Physiologische Besonderheiten beim Neugeborenen Quelle: THIEMEs Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 3. Aufl. S. 591 ff vgl. Pflege Heute
Proportionen und Körperformen Der Kopf ist im Verhältnis zur Körperlänge sehr groß (1:4 / Erw.: 1/8) Dies bedeutet, dass über den Kopf viel Wärme abgegeben wird → Kopf mit Mütze bedecken Das Kind kann den Kopf noch nicht selbst halte → beim Hochnehmen … unterstützen
Hormonabhängige Hauterscheinungen → Ausgelöst durch die mütterlichen- und Plazentahormone (Östrogen/ Progesteron/ Androgen/ Prolaktin)
Comedones neonatorum Werden als Milien bezeichnet = Talgstauung als weiße Pünktchen auf Wangen und Nase = Verhornung der obersten Epithelschicht; wahrscheinlich durch Östrogen
Acne neonatorum Erinnert an Pubertätsakne Tritt auf Nase, Wangen und Stirn auf Wird vorwiegend durch Androgene hervorgerufen
Fluor neonatorum und Vaginalblutung Durch Östrogen kommt es zur Abstoßung von Vaginalepithel und grau-weißem Zervixschleim Es kann zu einer leichten Vaginalblutung kommen (harmlos)
Brustdrüsenschwellung Kann sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Neugeborenen auftreten Wird durch Östrogen hervorgerufen Es kann eine geringe Flüssigkeitsab-sonderung auftreten („Hexenmilch“) Hervorgerufen durch Prolaktin
Hormonunabhängige Hauterscheinungen
Mongolenfleck Pigmentanhäufung im Bereich von Gesäß, Oberschenkeln und Rücken Häufig bei Kindern osteuropäischer Herkunft oder Asiaten Verschwindet meist bis zum vierten LJ.
Naevus flammeus Im Volksmund „Storchenbiss“ Entsteht durch Gefäßerweiterung (Teleangiektasie) Rote bis blaurote Flecken im Gesicht, an Stirn und Oberlid und Nacken Verschwinden i. d. R. bis innerhalb des 3.LJ. (Nacken bleibt häufig lebenslang)
Hämangiom Gutartige Gefäßgeschwulst (kapilläre Gefäßneubildung) „Blutschwämmchen“ Tritt im Bereich der Haut als erhabene rote Stelle in Erscheinung Kann sehr dezent aber auch ausgeprägt auftreten Bildet sich i. d. R. von selbst zurück
Hautschuppung In den ersten Tagen beginnt die Haut am ganzen Körper zu schuppen (meist feinschuppig aber auch in größeren Fetzen)
Organfunktionen des Neugeborenen Organe müssen sich nach der Geburt auf die selbständige Funktion umstellen Dabei können massive Störungen auftreten Übergänge von physiologischen zu pathologischen Zuständen sind fließend und können sich schnell ändern Auffälligkeiten müssen von Pflegenden / Eltern (gute Information der Eltern) registriert und weitergegeben werden, damit entsprechende Maßnahmen erfolgen können
Lunge Nach dem Abnabeln muss sie nach der Entfaltung der Lungenbläschen den Gasaustausch (O2/Co2) selbständig gewährleisten Umstellung v. plazentaren Gasaustausch auf Lungenatmung bedeutet einen kritischen Moment
Lunge Voraussetzung für komplikationslose Atmung sind: freie Atemwege reifes Atemzentrum und ausreichend vorhandener Anti – Atelektase- oder Surfactant–Faktor, der ab der 30. - 35. SSW gebildet wird
Lunge Surfactant kleidet als dünne Schicht die Lungenbläschen aus und bewirkt, dass sie nicht kollabieren → kann bei unreifen Frühgeborenen mit Surfactantmangel über Endotrachealtubus verabreicht werden Normale Atemfrequenz: 35-45/ Min.
