Schäden durch Kartelle: Die theoretische Perspektive

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Schäden durch Kartelle: Die theoretische Perspektive EE&MC Forum 2007: Wettbewerbsökonomie 1. Februar 2007 Prof. Dr. Justus Haucap, Ruhr-Universität Bochum

Schäden durch Kartelle: Unterscheidungen Schaden bei Nachfragern (Endverbraucher, Unternehmen), Volkswirtschaftliche Schäden, Umverteilungseffekte vs. Effizienzverluste, Nota bene: Ein Teil des durch ein Kartell angerichteten individuellen Schadens ist kein volkswirtschaftlicher Schaden, sondern lediglich ein „Transfer“, der der Volkswirtschaft als Ganzes nicht verloren geht. Effizienzverluste: allokativer Effizienzverlust, produktiver Effizienzverlust, dynamischer Effizienzverlust.

Allokativer Effizienzverlust

Was bestimmt die Schadenshöhe? (I) Unterscheidung zwischen Endverbrauchern und Unternehmen, welche das betroffene Produkt als Input verwenden, Höhe des angerichteten Schadens bei Endverbrauchern: Dauer des Kartells, Ausmaß der Preiserhöhung durch das Kartell, Anzahl der Kartellmitglieder und der Außenseiter, Nachfrageelastizität – je weniger Ausweichmöglichkeiten die Nachfrager haben, desto weniger elastisch die Nachfrage und desto größer der Unterschied zwischen Kartell- und Wettbewerbspreisen, Größe des Marktes (Hannoveraner Dönerkartell versus hypothetisches Tankstellenkartell).

Was bestimmt die Schadenshöhe? (II) Höhe des angerichteten Schadens bei Unternehmen, welche das Produkt als Input beziehen: Dauer des Kartells, Ausmaß der Preiserhöhung durch das Kartell, Anzahl der Kartellmitglieder und der Außenseiter, Substitutionsmöglichkeiten, Nachfrageelastizität der Endkundennachfrage – diese bestimmt die Möglichkeit der Überwälzung („Pass-on“ oder „Pass-through“). Größe des Marktes.

Schaden bei Überwälzung (I)

Schaden bei Überwälzung (II)

Konsequenzen Pass-on Defence sollte dennoch unzulässig sein – warum? Ökonomisch gesehen geht es bei Kartellstrafen und Schadensersatz primär (wenn auch nicht ausschließlich) um Abschreckung. Auch bei Überwälzung entsteht (in aller Regel) ein volkswirtschaftlicher Schaden. Endverbraucher haben jedoch (selbst bei Sammelklagen) oft nur geringe Anreize, Klage zu erheben.

Weitere Effizienzverluste (I) Produktive Effizienzverluste: Transaktionskosten der Kartellüberwachung und Koordination (Organisationskosten des Kartells), Sog. Rent-seeking Aktivitäten (Tullock, 1967; Posner, 1975) – hier stellt sich die Frage, zu welchem Teil Rent-seeking Aktivitäten reine Transfers sind und zu welchem Teil tatsächlich Verschwendung, die sog. X-Ineffizienz (Leibenstein, 1967) - der fehlende Wettbewerbdruck führt ggf. zu mangelnder Kostendisziplin – Folge: Kosten sind ggf. höher als auf Wettbewerbsmärkten.

Weitere Effizienzverluste (II) Dynamische Effizienzverluste: Innovationsdynamik im Kartell wird ggf. reduziert (vgl. Situation Monopol), da Zusatzgewinne aus Innovation sinken, Auswirkungen auf Innovationen auf nachgelagerten Märkten unklar, Markteintritt wird auf nachgelagerten Märkten ggf. erschwert, unter Umständen sogar Marktaustritt induziert. Aber: Hypothetische Kosten (produktive Effizienz) und hypothetische Innovationen und Innovationsgewinne (dynamische Effizienz) sind in der Praxis nur sehr schwierig bzw. gar nicht zu ermitteln – eine Berücksichtigung dieser Kosten schließt sich also fast aus.

Fazit Individuelle Schäden sind von volkswirtschaftlichen Schäden zu unterscheiden, Kartelle haben Umverteilungseffekte und Effizienzverluste, Allokative Effizienzverluste sind recht klar, produktive Effizienzverluste schon weniger eindeutig, und dynamische Effizienzverluste kaum empirisch zu ermitteln, Pass-on Defence ökonomisch nicht zielführend.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Professor Dr. Justus Haucap Ruhr-Universität Bochum Lehrstuhl für Wettbewerbstheorie und -politik Universitätsstr. 150, GC3/62 D-44780 Bochum Fax: 0234 32 14311 email: justus.haucap@rub.de http://www.rub.de/wettbewerb