Vorlesung Sommersemester 2017:

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Vorlesung Sommersemester 2017: Geschichte der deutschen Literatur II: Goethezeit. Goethe und der Sturm und Drang

Der anbrechende „Sturm und Drang“ als eine „Geniezeit“ Christoph Kaufmann (1753-1795), der „Genieapostel“, benennt 1776 Friedrich Maxmilian Klingers Drama Wirrwarr spontan um in: Sturm und Drang.

Entdeckung der ‚nordischen‘ als der anti-klassischen Traditionen: Heinrich Wilhelm von Gerstenberg aus Iduna (1767) Alle Ströme Valholls umrauschten, Fürchterlich umbrauste mich und erhaben Des Himmels Ozean. […] Ich habe den Schlaf der Alfen gesehn Am Busen des Windes; Gehört des Raben Kriegsgesang, Und den Hammer Thors, und den Waffenregen Um die Wagenburg Valholls […].

Klopstock, aus An meine Freunde (1747) Willst du zu Strophen werden, o Lied? oder Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich, Gleich Zeus‘ erhabnem trunknem Sohne, Frei aus der schaffenden Seel enttaumeln? […] Dein Priester wartet. Klopstock, aus Wingolf (1767) Willst du zu Strophen werden, o Haingesang? Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich, Gleich Ullers Tanz auf Meerkristalle, Frei aus der Seele des Dichters schweben? […] Dein Barde wartet.

Individualisierung, Subjektivierung, Emotionalisierung des Glaubens: der „Pietismus“ Subjektivität der Bibellektüre und Biblizismus Kirchenkritik, Anti-Orthodoxie (Gottfried Arnolds Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie, um 1700) Überkonfessionalität (protestantischer Ursprung und Konvergenz mit katholischer Mystik: Mme. Guyon) praxis pietatis (so Philipp Jacob Spener, ähnlich Graf Zinzendorf) Mission zum ‚wahren’ Christentum und ekstatische „Aussprache“ Gemeindeorientierung mit Gefahr der Separatismen und Sekten (Zinzendorf und die Herrnhuter „Brüdergemeine“ / „Brüder-Unität“, die „Losungen“; Schwärmer-Gruppen etwa um die chiliastischen Sektenführer Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen, um Johann Friedrich Rock (dazu U.-M. Schneider) u. a. Selbstbeobachtung und neue Autobiographik (Johann Henrich Reitz’ Historie der Wiedergebohrnen, hg. von H.-J. Schrader) neue Ausdrucksformen des frommen Gefühls (dazu August Langen) Hallenser Pietismus: Schematisierung der pietistischen Vita

Der „Göttinger Hainbund“ als Dichtergruppe des Sturm und Drang Hier fanden wir einen kleinen Eichengrund, und sogleich fiel uns allen ein, den Bund der Freundschaft unter diesen heiligen Bäumen zu schwören. Wir umkränzten die Hüte mit Eichenlaub, legten sie unter den Baum, und faßten uns alle bey den Händen, und tanzten so um den eingeschloßenen Stamm herum; riefen den Mond und die Sterne zu Zeugen unseres Bundes an, und ver-sprachen uns eine ewige Freundschaft. (12. September 1772, Weende; Johann Heinrich Voss)

Physiognomik: Die Entdeckung des individuellen Gesichts als Schriftzeichen einer „Sprache der Natur“ „Ich verspreche nicht (denn solches zu versprechen wäre Torheit und Unsinn) das tausendbuchstäbige Alphabet zur Entzifferung der unwillkührlichen Natursprache im Antlitze, und dem ganzen Äußerlichen des Menschen, oder auch nur der Schönheiten und Vollkommenheiten des menschlichen Gesichtes zu liefern; aber doch einige Buchstaben dieses göttlichen Alphabets so leserlich vorzuzeichnen, dass jedes gesunde Auge dieselbe wird finden und erkennen können, wo sie ihm wieder vorkommen. Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe. Zürich 1775-1778

Lichtenbergs bekannteste Parodie: Fragment von Schwänzen. Ein Beitrag zu den Physiognomi- schen Fragmenten ist fast Schwanz-Ideal. Germanischer, eiserner Elater im Schaft; Adel in der Fahne; offensiv-liebende Zärtlichkeit in der Rose; aus der Richtung fletscht Philistertod und unbezahltes Konto. Durchaus mehr Kraft als Besonnenheit…. (6) Sicherlich entweder junger Kater oder junger Tiger mit einem Haar-Übergewicht zum letztern.

Erste Begegnung Lavaters mit Goethe 1774 „Bist‘s?“ „Bin‘s!“

Johann Gottfried Herder: Die Reise ins Offene Tagebuch meiner Reise im Jahr 1769 Den 23. Mai reisete ich aus Riga ab und den 25. 5. ging ich in See, um ich weiß nicht wo-hin? zu gehen. … Auf der Erde ist man an einen toten Punkt angeheftet; und in den eng-en Kreis der Situation eingeschlossen. … Nun trete man einmal heraus, oder vielmehr … werde man herausgeworfen – welche eine andere Aussicht! Wo ist das feste Land, auf dem ich so feste stand? … Gespielen und Gespielinnen meiner Jugendjahre, was werde ich euch zu sagen haben, wenn ich euch wieder sehe und euch über die Dunkelheit erleuchte, die mir selbst noch anhing! … und so ward ich Philosoph auf dem Schiffe … unter einem Maste auf dem weiten Ozean sitzend, über Himmel, Sonne, Sterne, Mond, Luft, Wind, Meer, Regen, Strom, Fisch, Seegrund philosophieren, und die Physik alles dessen, aus sich herausfinden zu können. Philosoph der Natur, das sollte dein Standpunkt sein, mit dem Jünglinge, den du unterrichtest!

