Von der sozialistischen Transformation zur finalen Krise

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 Präsentation transkript:

Von der sozialistischen Transformation zur finalen Krise Die Wirtschaft im RGW Von der sozialistischen Transformation zur finalen Krise Helga Schultz: RGW

Gliederung 1. Sozialistische Transformation 2. Forcierte Industrialisierung 3. Zukunftsversprechen Wohlstand 4. Krisen und Reformen Helga Schultz: RGW

Literatur Graham, Andrew /Seldon, Anthony: Government and Economies in the Postwar World, London 1991. M. C. Kaser (Hg. ): The Economic History of Eastern Europe 1919-1975, Vol. III: Institutional Change within a Planned Economy, Clarendon Press Oxford 1986. Berend, Iván T.: Central and Eastern Europe, 1944-1993: Detour from the Periphery to the Periphery, Cambridge: Cambridge University Press 1996. Helga Schultz: RGW

1. Sozialistische Transformation Helga Schultz: RGW

Wachstum und Transformation Auch im Osten folgte der kurzen und erfolgreichen Wiederaufbauperiode das Goldene Vierteljahrhundert eines raschen Wirtschaftswachstums. Die Wachstumsraten erreichten und übertrafen die westeuropäischen. Sie waren hier nicht mit dem Übergang zur standardisierten Massenproduktion und Konsumgesellschaft verbunden, wie mit der Transformation zur sozialistischen Wirtschaftsordnung. Helga Schultz: RGW

Umwälzung der Eigentumsverhältnisse Die Nachkriegssituation begünstigte die Transformation nach sowjetischem Muster: Bevölkerungstransfer, Landreform, Enteignung des Eigentums von Kriegsverbrechern und Kollaborateuren, Nationalisierung deutschen Eigentums und des Eigentums von mit den Deutschen verbündeten Staaten. Die Übernahme der Macht durch die Kommunisten in allen Ländern des sowjetischen Einflussbereichs seit 1948 schuf die politischen Voraussetzungen. Helga Schultz: RGW

Landwirtschaft Die Landwirtschaft wurde mit hohen Abgaben belastet und erhielt kaum Investitionen. Die Kollektivierung der Landwirtschaft diente der Freisetzung von Arbeitskräften für die Großindustrie. Soziale Konflikte und Produktionskrisen erzwangen Korrekturen bis zur Rückkehr zur einzelbäuerlichen Wirtschaft in Polen 1956. Helga Schultz: RGW

Anteil des sozialistischen Sektors am Nationaleinkommen Helga Schultz: RGW

Zentralverwaltungswirtschaft Das sozialistische Eigentum des Staates (einschließlich der Kommunen) wurde die Regel. Der Aufbau des zentralen Planungssystems vollendete die Transformation. Staatliche Leiter und Parteifunktionäre setzten die Eigentumsrechte durch. Mitbestimmung durch Betriebsräte war abgeschafft, die Gewerkschaften waren der Transformationsriemen der Partei. Helga Schultz: RGW

Genossenschaften anderer Art Genossenschaften waren die niedere Form sozialistischen Eigentums, entstanden durch den – erzwungenen – Zusammenschluss von Bauern und Handwerkern. Wesentliche Merkmale von Genossenschaften wie die gemeinsame Entscheidung über Gewinne, Investitionen und Produktion waren eliminiert. Die sozialistischen Genossenschaften waren in das zentrale Planungssystem eingebunden. Helga Schultz: RGW

2. Forcierte Industrialisierung Helga Schultz: RGW

Der Eiserne Weg Die forcierte Industrialisierung mobilisierte alle staatlichen Reserven für Großbauten. Sie trieb den Aufbau der sozialistischen Staatsordnung und die Transformation der Eigentumsverhältnisse voran. Im Unterschied zum Westen ruhte das beeindruckende Wachstum auf der Grundstoffindustrie und der Schwerindustrie (Bergbau, Metallurgie, Schwermaschinenbau). Im Unterschied zur kapitalistischen Industrialisierung war Der Staat der generelle Akteur, Die Schwerindustrie der Leitsektor. Das Modell wurde auch den Industriestaaten DDR und Tschechoslowakei verordnet. Helga Schultz: RGW

Nowa Huta bei Krakau Riesige Stahlwerke mit anschließender Wohnstadt entstanden in den fünfziger Jahren in allen RGW-Ländern. Helga Schultz: RGW

Nachholende Industrialisierung Helga Schultz: RGW

Nachholende Industrialisierung Die forcierte Industrialisierung war in den Agrarländern Ostmittel- und Südosteuropas nachholende Industrialisierung nach dem Muster der Sowjetunion der dreißiger Jahre. Sie brachte einen rasanten Strukturwandel von Agrar- zu Industrie-Agrargesellschaften. bis zum Beginn der siebziger Jahre verminderten sich die Abstände der Wirtschaftskraft zwischen Ost- und Westeuropa. Helga Schultz: RGW

BSP pro Kopf (Quelle: Fischer, Handbuch, Bd. 6, Tab BSP pro Kopf (Quelle: Fischer, Handbuch, Bd. 6, Tab. 2,29; Graham/Seldon, Table 9.1) Jahr 1929 1965 Land US$ 1960 Zu Westeuropa ČSR 560 0,56 1427 0,93 Ungarn 420 0,42 1015 0,66 Polen 350 0,35 989 0,65 Rumänien 320 0,32 697 0,45 Bulgarien 300 0,3 877 0,57 Westeuropa 1000 1532 Helga Schultz: RGW

