Eugen Kogon (1903-1987) http://eugen-kogon.netzwerkplan.de Im Jahre 1936 wurde Kogon erstmalig, im März 1937 das zweite Mal von der Gestapo verhaftet.

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 Präsentation transkript:

Eugen Kogon (1903-1987) http://eugen-kogon.netzwerkplan.de Im Jahre 1936 wurde Kogon erstmalig, im März 1937 das zweite Mal von der Gestapo verhaftet. Sie warfen ihm unter anderem die Arbeit für antinational-sozialistische Kräfte außerhalb des Reichgebiets vor, außerdem hatte er deutschen Emigranten zur Flucht nach Österreich verholfen. Die Flucht vor den Deutschen gelang ihm auch im März 1938 nicht. Er kam für ein Jahr ins Gefängnis. Im September 1939 deportierte die Gestapo Eugen Kogon ins KZ Buchenwald. Sechs Jahre lang musste er als Gefangener der Nationalsozialisten menschenverachtende Arbeiten verrichten, ohne zu wissen, ob er dieser Hölle jemals lebend entkommen könnte. Torinschrift des KZ Buchenwald, Photographie, Buchenwald, 1937-45, DHM, Berlin.

Eugen Kogon (1903-1987) Nach seiner Befreiung im Jahre 1945 wurde Kogon wieder publizistisch tätig. Er war als freiwilliger Chronist für die US Army im Camp King tätig und begann im selben Jahr auch sein Buch Der SS-Staat - Das System der deutschen Konzentrationslager, das 1946 veröffentlicht wurde und noch heute als Standardwerk über die NS-Verbrechen gilt. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und allein in deutscher Sprache über 500.000 mal verkauft. Eugen Kogon: Der SS-Staat - Das System der deutschen Konzentrationslager Kindler-Verlag (Heine) / ISBN 3-453-02978-X / München 1974 u 1993. Kogons einzigartiger Bericht stützt sich auf 150 Einzelprotokolle und Eigenerlebnisse als Inhaftierter.

Wissenschaftlicher Fortschritt, traditionelle Auffassung Die empirischen Wissenschaften entwickeln sich linear akkumulativ Wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt bedeutet Wissenszunahme Geschichte der Wissenschaft ist Geschichte eines Fortschritts, der sich langsam aber unaufhaltsam gegen eine Vielzahl von Irrtümern durchgesetzt hat.

Ludwik Fleck, 1935: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache Zwei Themenkomplexe: Die Entwicklung des Syphilis-Begriffs als Fallstudie aus der Medizingeschichte Erkenntnistheoretische Folgerungen Fleck analysiert die kollektive Arbeit von Wassermann und seinen Mitarbeitern zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die zum ersten diagnostischen Testverfahren der Syphilis führte. Fleck: Der Forschungsgang ist durch eine Zick-Zack-Linie von Zufällen, Irrwegen und Irrtümern bestimmt.

Ludwik Fleck, 1935: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache Eine solche Entwicklung kann nur von einem Kollektiv geleistet werden, dessen Mitglieder, auf einheitlicher Grundlage arbeitend, individuelle Modifikationen eben dieser Grundlage probieren. Erfolglose Bemühungen überwiegen dabei; die Gruppe arbeitet weiter an den erfolgversprechenden, indem sie weitere Modifikationen probiert. Unter der Hand der Wissenschaftler verändern sich die ursprünglichen Grundlagen ihrer Arbeit. Diese Verschiebungen gehen unmerklich vor sich. Wissenschaft ist durch externe Faktoren determiniert.

Wissenssoziologie Erste soziologische Untersuchungen über wissenschaftliche Erkenntnisse entstanden im Rahmen der Wissenssoziologie. Sie etablierte sich in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts als eigenständiger Forschungsansatz, allerdings nur für kurze Zeit. Ursprünge: Ideologiekritik, zurückgehend auf Francis Bacon und Karl Marx

Karl Marx (1818-1883): Die Deutsche Ideologie (1845/46) Das (soziale) Sein bestimmt das Bewusstsein! Dieses „Sein“ stand dabei für sozialen Kontext im Sinne der Klassenzugehörigkeit und die jeweilige Stellung zu den Produktionsmitteln.

