Inwiefern werden Formanten wegen der Telefonsprache unzuverlässig?

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Polynomial Root Isolation
Advertisements

Macht und Motivation II
Einkommensungleichheit
Eine RDF Konvention für die Beschreibung phonetischer Ressourcen im Semantic Web Hauptseminar: Historisch-Kulturwissenschaftliche Objekte im Semantic Web.
Die akustische Analyse von Sprachlauten.
Quellen-Filter Theorie der Sprachproduktion
Die phonetischen Merkmale von Vokalen
Spektra von periodischen Signalen. Resonanz.
Formant-Analysen von Vokalen
Klaus J. Kohler IPDS, Kiel
Gleich oder verschieden
FRIKATIVE Sitzung 9 Welche Konsonanten sind für sich alleine identifizierbar? -Alle Konsonanten ausser [pt] in tippt, weil das [p] nicht gelöst wird und.
Spektrogramm Das Spektrogramm stellt 3 Dimensionen dar:
Sitzung 9 FRIKATIVE /Tondateien/Frikative/bach-traegt-wenig-wasser.wav: Der Bach trägt dieses Jahr wenig Wasser. /Tondateien/Frikative/schickt-er-blumengruesse.wav:
Spektrogramm und Spektrum
Das Kontinuum-Modell von Fiske und Neuberg
Spektrogramm und Spektrum Sitzung 8 Welche Konsonanten sind für sich alleine identifizierbar? -Alle Konsonanten ausser [pt] in tippt, weil das [p] nicht.
Übung Akustische Phonetik
Versuch zur Vokalnormalisierung
Adaptive Dispersion in der Wahrnehmung von Vokale
Mikro und Makroprosodie
Logische Vektoren in R Jonathan Harrington.
Die Varianzanalyse Jonathan Harrington.
Mixed Models Jonathan Harrington library(ez) library(lme4)
Hauptseminar: Speaker Characteristics Venice International University
Vokale und die Quantaltheorie
Prosodie und Intonation: ein Überblick
Berechnung von stehenden Wellen
Die Prosodie Jonathan Harrington Felicitas Kleber.
Intonationsunterschiede zwischen dem Nord- und Süddeutschen
Die extrinsische und intrinsische Vokalnormalisierung Welche Beweise gibt es, dass Vokal-Normalisierung extrinsisch ist? Hauptseminar: Phonetische Modelle.
Die Anatomie der Grundfrequenz Jonathan Harrington.
Das ‚Perceptual Magnet Model‘ von Patricia Kuhl
Die Normalisierung und Wahrnehmung eines fremden Akzents Datum: Referentin: Carolin Funk Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington Hauptseminar:
Hauptseminar Soziophonetik Prof. Dr. Harrington Marina Meixner
Alkohol und die gesprochene Sprache im Falle der Exxon Valdez
Aufbau, Abfrage, Analyse von Sprachdatenbanken ErstellungAnalyse Abfrage Digitale Zeitsignale akustisch, artikulatorisch Etikettieren Verknüpfung mit Symbolen.
Was ist die artikulatorische Grundlage von Locus-Gleichungen? Hauptseminar: Modelle der Sprachproduktion & - perzeption Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington.
Computerkurs: Quantitative Auswertung biochemischer Experimente Guten Morgen.
Patrick Rössler Einführung in die Methoden der empirischen Kommunikationsforschung Vorlesung BA Kommunikationswissenschaft.
Ein zentraler Flaschenhals
Wird Mario betrogen? Ein Informatikprojekt des Elsa-Brändström-Gymnasiums Oberhausen Wahlpflichtkurs Jahrgang 8 Lehrer: Hr. Fileccia April 2010.
Linguistik Stellen Sie Fragen zum Text (schauen Sie auf Ihre Unterlagen)! Versuchen Sie die gestellten Fragen zu beantworten!
HLSyn – eine Kurzeinführung
K. Meusburger & C. Alewel finanziert vom BAfU
Das erste Mobiltelefon
Varianzanalyse mit Messwiederholungen
Seminar: Datenerhebung
Physiologie Frequenz, Amplitude, Phasen
Verarbeitung von Implikaturen iv Ist die Interpretation von skalaren Implikaturen gegenüber der wörtlichen Interpretation verzögert? Grodner et al
Kathrin Grummich1, Katrin Jensen2 Christoph M Seiler1 Markus K Diener1
Empirische Softwaretechnik
Lernen.
Zusammenfassung von Hombert et al (1979) und Löfqvist (1989)
Die Schwerkraft(Gravitation)
Plosive [a d a] [a t a] [a th a]
Methoden Die klassische Methode der Psycholinguistik (genauso wie der experimentellen Psychologie im Allgemeinen) ist die Messung von Reaktionszeiten.
EEG-Korrelate der Aktivierung kortikaler Objektrepräsentationen-1
Plakatwerbung: Wie wichtig sind Farben wirklich?
Methoden der Sozialwissenschaften
3. Sitzung K3.1 Phonetik und Phonologie II
2. Sitzung K3.1 Phonetik und Phonologie II
Hilfs-Indikator Indikator
European Patients’ Academy on Therapeutic Innovation Spezielle Bevölkerungsgruppen.
Unterschiedliche Wellenlängen der Spektralfarben sind ein abstrakter Lerninhalt. Unterschiedliche Wellenlängen sind hingegen bei Schallwellen als Tonhöhe.
Identifying the effects of gendered language on economic behavior
Die Varianzanalyse Jonathan Harrington library(ggplot2) library(ez)
Spektrogramm und Spektrum Sitzung 8 Spektrogramm und Spektrum Date ip003rb.wav laden Formantwerte (F1 und F2) vom /a:/ im ‘mal’ ablesen Formantwerte.
AAA – Abdominales Aorten Aneurysma –
Die Varianzanalyse Jonathan Harrington library(ggplot2) library(dplyr)
 Präsentation transkript:

