Gemeinnützige Arbeit und was dann

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Gemeinnützige Arbeit und was dann Gemeinnützige Arbeit und was dann? Chancen für die Weiterentwicklung des bisherigen Ansatzes „Arbeit statt Strafe“ Frieder Dünkel 2012

Gliederung Historische Entwicklung und kriminalpolitische Konzepte der Gemeinnützigen Arbeit in Deutschland und Europa Das Problem Ersatzfreiheitsstrafe Ziele und Ausgestaltungen der Gemeinnützigen Arbeit Erfahrungen im Erwachsenenstrafrecht 4.1 Klientel der G. A. 4.2 Modellprojekte und deren Implementation (Beispiel M.-V.) 4.3 Erfolge Probleme der G. A. und Perspektiven der Weiterentwicklung 5.1 G. A. als Einstieg in berufliche Beschäftigungsverhältnisse? 5.2 G. A. als Mittel dauerhafter sozialer Integration? 5.3 G. A. zur Haftvermeidung auch bei anderen Strafen? Ausblick – Chancen und Risiken der G. A.

1. Historische Entwicklung und kriminalpolitische Konzepte der Gemeinnützigen Arbeit in Deutschland und Europa Gemeinnützige Arbeit im Europäischen Vergleich England/Wales 1972 Seither in zahlreichen weiteren Ländern als originäre (selbständige) Strafe (F, FIN, NL, P, S, etc.) Deutschland: verfassungsrechtliche Bedenken wegen Zwangsarbeitsverbot! (Art. 12 Abs. 2, 3 GG) Ausnahme: Jugendstrafrecht (§§ 45 III, 10, 15 JGG) Verfassungsrechtlich zulässig: Erziehungsgedanke!

Historische Entwicklung der Gemeinnützigen Arbeit in Deutschland  In Deutschland: G.A. zunächst kein Thema Sanktionspolitisch: Siegeszug der Geldstrafe (GS) als Hauptsanktion (Reformen 1920er Jahre, 1969) Seit den 1970er Jahren: Mehr als 80% der Verurteilungen betreffen die Geldstrafe! Damit auch zunehmend die G.A. für GS-Schuldner, die ihre GS nicht bezahlen können Im Übrigen: die gemeinnützige Arbeit spielt eine bedeuten-de Rolle im Rahmen der Diversion gem. § 153a StPO Im Jugendstrafrecht: Siegeszug der G.A. als Zuchtmittel oder Weisung: ca. 45% aller Verurteilungen beinhalten G.A.

Anzahl der Tagessätze (TS): nahezu die Hälfte max. 30 TS, nur ca. 7% > 90 TS!

2. Das Problem Ersatzfreiheitsstrafe (ESF) Schwächen der GS Nichtbezahlung (trotz Tagessatzsystem und Raten-zahlungsmöglichkeiten) Sozio-ökonomische Lebenslage verschlechtert sich bei Teilen der GS-Schuldner Insbesondere seit Mitte der 1980er Jahre: Anstieg der ESF

Anteil Ersatz-freiheitsstrafen Verbüßender im europäischen Vergleich (1.9.2009) Land Strafgefangene am 1.9.2009 davon: Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe % Belgien 6.534 1 0,02 Bosnien & Herzegowina 2.121 40 1,9 Dänemark 2.295 0,0 Deutschland 61.387 4.197 6,8 England/Wales 68.375 113 0,2 Finnland 3.014 90 3,0 Frankreich 50.705 6 0,01 Irland 3.339 36 1,1 Kroatien 3.592 32 0,9 Lettland 5.007 28 0,6 Luxemburg 385 2 0,5 Malta 178 9 5,1 Mazedonien 2.250 13 Niederlande 5.942 561 9,4 Nordirland 906 24 2,7 Norwegen 2.503 93 3,7 Polen 74.116 3.302 4,5 Schottland 6.524 4 0,1 Schweden 5.486 Spanien 58.854 124 Spanien (Katalonien) 8.171 108 1,3 Ungarn 11.117 403 3,6

3. Ziele und Ausgestaltungen der Haftvermeidung durch G. A. G. A. als Ersatzstrafe 1983: Art. 293 EGStGB: Rechtsgrundlage für Verordnungen zur „Freien Arbeit“ zur Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen (Landesrecht) Drei Trägermodelle für Vermittlung in G. A.: Vollstreckungsbehörde (Rechtspfleger) Freie Träger (FT) Soziale Dienste der Justiz (SDJ) Evaluation Anfang der 1990er Jahre (KrimZ): Vorteile des SDJ und FT-Modells

