Praktische Philosophie der Neuzeit

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 Präsentation transkript:

Praktische Philosophie der Neuzeit Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie der Neuzeit 5. Spinoza

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I III. Bedeutung für die Entwicklung der praktischen Philosophie der Neuzeit 1. Paradigma der systematischen Ableitung der Grundlagen von Recht und Staat 2. „Voraussetzungslose“ Argumentation unter Abstraktion von Traditionen, Religion, Theologie etc.: Ausgangspunkt ist die wissenschaftlich erkennbare Natur des Menschen und der daraus resultierende natürliche Zustand der Gesellschaft. 3. Individualismus: Ausgangspunkt der Rechtfertigung von Rechten, Pflichten, Institutionen sind die Rechte des Individuums vor aller Bindung. Diese Rechte müssen trotz der notwendigen Einschränkungen in der Substanz erhalten bleiben. Gegen Hobbes werden sie aber später durch eine Theorie der Menschenrechte und der Kontrollen staatlicher Gewalt (Gewaltenteilung, Widerstandsrecht etc.) gesichert. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 2

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4. Voraussetzung für die Sicherung individueller Rechte, vor allem der Rechtsgleichheit aller Individuen, ist ein souveräner Staat, der in allen rechtlichen Fragen (nach innen und nach außen) die letzte Entscheidungsbefugnis hat. 5. Dieser Staat ist in der Lage, verschiedene religiöse und philosophische Überzeugungen zu tolerieren und gewaltsamen Streit darüber zu verhindern. Der Toleranzspielraum ist bei Hobbes noch sehr klein (christlicher Glaube, Trennung von öffentlichen Handlungen und privaten Überzeugungen), wird aber seit Spinoza und Locke sehr ausgeweitet. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 3

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I  Baruch (Benedict de) Spinoza geb. 1632 (24.11.) Amsterdam (portugiesischer Jude) Talmudschule, dann christliche Schulphilosophie Einflüsse: Leone Ebreo (Neuplatonismus), Descartes 1656 Exkommunikation aus der jüdischen Gemeinde; lebt privat (schleift Brillengläser) und berät Reformgemeinden (Mennoniten), unterstützt von Jan de Vit, Führer der republikanischen "Partei" (1671 gestürzt und ermordet) 1660 Kurze Abhandlung von Gott dem Menschen und seinem Glück (frühe Form der Ethik) erst im 19. Jh. veröffentlicht 1662/63 Principia Philosophiae (Descartes' System nach geometrischer Methode) 1670 Tractatus Theologico-Politicus (anonym, historische-kritische Bibelauslegung, Trennung zwischen Religion als Form des sozialen Lebens und Philosophie (wissenschaftliche Erkenntnis) 1673 Ruf nach Heidelberg abgelehnt (R. Specht: "klug genug", Theologen hätten ihn verfolgt); Korrespondenz mit Oldenburg, Tschirnhaus (Vertreter der deutschen Frühaufklärung) Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 1677 Besuch Leibniz', Tod 1677 Nachgelassene Schriften: Ethica, ordine geometrico demonstrata. Traktat über die Verbesserung des menschlichen Verstandes. Tractatus politicus. (ab 1663 geschr., 1675 gepl. Publ. zurückgezogen, einen Tag vor seinem Tod, Manuskript für posthume Veröffentlichung verschickt) (vgl. R. Specht, Spinoza. In: Klassiker der Philosophie (hrsg. v. O. Höffe, München 1981 u.ö.). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 5

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Spinoza: Systematische Ableitung der Staatsphilosophie aus der Metaphysik 1. Die Natur ist absolute Substanz (deus sive natura), durch sich selbst existierend und begreifbar 2. Von ihr sind zwei Attribute erkennbar: Ausdehnung und Denken 3. In beiden Attributen ist die Substanz sich selbst formende Kraft: natura naturans 4. Alle Kraftäußerung ist berechtigt, weil die (göttliche) Substanz das höchste Recht hat 5. Die Impulse und Kräfte des Menschen im Naturzustand sind Modifikationen dieser Kraft und daher berechtigt 6. Die natürlichen Begierden, Affekte, Taten sind überwiegend "asozial": durch Abneigung, Verachtung, Neid, Zorn etc bestimmt. Sie haben aber (anders als nach Hobbes) eine Abneigung, einander zu dienen, d.h. ein „Freiheitsverlangen“. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 6

