo entstanden, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie weiter und weiter exportiert wird, bis die ganze Welt herrschaftlich, z. B. staatlich strukturiert ist.

Die lange Perspektive: Siedlungsdichte und Herrschaftsaufbau – eine andere Darstellung Orange: Cheferie / Häuptlingschaft Lila: Paramount-Cheferie / Oberhäuptlingschaft Blau: Polis mit ausdifferenzierter Herrschaft „The relationship between population size and the complexity of social organization [is] logarithmic, the number of organizational traits being proportional to the root (or power) of the population size.” - Carneiro, R. L. (1967), On the relationship between size of population and complexity of social organization. In: Southwestern J. of Anthropology 23 [nach Maisels 1990, 7]. Ein schwer erklärbarer Vorläufer von Großsiedlungen war Catal Hüyuk, ein Riesendorf in Anatolien Die ersten Städte: der „Fruchtbare Halbmond“ vom Levante-Korridor (Jericho) bis nach Uruk, Ur, Kiš, usw. Die logarithmische Darstellungsweise hat zwei Zwecke / Vorteile: Sie zeigt die Verhältnisse auf kleiner Skala und den Übergang in diesem Bereich erkennbarer. Darüber hinaus ist sie aber theoretisch begründbar, wie das Zitat erkennen lässt. Es lässt sich an dieser Darstellung erkennen, dass die Bereiche der anarchischen Strukturen, der Cheferien und der komplexen Häuptlingstümer ziemlich eng sind. Schon das lässt vermuten, dass diese Zustände eher nicht stabil sind, sondern schnell in den archaischen Staat “hinaufkippen”. Ist der Staat aber einmal entstanden, dann ist die Entwicklung nicht mehr rückgängig zu machen – der Schritt zur Herrschaft ist ein für alle Male getan. (In diesem Zusammenhang kann man auch an die moderne demokratietheoretische Debatte über Anarchismus / Herrschaftslosigkeit und Staat erinnern: Sobald staatliche Herrschaft einmal denkbar ist, bedarf es Gegenmacht und Kontrolle, um die Entwicklung von totaler Macht zu verhindern – es geht dann nicht mehr um keine Macht, sondern “nur” mehr um Kontrolle von Macht oder Totalitarismus.

Die ersten Städte: vor 6000 Jahren In einem formalen Sinn gehört Proximität – als Organisationsprinzip an Stelle des personalen Prinzips der Verwandtschaft – zu den grundlegendsten einer Soziologie des räumlich betrachteten Sozialverhaltens. Als Grundkategorie der Beziehung muss man sie als Alternative zum persönlichen Band der Verwandtschaft verstehen: “When human beings began to practice sedentary agriculture, they settled near neighbours who often were only remotely related or even no kin at all” (de Swaan 1995, 27). In diesem Sinn wurde Proximität als soziales Organisationsprinzip bereits beim Übergang zur Sesshaftigkeit, im Verlauf der neolithischen Revolution, Grund gelegt. Aus einer Gemeinsamkeit des Wohnplatzes, die als solche nicht not-wendig Gemeinschaftlichkeit erzeugt, wurde Proximität eine neue Qualität mit der Zunahme der Anzahl zusammen siedelnder Menschen. In der umfangmäßig meist kleinen mittelalterlichen Stadt wird es sich in einer bestimmten Territorialität ausdrücken, die ihre rechtliche Fassung im städtischen Bodenrecht bekommt: Es war eine gewichtige Innovation; es durchbrach das faktisch und ideologisch dominante (Grund-) Herrenrecht dieser Zeit. Proximität vieler Menschen hat einen zweiten Grundbegriff zur Folge. Denn Proximität selbst ist weder bereits Intimität, noch auch schon Synoikismus, die Struktur des Zusammenlebens. sondern vielmehr nur ein diffus strukturiertes Nebeneinander und eine Bedingung des städtischen Synoikismos. Der Synoikismos selbst wurde bis vor gar nicht so langer Zeit vom Stadtheiligen symbolisiert, der wiederum nur die verchristlichte Form des orientalischen Stadtgottes ist. Proximität ist ein “plebeisches Prinzip” von Massengesellschaften, das dem personalen Prinzip, der Genealogie des Adels mit seiner Ethik der mores maiorum und seiner Legitimierung i. S. sakraler Einsetzung (später in einer Mischung aus Biologisierung und Traditionalismus: “blaues Blut”), gegenübersteht. Unterschichten haben normalerweise “keine Genalogie”, d. h. berufen sich nicht auf lange Traditionen persönlich definierter, verwandtschaftlicher Beziehungen über viele Generationen zurück. Demgegenüber steht die Gleichheit der

Städte als Inseln in einem agrarischen Meer: Antike, Mittelalter “Der antike Vollbürger ist ‘Ackerbürger’” (Weber 1976, 731). Das ist klar, denn die Polis ist eben nicht ‘Stadt’, sondern staatlich organisierte Gesellschaft mit niedriger agrarischer Produktivität. Sie ist daher prinzipiell selbstgenügsam und hat sich auch selbst zu ernähren. Woher kommt dann der unabweisbare Stadtcharakter des Polis-Begriffes? Nun, Athen oder Korinth geben das Bild vor. Der Großteil der Poleis entsprachen diesem Bild nicht, sondern waren lokale Gesellschaften geringen Umfanges. Trotzdem kann man Athen z. B. nicht einfach als Ausnahme abtun, denn diese Polis war immerhin im griechischen Bereich lange dominant. Aus den Städten im Zentrum der Poleis entstanden in den archaischen Flächenstaaten („Reichen“, z. B. Babylonien, Assyrien; hellenistische Reiche, Imperium Romanum) vereinzelt antike Großstädte: Babylon, Alexandrien, Rom, Byzanz; im Osten Pataliputra, u. a. Sie hatte erstaunliche Bevölkerungszahlen, die in einzelnen Fällen an eine Million heran reichten.