Überwachung der Atmung Atmung muss beobachtet werden Häufigkeit orientiert sich am Befinden des Neugeborenen Zeichen einer erschwerten Atmung zeigen sich durch Nasenflügelatmung, Einzieh-ungen am Brustkorb und Atemgeräusche oder Atempausen (Apnoen) und müssen sofort erkannt werden
Kreislaufverhältnisse Müssen sich nach der Entfaltung der Lunge umkehren, d. h. die drei Umgehungen aus dem fetalen Kreislauf (Shunts) Ductus arteriosus botalli (zw. Truncus pulmonalis und Aorta) Foramen ovale (in der Vorhofscheidewand) Ductus venosus (zw. Nabelvene und v. cava inferior) müssen sich schließen
Kreislaufverhältnisse Das geschieht durch Veränderung der Druckverhältnisse u. den Anstieg des pO2 Kommt es unter der Geburt zu O2-Mangel u. Azidose, können sich die Umgehungen nicht komplikationslos verschließen → Störung der postpartalen Adaption zeigt sich durch Auffälligkeiten bzgl. Puls- und Atemfrequenz, Blutdruck, Hautfarbe sowie Sauerstoffsättigung
Kreislaufverhältnisse Normale Herzfrequenz: 120 – 140 / Min. Normale RR: 80/40 – 90/50 mm Hg, wobei dem systolischen Wert die größere Bedeutung zukommt In den ersten Stunden können geringe Unregelmäßigkeiten der Herzfrequenz und labile Kreislaufverhältnisse bestehen, sichtbar an leicht marmorierter Verfärbung von Händen und Füßen sowie einem lividen Munddreieck
Leber Ist in den ersten Tagen durch funktionelle Unreife noch nicht in der Lage, das vermehrt anfallende Bilirubin zu bewältigen Bilirubin entsteht durch den gesteigerten Abbau der fetalen Erythrozyten (verkürzte Lebensdauer bei Neugeborenen auf 70 Tage) Sowie durch den Abbau von Hämatomen
Leber In diesem Fall kommt es zu einem physiologischen Neugeborenenikterus Tritt ca. am 3. Tag durch diskrete Gelbfärbung der Haut in Erscheinung Und klingt in der 2. Lebenswoche ohne Therapie ab
Beobachtung der Haut Farbe muss bezüglich des Auftretens, der Dauer u. Intensität des Ikterus beobachtet werden Tritt die Gelbfärbung bereits am ersten Tag auf, handelt es sich um eine Hyperbilirubinämie, die mit einer Fototherapie behandelt werden muss (Pflege s. unten)
Beobachtung der Haut Bei einem Kephalhämatom kann es als Folge der Blutung zu einer Anämie kommen, die sich durch blasse Hautfarbe äußert
Beobachtung der Haut Eine Veränderung der Hautfarbe unter Belastung z.B. Schreien, Trinken oder Frieren kann durch eine marmorierte Haut oder ein leicht livides Munddreieck in Erscheinung treten Eine pathologische Bedeutung erhält sie im Ruhezustand und sollte dann abgeklärt werden Außerdem müssen Beschaffenheit der Haut + Hautturgor beobachtet werden
Magen – Darm - Bereich Muss sich auf die selbständige Verdauungs- und Ausscheidungsfunktion umstellen In der ersten Zeit kann es durch unzu-reichenden Verschluss der Kardia zu häufigem Spucken nach dem Trinken kommen
Magen – Darm - Bereich Während der Nahrungsverabreichung sollten die Kinder zwischendurch die Gelegenheit erhalten aufzustoßen, damit dem Erbrechen und der Aspirations- gefahr vorgebeugt wird
Magen – Darm - Bereich Im Darm befindet sich steriles Mekonium, das durch Luftschlucken u. orale Ernährung mit physiologischer Darmflora besiedelt wird Bei Neugeborenen, die mit Muttermilch ernährt werden entwickeln sich Bifidus- nach Verabreichung industriell herge- stellter Nahrung Kolibakterien