Regelungen zur Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen Land Träger für Vermittlung in freie Arbeit Anzahl der zu leistenden Arbeitsstun-den pro TS Möglichkeit der Reduzie­rung der Arbeitsstunden Freie Arbeit aus der Haft heraus oder innerhalb des Vollzugs Bayern Vollstreckungs­behörde, FT 6 3 nicht vorgesehen Berlin SDJ, FT 3 (bei Ableis­tung an Wo­chenenden oder Feiertagen) ESF-Gefangene werden auch aus der Haft in freie Arbeit vermittelt Brandenburg ist möglich Hamburg Tilgung durch Arbeit im Voll­zug ist vorgese­hen Mecklenburg-Vorpommern FT, SDJ Aus der Haft heraus und innerhalb des Vollzugs möglich, § 4a TVO Niedersach­sen Modellprojekt JVA Hannover Nordrhein-Westfalen Anstalten sollen auf Zahlung hinwirken Saarland Vollstreckungs­behörde, Ge­richtshilfe, FT 6 (8, AV) In AV abstrakt vorgesehen Für ESF-Gefangene im offenen Vollzug vorgesehen (FT) Sachsen SDJ 4 ist möglich (Day-for-day-Prinzip) Sachsen-Anhalt nicht vorgesehen ? Schleswig-Holstein FT (jeweils ein FT in den 4 LG-Bezirken) Modellprojekt Kiel

Ziele der Gemeinnützigen Arbeit Richterliche Sanktion i.S. einer ambulanten Sanktion durchsetzen Damit: Haft und ihre schädlichen/negativen Folgen für die Verurteilten und ggf. Angehörige vermeiden Unnötige Kosten für Freiheitsentzug sparen (ca. 25 € pro Tag!) G. A. als symbolische Wiedergutmachung gegenüber der Gesellschaft (restorative justice) Vorbereitung auf das Arbeitsleben Soziale Integration/Legalbewährung

4. Erfahrungen im Erwachsenenstrafrecht 4.1 Klientel der Gemeinnützigen Arbeit Hohe Anteile besonders und zumeist mehrfach problembelasteter Verurteilter Ca. 75% vorbestraft, davon die Hälfte mit Hafterfahrung, Alkohol- bzw. Suchtmittelmissbrauch (> 60%), Arbeitslosigkeit, (> 75%, davon 2/3 länger als ein Jahr), Arbeitsentwöhnung/Fehlendes Durchhaltevermögen, geringes Arbeitseinkommen bzw. Sozialhilfeabhängigkeit (> 50% SGB II) , hohe Verschuldung, Obdachlosigkeit, Krankheit, psychische Erkrankungen (nach Konrad 2004: ca. 40%) Soziale Isolierung (ca. 65% leben allein ohne familiäre Bindung)

4. 2. Modellprojekte und deren Implementation 4.2 Modellprojekte und deren Implementation (Beispiel Projekt „Ausweg“ in M.-V.) Modellphase 1998-2001

4.3 Erfolge In der Modellphase gelang der Umbau der Struk-turen vom Rechtspfleger-/Gerichtshilfemodell zu einem Modell freier Träger in allen 4 Landgerichts-bezirken (in einem Bezirk zusammen mit den SDJ) Steigerung der Arbeitseinsatzstellen von 500 auf 1600 (flächendeckend auch in ländlichen Gebieten) Ca. 70 Einsatzstellen mit besonderer Betreuung (Vergütung nach Fachleistungsstundenmodell) Steigerung der Vermittlung von Arbeitsvermitt-lungen um mehr als das Doppelte Die Zahl der stichtagsbezogen inhaftierten Geld-strafenschuldner sank auf etwa die Hälfte (ca. 50-60 Haftplätze wurden eingespart)

Erledigung von Vermittlungsaufträgen Projekt „Ausweg“ M.-V. Sofortige Zahlung nach Anordnung ESF 3% Ratenzahlung 12% Vollständige Ableistung G. A. 51% Teilweise G. A. und Ratenzahlung 8% Gesamt: Erfolg 74% Teilweise G. A. und Abbruch 9% Misserfolg (nicht angetreten) 11% Sonstige Erledigung (Unzuständigkeit, Einbezie- hung der GS, Tod, dauerhafte Krankheit, Ausweisung des GS-Schuldners etc. 6% Anm.: Vor Beginn des Modellprojekts hatten ca. 60% die Maßnahme abgebrochen oder nicht angetreten.