Karl Mannheim (1893-1947): Ideologie und Utopie, 1929 Erweiterung der ursprünglichen Ideologiekritik In letzter Konsequenz werden alle Ideen zur Ideologie: Wahrheit konnte seiner Meinung nach immer nur innerhalb einer spezifischen Weltsicht einer bestimmten sozialen Gruppe existieren. Nähe zum Relativismus: Wenn alles Wissen letztlich sozial bedingt ist, ... Gilt das dann auch für die Naturwissenschaften? Sind „naturwissenschaftliche Wahrheiten“ Trugbilder bzw. unerkennbar?

„Freischwebende Intelligenz“ Einführung einer privilegierten sozialen und wissenschaftlichen Position Von hier aus sind sichere Beobachtungen möglich. Die „freischwebende Intelligenz“ sind Intellektuelle ohne soziale, politische oder sonstige Bindungen und Interessen. Beschränkung der Wissenssoziologie auf politische, sozialwissenschaftliche und philosophische Ideen Mannheim schloss bei seinen wissenssoziologischen Untersuchungen aus: Mathematisches Wissen Naturwissenschaftliches Wissen

Mathematisches und naturwissenschaftliches Wissen Besondere Bestandsgarantie: Während man der Aussage (um den einfachsten Urtypus als Beispiel anzuführen) 2 mal 2 = 4 nicht ansehen kann, durch wen und wann und wo sie so formuliert wurde, wird man es einem geisteswissenschaftlich-historischen Werk stets ansehen, ob es etwa in den Aspektstrukturen der „historischen Schule“ oder des „Marxismus“ und auf welcher Stufe derselben konstituiert worden war. Karl Mannheim, Ideologie und Utopie, 1929 [1985], S. 234.

Antipositivistische Wende in der Wissenschaftstheorie Ablösung des logischen Empirismus Einführung dreier neuer Konzepte (Thesen) These von der Unterdeterminiertheit von Theorien Duhem-Quine-These These von der Theoriegeleitetheit empirischer Beobachtungen

These von der Unterdeterminiertheit von Theorien Theorien sind durch Beobachtungsdaten nicht eindeutig bestimmt. Es gibt nie nur einen Weg, der von den empirischen Beobachtungen zu den Theorien führt und umgekehrt. Es können mehrere, auch unvereinbare Theorien sein, die mit denselben empirischen Daten in Einklang stehen. Daten sind kein hinreichendes Kriterium, um zwischen konkurrierenden Theorien zu entscheiden. Dies hat Konsequenzen für die Bestätigung wissenschaftlicher Theorien

Duhem-Quine-These Theoretische Annahmen lassen sich niemals einzeln, sondern immer nur im Ganzen überprüfen. Widersprüchliche Beobachtungen stellen selten das gesamte theoretische System in Frage. Um die Widersprüchlichkeit zu beheben werden in der Regel eher graduelle oder partielle Anpassungen vorgenommen. Pierre Duhem Willard van Orman Quine (1861-1916) (1908-2000)

Undeterminiertheit von Theorien + Duhem-Quine-These Wenn empirische Ergebnisse nicht ausreichen, um zwischen verschiedenen theoretischen Annahmen bzw. konkurrierenden Theorien zu entscheiden, dann ist die Frage nach dieser Entscheidung neu zu stellen! Wo die Logik und die Beobachtung nicht mehr ausreichen, wissenschaftliche Entscheidungen zu determinieren, da können HistorikerInnen oder SoziologInnenen nach sozialen Erklärungen suchen, um die Kluft zu schließen. Mary Hesse

