Wirkstoffentwicklung durch strukturbasiertes Design Medizinalchemie Dr. Andri Schütz
Definitionen Ligand: (kleines) Molekül, welches an ein biologisches Makromolekül (z.B. Enzym) bindet Inhibitor: Ligand, der die Bindung des Substrats an ein Enzym verhindert IC50 Wert: Inhibitorkonzentration (in M, mM, μM, nM), bei welcher ein Enzym zu 50% «gebremst» wird. Analogie: Ligand Inhibitor: Versinnbildlichung am Beispiel Zugwagen, Mitfahrende. Inhibitor: Kontrolleur: Der Wagen ist gesperrt. Sie können nicht einsteigen. H.-J. Böhm, G. Klebe, H. Kubinyi, Wirkstoffdesign, Spektrum, 2002.
Proteine bestehen aus Aminosäuren-Ketten
Das Beispiel Myoglobin – ein Muskelprotein (Aminosäurenkette) Zusätzliche Moleküle (hier Porphin mit gebundenem O2) Ein Sulfat-Ion oder Phosphat-Ion
Beispiel Myoglobin – ein Muskelprotein
Ziel des strukturbasierten Ligandendesigns Werkzeug für die Entwicklung von medizinischen Wirkstoffen. Liganden/Inhibitor-Entwicklung. Liganden müssen selektiv und mit hoher Affinität an ein definiertes Zielenzym binden, und dadurch dessen Funktion beeinflussen. Ligand Zielenzym anderes Biomolekül/Enzym Ligand bindet selektiv
Das Schlüssel—Schloss-Prinzip Emil Fischer (Nobelpreis 1902) Schloss Schlüssel Schlüssel—Schloss-Komplex Was sind die Folgen, wenn der Ligand kein «guter Schlüssel» ist?
Was ist ein Enzym? Enzyme sind Biokatalysatoren. Sie beschleunigen chemische Reaktionen und ermöglichen so die Synthese aller benötigten „Bausteine“ eines biologischen Systems. Enzyme sind in der Regel Proteine, bestehen also aus einer langen Aufeinanderfolge von miteinander verbundenen Aminosäuren. Enzym Substrat Übergangszustand bildet sich aus Enzym Substrat bindet an Enzym Substrat Substrat Reaktion findet statt Enzym Produkte Produkte verlassen das Enzym Enzym Produkte
Wie funktioniert ein Inhibitor? Inhibitoren binden an die aktive Tasche eines Enzyms und blockieren damit die enzymatische Reaktion. Enzym Enzym Inhibitor bindet ans Enzym Substrat kann nicht ans Enzym binden Inhibitor Inhibitor Inhibitor Substrat Reaktion findet nicht statt Enzym Produkte
Das Schlüssel—Schloss-Prinzip Emil Fischer (Nobelpreis 1902) Schloss Schlüssel Schlüssel—Schloss-Komplex + Enzym Inhibitor Enzym—Inhibitor-Komplex
Einen Schlüssel herzustellen,… ... ohne das Schloss zu kennen, ist schwer!
Der Designzyklus von Liganden Zielenzym Kristallstruktur Designter Ligand Synthetisierter Ligand Biologisch aktive Moleküle (Assaydaten) Ligandendesign (Computer) Strukturaufklärung Assay Synthese Krankheit „Biologie“ Klinische Studien, Medikamente
Strategien im strukturbasierten Ligandendesign Derivate des Substrats oder in der Natur vorkommender Liganden (Chemie) de-novo-Design (noch keine Liganden bekannt) (Computer & Chemie) Strukturen aus 3D-Datenbank-Suche (Computer) Strukturen aus Screening-Hits (Chemie) z.B. Fragment screening: Fragmente weiterentwickeln, verknüpfen, optimieren IC 50: IC50-Wert: Konzentration des Inhibitors, welche das Enzym zu 50% inhibiert/verlangsamt.
Projekt: Malaria/Plasmepsine Malaria: eine Tropenkrankheit (auch “Sumpffieber”) Der Erreger: Plasmodium Die Enzyme: Plasmepsine 1–4 Was machen Plasmepsine??? Chlorochin-Resistenz Sulfadoxin-Pyrimethamin-Resistenz
Projekt: Malaria/Plasmepsine IC50-Wert: Konzentration des Inhibitors, welche das Enzym zu 50% inhibiert/verlangsamt. IC50 = 50 nM “Diaminnadel”
Aminosäuren (21 natürlich vorkommende AS)
Projekt: Malaria/Plasmepsine IC50 = 50 nM “Diaminnadel”
Übungsaufgabe: Inhibitordesign Sie arbeiten auf dem Plasmepsin-Projekt als Student und diskutieren mit einem Kollegen über “Ihre” aktive Tasche und die zwischenmolekularen Kräfte zwischen ihrem Inhibitor (rot) und dem Enzym (schwarz) Der eine Kollege schlägt Ihnen vor, anstelle der Hexylgruppe einen Ether einzuführen. Was entgegnen Sie? Wichtiger Punkt: Wasserstoffbrücke ansprechen Mögliche Diskussionspunkte: Intermolekulare WW Partitionierung zwischen Enzym und Wasser Affinität und Selektivität Haben Sie einen besseren Vorschlag anstelle des Ethers?
Aufgabe: Resistenzen Mögliche Diskussionspunkte: Sterische Aspekte Ihr Inhibitor wird in Afrika als Antimalariawirkstoff eingesetzt. Plötzlich wird durch Ärzte festgestellt, dass das Medikament viel weniger zu wirken scheint. (= Entwicklung einer Resistenz). Ein Biologenteam untersucht die Erreger, gegen welche Ihr Wirkstoff schlechter wirkt und erklärt Ihnen, dass eine Mutation der Aminosäure Valin82 zu Tyrosin in der aktiven Tasche gefunden wurde. Wie erklären Sie sich die schlechtere Inhibition und wie würden sie die Seitenkette ihres Inhibitors anpassen, um diese Resistenz «umgehen» zu können? Mögliche Diskussionspunkte: Sterische Aspekte Platzverhältnisse in einer Enzymtasche Zwischenmolekulare WW WW zu Wasser
Zusatzaufgabe: Selektive Bindung? ATP (AdenosinTriPhosphat) ist eine chemische Speicherform für Energie. Durch die Umwandlung von ATP zu ADP (AdenosinDiPhospat) im Körper können andere (endotherme/ungünstige) Reaktionen ablaufen. Das veränderte ATP wird als Inhibitor für Bakterienwachstum im Labor verwendet. Kann γ-S-ATP als Medikament gegen eine bakterielle Infektion eingesetzt werden?