Der Einfluss des Kalenders auf das Alltagsleben im Mittelalter

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 Präsentation transkript:

Der Einfluss des Kalenders auf das Alltagsleben im Mittelalter Warum Weihnachten am 25. Dezember gefeiert und vor Ostern gefastet wird.

Ein paar Überlegungen zuvor… Chronologie als Lehre von der natürlichen Zeit  Astronomie Chronologie als Lehre von der menschlichen Zeitmessung, Zeitrechnung und Datierung  Geschichtswissenschaft

Astronomische Grundlagen (1) Sonnenjahr = tropisches Jahr 365 d 5 h 48 min 45,261 sec (= 365,24219052 d) Mittelalterliche Annahme 365 d 5 h 49 min 16 sec (= 365,242546 d) Mondmonat 29 d 12 h 44 min 2,9 sec (= 29,530589 d)

Astronomische Grundlagen (2) Sonnenjahr und Mondmonat sind inkompatibel. Versuch der Kompatibilitätsherstellung: 19 Mondjahre (= 228 Mondmonate) + 7 Mondschaltmonate = 6939,69 d 19 Sonnenjahre = 6939,60 d

Julianischer Kalender Kalenderreform durch Julius Caesar (46 v. Chr.) Jahresanfang 1. Januar (bisher 1. März) 365 d/a 1 Schalttag alle vier Jahre Durchschnittsjahr 365 d 6 h 11 min 14 sec länger als Sonnenjahr Differenz: 128,19 a = 1 d

Reform des Julianischen Kalenders Konzil von Nicäa 325 Verlegung der Frühlings-Tag-und- Nacht-Gleiche auf den 21. März Ostertermin wird festgelegt

Gregorianischer Kalender Papst Gregor XIII. 1582 Differenz Kalendertag zu Sonnenstand seit Nicäa 325: 1257 a ~ 10 d Ausfall der Kalendertage 5.10.-14.10.1582 Ausfall von 3 Schaltjahren in 400 Jahren Übernahme des Gregorianischen Kalenders zwischen 1582 und dem 20. Jh., teils nie.

Französischer Revolutionskalender (1) 14. Juli 1789 – 31. Dezember 1805 Zählung nach „Jahren der Freiheit“, „der Gleichheit“, „der Republik“ Jahreseinteilung: 12 Monate à 30 d + 5 jours complémentaires (sansculottides) + 1 jour de la révolution pro Schaltjahr Monatseinteilung: 3 Dekaden à 10 Tage; décadi als Ruhetag

Französischer Revolutionskalender (2)

Methoden der Jahreszählung (1) 1. Inkarnationsära = Jahre nach Christi Geburt: erstmals bei Dionysius Exiguus 532, dann vor allem bei Beda Venerabilis († 735) 2. Weltära = Jahre seit der Schöpfung (unterschiedliche Ergebnisse zwischen 5508 v. Chr. und 3761 v. Chr.)

Methoden der Jahreszählung (2) 3. Regierungsjahre von Herrschern 4. Muslimische Ära: 622 n. Chr. (Hidschra); Jahreszählung in Mondjahren 5. usw. usf.

Jahresanfang 1. Januar 1. März vor dem heutigen Jahresanfang 25. März vor oder nach dem heutigen Jahresanfang Ostern nach dem heutigen Jahresanfang 1. September vor dem heutigen Jahresanfang 25. Dezember vor dem heutigen Jahresanfang

Tageszählung Römischer Kalender Grundprinzip: Rückwärtszählung („Countdown“) von den Kalenden (1. eines Monats), Nonen (5. oder 7. eines Monats) oder Iden (13. oder 15. eines Monats), unter Einschluss des Ausgangstages

Beispielfrage Warum ist heute der 10. April 2018? 10., weil wir die Tage der Monate vom 1. bis (max.) 31. vorwärtszählen, April, weil wir die alte römische Monatsbezeichnung übernommen haben, 2018, weil wir nach Christi Geburt zählen.

Erstes Zwischenergebnis Jeder Kalender irgendwo in Mitteleuropa war und ist immer ein Ergebnis verschiedenster Voraussetzungen und Interpretationen von Vorhandenem. Die Gestaltung des Kalenders und ihre Durchsetzung war und ist immer ein Ergebnis der Festsetzung durch gesellschaftlich tonangebende Eliten. Im Mittelalter ist der verwendete Kalender folgerichtig ein Ergebnis von Überlegungen christlicher Theologen.