These von der Theoriengeleitetheit empirischer Beobachtungen Problematisierung der konventionelle Trennung von Theorie und Empirie Diese Trennung stellte sicher, dass die Naturwissenschaften auf sicheren und unveränderlichen empirischen Grundlagen aufbaut. Die These von der Theoriengeleitetheit empirischer Beobachtungen besagt: Beobachtungen werden immer in einem Kontext von theoretischen (und kulturellen, sozialen) Voraussetzungen und mit Hilfe von Mess-methoden und Messinstrumenten gewonnen, die ihrerseits schon von Theorien „vorgeformt“ sind.

Thomas S. Kuhn (1922-1996) Formulierung der Thesen von der Unterdeterminiertheit von Theorien, von der Theoriengeleitetheit empirischer Beobachtungen Problematisierung des traditionellen Fortschrittsglaubens in der Wissenschaftsgeschichte Neues Verständnis der Entwicklungsdynamik der Naturwissenschaften

Thomas S. Kuhn (1922-1996) Der Spiegel, 1996

Thomas. S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 1962 Perioden der normalen Wissenschaft werden von wissenschaftlichen Revolutionen abgelöst. Wissenschaftliche Revolutionen leiten wieder Abschnitte „normaler Wissenschaft“ ein. Dabei werden die Erkenntnisse über die Natur nicht notwendigerweise größer! Ablaufschema des „Fortschritts“ in der Wissenschaft nach Kuhn: Vor-Wissenschaft ---- normale Wissenschaft --- Krise --- Revolution --- Neue Normalwissenschaft --- Neue Krise --- Revolution --- Neue Normalwissenschaft . . .

Normale Wissenschaft Die einzelnen Wissenschaften schreiten voran und werden von den Wissenschaftlern theoretisch ausgebaut, methodisch ausgebaut, durch Experimente gestützt. Schließlich werden sie als „klassisch“ angesehen.

Normale Wissenschaft „Normale Wissenschaft“ besteht darin, die Fragen zu lösen, die das etablierte Paradigma stellt. Die Zunahme von Anomalien (Entdeckungen, die das Paradigma nicht erklären kann, und Problemen, die es nicht lösen kann) führt zu einer Phase der Unsicherheit, in der verschiedene Theorien konkurrieren, bis ein neues Paradigma sich durchsetzen und als „normale Wissenschaft“ etablieren kann. Das neue Paradigma ist nicht „wahrer“ als ein anderes, sondern löst die relevanteren Probleme. Mit der Ablösung des wissenschaftlichen Paradigmas durch ein anderes ändern sich nicht nur die wissenschaftlichen Methoden und Fragestellungen, sondern die ganze Weltsicht.

Paradigma Revolutionäre Phasen sind folgendermaßen gekennzeichnet: Ein altes Paradigma wird durch ein neues Paradigma abgelöst. Paradigma bedeutet hier die Menge der Einschätzungen, Werte und Techniken, die den Mitgliedern der Scientific Communities bzw. ihrer Teilgruppen gemeinsam ist.

Paradigma

Paradigma Ein Paradigma ist ein Set von Methoden, Begriffen, Kategorien und Problemlösungsverfahren, das die Wahrnehmung und Deutung der Naturphänomene steuert und bestimmte Fragen erzeugt und andere nicht.

Paradigmawechsel (paradigm shift) Paradigmen und Paradigmawechsel zeigen auf: die Historizität wissenschaftlicher Standards und die relative Geltung wissenschaftlicher Theorien. Altes Paradigma und neues Paradigma sind inkompatibel und inkommensurabel. (d. h. sie können nicht gemeinsam nebeneinander existieren, da sie sich gegenseitig ausschließen.)