Inwiefern werden Formanten wegen der Telefonsprache unzuverlässig? Referentin: Salima Nurdavletova 20.11.2007

Überblick Effekte der Telefonübertragung Der Einfluss von der Telefonübertragung auf die Messung von Formantfrequenzen (Künzel, 2001) Mobiltelefoneffekt an Vokalformanten (Byrne und Foulkes, 2004)

1. Effekte der Telefonübertragung Die Studie von Moye (1979) beschreibt unterschiedliche Effekte von Telefonübertragung auf Sprache, z.B.: Hintergrundlärm und Verzerrungen; Bandpasseigenschaften von dem Übertragungskanal (zwischen 300 und 3400 Hz)

Drei Haupttypen von Effekten Umwelteffekte – Auswirkungen, die von der physikalischen Umgebung resultieren, in der das Telefongespräch stattfindet, z.B. Hintergrundlärm wie Verkehr usw. Sprechereffekte – Sprecherverhalten, wie z. B. Telefonstimme, Lautstärke. Die Grundfrequenz ändert sich. Technische Effekte – selektive Übertragung von Frequenzen; Schallenergie unter 300 Hz und über 3400 Hz ist verringert oder nicht übertragbar

2. Der Einfluss von der Telefonübertragung auf die Messung von Formantfrequenzen Auslöser der Studie: Empirische Dialektologie J. Schmidt wollte telefonisch neue Daten von der gleichen Gruppe erheben, von der er 1981 face-to-face - Aufnahmen gemacht hatte.

Frage an Künzel: Gibt es Schwierigkeiten, wenn man Sprachmuster über das Telefon zieht im Vergleich zu den direkt aufgenommenen Sprachbeispielen?

Wird das Messen von Formantfrequenzen durch Telefonübertragung beeinflusst?

Der erste empirische Schritt: Nachweis der typischen Übertragungseigenschaften von Standardtelefonen (ISDN) Daten von einer unveröffentlichten Studie Ergebnis: Alle Standardtelefone haben einen relativ gleichen Übertragungskanal – Frequenzen, die zwischen 400 Hz und 3400 Hz liegen, werden übertragen; unterhalb und überhalb des Übertragungsbereichs werden sie abgedämpft; F1 geht nach oben

Hypothese: Vor allem die ersten Formanten von hohen und mittleren Vokalen werden vom Telefoneffekt betroffen. F2 und höhere Formanten werden nicht beeinflusst, solange sie innerhalb des Übertragungsbereichs liegen.