Goethe, Von deutscher Baukunst 1772 …soll ich nicht ergrimmen, heiliger Erwin [von Steinbach], wenn der deutsche Kunstgelehrte, auf Hören-sagen neidischer Nachbarn, seinen Vorzug verkennt, dein Werk mit dem unverstandnen Worte gotisch ver-kleinert. Da er Gott danken sollte, laut verkündigen zu können, das ist deut-sche Baukunst, unsre Baukunst, da der Italiener sich keiner eignen rühmen darf, viel weniger der Franzos.

Goethe und Herder in Straßburg (und Sessenheim), 1770/71 (Volks-) Poesie als Natursprache des Menschen

Johann Gottfried Herder Tagebuch meiner Reise 1769 Über den Ursprung der Sprache 1770 Shakespeare / Ossian 1773 Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit 1774 Stimmen der Völker in Liedern (2 Bände) 1778/79 Ebräische Poesie 1782 „Popular Songs“: „Volkslieder“ Herder (Brief): „Zu unsern Zeiten wird soviel von Liedern für Kinder gesprochen: wollen Sie ein älteres deutsches hören? […] ‚Es sah‘ ein Knab‘ ein Röslein stehn / Ein Röslein auf der Heiden. / Er sah, es war so frisch und schön / Und blieb stehn, es anzusehn / Und stand in süßen Freuden.‘ Ich suppliere diese Reihe nur aus dem Gedächtnis […] Ist das nicht Kinderton?“

(geschrieben neben Herder in Straßburg) Sah ein Knab‘ ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, War so jung und morgenschön, Lief er schnell es nah zu sehn, Sah's mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Heiden. Knabe sprach: ich breche dich, Röslein auf der Heiden! Röslein sprach: ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich, Und ich will‘s nicht leiden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Heiden. Und der wilde Knabe brach Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihr doch kein Weh und Ach, Mußte es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Heiden. Heidenröslein (geschrieben neben Herder in Straßburg)

Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüten Aus jedem Zweig, Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch, Und Freud und Wonne Aus jeder Brust. O Erd o Sonne O Glück o Lust! O Lieb’ o Liebe, So golden schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höhn; Du segnest herrlich Das frische Feld, Im Blütendampfe Die volle Welt. O Mädchen Mädchen, Wie lieb ich dich! Wie blinkt dein Auge! Wie liebst du mich! So liebt die Lerche Gesang und Luft, Und Morgenblumen Den Himmels Duft, Wie ich dich liebe Mit warmen Blut, Die du mir Jugend Und Freud und Mut Zu neuen Liedern, Und Tänzen gibst! Sei ewig glücklich Wie du mich liebst! Maifest (1771)

Anthony Earl of Shaftesbury: A Letter concerning Enthusiasm (ins Deutsche übersetzt von Goethes Freund Johann Heinrich Merck) „Nature is […] the universal One.“ „The poet is a second maker, a just Prometheus under Jove.“

Prometheus (1772/74) Bedecke deinen Himmel Zeus Mit Wolkendunst! Und übe Knaben gleich Der Disteln köpft An Eichen dich und Bergeshöhn! Musst mir meine Erde Doch lassen stehn, Und meine Hütte Die du nicht gebaut, Und meinen Herd Um dessen Glut Du mich beneidest.

Ich kenne nichts ärmers Unter der Sonn als euch Götter. Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern Und Gebetshauch Eure Majestät; Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Toren. Da ich ein Kind war, Nicht wusst wo aus wo ein, Kehrt mein verirrtes Aug Zur Sonne, als wenn drüber wär Ein Ohr zu hören meine Klage Ein Herz wie meins Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider Der Titanen Übermut Wer rettete vom Tode mich Von Sklaverei? Hast du’s nicht alles selbst vollendet Heilig glühend Herz Und glühtest jung und gut Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden dadroben Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen Hast du die Tränen gestillet Je des Geängsteten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal Meine Herrn und deine.

Wähntest du etwa Ich sollt das Leben hassen, In Wüsten fliehn, Weil nicht alle Knabenmorgen Blütenträume reiften? Hier sitz ich, forme Menschen Nach meinem Bilde Ein Geschlecht das mir gleich sei Zu leiden, weinen Genießen und zu freuen sich Und dein nicht zu achten Wie ich.

Correggio, Die Entführung des Ganymed

Ganymed Wie im Morgenrot Du rings mich anglühst Frühling Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herz drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl Unendliche Schöne [: ‚Schönheit‘]! Dass ich dich fassen möcht In diesen Arm! Ach an deinem Busen Lieg ich, schmachte, Und deine Blumen dein Gras Drängen sich an mein Herz. Du kühlst den brennenden

Durst meines Busens Lieblicher Morgenwind! Ruft drein die Nachtigall Liebend nach mir aus dem Nebelthal. Ich komme! Ich komme! Wohin? Ach wohin? Hinauf hinauf strebt’s! Es schweben die Wolken Abwärts die Wolken, Neigen sich der sehnenden Liebe. Mir! Mir In eurem Schoße Aufwärts! Umfangend umfangen! Aufwärts An deinem Busen Allliebender Vater!