Kosten und Nutzen des Projekts „Ausweg“ in Mecklenburg-Vorpommern   Jahr Haushaltsansatz/verfügbare Fördersumme in € Vermiedene Hafttage Tageshaft- kostensatz in €* (eines Geldstrafen-schuldners während der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe) Einsparungen für den Landeshaushalt in € (Multiplikation der vermiedenen Hafttage mit dem jeweiligen Hafttagessatz) 2002 303.957,50 31.430 23,95 752.748,50 2003 303.377,92 61.890 23,41 1.448.844,90 2004 352.847,26 92.103 23,33 2.148.762,99 2005 343.670,63 122.406 24,09 2.948.760,54 2006 383.500,00 98.846 23,80 2.352.534,80 2007 390.000,00 91.178 21,46 1.956.679,88 2008 446.000,00 88.637 1.902.150,02 2009 67.004 21,48 1.439.245,92 2010 75.417 1.616.957,16 2011 * Der Tageshaftkostensatz berücksichtigt anteilig Ausgaben für: Gesundheitsfürsorge für Gefangene, Gefangenenbeförderung, Verpflegung, Sonstige Ausgaben für Gefangenenpflege, Unterbringung, Bekleidung und Reinigungsbedarf, Entlassungsbeihilfen, Arbeitsentgelte, Ausbildungsbeihilfen sowie Arbeitslosenversicherungsbeiträge.

Erfolge Ähnliche Erfolge wie in M.-V. gibt es in anderen Projekten Je nach Berechnungsart 3-10-facher Nutzen i. V. zum Kostenaufwand für die Vermittlung und Betreuung! Interessant auch die Studien zur Zufriedenheit der Arbeit Leistenden (Schwarz 2006) und der Arbeitseinsatzstellen (Lehnert 2005): Die Arbeit Leistenden gaben überwiegend positive Lern-effekte an (60-ca. 75%: lerne mehr Verantwortung zu übernehmen, gewinne Selbstvertrauen, kann meinen Tagesablauf besser planen) Die Einsatzstellen waren in ihrem Urteil verhaltener und überwiegend mit der Arbeitsleistung, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit etc. nur „teils/teils“ zufrieden. Eine echte Arbeitsentlastung wurde in ca. 40% der Fälle berichtet.

5. Probleme der G. A. und Perspektiven der Weiterentwicklung Trotz deutlicher Verbesserungen und vermehrter Haftvermeidung können nicht alle GS-Schuldner erreicht und die ESF nicht ganz vermieden werden Stagnation in den letzten 10 Jahren Was kann man im Vollzug verbessern? Vollstreckung der ESF im offenen Vollzug (positive Beispiele: Berlin, Saarland, M.-V., NS, NRW) G.A. aus dem offenen Vollzug heraus

Was kann bei der Vermittlung bzgl Was kann bei der Vermittlung bzgl. der Erreichbar-keit von GS-Schuldnern verbessert werden? Die Modelle der Einschaltung Freier Träger haben sich bewährt SDJ erfolgreich, wenn G.A. von schwerpunktmäßig für die Aufgabe abgestellten Bewährungshelfern vermittelt wird (Beispiel Stralsund/M.-V.). Scout-System in Berlin (aufsuchende Sozialarbeit) ist eine sinnvolle Ergänzung bisheriger Ansätze (vgl. Cornel ISI-Bericht) Kombination G. A. mit Eingliederungsmaßnahmen der Job-Center in einer Einsatzstelle Gruppenarbeit und andere ergänzende Angebote für G. A. Leistende

Problem Gemeinnützigkeit Qualitätssicherung der G.A. durch gesetzliche Vorgaben fehlt bislang! (auch nicht bzgl. Einsatzstellen) Europäische Menschenrechtsstandards verbieten erniedrigende und rein profitorientierte Arbeiten Rec (1992) 16 zu Community Sanctions or Measures (CSM) Rec (2008) 11, European Rules for Juveniles Subject to Sanctions or Measures (ERJOSSM) Beispiele erniedrigender Arbeiten: Chain-gangs, Arbeiten in Bergwerken, stigmatisierendes Outfit von G.A. Leistenden (z.B. orangene Uniformen)

Problem Gemeinnützigkeit (2) Wann sind Arbeiten gemeinnützig? Wenn der Träger gemeinnützig ist? Art. 293 EGStGB: Die Arbeit muss unentgeltlich sein und darf nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen. Durch G. A. wird kein Arbeitsverhältnis i. S. d. Arbeitsrechts begründet. Organisationsbezogene Definition der Gemeinnützigkeit (vgl. Abgabenordnung) Es kommen demgemäß nur kommunale, staatliche, kirchli-che und anerkannte gemeinnützige Einrichtungen in Betracht Ungereimtheiten: im Strafrecht sind gemeinnützige Einrichtungen bzgl. § 153a StPO nur gemeinnützige Vereine Im Sozialrecht: Tätigkeitsbezogener Begriff der Gemeinnützigkeit (SGB II, d. h. Arbeitsergebnis ist maßgebend)