Experiment Natürlich gesprochene Sprache wurde untersucht; 10 männliche und 10 weibliche Sprecher mit dem Durchschnittsalter von 25 Jahren lasen den Text „Der Nordwind und die Sonne“ vor; Normale Geschwindigkeit und Lautstärke; Zwei Aufnahmen: direkt auf Mikrophon und über das Standardtelefon

Die Methode Es wurde auf zwei verschiedene Arten gemessen: visuell, d.h. ein Spektrogrammleser fand den Schwerpunkt; automatisch, d.h. mit Autokorellationsfunktion

Die Probleme Automatische Funktion lieferte keine sinnvollen Ergebnisse Niedrige Amplituden und hohe F0 von weiblichen Sprechern bereiteten Schwierigkeiten Natürlich gesprochene Sprache: Vokale werden zu kurz gesprochen

Die Ergebnisse Kein Unterschied bei F2-Werten zwischen Direkt- und Telefonaufnahme F1-Werte höher in der Telefonübertragung als in der Dirktaufnahme: Der Unterschied ist am größten - 13% - für geschlossene Vokale, wie [i], [u]; mittel für Vokale [e] und [o]; am kleinsten -weniger als 1% - für offene Vokale, wie [a].

Frage: Gibt es eine einfache Methode, die den Telefoneffekt wegkompensieren könnte? Antwort: Es ist nicht möglich, die gleiche Art von Algorithmus zu finden, der den Telefoneffekt entschädigen kann.

Fazit In Fällen, in denen zwei verschiedene Arten von Sprachaufnahmen ausgewertet werden, sollten die Grundfrequenz und F1 nicht für die Analyse hergenommen werden. Die gleiche Schlussfolgerung gilt auch für Dialektologie: Es könnte für einen Dialektologen unklar sein, ob so ein kleiner phonetischer Unterschied der Kern eines Klangwechsels oder ein Unterschied zwischen zwei Dialekten ist.

Mobiltelefoneffekt an Vokalformanten (Byrne, 2004) Aufbauend auf die Studie von Künzel Neue zahlreiche Untersuchungen wegen des Anstiegs vom Mobiltelefonverbrauch

Die Telefoneffekte Mobiltelefone haben mehr Umwelteffekte als Festnetztelefone. Mobilfunkbenutzer sprechen lauter, was zur Erhöhung der Grundfrequenz führt. Mobilfunkaufnahmen werden oft durch GSM-Radioübertragungen beeinflusst.

Experiment 6 männliche und 6 weibliche englische Muttersprachler mit einer Universitätsausbildung und ohne irgendwelche Sprachprobleme mussten die deutsche Version vom Text „Der Nordwind und die Sonne“ bzw. „Die Geschichte von Arthur der Ratte“ vorlesen. Zwei Aufnahmen wurden gemacht: direkt auf Mikrophon und am Ende der Mobilfunkverbindung Gemessen wurden F1, F2 und F3

Ergebnisse F1 Telefoneffekt auf F1 ist beim Mobilfunk bedeutend größer als beim Festnetz (Unterschied bis 30%) Zwei mögliche Gründe: Die Filterfunktion und die Lage des Übertragungskanals schwanken sehr und sind von Faktoren abhängig, wie z.B. das Telefon oder die Art der Übertragung Der Mund des Sprechers ist vom Hörer unterschiedlich weit weg.

F2 F2-Werte sind weniger vom Telefoneffekt betroffen, weil sie in dem Frequenzbereich liegen, den die Telefone übertragen. Allerdings waren F2-Werte in Mobilfunkaufnahmen tiefer, besonders bei Vokalen mit hohen F2-Werten (geschlossene vordere Vokale).

F3 Leichtes Absinken wie bei F2; Bedeutende Änderungen nur bei den höchsten Werten.

Zusammenfassung Das Analysieren der Stimmvergleiche muss auf jeden Fall den Telefoneffekt berücksichtigen. Man muss sehr vorsichtig sein, vor allem dann, wenn man nicht weiß, ob der Anruf von einem Festnetz oder einem Mobilfunk kommt.

Literatur Künzel, Hermann J. (2001): Beware of the „telephone effect“: the influence of telephone transmission on the measurement of formant frequencies. Byrne, Catherine; Foulkes, Paul (2004): The „Mobile Phone Effect“ on Vowel Formants.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!