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 7. Durch ihre Affekte und ihre Bereitschaft, aus Vorteilsgründen Versprechen zu brechen, gefährden die Menschen ihre Selbsterhaltung und reduzieren ihre Macht und ihr Recht wechselseitig "gegen Null" 8. Ein eigenes gesichertes, anerkanntes Recht gibt es nur, wenn die Gemeinschaft es "verteilt" (gesetzlich bestimmt) und garantiert 9. Dazu müssen die Einzelnen ihre Rechte auf ein Gemeinwesen übertragen und dessen Gesetzen und Befehlen gehorchen 10. Das Gemeinwesen hat ein unbegrenztes Recht, alles zur Sicherung des inneren Friedens Notwendige zu unternehmen - genauer: alles, wozu es die Macht hat (ausgenommen z.B. Denkfreiheit) 11. Die Ausübung dieses Rechts liegt bei einem Einzelnen (Monarchie) bei Familien, die es vererben (Aristokratie) oder einer Versammlung (Demokratie). 12. Vernünftigste Staatsform ist die Demokratie. Sie ist der Freiheit des Naturzustandes am nächsten, verhindert Machtmissbrauch und falsche Entscheidungen. 13. Der Staat muss freie Meinungsäußerung gewähren, so weit sie nicht den Staatsvertrag in Frage stellt. Freie wissenschaftliche Tätigkeit und Kritik der Gesetze ist für das Gemeinwohl und die Loyalität der Bürger wichtig. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 7

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Zwei Demokratiebegriffe bei Spinoza (Tractatus Theologico-Politicus Kap. 16 und 20, Tractatus Politicus, 11. Kap. (unvollendet): a) Volkssouveränität: „Vereinigung von Menschen, die in ihrer Gesamtheit das höchste Recht zu allem hat, was sie vermag“ (TTP, 238). Die Rechte im Staat gehen auf die Rechte aller Individuen zurück. Die Gewalt zur Gesetzgebung stammt vom Volk. b) Die Staatsbürger bestimmten im Rat über die Gesetze mit. Die bürgerlichen Rechte können aber an verschiedene Kriterien gebunden sein (Alter, Erstgeburt, Steuerquote). In der eigentlichen Demokratie sind alle, die rechts- bzw. gerichtsfähig („sui juris“) sind, Mitglieder des „Höchsten Rates“ (nicht Frauen und Knechte, Straffällige, Fremde). (TP 178 ff.). Direkte Demokratie , aber mit eingeschränkter Staatsbürgerschaft. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 8

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Gründe für die Demokratie nach dem Tractatus Theologico-Politicus: 1. Die Demokratie ist dem Naturzustand qua Freiheitszustand (alle folgen ihrem eigenen Urteil) am nächsten. „Denn bei ihr überträgt niemand sein Recht derart auf einen anderen, dass er selbst fortan nicht mehr zu Rate gezogen wird; vielmehr überträgt er es auf die Mehrheit der Gesellschaft, von der er selbst ein Teil ist. Auf diese Weise bleiben alle gleich, wie sie es vorher im Naturzustand waren.“ TTP 240 2. In der Demokratie ist die Freiheit des Einzelnen am besten geschützt, weil das Machtgefälle zwischen Regierung und Bürger am geringsten ist. Die Macht hängt ja von der Zustimmung und dem Gehorsam der Bürger ab, an der die Herrschaft interessiert sein muss. TTP 238 Der Einzelne folgt beim Gesetzesgehorsam nicht fremdem Urteil, sondern einem, an dem er selber mitgewirkt hat („so dass alle sich selbst und keiner seinesgleichen dienen muss“ TTP 85). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 9

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 3. Die Demokratie ist am ehesten in der Lage, die Denk- und Meinungsfreiheit zu respektieren und Einmütigkeit im Recht bei Pluralität der Überzeugungen (Spinoza: Konfessionen) zu verwirklichen. TTP 306f.: „Soll nicht Kriecherei sondern Treue geachtet werden und sollen (zugleich) die höchsten Gewalten die Regierung in festen Händen halten...so muß die Freiheit des Urteils notwendig gewährt und die Menschen müssen so regiert werden, dass sie trotz offenbar verschiedener, ja entgegengesetzter Meinungen in Eintracht miteinander leben“ (heute: Pluralismus). Dies ist in der Demokratie möglich „Denn bei der demokratischen Regierung (die dem Naturzustand am nächsten steht) verpflichten sich, wie ich gezeigt habe, alle, nach gemeinsamem Beschluss zu handeln, nicht aber so zu urteilen und zu denken (kursiv LS). D.h. weil nicht alle die gleiche Meinung haben können, ist man dahin übereingekommen, dass diejenige Meinung die Kraft eines Beschlusses haben soll, die die meisten Stimmen auf sich vereinigt, vorbehaltlich des Rechts, sie wieder aufzuheben, wenn sich ihnen etwas Besseres zeigt.“ Dadurch ist Gesetzeskritik und Gesetzesgehorsam vereinbar und freie Meinungsäußerung mit Legalität. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 10

