Musterreferat von Claude Longchamp

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 Präsentation transkript:

Eidg. Wahlen 2019 – eine Vorschau Die Parteienlandschaft gleicht einem Drei-Pol-Stecker Musterreferat von Claude Longchamp Lehrbeauftragter an den Universitäten Zürich und Bern, VRP gfs.bern Stand Mai 2018

Eine kleine Bilanz zu den Wahlen 2015 Populäre Leseweise Politologische Leseweise Rechtsrutsch im Nationalrat, Mehrheit für SVP/Lega und FDP verschiedene Möglichkeiten für Mehrheiten im Ständerat (CVP/FDP, CVP/SP, FDP/SP) Resultat als folge der europäischen Asylpolitik («Das doppelte Glück der SVP», S. Möckli), allenfalls grundlegender oder «tektonischer Rechtsrutsch», (M. Hermann) Hybrides System Bestätigung des Konkordanzsystems als Basis der Schweizer Politik, Rückkehr zur Regierungsbeteiligung der grossen Parteien Aber: wachsender Wettbewerb Medialisierung der Politik verursacht Polarisierung Wahlabsprachen wegen Eigenprofilierungen rückläufig

Was seither geschah? (2) Veränderung Parteistärken aufgrund gewichteter kantonaler Parlamentswahlen Tagesanzeiger RTS

Wie ich es sehe: Aussichten Nationalratswahlen 2019 Stand 30. April 2018: SVP stagniert auf hohem Niveau SP stagniert/legt zu auf mittlerem Niveau FDP legt auf mittlerem Niveau zu CVP verliert/stagniert auf mittlerem bis tiefem Niveau Grüne legen auf tiefem Niveau wieder zu GLP stagniert auf tiefem Niveau BDP verliert auf tiefem Niveau

Zentripetal: Medianwählende entscheiden, Parteien suchen Wechselwählende in der Mitte

Zentrifugal: Parteien suchen mit polarisierten Positionen Neuwählende an den Rändern

These 1: von moderaten zum polarisierte Pluralismus Gegenwärtiger Trend: Gescheiterte «neue Mitte», CVP, GLP und BDP bilden zusammen keinen Mitte-Pol und sind einzeln zu schwach, um ein Gegengewicht zu bilden. Polparteien bewirtschaften Problem, die sie profilieren, ohne an Lösungen interessiert zu sein. Lösungen können mit dem Referendum recht einfach versenkt werden (USRIII, AV2020) Jungparteien für die Neuprofilierung entscheidend, selbst wenn sich dadurch ein möglicher Gegensatz zur Mutterpartei gibt Bilanz Vom moderaten zum polarisierter Pluralismus Offen, ob bi- oder tripolar CH 1991 CH 2015

These 2: Was seit 2014/5 neu ist Das Parteiensystem der Schweiz entwickelt sich heute nicht mehr bipolar, sondern tripolar Nationalkonservativer Pol: Verteidigung der traditionellen Schweiz, euroskeptisch, wirtschaftliche Abschottung, latent nationalistisch, SVP an diesem Pol seit Jahren am klarsten positioniert, momentan, aber stagnierend Linker Pol: für eine soziale, ökologische und offene Schweiz, SP in der deutschen Schweiz, Grüne in der französischen Schweiz gegenwärtig am klarsten positioniert (Rechts)liberaler Pol: für eine moderne, offene aber bürgerliche Schweiz, FDP/Liberale neuerdings am klarsten positioniert Gegenwärtig entscheidende Polarisierung: FDP vs. rotgrün

Dreipolige Parteienlandschaft der Schweiz: Polparteien

Aussichten für das Wahljahr 2019 Strategische Positionierungen mittels Volksinitiativen: SVP: Selbstbestimmungsinitiative, Kündigungsinitiative (Souveränitätsfragen) CVP/SP: Kostenbremse resp. Prämienstopp Gesundheitswesen Schwer vorhersehbare Themen Europa-Frage: institutionelles Rahmenabkommen mit der EU generelle EU-Krise nach Wahlen ins Europäische Parlament Bundesratswahlen 2018/9 (Frauenanteil, regionaler Ausgleich)

These 3: Parteien auf der Suche nach ihrer Position CVP: Wille, sich mit einer konservativ-sozialen Position vom liberalen Pol abzusetzen («fallweise Zusammenarbeit mit SVP und SP», aber Spagat zwischen nationalkonservativem und linkem Pol), Wille zur Trendwende, aber negative Bilanz bei kantonalen und städtischen Wahlen BDP: Wille, zum progressiven Pol zu gehören, in Konkurrenz zu FDP/GLP, Konkretisierung des neuen Werte-Kompasses brachte keinen Durchbruch, gewisse Schwierigkeiten in Stammlanden GLP: Positionierung zwischen liberalem und linken Pol, etwas ambivalent zwischen öko- und gesellschaftsliberalen Forderungen, Erfolge in Städten

Dreipolige Parteienlandschaft der Schweiz: Polparteien und Parteien in Zwischenfeldern (3) ?GLP? ?BDP? ?CVP?

Mandatsstärke der grösseren Parteien in den kantonalen Parlamenten seit 1968

Der relevante Kampf: die Agglomerationen Städtische und ländliche Gebiete sind zwischen dem linken resp. liberalen Pol und dem konservativen klar verteilt Entscheidend sind die Entwicklungen in den Agglomerationen (mittlere und kleinere Städte sowie Vororte der Kernstädte) «Storf»: zwei Trends relevant: Entfremdung vom bäuerlich geprägten Dorf: Konservative, nostalgische Grundstimmung aufgrund der baulichen Veränderungen, vor allem in der älteren, länger ansässigen Generation entscheidend Wunsch nach neuer Urbanität: Lebensstile wie in den grossen Kernstädten dank ausgebauter Infrastruktur (Kita, ÖV, Kultur), vor allem in den jüngeren, zugewanderten Generationen entscheidend

Szenarien: Zwei denkbare Ausgänge der Wahlen 2019 Szenario 1: «ländliche Schweiz» und nach 2015 erneuter Rechtsrutsch: FDP gewinnt hinzu, SVP und CVP halten, Trends auf dem Land bestimmen den gesamten Eindruck Bundesrat rückt nach 2019 personell weiter nach rechts Szenario 2: «urbane Schweiz» oder Gegenbewegung zu 2015 mit Linksrutsch: SP und GPS gewinnen, SVP und CVP verlieren; Trends in den Städten bestimmten den gesamten Eindruck Bundesrat bleibt parteipolitisch stabil, muss aber urbaner ausgerichtet werden (FDP urban)

Thesen Das Parteiensystem der Schweiz bewegt sich seit längerem vom moderaten zum polarisierten Pluralismus Neuerdings drei Pole: nationalkonservativ, links und rechtsliberal, klar positioniert sind SVP, SP, FDP und GPS Drei weitere Parteien auf der Suche nach ihrer Positionierung: am meisten CVP, dann die BDP und schliesslich auch die GLP. Bei den Nationalratswahlen stehen zwei Szenarien im Vordergrund: Gegenreaktion und Linksrutsch bzw. fortgesetzter Rechtsrutsch Die Entscheidung fällt im «Storf», der Agglomeration zwischen städtischer und dörflicher Schweiz, die zwischen Nostalgie und neuen Dienstleistungen schwankt Die Wahlen 2019 sind wegen den Ständeratswahlen (bürgerliche Allianz vs. parteipolitische Konkurrenz schwer vorauszusehen Die Bundesratswahlen beeinflussen mit Sicherheit die mediale Situation vor den Wahlen, Wahlen und neue BundesrätInnen bringen Aufmerksamkeit