Psychologie der Laster und Leidenschaften

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 Präsentation transkript:

Psychologie der Laster und Leidenschaften Dr. phil. Andreas Dick Eidg. anerkannter Psychotherapeut / FSP www.andreasdick.ch

Übersicht 1. Laster und Leidenschaften 2. Vom Laster zur Tugend Von der Antike bis heute Bedeutung für seelische Gesundheit (Fallbeispiel) 2. Vom Laster zur Tugend Der Weg der inneren Mitte Exemplarische Entwicklungsschritte 3. Fragen & Diskussion

Wo die Quellen der Leidenschaft tief liegen, versiegen alsbald die himmlischen Brunnen. Tschuang-Tse

Laster & Leidenschaften Platonisch-aristotelische Philosophie Seelische Qualitäten: Leidenschaften (pathos, passio) – nicht willentlich hervorgebracht, sondern passiv erlebt (Affekte, Gefühle, Emotionen) Seelische Dispositionen: Charaktereigenschaften, Laster & Tugenden (innere Haltungen) Mesotes-Lehre: tugendhafte Menschen besitzen die richtigen Affekte; rechte Mitte zwischen 2 Extremen Ziel: Mässigung der Leidenschaften

Leidenschaften Stoische Philosophie Leidenschaften als fehlerhafte (naturwidrige) Urteile Ziel: Freisein von Leidenschaften (apatheia), Seelenruhe, Heiterkeit 4 Grundpassionen Schmerz/Trauer – Furcht – Begierde – Lust Wohlaffektionen (eupatheiai): Freude, Vorsicht, guter Wille

Leidenschaften Christliche Theologie (Thomas von Aquin) 11 Grundpassionen: Liebe, Hass, Begehren, Abneigung/Ekel, Freude, Trauer, Hoffnung, Verzweiflung, Furcht, Wagemut, Zorn Therapie: Emotionen ausdrücken negative Affekte durch positive transformieren

Laster Frühe Christliche Spiritualität (Euagrios Pontikos, 345-399) 9 Logismoi: böse Gedanken, die von Dämonen eingesetzt werden, um vom spirituellen Ziel abzulenken Eitelkeit – Neid – Hochmut (Kopf) Trübsinn – Zorn – Trägheit (Herz) Völlerei – Wollust – Habgier (Bauch)

Laster Papst Gregor der Grosse (540-604) 7 Wurzelsünden („Todsünden“) zunehmender Verstoss gegen die Liebe Wollust (luxuria) Völlerei (gula) Habgier (avaritia) Trübsinn/Trägheit (acedia) Zorn (ira) Neid (invidia) Hochmut/Eitelkeit (superbia)

Laster & Leidenschaften Neuzeitliche Philosophie Affekte gelten nicht mehr als seelische Strebungen, sondern als Sinneseindrücke (Descartes) Einführung der Begriffe Emotion (Descartes) und Gefühl (sentiment; Shaftesbury, Hutcheson) Unterscheidung zwischen Affekt und Leidenschaft (Kant) Kritik an der Tugendethik (Nietzsche)

Laster & Leidenschaften Moderne Psychologie Darwinistische Sichtweise von Emotionen James-Lange-Theorie der Emotionen Verlagerung des Interesses auf die Triebe (Freud) Übernahme des medizinischen Krankheitsmodells für seelisches Leiden (Psychiatrie) Erneutes Interesse an Tugenden (positive Psychologie)

Seelische Gesundheit Subjektives Wohlbefinden, Zufriedenheit Positive Emotionsbilanz Gefühl der Sinnhaftigkeit des Lebens Gute soziale Kontakte, Beziehungsfähigkeit Altersentsprechende Produktivität/Leistung

Seelisches Leiden Dysfunktionale emotionale Reaktionen Gefühl der Unkontrollierbarkeit Überschiessend, der Situation nicht angemessen Belastend, gehen tief, jedes Mal schlimm Ursprünge in der Kindheit oder Jugend entsprechen den (negativen) Leidenschaften Versuch der Kontrolle durch Vermeidung (Anpassung, Flucht, Angriff) dahinter verbergen sich negative innere Haltungen (Laster)

Fallbeispiel (Frau B.) Dysfunktionale emotionale Reaktionen Starke Angst vor Kritik, vor negativer Bewertung dünnhäutig, nimmt vieles persönlich, rasch verletzt Gefühl des Nicht-Dazugehörens, des Abgelehnt-Werdens, des Alleinseins Versuch der Kontrolle durch negative innere Haltungen Ich darf niemandem trauen. Ich muss es alleine schaffen. Ich lasse niemanden an mich heran. Ich kritisiere, bevor ich selbst kritisiert werde. Ich verleugne meine Wünsche nach Nähe. Ich lasse meine Emotionen nicht an mich heran.

Fallbeispiel (Frau B.) Leidenschaften Laster, negative Haltungen (Bewertungs-)Angst, Furcht Schmerz, Verletzung, Trauer Verzweiflung Laster, negative Haltungen zwischen Hochmut und Kleinmut Trübsinn, Freudlosigkeit, Resignation Ängstlichkeit, Feigheit

Tugend ist die Gesundheit der Seele. Ariston von Chios

Schema der Laster und Tugenden ÜBERMASS MANGEL TUGENDEN Hochmut / Eitelkeit Kleinmut Demut / Seelengrösse Neid / Eifersucht Selbstüberhöhung Dankbarkeit / Grossherzigkeit Jähzorn / Grausamkeit Unerzürnbarkeit Sanftmut / Freundlichkeit Trübsinn / Lustlosigkeit Zerstreuung Hoffnung / Fleiss Ängstlichkeit / Feigheit Furchtlosigkeit Mut / Gelassenheit Habgier / Verschwendung Geiz Grosszügigkeit / Nichtanhaften Wollust / Völlerei Lustfeindlichkeit Ausgeglichenheit / Harmonie Kopf | Herz | Bauch Dick (2015)

Positive Psychologie Peterson & Seligman (2004) http://www.viacharacter.org/www/Character-Strengths

Vom Laster zur Tugend Erkennen und Akzeptieren der Leidenschaften Suche nach verletzten Bedürfnissen (Tröstung) Zurückweisung destruktiver Glaubenssätze Entwicklung eines Verständnisses für die Hauptlaster und ihre Funktionen Weg der inneren Mitte: Förderung der zum Laster konträren Tugend

Exemplarische Entwicklungsschritte Von Hochmut/Kleinmut zu Demut/Seelengrösse Sich so sehen und annehmen, wie man ist Falsche „Persönlichkeiten“ und falsche Ideale loslassen Die Signale des Körpers wahrnehmen und respektieren Emotionen zulassen und annehmen, statt sie zu manipulieren „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Falsche Bescheidenheit ablegen, sich nicht kleiner machen Seinen eigenen Wert erkennen Sich als geliebtes Geschöpf erleben Auf die wichtigen Dinge im Leben achten, nicht auf die unwichtigen

Exemplarische Entwicklungsschritte Von der Ängstlichkeit zum Mut Was macht Hoffnung? Was stärkt das Selbstvertrauen? Wie kann die eigene Vitalität erhöht werden? Was kann ich gewinnen, wenn ich mutig ein Opfer bringe, etwas Unangenehmes aushalte oder etwas Gewohntes loslasse? Wie kann der Glaube an den Sinn des Mutes gestärkt werden? Sich Unterstützung und Ermutigung durch andere holen Sich mit den eigenen Sorgen, Ängsten und Wünschen einer höheren Macht anvertrauen Tun, was man tun kann – dann warten und geschehen lassen

Weiterführende Literatur