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 4. Die Demokratie findet eher die wahren Gesetze und vermeidet Extreme, denn „es ist fast ausgeschlossen, daß in einer Versammlung, vorausgesetzt dass sie groß ist, sich die Mehrheit in einer Widersinnigkeit zusammenfindet.“ (TTP 238). Das wird später von Rousseau und den Theoretikern des Parlamentarismus aufgenommen und zu der problematischen These zugespitzt, die Entscheidungen des Parlaments seien „wahr“, weil sich die Extreme „herausdividieren“. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 11

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Spinoza und Hobbes: 1. Beide gehen von einem mechanistischen Determinismus aus, der bei Spinoza aber aus einer absoluten, sich in der materiellen Natur gesetzmäßig äußernden Kraft („deus sive natura naturans“) abgeleitet wird. 2. Beide gehen davon aus, dass die Menschen ohne staatliches Gewaltmonopol sowohl naturgesetzlich wie nach natürlichem Recht von (überwiegenden „a-sozialen“) Affekten und rücksichtslosen Vorteils-überlegungen motiviert werden. 3. Beide beurteilen diesen Zustand als für alle Menschen schlecht, weil er Gewaltbereitschaft notwendig macht und weder gesicherte Freiheiten („eigenes Recht“) noch stabile Kooperation zulässt. Für Spinoza ist vor allem die Bereitschaft zum Wort- und Vertragsbruch Ursache der ausbleibenden (aber lebensnotwendigen) Kooperation. 4. Anders als für Hobbes haben die Menschen für Spinoza ein ursprüngliches Freiheitsverlangen bzw. eine starke Abneigung, sich dem Willen eines anderen zu unterwerfen (Dienst, vor allem Sklaverei). Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 12

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 5. Anders als Hobbes hält Spinoza die Furcht nicht für ein verlässliches und stabiles Motiv. Die Menschen streben nach positiven Gütern und wollen die Furcht überwinden. 6. Aus 4 und 5 folgt für Spinoza, dass sich die Menschen freiwillig nur einer Herrschaft des Volkes unterwerfen, an der sie beteiligt bleiben. Daher ist die vernünftigste Herrschaftsform die Demokratie. Sie darf nicht durch Furcht, sondern muss durch freie Zustimmung herrschen. 7. Da die Menschen vernünftige Entschlüsse nur aufgrund gemeinsamer Denkanstrengungen fällen, und ihr Gehorsam nicht durch Unterdrückung zu erkaufen ist, muss die Demokratie Denkfreiheit, freie Meinungsäußerung und eine Vielfalt religiöser und wissenschaftlicher Überzeugungen zulassen. 8. Die Grenze der freien Meinungsäußerung ist ein Kult, der zu Gewaltsamkeit aufreizt (daher staatliche Rechtsaufsicht über den Kult nötig) und der Aufruf zum Aufruhr, durch Kritik nicht an den einzelnen Gesetzen, sondern dem Staatsvertrag. Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 13

Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I Probleme bei Spinoza: 1. Wie passt das Freiheitsverlangen zum mechanistischen Determinismus? Hat es mit dem unabhängigen Attribut des Denkens zu tun? Aber kann es dann ein natürliches, affektgetragenes (und –determiniertes) Motiv sein? 2. Die aus diesem Verlangen auf den Staat übertragenen Rechte bleiben mit Ausnahme der Denkfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerungen unbestimmt. Sie stehen außerdem in Spannung zu der „restlosen“ Übertragung der Rechte auf den demokratischen Staat (keine Grundrechte, kein Widerstandsrecht). 3. Lässt sich die Kritik an den Gesetzen und Beschlüssen der demokratischen Legislative klar unterscheiden von „Aufruf zum Aufruhr“? Wann ist eine Gesetzeskritik „verfassungswidrig“, wenn es eine ausführliche geschriebene Verfassung gar nicht gibt? Gehört zum demokratischen Streit nicht auch der, ob eine Forderung verfassungswidrig ist? 4. Ist Spinozas Modell einer Demokratie aller Vollbürger (nicht: aller im Staatsgebiet Lebenden) auf einen großen Flächenstaat übertragbar oder an städtischen Kommunen (Amsterdam) orientiert? Hätte er für Staaten wie Frankreich oder England nicht eine repräsentative Verfassung entwerfen müssen? Prof. Dr. Ludwig Siep - Praktische Philosophie der Neuzeit I 14