Einzelne prozessuale Fragestellungen in Arzthaftungsverfahren

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 Präsentation transkript:

Einzelne prozessuale Fragestellungen in Arzthaftungsverfahren Rechtsanwalt Uwe Jahn, Schwerin Arbeitsgruppe Arzthaftungsrecht in der ArGe Medizinrecht im DAV am 15.9.2006

I. Der Termin zur Erörterung über den PKH-Antrag gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Grundsätzlich kann ein Termin zur Erörterung über einen PKH-Antrag anberaumt werden. Wenn zu diesem Termin das persönliche Erscheinen des Antragsgegners angeordnet wird, kann ein Überrumpelungsversuch bevorstehen. Als Überraschungsgast kann in diesem Stadium sogar schon ein Gutachter auflaufen, der gem. § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO dann hinzugezogen werden kann, wenn ohne diesen über die Erfolgsaussichten der Klage keine Aussage getroffen werden kann – wenn der Richter will also immer.

Mögliche Strategien Zuvorderst den Mandanten vor unreflektierten Äußerungen schützen durch gute Vorbereitung auch eines solchen – leicht unterschätzten – Termins. Wenn noch keine Klage eingereicht wurde – Beschränkung der Erörterung auf einen Hinweis auf einen vorbereitenden Schriftsatz und gegebenenfalls eine Klagerwiderung. Die Gewährung von PKH wird man in dieser Situation ohnehin nicht verhindern können. Gegebenenfalls – trotz Überrumpelung – möglichst kühl abschätzen, ob der vom Gericht in diesem Zusammenhang angepeilte Vergleich trotzdem Sinn macht. Vor bestimmten Kammern kann es sinnvoll sein, wenn Zuhörer anwesend sind, die die Richterbank nicht einer Partei zuordnen kann.

Der „frühe“ Sachverständige gem. §§ 273 Abs. 2 Ziff. 4, 404 a ZPO II. Der „frühe“ Sachverständige gem. §§ 273 Abs. 2 Ziff. 4, 404 a ZPO Bereits im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung kann ein Sachverständiger geladen werden, um vom Richter leitende Anweisungen zur Erstellung des Gutachtens zu empfangen. Natürlich wird dieser Sachverständige sich anhand der Prozeß-unterlagen vorbereiten und im Termin erste Stellungnahmen abgeben bzw. Fragen an den Beklagten richten. Auch hier droht die Überrumpelung, sei es durch Protokollierung von unüberlegten Antworten auf diese Fragen, sei es in Hinblick auf einen Vergleichsabschluß unter dem Eindruck der Stellungnahmen.

Mögliche Strategien Auch hier ist eine gute Terminvorbereitung erforderlich, beim Prozeßbevollmächtigten und beim Mandanten. Genauso aber ist Zurückhaltung gefragt. Es kann vom Gericht nicht verlangt werden, Daß die Parteien mit äußerster Geistesgegenwart auf jede Überlegung eines Sachverständigen eingehen, ohne dessen Äußerungen zuvor schriftlich vor Augen zu haben und Nachdenken zu können. Erforderlich ist also der taktische Mut, die eigene „Sprachlosigkeit“ einzuräumen und auf einem schriftlichen Sachverständigengutachten sowie eine schriftsätzliche Stellungnahme dazu zu bestehen. Und wenn dem Mandanten unter diesem Stress plötzlich krank wird, muß man ihn nicht ohne Not zum „Durchhalten“ auffordern.

Zustellung nur im Prozeßverhältnis bei ge-samtschuldnerisch Beklagten III. Zustellung nur im Prozeßverhältnis bei ge-samtschuldnerisch Beklagten Es mag skurril klingen, aber es kann passieren, daß man als Vertreter eines von mehreren Beklagten nicht die Schriftsätze der anderen Beklagten zugestellt bekommt, weil sich der Richter darauf beruft, zwischen den Beklagten untereinander bestünde kein Prozeßrechtsverhältnis und demnach auch kein Anspruch auf Zustellung. Vollkommer spricht im Zöller (25. Aufl. § 63 Rz.2) auch nur von Zustellung an sämtliche gegnerischen Streitgenossen. Da aber natürlich Einsichtsrecht in die gesamte Gerichtsakte besteht, wird man sich durch öftere Akteneinsicht einen Überblick verschaffen müssen.

Mögliche Strategien Humor im Herzen und §§ 42 ff. ZPO im Blick. Tatsächlich ist aber der Anspruch auf Zustellung der Schriftsätze von Mitbeklagten nicht einfach zu begründen – außer durch Vernunfts- und Praktikabilitätsgründe. Einbeziehung von Anwaltskammer und Vizepräsident des Land-gerichts kann helfen, diese Vernunfts- und Praktikabilitätsgründe zu verstärken. Und letztendlich dürfte eine regelmäßige Anfrage zur Akteneinsicht in der Geschäftsstelle für entsprechenden Unmut sorgen, so daß der Richter sich seine dogmatisch feinsinnige Motivation noch einmal überlegt

Das allseits angekündigte Überraschungsurteil IV. Das allseits angekündigte Überraschungsurteil Der Kläger rügt das völige Unterlassen einer Eingriffsaufklärung. Bereits in der Klagerwiderung beruft sich der Beklagte darauf, daß zum einen eine ausführliche Aufklärung erfolgte und ansonsten ein Entscheidungskonflikt nicht bestanden hätte. Eine Replik des Klägers zu diesem Punkt unterbleibt Nach Beweisaufnahme über die Aufklärung nimmt der Kläger zwar ausführlich Stellung, nicht jedoch zum bestrittenen Entscheidungs-konflikt. Erst nachdem der Beklagte seinerseits zur Beweisaufnahme Stellung nimmt und erneut auf einen fehlenden Entscheidungskonflikt Bezug nimmt, beruft sich der Kläger in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz nun auf einen Entscheidungskon-flikt. Im Urteil stützt sich das Landgericht zumindest hilfsweise auf das Fehlen eines Entscheidungskonfliktes. Ein Überraschungsurteil ?

Mögliche Strategien Für den Kläger: Besser aufpassen In der Berufung fehlenden richterlichen Hinweis rügen. Die fehlende Stellungnahme zum Entscheidungskonflikt habe gezeigt, daß dieser Punkt bislang übersehen wurde, § 139 Abs. 2 ZPO. Darstellung eines Mißverständisses gegenüber dem gegnerischen Vortrag. Für den Beklagten: Ausführlicher Hinweis auf den eigenen Vortrag und die Reaktions-möglichkeiten des Klägers. Hinweis auf die Grenzen der Hinweispflicht des Gerichts, wenn die notwendigen Hinweise bereits vom Gegner gegeben werde. Dann ist ein Hinweis nämlich nur noch erforderlich, wenn diese Hinweise erkennbar mißverstanden wurden (vgl. BGH NJW 2001, S. 2548 ff.)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Uwe Jahn, Rechtsanwalt in Schwerin www.ra-uwe-jahn.de