Magen – Darm - Bereich Die Bildung der Darmkeime ist für die Vitamin – K – Synthese wichtig, welches zur Blutgerinnung gebraucht wird Die Bifidus – Bakterien schützen das Neugeborene vor Darminfektionen
Physiologische Gewichtsabnahme durch: Hohen Flüssigkeitsverlust Hohen Energieverlust bei gleichzeitig Geringe Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr (geringe Still-/ Trinkmenge)
Kontrolle: 1x täglich normale Werte: Verlust 5-7% / < 10% Maximum zw. 3.-4. Lebenstag Ab 5. Lebenstag Zunahme Geburtsgewicht wieder erreicht bis 10. (14.) Lebenstag Gewichtsentwicklung ist Kriterium für Zufütterung (möglichst zurückhaltend)
Beobachtung der Stuhlausscheidung Stuhlausscheidung bezüglich Zeitpunkt, Menge und Aussehen kontrollieren Mekonium muss nach 24-36 Std. ausgeschieden werden Bei verzögerter Ausscheidung besteht die Gefahr eines Mekoniumileus und kann Hinweis auf Darmatresie oder Mucoviszidose sein
Nieren Sind in ihrer Funktion bei Neugeborenen noch eingeschränkt: Konzentrations-, Filtrations- und Sekretionsvermögen sind gering Es besteht eine Ödemneigung und die Gefahr einer Kumulation von Medikamenten → Medikamentengaben bei Neugeborenen unter strenger Indikation
Beobachtung der Urinausscheidung Die Urinproduktion soll innerhalb der ersten 12-24 Stunden erfolgen Fehlende Urinausscheidung kann Hinweis auf Fehlbildungen der Nieren oder ab- leitenden Harnwege sein
Beobachtung der Urinausscheidung Eine Besonderheit ist das Ziegelmehlsediment, das sich als orangefarbener Fleck in der Windel zeigt und von Müttern fälschlicherweise als Blut angesehen wird Es handelt sich um eine physiologische Erscheinung deren Ursache der Zerfall von Harnsäure ist
Wärmeregulation Ist bei Neugeborenen noch unzureichend - durch ungenügende Reife des Temperaturzentrums im Gehirn und Hoher Temperaturverlust durch relativ große Körperoberfläche Schweißdrüsen funktionieren noch nicht ausreichend: übermäßige Wärme kann nicht durch schwitzen / Verdunstungskälte abgegeben werden
Wärmeregulation Neugeborene produzieren fehlende Wärme nicht durch Muskelzittern, sondern durch oxidativen Umbau von Fettgewebe, als unerwünschte Begleiterscheinung entsteht dabei eine metabolische Azidose Körpertemperatur kann durch regelmäßige Kontrollen z. B. rectale Messung, ermittelt werden
Aufrechterhaltung der physiolog. Körpertemperatur Unterkühlung kann beim Neugeb. schnell durch verminderte Temperaturregulation, zu geringe Energiezufuhr oder niedrige Umgebungstemperatur entstehen Überwärmung kann durch zu starkes Zudecken, Verwendung von Heizstrahlern und Flüssigkeitsverlust entstehen
Aufrechterhaltung der physiologischen Körpertemperatur Maßnahmen zum Aufrechterhalten der physiologischen Körpertemperatur: Vorgewärmtes Neugeborenenbett Wärmelampe Ist keine W.. vorhanden, muss der Sgl. zügig versorgt werden u. unbekleidete Körperregionen abgedeckt werden um ein Auskühlen zu verhindern
Aufrechterhaltung der physiologischen Körpertemperatur Maßnahmen zum Aufrechterhalten der physiologischen Körpertemperatur: Raumtemperatur sollte 20-22 oC betragen Fenster geschlossen; kein Durchzug Ausreichend Flüssigkeit anbieten, damit kein Durstfieber entsteht