Krise anstatt Fortschritt In der Wissenschaftstheorie ersetzt Kuhn den Begriff des Fortschritts durch den Begriff der Krise: Wissenschaftliche, und das heißt hier naturwissenschaftliche Disziplinen entwickeln sich nicht, weil ihre Fortschrittspraxis der Wahrheit Schritt für Schritt näher kommt, sondern weil sie von Zeit zu Zeit in Krisen geraten, die ihr wissenschaftliches Weltbild völlig verändern und zu einem revolutionären Wandel ihrer Grundannahmen führen. Auffallender Rückgang von verschiedenen Schulen, die unterschiedliche Sichtweisen der gleichen Problemstellung präsentieren.

Was ist das? Aristotelischer Physiker: ein gehemmter Fall Anhänger Galileis: eine Pendelbewegung

Paradigmawechsel (paradigm shift) Es gebe zwei Theorien: T und T‘. T sei die einfachere Theorie, die weniger Phänomene erklärt, T‘ sei die allgemeinere Theorie, die mehr Phänomene erklärt. Die Gesetze der Theorie T lassen sich aus denen von T‘ „ableiten“.

Paradigmawechsel (paradigm shift) Ptolemäische Theorie Kopernikanische Theorie Impetustheorie Newtonsche Mechanik Thermodynamik Statistische Mechanik Newtonsche Mechanik Spezielle Relativitätstheorie Keplersche Gesetze der Newtonsche Gravitationstheorie Planetenbewegung Physikalische Optik Maxwellsche Elektrodynamik Quantenmechanik Relativistische Quantenmechanik

Paradigmawechsel (paradigm shift) Die Theorie T‘ des neuen Paradigmas kann völlig andere Begriffe enthalten, als die Theorie T des alten Paradigmas. Es muss für diese Begriffe in T‘ auch gar kein Analogon in T existieren. In T‘ können Begriffe, die es auch in T gibt, eine andere Bedeutung haben. Meist ist es aber möglich, die Begriffe von T‘ durch die Begriffe von T zu erklären.

Paradigmawechsel: Klassische Mechanik  Relativitätstheorie Objekte der klassischen Mechanik haben (besitzen) Form, Masse und Volumen Objekte der Relativitätstheorie haben diese Eigenschaften nicht! Form, Masse und Volumen sind hier Relationen zwischen den Objekten und dem Bezugsrahmen

Wissenschaftliche Revolutionen Nach Kuhn spielen bei wissenschaftlichen Experimenten Gestaltwahrnehmungen eine wichtige Rolle. Das bedeutet die unterschiedliche Wahrnehmung oder auch Deutung eines Sachverhaltes durch zwei Personen, die etwa das gleiche Bild betrachten, dieses Bild aber vollkommen unterschiedlich deuten. Der eine Betrachter könnte in dem Bild einen Hasen sehen, während der zweite eine Ente zu sehen glaubt. So sehen Wissenschaftler ihren Forschungsbereich „mit ganz anderen Augen “, je nachdem, welchem Paradigma sie folgen – dem vorrevolutionären oder dem nachrevolutionären Paradigma.

„Normalwissenschaft“ „Normale Wissenschaft„ liegt vor, wenn sich bestimmte Lehrmeinungen bei der Lösung auftretender Probleme bewährt haben. Hier werden von Wissenschaftlern meist vorsichtige Forschungsstrategien angewandt, die nur durch kleine theoretische Veränderungen gekennzeichnet sind. Die meisten Wissenschaftler sind in solch einer Zeit von der Richtigkeit der herrschenden Theorie annähernd überzeugt und nicht sonderlich daran interessiert, diese Theorien zu verwerfen. Kuhn beschreibt diesen Zeitraum der Normalwissenschaft als einen Versuch, Standardprobleme mit Standardmethoden zu lösen; Rätsellösen („puzzle solving“).