Das Kirchenjahr (1) Ostern als Bezugspunkt Christi Himmelfahrt = 40 Tage nach Ostern Pfingsten = 50 Tage nach Ostern Aschermittwoch = „40 Tage“ vor Ostern Adventszeit = 4 Sonntage vor Weihnachten (25.12.)

Das Kirchenjahr (2) Ostern wird astronomisch festgelegt Ostersonntag = erster Sonntag nach dem ersten Vollmond nach/an Frühjahrsanfang Mögliche Osterdaten: 22. März bis 25. April  Ostern wandert durch das Jahr

Das Kirchenjahr (3) Möglicher vorchristlicher Charakter der Hauptfeste des christlichen Kirchenjahres ist nicht auszuschließen. Ostern = Frühjahrsfest Weihnachten = Winterfest Johannisfest (24.6.) = Sommerfest Christliche „Interpretatio“ „heidnischer“ Feste.

Fastenzeiten (1) Quadragesima-Fasten (ev.: Passionszeit): Aschermittwoch bis Gründonnerstag + Trauerfasten bis in die Osternacht Jeder Freitag im Gedenken an den Tod Christi Weihnachtsfasten: Adventszeit Quatemberfasten: 4x jährlich je drei Tage Mittelalter: Lucia = 13.12., Aschermittwoch, Pfingsten, Kreuzerhöhung = 14.9. Seit 1972: erste Adeventswoche, erste Fastenwoche, Woche vor Pfingsten, erste Oktoberwoche

Fastenzeiten (2) Fasten im Judentum Jom Kippur (Versöhnungstag) = 10. Tag des 7. Monats (Tischri) Fasten im Islam Ramadan (9. Monat des islamischen Kalenders) Verbot der Aufnahme von Speisen und Getränken (Morgendämmerung bis Sonnenuntergang)

Christliche Heiligenfeste Christus- und Marienfeste U.a. Weihnachten, Epiphanias, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Kreuzerhöhung U.a. Mariae Lichtmess, Mariae Verkündigung, Mariae Heimsuchung, Mariae Himmelfahrt, Mariae Geburt Apostelfeste Märtyrer und Bekenner Heilige Heiligsprechung vs. Spontanverehrung

Zweites Zwischenergebnis Die christliche Kirche legt seit dem Mittelalter für die Gläubigen durch kirchliche Feste die Grundstruktur eines Jahres fest. Durch genau festgesetzte Verhaltensregeln bestimmt sie das Verhalten der Gläubigen auch im Alltag.

Kirchenjahr (ev.)

Kirchenjahr (kath.)

Neubildungen von „Feiertagen“ Zwei Beispiele: „Vatertag“ = Christi Himmelfahrt In anderen europäischen Ländern am Tag des Hl. Josef (19.3.) Halloween = Tag vor Allerheiligen „All Hallow‘s Eve“ Angeblich keltischer Ursprung

Drittes und Endergebnis 1. Die christliche Grundstruktur des Kalenders ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben. 2. Dies gilt trotz zunehmender Kirchenferne einer Mehrheit der Bevölkerung. 3. Christliche Elemente des Kalenders sind zu Bestandteilen der allgemeinen Kultur geworden… 4. … ohne dass die eigentlichen Grundlagen dieser Kultur zwingend allgemein bekannt geblieben wären.

Drittes und Endergebnis 1. Die christliche Grundstruktur des Kalenders ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben. 2. Dies gilt trotz zunehmender Kirchenferne einer Mehrheit der Bevölkerung. 3. Christliche Elemente des Kalenders sind zu Bestandteilen der allgemeinen Kultur geworden… 4. … ohne dass die eigentlichen Grundlagen dieser Kultur zwingend allgemein bekannt geblieben wären.

Drittes und Endergebnis 1. Die christliche Grundstruktur des Kalenders ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben. 2. Dies gilt trotz zunehmender Kirchenferne einer Mehrheit der Bevölkerung. 3. Christliche Elemente des Kalenders sind zu Bestandteilen der allgemeinen Kultur geworden… 4. … ohne dass die eigentlichen Grundlagen dieser Kultur zwingend allgemein bekannt geblieben wären.

Drittes und Endergebnis 1. Die christliche Grundstruktur des Kalenders ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben. 2. Dies gilt trotz zunehmender Kirchenferne einer Mehrheit der Bevölkerung. 3. Christliche Elemente des Kalenders sind zu Bestandteilen der allgemeinen Kultur geworden… 4. … ohne dass die eigentlichen Grundlagen dieser Kultur zwingend allgemein bekannt geblieben wären.

Prof. Dr. Thomas Vogtherr Historisches Seminar der Universität Osnabrück Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft Thomas.Vogtherr@uni-osnabrueck.de