Die neuen Städte der industriellen Revolution; Beispiel Wien In der heute hoch entwickelten Welt ging die Entwicklung von relativ kleinen, engen und enorm überfüllten mittelalterlichen Städten über verhältnismäßig große, aber fast ebenso überfüllte Industriestädte zu den Metropolen von heute, in denen vor allem zentrale Dienstleistungen erbracht werden. Ein Urbanisierungsgrad von 70 %, der in vielen hoch entwickelten Ländern erreicht oder überschritten ist, bildet den Endpunkt dieser Entwicklung. In solchen Ländern lebt inzwischen fast die ganze Gesellschaft in Städten oder in deren Umland. In Europa und Nordamerika erklärt sich der demographische Übergang somit aus der Verbreitung der Lebensmuster städtischer Mittelschichten.

Stadt heute: Megalopolen, Metropolen, Mittelstädte Das "städtische Lebensmodell" ist seinen Ansprüchen und Werthorizonten nach das westliche Lebensmodell. Wenn von manchen das Konzept der "Weltgesellschaft" abgelehnt wird, so ist das ein methodisches Missverständnis: "Weltgesellschaft" besagt nicht, dass es nur mehr ein denkbares System gibt, sondern dass die Menschheit unter gewissen Perspektiven durchaus auch (wenn auch keineswegs ausschließlich) als ein einheitliches System, als Weltsystem, zu analysieren ist, sollen nicht wichtige Entwicklungstendenzen verschwinden. Zu diesen Entwicklungstendenzen, die unmittelbar praktische und uns betreffende Folgen haben, gehört die "anscheinend unaufhaltsame Diffusion des Struktur- und Kulturmodells der westlichen Welt" (Hoffmann-Novotny 1990, 24). Eine der gegenwärtig höchst aktuellen Konsequenzen mit täglichen Folgerungen aus diesem Faktum ist: "Da die Werteintegration eher noch zunehmen wird, hängt das Wanderungspotential [nicht nur - A. F. R.] aus den Ländern im östlichen Mittel und Südeuropa ausschließlich von den Entwicklungsdifferenzen ab" (a. a. O., 29). Oder anders formuliert: Der Push-Faktor im Wanderungsgeschehen ist abhängig von den unterschiedlichen Erwartungshorizonten einer zwar in nationale Gruppen gegliederten, jedoch in den Werthaltungen und Lebensansprüchen sich immer stärker vereinheitlichenden Weltbevölkerung.

Stadt als Lebensform der Moderne Raumplanung ist "Politik des Raumes“. Sie war in ihren Anfängen als Gesellschaftsreform gedacht und beruhte auf allgemeinen, räumlich konzipierten Gesellschaftstheorien. Es waren reformerische oder revolutionäre Konzepte. Die klassischen Utopien der frühen Neuzeit – Thomas Morus (1478 – 1535) mit seiner Idealgesellschaft "Utopia“; Tommaso Campanellas (1568 – 1639) "Sonnenstadt" – entwarfen ihre Idealgesellschaften als Stadtgesellschaften. Sie waren von der Platons Polis und den Stadtgesellschaften der Antike inspiriert.

Verstädterung: Die Zukunft auch der Dritten Welt Megastädte 1975, 2003 (jeweils gesamte Agglomeration) Stadt 1975 2003 Index 2003 1975=100 Tokio 26.615 34.997 131 Mexiko City 10.690 18.660 175 New York 15.880 18.252 115 São Paulo 9.614 17.857 186 Mumbai (Bombay) 7.347 17.431 237 Delhi 4.426 14.146 320 Kalkutta 7.888 13.806 175 Buenos Aires 9.143 13.047 143 Shanghai 11.443 12.759 112 Jakarta 4.813 12.296 255 Los Angeles 8.926 12.018 135 Dhaka 2.173 11.560 532 Osaka-Kobe 9.844 11.244 114 Rio de Janeiro 7.557 11.214 148 Karachi 3.989 11.078 278 Beijing 8.545 10.848 127 Kairo 6.437 10.834 168 Moskau 7.623 10.469 137 Manila 4.999 10.352 207 Lagos 1.890 10.103 535

Suburbanisierung – „gentrification“: Neue Lebensformen 22 % der in Wien arbeitenden Beschäftigten kommen aus dem näheren oder weiteren Umland, nicht einmal ein Drittel dieses Anteils geht seinerseits ins Umland: "La cité est un outil de travail" (Le Corbusier).

Das Netz der Städte: Wirtschaft gegen Politik

Fragen – Diskussionen; Literatur Aussage: Stadt ist das Paradigma organisierter Gesellschaft 2) Die städtischen Lebensformen sind in der Moderne zu den Lebensformen der ganzen Gesellschaft geworden. Heutige Gesellschaft ist somit städtische Gesellschaft Fragen: (1) Volkskunde und Stadt: Woher kam die Feindschaft konservativer Volkskunde gegen die Stadt? (2) Volkskunde der Stadt? Können Sie sich so etwas vorstellen? Wie könnte es aussehen (3) Welche Auswirkungen könnte eine längere Lebensarbeitszeit auf die Produktivität haben? Welche weiteren Auswirkungen können Sie erkennen? Freund, Wolfgang S. (1982), Entwicklung und Ausbreitung der städtischen Zivilisation. In: Der Mensch. Kindlers Enzyklopädie, 2. Band. Die Entfaltung der Menschheit. München: Kindler, 678 – 783. Howard, Ebenezer (1968 [1898]), Gartenstädte von morgen. Das Buch und seine Geschichte. Hg. von Julius Posener. Berlin: Ullstein.