Außerordentliche Wissenschaft Kommt es häufig zu Anomalien oder bewährt sich die herrschende Theorie bei der Erklärung von Phänomenen nicht mehr, so kann es zur "außerordentlichen Wissenschaft" kommen. Diese lässt revolutionäre Forschungsstrategien zu. Drei Merkmalsgruppen der „außerordentlichen Wissenschaft“: 1. Revolutionäre Veränderungen haben ganzheitliche Struktur. Sie werden nicht Schritt für Schritt durchgeführt, sondern untereinander verbundene Gesetzmäßigkeiten werden gleichzeitig einer gemeinsamen Revision unterworfen. 2. Begriffe, die mit Naturphänomenen verbunden sind, werden einem Bedeutungswandel unterworfen. 3. Aufgrund neuer Erkenntnisse können Zusammenhänge zwischen verschiedenen Theorien vollkommen anders gedeutet werden. Die Phase außerordentlicher Wissenschaft endet, sobald sich wieder eine Lehrmeinung durchgesetzt hat; es beginnt wieder eine Phase der Normalwissenschaft.

Ludwik Fleck (1896-1961) Thomas S. Kuhn (1922-1996) Fleck arbeitete wie Kuhn mit zwei zentralen Begriffen: Denkstil Paradigma Denkkollektiv Scientific Community

Strukturalistische Theorieauffassung Eine Theorie über wissenschaftliche Theorien, die zur adäquaten Rekonstruktion auf die explizite Einführung einer formalen Sprache verzichtet ... ... zugunsten einer informellen mengentheoretischen Axiomatisierung. Diese Richtung innerhalb der Wissenschaftstheorie geht auf die Empfehlung von Patrick Suppes aus den 50er Jahren zurück: Suppes schlug vor, in das ursprünglich meta-mathematische Programm der Gruppe „Bourbaki“ auch die Behandlung naturwissenschaftlicher Theorien einzubeziehen. Joseph D. Sneed hat auf die Methode von Suppes aufbauend eine informelle Semantik entwickelt, so dass neben dem mathematischen Aspekt auch der Anwendungsaspekt naturwissenschaftlicher Theorien voll berücksichtigt wird.

Strukturalistische Theorieauffassung Theorie über wissenschaftliche Theorien zur Rekonstruktion empirischer Theorien Verzicht auf formale Sprache Informelle mengentheoretische Axiomatisierung Berücksichtigung auch der Anwendungsaspekte P. Suppes (1970), J. D. Sneed (1971), W. Stegmüller (1973), C. U. Moulines, W. Balzer, ...

Strukturalistische Theorieauffassung Axiomatisierung der mathematischen Struktur x eines Theorie-Elements T durch Definition eines mengen-theoretischen Prädikats S nach dem Vorbild der Mathematik: (x ist eine Gruppe, x ist ein Vektorraum) x ist ein S Beispiele: x ist eine klassische Partikelmechanik x ist eine Quantenmechanik x ist eine Tauschwirtschaft

Strukturalistische Theorieauffassung Erfüllt ein reales System das Prädikat S, so ist es ein Modell für das Theorie-Element T. M sei die Menge der Modelle von T. Mp sei die Menge der potentiellen Modelle von T. Mp M Theoretische Ebene

Strukturalistische Theorieauffassung Mpp sei die Menge der partiell potentiellen Modelle von T. I sei die Menge der intendierten Anwendungen von T. “worüber die Theorie redet”. Mpp I Nicht-theoretische Ebene

Strukturalistische Theorieauffassung Mp M Theoretische Ebene Mpp I Nicht-theoretische Ebene

Strukturalistische Theorieauffassung J. D. Sneed: The Logical Structure of Mathematical Physics, Dordrecht: North-Holland 1971 W. Stegmüller: Theorie und Erfahrung, 2. Halbband, Berlin – Heidelberg - New York: Springer 1973. W. Stegmüller: The Structuralist View of Theories, Berlin – Heidelberg – New York: Springer 1979. W. Stegmüller: Neue Wege der Wissenschaftstheorie, Berlin – Heidelberg – New York: Springer 1980.