Abschottung vom Weltmarkt Im Unterschied zu den OECD-Ländern war das Wirtschaftswachstum im RGW nicht mit der Ausweitung des Handels verbunden. Der RGW war weitgehend abgeschottet vom Weltmarkt. Der Handel innerhalb des RGW stagnierte wegen des Fehlens multilateraler Beziehungen innerhalb des RGW. Helga Schultz: RGW

Autarkie-Politik Der Ausbau der Schwerindustrie wurde mit dem Koreakrieg forciert und war in den Rüstungswettlauf der Systeme eingebunden. Die Industrialisierung im RGW (COMECON) zielte auf Autarkie Des Blocks infolge der westlichen Embargo-Politik, Der einzelnen Volkswirtschaften wegen der technologischen Schwäche fast aller Mitglieder und Auf Grund der wirtschaftsnationalistischen Traditionen der Region. Helga Schultz: RGW

3. Zukunftsversprechen Wohlstand Helga Schultz: RGW

Mangelwirtschaft statt Konsum Die sozialistische Industrialisierung erforderte mit ihren hohen Investitionsquoten Einschränkungen des Konsums. Sie basierte auf einer Ideologie des Opfers für die Zukunft. Das Wirtschaftswachstum des Goldenen Zeitalters brachte deshalb nicht in vergleichbarem Umfang Massenwohlstand wie im Westen. Der Dienstleistungssektor war Stiefkind. Helga Schultz: RGW

Schwerindustrie statt Massenkonsum Helga Schultz: RGW

Verwendungsstruktur des tschechoslowakischen Sozialproduktes Helga Schultz: RGW

Produktion und Konsum In den RGW-Ländern wuchsen die Löhne von 1950 bis 1973 zwei- bis vierfach, schneller als die Produktivität. Die Massenkaufkraft stand jedoch im Widerspruch zu den Produktionszielen. Die sozialistischen Wirtschaften waren daher Mangelwirtschaften. Beziehungen, Westverwandte, auch Diebstahl von Staatseigentum bieten destruktive Auswege. Den osteuropäischen Wirtschaften fehlt das Schwungrad Massenkonsum, das im Westen das Wirtschaftswachstum antrieb. Helga Schultz: RGW

Reallöhne Helga Schultz: RGW

Mühsal des Alltags Mangelwirtschaft führt zu Frustration und Konkurrenz um knappe Güter – hier zwischen Polen und Deutschen. Grenzüberschreitender Einkauf in Görlitz Oktober 1979. Helga Schultz: RGW

Zivilisatorischer Fortschritt Bei aller ideologischen Borniertheit brachte die sozialistische Industrialisierung in den ehemaligen Agrargesellschaften Osteuropas zivilisatorische Fortschritte: Urbanisierung, Beseitigung des Analphabetismus, Senkung der Säuglingssterblichkeit Erhöhung der Lebenserwartung Frauenemanzipation. Helga Schultz: RGW

„Arbeiterliche Gesellschaft“ Die sozialistische Industrialisierung zielte auf eine homogene, arbeiterliche Gesellschaft (Wolfgang Engler), in der Arbeiter der Großindustrie als Trägerschicht einer Gesellschaft der Gleichheit vielfältig privilegiert waren. Die Gleichheit der Lebenshaltung, der Bildung, der Kultur zwischen Stadt und Land, Arbeitern und Intellektuellen wurde zum weithin verinnerlichten Ideal. Helga Schultz: RGW

Der Neue Mensch In Kunst und Literatur wurde der Industriearbeiter zum Neuen Menschen stilisiert. Willi Sitte: Sieger, Gemälde von 1972 Helga Schultz: RGW

4. Krisen und Reformen Helga Schultz: RGW

Krisen und Reaktionen Die Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie und der Landwirtschaft führte immer wieder zu politischen Krisen: DDR 1953, Ungarn und Polen 1956, DDR 1960/61, Tschechoslowakei 1968, Polen 1970 und 1980. Diese Krisen erzwangen kurzfristig eine Kurskorrektur und ein Umlenken von Ressourcen in die Leichtindustrie und in den Konsum der Bevölkerung. Bei Stabilisierung der Lage kehrten die RGW-Länder zum alten Kurs zurück. So entstanden Quasi-Zyklen. Helga Schultz: RGW

Quasizyklen Helga Schultz: RGW

Ausweglose Reform Die Wirtschaftsreformer strebten Dezentralisierung mit marktwirtschaftlichen Elementen an: Neuer Kurs nach Stalins Tod in der DDR; Polen 1956: Arbeiterräte Rücknahme der Kollektivierung der Landwirtschaft; Ungarns Reformen nach 1956 unter Kadar; DDR zu Beginn der sechziger Jahre: Neues Ökonomisches System; Tschechoslowakei 1968: Prager Frühling mit dem Dritten Weg von Ota Šik; Sowjetunion Mitte der achtziger Jahre: Perestroika unter Gorbatschow Sie konnten jedoch den Fallen des bürokratisch-zentralistischen Systems nicht entkommen (János Kornai). Helga Schultz: RGW