5.1 G. A. als Einstieg in berufliche Beschäftigungsverhältnisse? Ziel aller strafrechtlichen Sanktionen ist die Legalbewäh-rung und soziale Integration Das Potenzial der G. A. könnte in einem Einstieg in dauerhafte berufliche Beschäftigungsverhältnisse liegen Nach der Untersuchung von Lehnert (2005) gelang aller-dings nur in 15% der Fälle eine Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis Lösung: Kooperation mit Job-Center? Die Geldstrafen betragen in aller Regel weniger als 90 TS, d. h. G.A. ist eine Kurzzeitintervention, die noch keine tiefgreifenden Verhaltens-änderungen erzielen kann (z.B. Entwicklung sozialer Kompetenzen im Arbeitsverhalten und. bzgl. des Durchhaltevermögens), aber die Erprobung und ein Start für den Einstieg in ein längerfristiges Arbeitsverhältnis wäre möglich.

5.2 G. A. als Mittel dauerhafter sozialer Integration? Im Rahmen der G.A. können aber – basierend auf einer Eingangsdiagnostik bei Annahme des Vermittlungsauftrags – Anschlussmaßnahmen vermittelt und Perspektiven in Richtung sozialer Integration entwickelt werden) Es genügt nicht, Probleme im Arbeitsverhalten zu beheben. Angesichts der multiplen Problemlagen kann nur ein um-fassender sozialintegrativer Ansatz erfolgversprechend für eine dauerhafte soziale Integration sein. Ist dieser noch durch das richterliche Urteil gedeckt? Hier werden unabhängig von strafrechtlicher Sanktionierung die allgemeinen sozialen Hilfesysteme relevant : Zusammenarbeit mit ARGEN, psychosozialen Beratungsstellen etc.

5.3 G. A. zur Haftvermeidung auch bei anderen Strafen? Referentenentwurf 2000: G.A. zur Tilgung von FS zur Bewährung bis zu einem Jahr (1 Tag FS = 3 Std. Arbeit) BReg 2003 und 2004: Reform der strafrechtlichen Sanktionensystems: Ersetzung von FS bis zu 6 Monaten durch G. A. Ersetzung von FS zur Bewährung von bis zu 1 J. durch G. A. Erfahrungen im europäischen Ausland: Front-door und Back-door-Strategien CH und F: bis zu 6 Monate FS oder Strafrest durch G. A. ersetzbar.

Reformbedarf Zugang zur ESF erschweren und zur G.A. erleichtern! Dazu hatte der Reg-E 2003/2004 ein Quasi-Wahlrecht im Vorfeld der Anordnung der ESF ermöglichen wollen. G.A. nicht erst nach Anordnung der ESF, sondern bereits wenn Ratenzahlung und andere Maßnahmen der Zahlungserleichterung erkennbar nicht greifen.

Reformbedarf Problem Umrechnungsschlüssel: Es besteht in der Wissenschaft Einigkeit darüber, dass aufgrund des für die Geldstrafe maßgeblichen Netto-prinzips ein Tagessatz mit 3 Std. Arbeit abgegolten sein sollte. Die Tilgungsverordnungen der Länder sehen aber fast ausnahmslos 6 Std. vor! Ferner: Mit einem (6-Std.-)Tag Ersatzfreiheitsstrafe sollten dem-gemäß zwei TS getilgt werden! Damit würde die Zahl von ESF Verbüßenden bereits halbiert! Gnadenweise Lösungen wie zeitweise in Berlin und Baden-Württemberg sind auf Dauer nicht vertretbar und sollten durch gesetzliche oder administrative Normen legalisiert werden!

6. Ausblick – Chancen und Risiken der G. A. Weiterentwicklung zu einer sozialintegrativen ambulanten Sanktion (Vorbild JGG?) Teil einer wiedergutmachenden Strafrechtspflege (Idee der Restorative Justice) (Beispiel: restorative prisons in E/W) Haftvermeidung i.S. einer Front-door- und Back-door-Variante Risiken: Verkümmerung zu einer rein repressiven Sanktion ohne sozialintegratives Potential (negative Spezialprävention; schlechtes Beispiel: teilweise Praxis des JGG?)

http//jura.uni-greifswald.de/duenkel Vielen Dank!  Prof. Dr. Frieder Dünkel duenkel@uni-greifswald.de http//jura.uni-greifswald.de/duenkel Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Lehrstuhl für Kriminologie Domstr. 20, D-17487 Greifswald/Deutschland Tel.: 03834-862138