Public Health Genomics Law – Grundzüge der zukünftigen Entwicklung eines neuen Rechtsgebietes National Task Force Deutschland Public Health Genomics.

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Public Health Genomics Law – Grundzüge der zukünftigen Entwicklung eines neuen Rechtsgebietes National Task Force Deutschland Public Health Genomics European Network (PHGEN) Tobias Schulte in den Bäumen Deutsches Zentrum für Public Health Genomics (DZPHG), Bielefeld

Was machen Genetik und Genomik, worauf muss das Recht reagieren? Vergangenheit (aber immer noch im juristischen Fokus): Monogenetische Erkrankungen mit klarer Vererbung Gegenwart (Gegenstand von Projekten wie PHGEN): Bedeutung von genetischen Suszeptibilitäten (Prädispositionen) und Biomarkern bei komplexen Erkrankungen Zukunft Bedeutung von genetischen und anderen Determinanten in Bezug auf konkrete Gesundheitsprobleme

Gene-Environment-Interactions Heart disease PKU Schizophrenia Cancer Cystic fibrosis Motor vehicle accident Multiple sclerosis Alzheimer’s Diabetes Fragile X Duchenne muscular dystrophy Asthma TB Struck by lightning Obesity Rheumatoid arthritis Meningococcus Autism A list of different diseases ranging from the purely genetic to the totally environemental PKU Lightning and achondroplasia Totally Genetic Totally Environmental

Was folgt daraus für die Regulierung von Genomics. - Was folgt daraus für die Regulierung von Genomics? - Public Health Genomics fokussierst sich auf multifaktorielle Erkrankungen (meist mit einer geringen genetischen Penetranz, daher keine „Regulierung“ auf der Ebene des Genoms) - Der Begriff „genetische Daten“ ist auf den Aussagewert der Daten, und nicht auf den tech. Erhebungsweg zu beziehen - Es gilt daher zu unterscheiden zwischen: 1) „genetische Daten“ per se (Daten über das Genom) 2) Genetische Daten II.Ordnung über Co-Risiken und Verhaltensweisen (also die anderen „risk determinants“) - PHG-Recht lässt sich nicht an einer bestimmten Stelle des bestehenden Rechts andocken, vielmehr müssen verschiedene Rechtsgebiete abgestimmt werden

Public Health Genomics und normative Strategien Konzeptionell muss unterschieden werden zwischen: I. Wie kann Recht die Public Health Forschung unterstützen? Wie kann Recht die Überführung von Public Health Erkenntnissen in die Gesundheitsversorgungsstrukturen begleiten und unterstützen? Wie kann Recht die langfristigen Ziele von PHG, also die Minimierung von Risiken, gewährleisten? Die Vision: - Mittelfristig muss Recht dafür Sorge tragen, dass PHG zentraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung wird. Dabei muss das Recht den sich abzeichnenden Wandel von der Krankheits- über die Risiko- hin zur Gesundheitsergebnisorientierung begleiten.

I. Unterstützung für Public Health Genomics Forschung - Der Zugang zu und die Möglichkeit des Austausches von Daten wird als zentrales Hindernis von Forschern genannt (Datenschutz) Die Integration von bestehenden Registern und neu enstandenen Biobanken in Surveillance-Systeme erfordert ein hohes Maß an juristischen Regelungen (DSR, Proben, Datenbanken, IPR) Eine einheitliche Regulierung der Zulassung von Forschungsprojekten würde die Arbeitsbedingungen für internationale Studien verbessern (z.B. Ethikkommissionen) Eine bereichsübergreifende Harmonisierung vereinfacht die Konzeptionierung von Forschungsprojekten und schafft Rechtssicherheit

II. Überführung von PHG in die Gesundheitsversorgung - Stärkung des Präventionsgedankens im Sozialrecht wie in § 1 S. 1 SGB V angedacht: “Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten” - Unzureichend hingegen z.B. § 25 Abs. 2 SGB V: “Versicherte haben höchstens einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebs”, Frauen ab 20 / Männer ab 45. Auch das SozialR muss sich stärker der individualisierten Risikostratifizierung zuwenden Das Sozialversichungsrecht muss innovationsoffen ausgestaltet werden ( Zulassungsschranken etc.) Die Bedeutung genom-basierter Methoden und der individualisierteren Behandlung sollte auch im Vergütungsrecht Niederschlag finden

III. Erreichung der langfristigen Ziele von PHG (einige Beispiele) Langfristing folgt aus der Kausalstruktur der multifaktoriellen Erkrankungen die Aufgabe, die nicht-genetischen Risiken zu erkennen und nach Möglichkeit zu minimieren III. a) Verbraucherschutzrecht - Regulierung der Zulassung und des Vertriebes hochwertiger Gentests / Information von Verbrauchern - Regulierung der Lebensmittelerzeugung und Überwachung des Genetically Modified Food - Labelling von Nahrungsmitteln oder anderer risikoerhöhender Produkte zur besseren Information von Verbrauchern (“Rauchen verursacht Krebs”)

III. Erreichung der langfristigen Ziele von PHG (einige Beispiele) III.b) Versicherungsrecht - Das europäische Versicherungsrecht ist so auszugestalten, dass den Versicherten keine Nachteile aus den gewonnenen genetischen Daten erwachsen Durch juristische Grenzziehungen müssen auch die Versicherungen vor einer adversen Selektion geschützt werden III.c) Anti-Diskriminierungs - Recht - Das Recht muss auf den genetischen Exzeptionalismus eingehen und auf eine einheitliche Behandlung aller Gesundheitsdaten drängen.

