Erziehungswissenschaft in der NS-Zeit

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 Präsentation transkript:

Erziehungswissenschaft in der NS-Zeit Überblick © Apl. Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer Goethe-Universität FFM

Grundidee Verbrechen und Ideologie des NS als Herausforderung von Erziehungswissenschaft und pädagogischer Praxis heute Indoktrination und Manipulation als Grundprobleme von Erziehung und Bildung Wissen als Teil der Bildung – aber keine historische Veranstaltung: Kern = Pädagogik

Überblick Ernst Krieck und Alfred Baeumler - DIE Repräsentanten der NS-Pädagogik HJ- Baldur von Schirach – sehr große praktische Bedeutung Alte „Geisteswissenschaften“: Spranger, Nohl, Weniger „Reformpädagogik“: Peter Petersen (Zur Problematik der allzu pauschalen Begriffe „geisteswissenschaftlich“ und „reformpädagogisch“)

Kernpunkte „Gemeinschaft“ contra Gesellschaft? Wer nicht mitmacht ... Der „Dienst“, „Gehorsam“ und „Selbstregulierung“ Mechanismen der Diskriminierung und Manipulation Männerbild, Frauenbild, „Volksgemeinschaft“

Elemente der NS-Ideologie – vor und nach 33-45? „Politik aus dem Glauben“ – Der Appell an das Irrationale - Religion als Politik / Gegen Aufklärung und „Rationalismus“ Deutscher Geist und deutsches Volk: Völkischer Nationalismus Krieg und Militarismus: Zucht und Gemeinschaft durch Befehl und Gehorsam Biologismus und Rassismus, Eugenik und Aufzucht Antisemitismus und die Juden: „an deren Sonderschicksal wir uns schließlich irgendwie unbeteiligt fühlen“ (Weniger, Erich: Das Bild des Krieges. Erlebnis, Erinnerung, Überlieferung, in: Die Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang von Kultur und Erziehung in Wissenschaft und Leben, 5. Jg. (1929/30), S. 11.) 5

Notwendige Vorbemerkungen I NS-System als „total“ oder als Bündnis-System verstehen NS-immanente Diskurse: a) Stahlhelm und NS/ Hindenburg - Hitler b) „positives Christentum“ – Wotan-NS c) „Juda verrecke“ – „Juden sind hier unerwünscht“ d) „deutsche Tradition“ (Baeumler/ Rosenberg) – alles „Entjuden“ (Krieck)

Notwendige Vorbemerkungen II Gegen „faulen Diskurs“  Mythos Reformpädagogik contra geisteswissenschaftliche Pädagogik Auf NS konzentriert – aber die Profession herausforderndes Grundproblem ist, in welcher Hinsicht Kontinuität, in welcher Hinsicht Diskontinuität existiert

Schwierigkeiten (I) Erste Kritiken in der NS-Zeit / Ent- und „Re“-Nazifizierung als gesamtgesellschaftliches Problem: Eugen Kogon: „Das böse Wort läuft um: ‚Seitdem uns die demokratische Sonne bescheint, werden wir immer brauner‘.“ (Kogon, Eugen: Die unvollendete Erneuerung, Frankfurt am Main 1964, S. 23) Persilscheinproblematik: „Was das Entlastungszeugnis betrifft teile ich Ihnen mit, dass ich 108 Zeugnisse nach 1945 geschrieben habe, von denen nur 2 bewusst flau gehalten werden mussten – das war das Zeugnis über Sie und über Eckstein. Sie wissen beide, dass es nicht anders sein konnte!“ (Simoneits Brief vom 23.3.1955 an Heinrich Roth)

Kritik wird als „böswillige Verleumdung“ gesehen Am 2. Dezember 1948 gab Peter Petersen die Erklärung ab: „Dass ich deswegen jeden Vorwurf eines Nazismus in meinem Verhalten oder in meinem Schrifttum als böswillige Verleumdung mit Entschiedenheit zurückweise ist nur natürlich“. (Erklärung von Peter Petersen vom 2.12.1948, in: Kluge, Barbara: Peter Petersen. Lebenslauf und Lebensgeschichte. Auf dem Weg zu einer Biographie, Heinsberg 1992, S. 173)

Schwierigkeiten (II) Die Re-Emigranten und das nicht-symmetrische „kollektive Beschweigen“ Das Beispiel Horkheimer: „wenn Sie Antisemit sind, sollten Sie wenigstens hier das Maul halten“ – (Notker Hammerstein zitiert M. Horkheimer in einem Bericht, in: Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Frankfurt/M. 1989, S.801f.) „Es gibt sicher viele, die genau solche Schweine waren wie Herr Platzhoff und längst wieder die deutsche Jugend erziehen.“ (Max Horkheimer 1948 an seine Frau, in: Wiggershaus, Rolf: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung. München 1988, S. 444)

Schwierigkeiten (III) Akademisches Patriarchat: Das System „Doktorvater“ und seine akademischen ‘Schülerinnen und Schüler‘ / Fragen der Wissenschaftsgeschichte Ernste Debatten der 70er und 80er Jahre (Forschungsstand) - heute im Grunde eine quellenbezogene „Zwischen-Bilanz“

Vier Erziehungswissenschaftler 1. Spranger: Begründung der „geisteswissenschaftlichen Pädagogik“ 2. Nohl: „Pädagogischer Bezug“ und „Deutsche Bewegung“ 3. Weniger: Geschichtsdidaktik und die sogenannte Militärpädagogik 4. Petersen: „Reformpädagogik“ und Führungslehre