Immunsystem Ist noch nicht genügend ausgereift → erhöhte Infektionsgefahr Während der vaginalen Geburt kann das Kind mit verschiedenen Erregern (z. B. Herpesviren, Candida albicans, Gonokokken, Clamydien, Streptokokken) konfrontiert werden
Immunsystem Eintrittspforten für pathogene Keime sind alle Körperöffnungen, insbesondere der noch nicht verheilte Nabelgrund sowie alle Hautläsionen Das Neugeborene besitzt aber auch einen vorübergehenden „Nestschutz“ für verschiedene Krankheiten, die die Mutter durchgemacht hat, da die mütterlichen Antikörper auf das Kind übergehen
Hornschicht der Haut (oberste Schicht der Epidermis) Ist beim Neugeborenen noch dünn, sodass ihre Barrierefunktion bezüglich Wasserverlust, Resorption v. chemischen Substanzen, z.B. Hautpflegemitteln sowie Reibung noch gering ist Der Säureschutzmantel baut sich ungefähr zwei Tage nach der Geburt auf und stabilisiert sich innerhalb des 1. Monats
Hornschicht der Haut (oberste Schicht der Epidermis) Nach der Geburt ist die Säuglingshaut nahezu steril (vermutete antibakterielle Wirkung von Fruchtwasser + vernix) Das leicht saure Milieu des Hydrolipidfilms auf der Haut entsteht durch Schweiß und spezielle Keime Der physiologische pH - Wert liegt bei 5,4 - 5,9
Hornschicht der Haut (oberste Schicht der Epidermis) Der Säureschutzmantel hat die Aufgabe, die Haut vor pathogenen Mikroorganismen zu schützen Die Alkalisierung der Haut durch basische Pflege- und Reinigungs-produkte führt zur Störung der Schutz-funktion, sodass durch Krankheits-erreger (z.B. Staph. aureus) bakt. Hautinfektionen entstehen können
Infektfreies Neugeborenes Eltern sollten über Infektionsgefahr informiert werden: Lochien gelten als potentiell infektiös ⇨ Händedesinfektion des PP und der Mutter vor der Versorgung des Neugeborenen Besucher und PP mit Infektionen sollten den Neugeb. fernbleiben Hautläsionen (durch die Geburt) aseptisch versorgen
Infektfreies Neugeborenes Kephalhämatom Austretendes Blut = guter Nährboden für Keime Berührungen im Bereich des K. vermeiden, (häufig kl. Hautläsionen = Eintrittspforten) ⇨ steril abdecken ⇨ Lagerung auf dem Hämatom sowie Wasserkontakt vermeiden
Infektfreies Neugeborenes Brustdrüsenschwellung ⇨ mit Watte abpolstern ⇨ Druck und Manipulationen vermeiden um Mastitis neonatorum vorzubeugen ⇨ tritt Sekret „Hexenmilch“ aus, mit steriler Kompresse abdecken und Wasserkontakt vermeiden
Nabel Er trocknet bei fachgerechter Pflege normalerweise innerhalb des 5.-8. Tages ein und fällt anschließend ab Bis zur Überhäutung ist der Nabel eine offene Wunde und stellt eine Eintrittspforte für Keime dar Mumifikation verläuft bei feuchter Umgebung u. langem Nabelschnurrest verzögert → auf Heilungsstörungen und Infektions- zeichen beobachten Trocken halten (Windel unterhalb fixieren)
Auffällige Nabelwunde Bei der Versorgung eines schmierigen und infizierten Nabelschnurrestes oder Nabelgrundes beachten: Verband mit Handschuhen entfernen Wundinspektion, Auffälligkeiten dem Arzt zeigen (a. A. Wundabstrich) Hautdesinfektion (Klemme, Nabelgrund, Nabelschnurrest) Nabeltherapeutikum a. A. Abdeckung m. Sterilem Tupfer Händedesinfektion