III. Erreichung der langfristigen Ziele von PHG (einige Beispiele) III.d) Datenschutzrecht Der Schutz humangenetischer Daten steht im Zentrum der gegenwärtigen rechtlichen Diskussion (z.B. Gendiagnostikgesetz) Gegenwärtig konzentriert sich der Diskurs allein auf die mittels bestimmter Methoden (Gentest) gewonnenen Daten, die Bedeutung “trivialer” Daten wird hingegen unterschätzt, obwohl aus diesen ein höheres Diskriminierungsrisiko folgt (siehe etwa moderne Datenbanktechnologien wie KDD) Thematisiert werden vornehmlich Daten in einem Familenverbund, aus PHG-Sicht müssten eher Risikogruppen betrachtet werden

IV. Der Informed Consent und die Idee einer genetischen Informationsgerechtigkeit - Der individuelle IC ist immer dann problematisch, wenn andere Familien- oder Risikogruppenmitglieder gleicher maßen betroffen sind - Im Datenschutzrecht treten neben den IC des Betroffen noch die gesetzliche Ermächtigung und das überwiegende Interesse als Rechtfertigungsalternativen - Auch für PHG ist das Konzept der medizinischen Indikation anzuwenden, d.h. der IC des Betroffenen ist stets hinreichend, wenn die Erhebung der Daten indiziert ist. Für PHG bedeutet dies, dass ein Vorrang für PHG besteht, wenn die Erhebung und Verarbeitung von Daten „kollektiv“ indiziert ist, z.B. weil eine evidenzbasierte Risikoein- schätzung vorliegt, die verifiziert werden soll.

IV. Der Informed Consent und die Idee einer genetischen Informationsgerechtigkeit - Biomedizinrecht wandelt sich zunehmend in ein Bioinformationsrecht, die Abwägung widerstreitender Interessen rückt daher zunehmend in das Zentrum der rechtlichen Steuerung - Sozial-, Forschungs- und Datenschutzrecht weisen dabei eine einheitliche Struktur auf: Die Anwendung genetischer Verfahren ist gerechtfertigt, wenn sie notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig i.e. Sinne ist - Diese Wertungen kann das Recht nicht aus sich selbst heraus vornehmen, es muss vielmehr auf das vorhandene Wissen zurückgreifen = Forscher sind gezwungen, ihre Projekte möglichst evidenzbasiert zu begründen und den gesellschaftlichen Nutzen zu belegen

Zu guter Letzt: Wer macht das alles eigentlich. - Zu guter Letzt: Wer macht das alles eigentlich? - Gegenwärtig findet ein Wettlauf der Regulierer statt, dessen Ausgang nicht abzusehen ist. Beteiligt sind dabei die Nationalstaaten, der Council of Europe, die OECD, die UNESCO, die EU und viele Berufs- und Interessenverbände - Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung ist nur schwer zu gewährleisten, da unterschiedliche Kompetenzen bei den Nationalstaaten und der EU liegen - Die EU hat wegen Art. 152 EGV eine nur sehr eingeschränkte Kompetenz auf dem Gebiet des Gesundheitswesen, sie kann jedoch Kompetenzen im Bereich der Dienstleistungen, des Produktrechts, des Verbraucherschutzrechts und des Datenschutzrechts nutzen, um den Bereich des PHG zu gestalten

Was macht PHGEN in diesem Prozess Was macht PHGEN in diesem Prozess? - PHGEN analysiert die in Europa bestehenden juristischen Hemmnisse - PHGEN ist an den Entwicklungsprozessen der verschiedenen Normgeber beteiligt und vertritt die Interessen von PHG in Stellungnahmen und Expertenanhörungen (insb. bei der OECD) - PHGEN dient den National Task Forces als Plattform und als Sprachrohr für deren juristische Anliegen - PHGEN ermittelt den juristischen Harmonisierungsbedarf innerhalb der EU 25 und darüber hinaus - PHGEN entwickelt zusammen mit seinen Partnern (CDC, P3G, Graph-Int) Grundzüge eines weltweit gültigen Rahmens für PHG

PHGEN Public Health Genomics European Network January 1st 2006 – December 31st 2008 (36 months) EU Project: 2005313

www.phgen.nrw.de Main Partner & Associated Partners Institute of Public Health NRW (lögd) Westerfeldstrasse 35-37 33611 Bielefeld Germany German Center for Public Health Genomics (DZPHG) Kurt-Schumacher-Strasse 6 33615 Bielefeld Germany Public Health Genetics Unit (PHGU) Strangeways Research Laboratory Worts Causeway Cambridge CB1 8RN UK